Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 329/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3847/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erhebt Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. in M. (N.-O.-Kreis).
Der am 1933 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner. Zunächst trat er am 30. September 2003 eine stationäre Maßnahme in der Vertragsfachklinik der Beklagten A. in P. an. Vorrangige Diagnosen waren rezidivierende Depression, psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom. Diese Kur wurde seitens der Klinik zum 11. Oktober 2003 beendet, da im Haus P. diese Störungen nicht therapierbar gewesen seien. Die nächste von der Beklagten bewilligte Maßnahme fand sodann vom 22. März bis 26. April 2005 in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. statt. Einweisungsdiagnosen waren (vgl. Abschlussbericht Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 28. April 2005) chronisch depressive Anpassungsstörung, chronische Bronchitis bei Nikotinabusus, Ulcus-duodeni-Leiden, degenerative Skeletterkrankung, Varikosis beidseits, Polyglobulie und Amblyopie. Der Kläger sei in insgesamt gebessertem Allgemeinbefinden entlassen worden.
Am 11. März 2009 beantragte der Kläger eine neue Heilmaßnahme in derselben Klinik. Der behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. N. wiederholte in seiner Verordnung vom 20. März 2009 die Diagnosen aus dem zitierten Entlassungsbericht. Dr. W. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in K. erstattete für die Beklagte das Gutachten vom 04. Juni 2009. Aus den vorhandenen Unterlagen gehe die Notwendigkeit einer neuen stationären Leistung nicht plausibel hervor. Die Mobilität des Klägers sei nicht so stark eingeschränkt, dass er ambulante Leistungen nicht ausreichend in Anspruch nehmen könnte. Die Behandlung müsse auch nicht unter ständiger ärztliche Aufsicht erfolgen. Es bestehe auch kein erhöhter Hilfe- und Pflegebedarf durch geschultes Pflegepersonal. Die psychische Verfassung erfordere nicht den schützenden und strukturgebenden Rahmen einer stationären Einrichtung. Die Möglichkeiten ambulanter Therapie seien noch nicht ausgeschöpft. Die Möglichkeiten einer aktiven Therapie wie Funktionstraining/Rehabilitationssport sollten erwogen und gegebenenfalls in Eigenregie fortgeführt werden. Auch Psychotherapie könne im Rahmen einer stationären Maßnahme allenfalls initial erfolgen. Nach alledem sei die ambulante vertragsärztliche Versorgung vorrangig gegenüber der beantragten Leistung. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 08. Juni 2009 die Bewilligung einer stationären Leistung ab.
Der Kläger erhob Widerspruch. Mehrere Ärzte befürworteten die gewünschte Kur. Inzwischen habe er zusätzlich Gichtanfälle. Nach nunmehr vier Jahren habe er Anspruch auf eine neue Kur. Er legte den Arztbrief des Neurologen Dr. H. vom 27. Juli 2009 vor, er leide unter depressiven Verstimmungszuständen und wünsche sich eine erneute stationäre Behandlung in W. bei Oberarzt Dr. S., zu dem er Vertrauen habe. Ein erneuter stationärer Aufenthalt in W. sei auch zur Stabilisierung der emotionalen Instabilität und Rückfallprophylaxe der Alkoholproblematik sinnvoll. Dr. Sc. vom MDK erstattete das Gutachten vom 21. August 2009. Er wiederholte die Darlegungen des Dr. W. im Gutachten vom 04. Juni 2009. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2010 zurück. Beide Gutachter des MDK hätten übereinstimmend bestätigt, dass derzeit ambulante Behandlung ausreiche.
