Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 151/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 06.07.06 bis zum 31.07.06 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, wobei die an den Lebensgefährten der Antragstellerin in diesem Zeitraum gezahlten steuerfreien Spesenerstattungen nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen sind. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/2.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit ab dem 06.07.06 (Eingang des Eilantrags bei Gericht) bis zum 31.7.2006 und insbesondere darüber, ob die Spesenerstattungen des Arbeitgebers des Lebensgefährten der Antragstellerin als Einkommen bedürftigkeitsmindernd zu berücksichtigen ist.
Die arbeits- und einkommenslose Antragstellerin wurde am 00.00.1964 geboren. Sie lebte bis Ende Juli 2006 mit Kraftfahrer S I unter der Anschrift P-Straße 0 in C in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammen. Zum 01.08.06 zog die Antragstellerin aus der gemeinsamen Wohnung aus. Seither erhält sie (wieder) Leistungen nach dem SGB II von der Antragsgegnerin.
Zuvor waren ihr bereits mit Bescheid vom 07.02.06 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich EUR 525,85 bewilligt worden. Mit Bescheid vom 06.06.2006 nahm die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen an die Antragstellerin nach § 45 Absatz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück. Die Antragstellerin sei unter Berücksichtigung des Einkommens ihres eheähnlichen Lebensgefährten nicht hilfebedürftig. Beim Einkommen des Lebensgefährten seien insbesondere die Spesen, die ihm von seinem Arbeitgeber erstattet würden, als den Bedarf deckendes Einkommen zu berücksichtigen.
Die Antragstellerin legte hiergegen Widerspruch mit Schreiben vom 13.04.2006 ein. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass mit den Spesenerstattungen des Arbeitgebers lediglich tatsächliche Mehrkosten gedeckt und die Spesen auch nur dann erstattet würden, wenn sie bei Herrn I tatsächlich anfielen. Sie würden nicht erstattet im Falle von Krankheit oder Urlaub. Eine unterschiedliche Behandlung von Spesenerstattungen sowohl im Steuer- als auch im Familienrecht einerseits und im Sozialrecht andererseits sei nicht statthaft. Die Einheit der Rechtsordnung gebiete die Gleichbehandlung innerhalb verschiedener Teilbereiche des Rechts. Die steuerfreien Spesenerstattungen seien daher auch im Bereich des SGB II nicht als (zu versteuerndes, unterhaltspflichtiges oder Bedarf deckendes) Einkommen zu berücksichtigen. Im Übrigen sei auch die Einkommensbereinigung durch die Antragsgegnerin nicht zutreffend erfolgt.
Die Antragsgegnerin wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006 zurück. Hiergegen erhob die Antragstellerin unter dem Aktenzeichen S 10 AS 162/06 vor dem Sozialgericht Detmold Klage, die noch anhängig ist.
Die Antragstellerin beantragte am 16.06.06 erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Antragsgegnerin lehnte die Gewährung der Leistungen mit dem angefochtenen Bescheid vom 03.07.2006 ab. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 05.07.2006 Widerspruch ein. Zum einen seien die Freibeträge nach § 30 SGB II bei ihrem Lebensgefährten nicht richtig berechnet worden. Zudem seien die Spesen des Lebensgefährten nicht voll als Einkommen zu berücksichtigen. Die Spesen seien Zweck bestimmt. Sie dienten der Deckung von Verpflegungsmehraufwendungen. Hierfür würden sie auch verwandt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Zuschlag gemäß § 24 SGB II nicht lediglich dann zu gewähren sei, wenn ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe. Vielmehr sei der Zuschlag nach § 24 Absatz 1 SGB II bereits bei der Ermittlung des Bedarfs zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 06.07.2006, eingegangen beim Gericht am selben Tag, beantragt die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nachdem sie die Leistungen zunächst zeitlich unbefristet begehrte, begehrt die Antragstellerin die Leistungen - nach Gewährung von Leistungen durch die Antragsgegnerin für die Zeit ab dem 1.8.2006 - nur noch für den Zeitraum von der Antragstellung am 06.07. bis zum 31.7.2006. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen und ihre Argumentation im Verwaltungsverfahren. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, da sie nicht krankenversichert sei und auch ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Einkünften oder den Einkünften des Lebensgefährten sicherstellen könne. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin seien die konkreten Mehraufwendungen durch den Lebensgefährten nicht im Einzelnen nachzuweisen. Mit der Vorschrift des § 11 SGB II solle kein bürokratisches Monstrum erschaffen werden. Vielmehr sei die rechtliche Bewertung im Steuerrecht zu berücksichtigen. Steuerfreie Spesenerstattungen seien danach nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Ihren Vortrag macht die Antragstellerin durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, wobei der an Herrn I gezahlte Verpflegungsmehraufwand nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen ist.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Das Einkommen von Herrn I sei zutreffend bereinigt worden. Der Zuschlag nach § 24 SGB II sei lediglich zu gewähren, falls tatsächlich ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe. Auf die inzwischen erfolgte sprachliche Klarstellung durch den Gesetzgeber im Rahmen des § 19 SGB II in der Fassung vom 01.08.2006 werde hingewiesen. Die Verpflegungsmehraufwendungen des Lebensgefährten seien entgegen der Auffassung der Antragstellerin als Einkommen zu berücksichtigen. Belege, dass die erstatteten Mehraufwendungen tatsächlich angefallenen seien, seien von Herrn I trotz entsprechender Aufforderung bisher nicht vorgelegt worden. Mehraufwendungen könnten sich im Übrigen, wenn überhaupt, nur auf die Verpflegung beziehen, nicht aber auf Beherbergungskosten oder Telefonkosten. Zwecks Beherbung könne die Fahrerkabine des Lkws benutzt werden. Ein Telefon werde vom Arbeitgeber gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der dessen Sach und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG – Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist – soweit dem Antrag stattgegeben wurde - sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund für die Zeit vom 06.07.06 (Eingang des Antrags bei Gericht) bis zum 31.07.06 durch die Antragstellerin glaubhaft gemacht.
Nach § 7 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die - wie die Antragstellerin - das 15. Lebensjahr vollendet und das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 9 Absatz 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Die Hilfebedürftigkeit der arbeits- und einkommenslosen Antragstellerin wird durch das zu berücksichtigende Einkommen des Lebensgefährten, des Herrn I, für den hier noch streitigen Zeitraum dem im Juli 2006 gemindert. Nicht gemindert wird sie jedoch durch den vom Arbeitgeber des Lebensgefährten gezahlten steuerfreien Verpflegungszuschuss.
Der Verpflegungsmehraufwandzuschuss dient nämlich einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II. Der erstattete Verpflegungsmehraufwand soll nach seiner Zweckbestimmung nicht die Sicherstellung der Ernährung des Lebensgefährten gewährleisten. Diesen Zweck verfolgt sein Erwerbseinkommen. Die Erstattung des Verpflegungsmehraufwandes als Lkw-Fahrer stellt hingegen sicher, dass der Arbeitnehmer keinen Nachteil dadurch erleidet, dass er aus betrieblichen Gründen länger als acht Stunden vom Wohnort abwesend ist und sich so nur unter erschwerten Bedingungen und in der Regel teuer verpflegen kann. Für die Verpflegung bei längeren heimatfernen Aufenthalten ist ein erhöhter finanzieller Aufwand nachvollziehbar. Dabei soll mit den steuerfreien Spesenerstattungen nur der das Gewöhnliche übersteigende jeweilige Mehraufwandsanteil ausgeglichen werden. Darin deckt sich der Mehraufwand nicht mit den Leistungen des SGB II. Die Erforderlichkeit eines Verpflegungszuschusses hat auch der Gesetzgeber gesehen. Daher hat er den Bezug von Verpflegungsmehraufwandzuschüssen steuerlich zumindest in bestimmter Höhe begünstigt, um eine Benachteiligung der betroffenen Arbeitnehmer gegenüber anderen zu vermeiden. Es ist hier auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung hinzuwirken, um eine Rechtszersplitterung zu vermeiden. Es ist daher sachgerecht, die steuerrechtlichen Bezüge bei der Betrachtung des SGB II zu berücksichtigen. Die Antragstellerin wird