Mit der am 26. Januar 2010 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er habe letztmals vor über vier Jahren eine Kur in Anspruch genommen. Sein Hausarzt Dr. N. befürworte eine neue Maßnahme. Oberarzt Dr. S. habe ihn in W. seinerzeit gut betreut. Seine Beschwerden wolle er nicht jedem anvertrauen. Dass man ihn 2003 nach P. geschickt habe, sei verfehlt gewesen. Anschließend habe man ihn noch in eine "Irrenanstalt" gesteckt. Der Kläger legte eine von ihm verfasste Broschüre über seine Lebenserinnerungen "Ein verpfuschtes Leben" vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte ein neues Gutachten des Dr. Sc. vom 9. Juni 2010 vor, in dem dieser im Wesentlichen seine Darlegungen aus dem Gutachten vom 21. August 2009 wiederholte. Es sei dabei zu verbleiben, dass die Möglichkeiten ambulanter Behandlung am Wohnort noch nicht ausgeschöpft seien. Der Kläger habe in den letzten zwölf Monaten (vor Juni 2010) keine ambulanten Heilmittel in Anspruch genommen.
Das SG zog den Abschlussbericht des Dr. G. vom 28. April 2005 bei und befragte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Neurologe und Psychiater Dr. H. legte in der Aussage vom 26. März 2010 dar, der Kläger sei am 27. Juli 2009 letztmals in Behandlung gewesen; er wünsche sich zur psychischen Stabilisierung und Vermeidung einer Rückfallgefährdung bei Suchtanamnese die stationäre Maßnahme in der Klinik W., dem Hause seines Vertrauens. Allgemeinarzt Dr. N. äußerte in der Aussage vom 10. Mai 2010, es erfolge hausärztliche Behandlung, u.a. hausärztliche Gesprächstherapie im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung, und in größeren Abständen nervenärztliche Mitbehandlung. Die stationäre Maßnahme sei initiiert wegen Vielzahl und Schwere der Erkrankungen, die ständige ärztliche Betreuung und Aufsicht, ein breit gefächertes Therapieangebot, zeitweise Entlastung und Distanzierung vom sozialen Umfeld erforderten, während für ambulante Maßnahmen mangelnde Belastbarkeit und Gefährdung bestehe. Dr. N. legte noch die Arztbriefe des Neurologen Dr. H. vom 24. Juni 2003, vom 10. Dezember 2004 und 04. Februar 2008 bei.
Durch Gerichtsbescheid vom 21. Juli 2010 wies das SG die Klage ab. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Nachweis nicht zu erbringen sei, ambulante Krankenbehandlung reiche nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Der Kläger habe offenbar nach dem 27. Juli 2009 keine nervenärztliche Behandlung mehr in Anspruch genommen. Dass er seine Beschwerden nicht jedem anvertrauen wolle, reiche für den Anspruch auf eine stationäre Maßnahme nicht aus. Schließlich finde auch keine fachärztliche, insbesondere orthopädische Behandlung statt und Heilmittel seien weder verordnet noch in Anspruch genommen worden.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30. Juli 2010 beim SG Berufung eingelegt. Es sei unverständlich, weshalb die Empfehlungen des Oberarztes Dr. S. nicht anerkannt würden. W. sei die einzigst geeignete Klinik. Ambulant werde er sich keinesfalls behandeln lassen. Er benötige die Behandlung in der psychosomatischen Spezialklinik.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2010 zu verurteilen, ihm eine stationäre Rehabilitationsleistung in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen weiterhin für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, kann in der Sache keinen Erfolg haben. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 21. Juli 2010 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2010 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine neue stationäre Rehabilitationsleistung in der Klinik Schloss W ...
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V umfasst der Krankenbehandlungsanspruch auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V gilt: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs. 2 (SGB V) beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 (SGB V) besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, durch wohnortnahe Einrichtungen. Reicht die Leistung nach Abs. 1 nicht aus, erbringt gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a Neuntes Buch Sozialgesetzbuchs (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 (SGB V) besteht. Gemäß dem zitierten § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte (auch) Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltsichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.
Diese Voraussetzungen der begehrten Leistung sind im Falle des Klägers nicht erfüllt , weil die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung nicht ausgeschöpft sind und der Kläger diese zumindest teilweise nicht wahrnimmt.
Der Kläger und seine behandelnden Ärzte beziehen sich im jetzigen Verfahren auf die Diagnosen im Entlassungsbericht des Arztes Dr. G. vom 28. April 2005 zum Abschluss der damaligen Maßnahme. Es handelte sich um chronisch depressive Anpassungsstörung, chronische Bronchitis bei Nikotinabusus, Ulcus-duodeni-Leiden, degenerative Skeletterkrankung, Varikosis beidseits, Polyglobulie und Amblyopie. Hinzu kommen vom Kläger jetzt genannte Gichtanfälle sowie ein nicht auszuschließender Rückfall einer Alkoholerkrankung. Inwieweit bereits die damalige Maßnahme vom 22. März bis 26. April 2005 erforderlich im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen war, ist hier nicht zu entscheiden. Übereinstimmend haben die Gutachter des MDK Dr. W. (Gutachten vom 04. Juni 2009) und Dr. Sc. (Gutachten im Widerspruchsverfahren vom 21. August 2009) plausibel dargelegt, dass keine der bekannten Störungen die Bewilligung einer stationären Leistung erfordere, weil die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung nicht ausgeschöpft sind.
Dieser medizinischen Einschätzung - wiederholt von Dr. Sc. unter dem 09. Juni 2010 - folgt der Senat. Es erfolgt im Wesentlichen hausärztliche Behandlung durch Allgemeinarzt Dr. N., an fachärztlicher Behandlung erfolgt nur gelegentlich nervenärztliche Mitbehandlung durch Neurologen und Psychiater Dr. H ... Dies ergibt sich aus der Zeugenaussage des Allgemeinarztes Dr. N. vom 10. Mai 2010. Bestätigt wird dies durch den Vortrag des Klägers, er werde sich keinesfalls ambulant behandeln lassen, sowie zum anderen durch den Vortrag der Beklagten, der Kläger habe keine (verordneten) Heilmittel in Anspruch genommen. Die erforderliche ambulante Behandlung ist damit auch nur ansatzweise nicht durchgeführt. Zur Intensivierung der ambulanten Behandlung kommen insbesondere die von Dr. W. und Dr. Sc. in ihrem Gutachten genannten ambulanten Behandlungsmaßnahmen in Betracht.
Indem der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. H. in der Zeugenaussage vom 26. März 2010 darlegt, der Kläger wünsche sich zur psychischen Stabilisierung und zur Vermeidung einer Rückfallgefährdung die stationäre Maßnahme im Hause seines Vertrauens, werden hierdurch die gesetzlichen Voraussetzungen einer Notwendigkeit der Maßnahme nicht begründet. Immerhin war der Kläger zuletzt am 27. Juli 2009, also neun Monate zuvor, letztmals in Behandlung gewesen, was für eine mangelnde Ausschöpfung etwa notwendiger psychiatrischer Behandlung spricht. Ebenso wenig vermag die Empfehlung des Allgemeinarztes Dr. N. in der Zeugenaussage vom 10. Mai 2010 die Notwendigkeit einer stationären Maßnahme zu begründen. Allein Vielzahl und Schwere der Erkrankungen begründen für sich nicht die Erforderlichkeit der Maßnahme. Dass eine solche ein breit gefächertes Therapieangebot, eine zeitweise Entlastung und Distanzierung vom sozialen Umfeld mit sich brächten, entbindet nicht vom Versuch, ambulante Maßnahmen in Wohnortnähe besser auszuschöpfen. Dass der Kläger zum damals behandelnden Oberarzt Dr. S. Vertrauen habe, begründet für sich ebenfalls nicht die Notwendigkeit einer stationären Maßnahme. Schließlich hat bereits das SG zutreffend dargelegt, dass die Verschleißerscheinungen des Bewegungsapparates gegebenenfalls einer orthopädischen Behandlung bedürften, die ebenfalls ambulant möglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erhebt Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. in M. (N.-O.-Kreis).