durch den Verpflegungszuschuss nicht so gut gestellt, dass Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären. Ihr Lebensgefährte erhält für Tage, an denen er länger als acht Stunden von seinem Wohnort entfernt ist 5,50 EUR pauschal. Dieser Betrag liegt unter dem steuerlich begünstigte Pauschalbetrag, vgl. § 4 Abs. 5 Nr. 5c EStG. Der Gesetzgeber hat den Betrag von sechs Euro als regelmäßig erforderlich angesehen für eine heimatferne Verpflegung. Damit erfolgt in diesem Rahmen auch keine Besserstellung der Antragstellerin und ihres ehemaligen Lebensgefährten, weil davon ausgegangen werden kann, dass dieser Pauschbetrag auch aufgebraucht wird bzw. wurde für die Verpflegung des Herrn I. Aufgrund der Pauschalierung durch den Gesetzgeber bedarf es der von der Antragsgegnerin verlangten konkreten Darlegung und Belegung der Mehraufwendungen nicht. Diese Auffassung wird auch durch den Umstand gestützt, dass hierdurch die bisher zum Recht der früheren Arbeitslosenhilfe ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf Aufwandsentschädigungen entsprechend weitergeführt wird (BSG, Urteil vom 23.07.1998, AZ.: B 11 AL 3/98 R = SozR 3-4100 § 138 Nr. 11). Die Übertragung der ergangenen Rechtsprechung zur Arbeitslosenhilfe wird von der Literatur vorgeschlagen (Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, § 11, RN. 226; vgl. zum ganzen auch Urteil des SG Detmold vom 22.06.2006, S 7 (8) AS 152/05).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Berechnung der Freibeträge und die Bereinigung des Einkommens durch die Antragsgegnerin im Übrigen zutreffend erfolgt, § 11 Abs. 2 und § 30 SGB II.
Auch die Berücksichtigung des Zuschlags nach § 24 SGB II kann lediglich dann erfolgen, wenn ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach besteht. Der Anspruch kann sich somit nicht erst unter Berücksichtigung des Zuschlags nach dem SGB II ergeben. Das hat der Gesetzgeber inzwischen in § 19 SGB in der ab dem 01.08.06 geltenden Gesetzesfassung klargestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183 und 193 SGG.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit ab dem 06.07.06 (Eingang des Eilantrags bei Gericht) bis zum 31.7.2006 und insbesondere darüber, ob die Spesenerstattungen des Arbeitgebers des Lebensgefährten der Antragstellerin als Einkommen bedürftigkeitsmindernd zu berücksichtigen ist.
Die arbeits- und einkommenslose Antragstellerin wurde am 00.00.1964 geboren. Sie lebte bis Ende Juli 2006 mit Kraftfahrer S I unter der Anschrift P-Straße 0 in C in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammen. Zum 01.08.06 zog die Antragstellerin aus der gemeinsamen Wohnung aus. Seither erhält sie (wieder) Leistungen nach dem SGB II von der Antragsgegnerin.
Zuvor waren ihr bereits mit Bescheid vom 07.02.06 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich EUR 525,85 bewilligt worden. Mit Bescheid vom 06.06.2006 nahm die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen an die Antragstellerin nach § 45 Absatz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück. Die Antragstellerin sei unter Berücksichtigung des Einkommens ihres eheähnlichen Lebensgefährten nicht hilfebedürftig. Beim Einkommen des Lebensgefährten seien insbesondere die Spesen, die ihm von seinem Arbeitgeber erstattet würden, als den Bedarf deckendes Einkommen zu berücksichtigen.
Die Antragstellerin legte hiergegen Widerspruch mit Schreiben vom 13.04.2006 ein. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass mit den Spesenerstattungen des Arbeitgebers lediglich tatsächliche Mehrkosten gedeckt und die Spesen auch nur dann erstattet würden, wenn sie bei Herrn I tatsächlich anfielen. Sie würden nicht erstattet im Falle von Krankheit oder Urlaub. Eine unterschiedliche Behandlung von Spesenerstattungen sowohl im Steuer- als auch im Familienrecht einerseits und im Sozialrecht andererseits sei nicht statthaft. Die Einheit der Rechtsordnung gebiete die Gleichbehandlung innerhalb verschiedener Teilbereiche des Rechts. Die steuerfreien Spesenerstattungen seien daher auch im Bereich des SGB II nicht als (zu versteuerndes, unterhaltspflichtiges oder Bedarf deckendes) Einkommen zu berücksichtigen. Im Übrigen sei auch die Einkommensbereinigung durch die Antragsgegnerin nicht zutreffend erfolgt.