Der am 1933 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner. Zunächst trat er am 30. September 2003 eine stationäre Maßnahme in der Vertragsfachklinik der Beklagten A. in P. an. Vorrangige Diagnosen waren rezidivierende Depression, psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom. Diese Kur wurde seitens der Klinik zum 11. Oktober 2003 beendet, da im Haus P. diese Störungen nicht therapierbar gewesen seien. Die nächste von der Beklagten bewilligte Maßnahme fand sodann vom 22. März bis 26. April 2005 in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. statt. Einweisungsdiagnosen waren (vgl. Abschlussbericht Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 28. April 2005) chronisch depressive Anpassungsstörung, chronische Bronchitis bei Nikotinabusus, Ulcus-duodeni-Leiden, degenerative Skeletterkrankung, Varikosis beidseits, Polyglobulie und Amblyopie. Der Kläger sei in insgesamt gebessertem Allgemeinbefinden entlassen worden.
Am 11. März 2009 beantragte der Kläger eine neue Heilmaßnahme in derselben Klinik. Der behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. N. wiederholte in seiner Verordnung vom 20. März 2009 die Diagnosen aus dem zitierten Entlassungsbericht. Dr. W. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in K. erstattete für die Beklagte das Gutachten vom 04. Juni 2009. Aus den vorhandenen Unterlagen gehe die Notwendigkeit einer neuen stationären Leistung nicht plausibel hervor. Die Mobilität des Klägers sei nicht so stark eingeschränkt, dass er ambulante Leistungen nicht ausreichend in Anspruch nehmen könnte. Die Behandlung müsse auch nicht unter ständiger ärztliche Aufsicht erfolgen. Es bestehe auch kein erhöhter Hilfe- und Pflegebedarf durch geschultes Pflegepersonal. Die psychische Verfassung erfordere nicht den schützenden und strukturgebenden Rahmen einer stationären Einrichtung. Die Möglichkeiten ambulanter Therapie seien noch nicht ausgeschöpft. Die Möglichkeiten einer aktiven Therapie wie Funktionstraining/Rehabilitationssport sollten erwogen und gegebenenfalls in Eigenregie fortgeführt werden. Auch Psychotherapie könne im Rahmen einer stationären Maßnahme allenfalls initial erfolgen. Nach alledem sei die ambulante vertragsärztliche Versorgung vorrangig gegenüber der beantragten Leistung. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 08. Juni 2009 die Bewilligung einer stationären Leistung ab.
Der Kläger erhob Widerspruch. Mehrere Ärzte befürworteten die gewünschte Kur. Inzwischen habe er zusätzlich Gichtanfälle. Nach nunmehr vier Jahren habe er Anspruch auf eine neue Kur. Er legte den Arztbrief des Neurologen Dr. H. vom 27. Juli 2009 vor, er leide unter depressiven Verstimmungszuständen und wünsche sich eine erneute stationäre Behandlung in W. bei Oberarzt Dr. S., zu dem er Vertrauen habe. Ein erneuter stationärer Aufenthalt in W. sei auch zur Stabilisierung der emotionalen Instabilität und Rückfallprophylaxe der Alkoholproblematik sinnvoll. Dr. Sc. vom MDK erstattete das Gutachten vom 21. August 2009. Er wiederholte die Darlegungen des Dr. W. im Gutachten vom 04. Juni 2009. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2010 zurück. Beide Gutachter des MDK hätten übereinstimmend bestätigt, dass derzeit ambulante Behandlung ausreiche.
Mit der am 26. Januar 2010 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er habe letztmals vor über vier Jahren eine Kur in Anspruch genommen. Sein Hausarzt Dr. N. befürworte eine neue Maßnahme. Oberarzt Dr. S. habe ihn in W. seinerzeit gut betreut. Seine Beschwerden wolle er nicht jedem anvertrauen. Dass man ihn 2003 nach P. geschickt habe, sei verfehlt gewesen. Anschließend habe man ihn noch in eine "Irrenanstalt" gesteckt. Der Kläger legte eine von ihm verfasste Broschüre über seine Lebenserinnerungen "Ein verpfuschtes Leben" vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte ein neues Gutachten des Dr. Sc. vom 9. Juni 2010 vor, in dem dieser im Wesentlichen seine Darlegungen aus dem Gutachten vom 21. August 2009 wiederholte. Es sei dabei zu verbleiben, dass die Möglichkeiten ambulanter Behandlung am Wohnort noch nicht ausgeschöpft seien. Der Kläger habe in den letzten zwölf Monaten (vor Juni 2010) keine ambulanten Heilmittel in Anspruch genommen.
Das SG zog den Abschlussbericht des Dr. G. vom 28. April 2005 bei und befragte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Neurologe und Psychiater Dr. H. legte in der Aussage vom 26. März 2010 dar, der Kläger sei am 27. Juli 2009 letztmals in Behandlung gewesen; er wünsche sich zur psychischen Stabilisierung und Vermeidung einer Rückfallgefährdung bei Suchtanamnese die stationäre Maßnahme in der Klinik W., dem Hause seines Vertrauens. Allgemeinarzt Dr. N. äußerte in der Aussage vom 10. Mai 2010, es erfolge hausärztliche Behandlung, u.a. hausärztliche Gesprächstherapie im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung, und in größeren Abständen nervenärztliche Mitbehandlung. Die stationäre Maßnahme sei initiiert wegen Vielzahl und Schwere der Erkrankungen, die ständige ärztliche Betreuung und Aufsicht, ein breit gefächertes Therapieangebot, zeitweise Entlastung und Distanzierung vom sozialen Umfeld erforderten, während für ambulante Maßnahmen mangelnde Belastbarkeit und Gefährdung bestehe. Dr. N. legte noch die Arztbriefe des Neurologen Dr. H. vom 24. Juni 2003, vom 10. Dezember 2004 und 04. Februar 2008 bei.
Durch Gerichtsbescheid vom 21. Juli 2010 wies das SG die Klage ab. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Nachweis nicht zu erbringen sei, ambulante Krankenbehandlung reiche nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Der Kläger habe offenbar nach dem 27. Juli 2009 keine nervenärztliche Behandlung mehr in Anspruch genommen. Dass er seine Beschwerden nicht jedem anvertrauen wolle, reiche für den Anspruch auf eine stationäre Maßnahme nicht aus. Schließlich finde auch keine fachärztliche, insbesondere orthopädische Behandlung statt und Heilmittel seien weder verordnet noch in Anspruch genommen worden.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30. Juli 2010 beim SG Berufung eingelegt. Es sei unverständlich, weshalb die Empfehlungen des Oberarztes Dr. S. nicht anerkannt würden. W. sei die einzigst geeignete Klinik. Ambulant werde er sich keinesfalls behandeln lassen. Er benötige die Behandlung in der psychosomatischen Spezialklinik.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2010 zu verurteilen, ihm eine stationäre Rehabilitationsleistung in der Psychosomatischen Klinik Schloss W. zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen weiterhin für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, kann in der Sache keinen Erfolg haben. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 21. Juli 2010 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2010 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine neue stationäre Rehabilitationsleistung in der Klinik Schloss W ...
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V umfasst der Krankenbehandlungsanspruch auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V gilt: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs. 2 (SGB V) beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 (SGB V) besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, durch wohnortnahe Einrichtungen. Reicht die Leistung nach Abs. 1 nicht aus, erbringt gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a Neuntes Buch Sozialgesetzbuchs (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 (SGB V) besteht. Gemäß dem zitierten § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte (auch) Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltsichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.
Diese Voraussetzungen der begehrten Leistung sind im Falle des Klägers nicht erfüllt , weil die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung nicht ausgeschöpft sind und der Kläger diese zumindest teilweise nicht wahrnimmt.