Die Antragsgegnerin wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006 zurück. Hiergegen erhob die Antragstellerin unter dem Aktenzeichen S 10 AS 162/06 vor dem Sozialgericht Detmold Klage, die noch anhängig ist.
Die Antragstellerin beantragte am 16.06.06 erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Antragsgegnerin lehnte die Gewährung der Leistungen mit dem angefochtenen Bescheid vom 03.07.2006 ab. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 05.07.2006 Widerspruch ein. Zum einen seien die Freibeträge nach § 30 SGB II bei ihrem Lebensgefährten nicht richtig berechnet worden. Zudem seien die Spesen des Lebensgefährten nicht voll als Einkommen zu berücksichtigen. Die Spesen seien Zweck bestimmt. Sie dienten der Deckung von Verpflegungsmehraufwendungen. Hierfür würden sie auch verwandt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Zuschlag gemäß § 24 SGB II nicht lediglich dann zu gewähren sei, wenn ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe. Vielmehr sei der Zuschlag nach § 24 Absatz 1 SGB II bereits bei der Ermittlung des Bedarfs zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 06.07.2006, eingegangen beim Gericht am selben Tag, beantragt die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nachdem sie die Leistungen zunächst zeitlich unbefristet begehrte, begehrt die Antragstellerin die Leistungen - nach Gewährung von Leistungen durch die Antragsgegnerin für die Zeit ab dem 1.8.2006 - nur noch für den Zeitraum von der Antragstellung am 06.07. bis zum 31.7.2006. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen und ihre Argumentation im Verwaltungsverfahren. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, da sie nicht krankenversichert sei und auch ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Einkünften oder den Einkünften des Lebensgefährten sicherstellen könne. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin seien die konkreten Mehraufwendungen durch den Lebensgefährten nicht im Einzelnen nachzuweisen. Mit der Vorschrift des § 11 SGB II solle kein bürokratisches Monstrum erschaffen werden. Vielmehr sei die rechtliche Bewertung im Steuerrecht zu berücksichtigen. Steuerfreie Spesenerstattungen seien danach nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Ihren Vortrag macht die Antragstellerin durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, wobei der an Herrn I gezahlte Verpflegungsmehraufwand nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen ist.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Das Einkommen von Herrn I sei zutreffend bereinigt worden. Der Zuschlag nach § 24 SGB II sei lediglich zu gewähren, falls tatsächlich ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe. Auf die inzwischen erfolgte sprachliche Klarstellung durch den Gesetzgeber im Rahmen des § 19 SGB II in der Fassung vom 01.08.2006 werde hingewiesen. Die Verpflegungsmehraufwendungen des Lebensgefährten seien entgegen der Auffassung der Antragstellerin als Einkommen zu berücksichtigen. Belege, dass die erstatteten Mehraufwendungen tatsächlich angefallenen seien, seien von Herrn I trotz entsprechender Aufforderung bisher nicht vorgelegt worden. Mehraufwendungen könnten sich im Übrigen, wenn überhaupt, nur auf die Verpflegung beziehen, nicht aber auf Beherbergungskosten oder Telefonkosten. Zwecks Beherbung könne die Fahrerkabine des Lkws benutzt werden. Ein Telefon werde vom Arbeitgeber gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der dessen Sach und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG – Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist – soweit dem Antrag stattgegeben wurde - sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund für die Zeit vom 06.07.06 (Eingang des Antrags bei Gericht) bis zum 31.07.06 durch die Antragstellerin glaubhaft gemacht.
Nach § 7 SGB II erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die - wie die Antragstellerin - das 15. Lebensjahr vollendet und das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 9 Absatz 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Die Hilfebedürftigkeit der arbeits- und einkommenslosen Antragstellerin wird durch das zu berücksichtigende Einkommen des Lebensgefährten, des Herrn I, für den hier noch streitigen Zeitraum dem im Juli 2006 gemindert. Nicht gemindert wird sie jedoch durch den vom Arbeitgeber des Lebensgefährten gezahlten steuerfreien Verpflegungszuschuss.