Der Kläger und seine behandelnden Ärzte beziehen sich im jetzigen Verfahren auf die Diagnosen im Entlassungsbericht des Arztes Dr. G. vom 28. April 2005 zum Abschluss der damaligen Maßnahme. Es handelte sich um chronisch depressive Anpassungsstörung, chronische Bronchitis bei Nikotinabusus, Ulcus-duodeni-Leiden, degenerative Skeletterkrankung, Varikosis beidseits, Polyglobulie und Amblyopie. Hinzu kommen vom Kläger jetzt genannte Gichtanfälle sowie ein nicht auszuschließender Rückfall einer Alkoholerkrankung. Inwieweit bereits die damalige Maßnahme vom 22. März bis 26. April 2005 erforderlich im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen war, ist hier nicht zu entscheiden. Übereinstimmend haben die Gutachter des MDK Dr. W. (Gutachten vom 04. Juni 2009) und Dr. Sc. (Gutachten im Widerspruchsverfahren vom 21. August 2009) plausibel dargelegt, dass keine der bekannten Störungen die Bewilligung einer stationären Leistung erfordere, weil die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung nicht ausgeschöpft sind.
Dieser medizinischen Einschätzung - wiederholt von Dr. Sc. unter dem 09. Juni 2010 - folgt der Senat. Es erfolgt im Wesentlichen hausärztliche Behandlung durch Allgemeinarzt Dr. N., an fachärztlicher Behandlung erfolgt nur gelegentlich nervenärztliche Mitbehandlung durch Neurologen und Psychiater Dr. H ... Dies ergibt sich aus der Zeugenaussage des Allgemeinarztes Dr. N. vom 10. Mai 2010. Bestätigt wird dies durch den Vortrag des Klägers, er werde sich keinesfalls ambulant behandeln lassen, sowie zum anderen durch den Vortrag der Beklagten, der Kläger habe keine (verordneten) Heilmittel in Anspruch genommen. Die erforderliche ambulante Behandlung ist damit auch nur ansatzweise nicht durchgeführt. Zur Intensivierung der ambulanten Behandlung kommen insbesondere die von Dr. W. und Dr. Sc. in ihrem Gutachten genannten ambulanten Behandlungsmaßnahmen in Betracht.
Indem der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. H. in der Zeugenaussage vom 26. März 2010 darlegt, der Kläger wünsche sich zur psychischen Stabilisierung und zur Vermeidung einer Rückfallgefährdung die stationäre Maßnahme im Hause seines Vertrauens, werden hierdurch die gesetzlichen Voraussetzungen einer Notwendigkeit der Maßnahme nicht begründet. Immerhin war der Kläger zuletzt am 27. Juli 2009, also neun Monate zuvor, letztmals in Behandlung gewesen, was für eine mangelnde Ausschöpfung etwa notwendiger psychiatrischer Behandlung spricht. Ebenso wenig vermag die Empfehlung des Allgemeinarztes Dr. N. in der Zeugenaussage vom 10. Mai 2010 die Notwendigkeit einer stationären Maßnahme zu begründen. Allein Vielzahl und Schwere der Erkrankungen begründen für sich nicht die Erforderlichkeit der Maßnahme. Dass eine solche ein breit gefächertes Therapieangebot, eine zeitweise Entlastung und Distanzierung vom sozialen Umfeld mit sich brächten, entbindet nicht vom Versuch, ambulante Maßnahmen in Wohnortnähe besser auszuschöpfen. Dass der Kläger zum damals behandelnden Oberarzt Dr. S. Vertrauen habe, begründet für sich ebenfalls nicht die Notwendigkeit einer stationären Maßnahme. Schließlich hat bereits das SG zutreffend dargelegt, dass die Verschleißerscheinungen des Bewegungsapparates gegebenenfalls einer orthopädischen Behandlung bedürften, die ebenfalls ambulant möglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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