Der Verpflegungsmehraufwandzuschuss dient nämlich einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II. Der erstattete Verpflegungsmehraufwand soll nach seiner Zweckbestimmung nicht die Sicherstellung der Ernährung des Lebensgefährten gewährleisten. Diesen Zweck verfolgt sein Erwerbseinkommen. Die Erstattung des Verpflegungsmehraufwandes als Lkw-Fahrer stellt hingegen sicher, dass der Arbeitnehmer keinen Nachteil dadurch erleidet, dass er aus betrieblichen Gründen länger als acht Stunden vom Wohnort abwesend ist und sich so nur unter erschwerten Bedingungen und in der Regel teuer verpflegen kann. Für die Verpflegung bei längeren heimatfernen Aufenthalten ist ein erhöhter finanzieller Aufwand nachvollziehbar. Dabei soll mit den steuerfreien Spesenerstattungen nur der das Gewöhnliche übersteigende jeweilige Mehraufwandsanteil ausgeglichen werden. Darin deckt sich der Mehraufwand nicht mit den Leistungen des SGB II. Die Erforderlichkeit eines Verpflegungszuschusses hat auch der Gesetzgeber gesehen. Daher hat er den Bezug von Verpflegungsmehraufwandzuschüssen steuerlich zumindest in bestimmter Höhe begünstigt, um eine Benachteiligung der betroffenen Arbeitnehmer gegenüber anderen zu vermeiden. Es ist hier auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung hinzuwirken, um eine Rechtszersplitterung zu vermeiden. Es ist daher sachgerecht, die steuerrechtlichen Bezüge bei der Betrachtung des SGB II zu berücksichtigen. Die Antragstellerin wird durch den Verpflegungszuschuss nicht so gut gestellt, dass Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären. Ihr Lebensgefährte erhält für Tage, an denen er länger als acht Stunden von seinem Wohnort entfernt ist 5,50 EUR pauschal. Dieser Betrag liegt unter dem steuerlich begünstigte Pauschalbetrag, vgl. § 4 Abs. 5 Nr. 5c EStG. Der Gesetzgeber hat den Betrag von sechs Euro als regelmäßig erforderlich angesehen für eine heimatferne Verpflegung. Damit erfolgt in diesem Rahmen auch keine Besserstellung der Antragstellerin und ihres ehemaligen Lebensgefährten, weil davon ausgegangen werden kann, dass dieser Pauschbetrag auch aufgebraucht wird bzw. wurde für die Verpflegung des Herrn I. Aufgrund der Pauschalierung durch den Gesetzgeber bedarf es der von der Antragsgegnerin verlangten konkreten Darlegung und Belegung der Mehraufwendungen nicht. Diese Auffassung wird auch durch den Umstand gestützt, dass hierdurch die bisher zum Recht der früheren Arbeitslosenhilfe ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung in Bezug auf Aufwandsentschädigungen entsprechend weitergeführt wird (BSG, Urteil vom 23.07.1998, AZ.: B 11 AL 3/98 R = SozR 3-4100 § 138 Nr. 11). Die Übertragung der ergangenen Rechtsprechung zur Arbeitslosenhilfe wird von der Literatur vorgeschlagen (Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, § 11, RN. 226; vgl. zum ganzen auch Urteil des SG Detmold vom 22.06.2006, S 7 (8) AS 152/05).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Berechnung der Freibeträge und die Bereinigung des Einkommens durch die Antragsgegnerin im Übrigen zutreffend erfolgt, § 11 Abs. 2 und § 30 SGB II.
Auch die Berücksichtigung des Zuschlags nach § 24 SGB II kann lediglich dann erfolgen, wenn ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach besteht. Der Anspruch kann sich somit nicht erst unter Berücksichtigung des Zuschlags nach dem SGB II ergeben. Das hat der Gesetzgeber inzwischen in § 19 SGB in der ab dem 01.08.06 geltenden Gesetzesfassung klargestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183 und 193 SGG.
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