L 10 P 7/11 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 17 P 110/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 P 7/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 10.12.2010 geändert. Die Antragsgegnerinnen werden vorläufig, im Wege einer Einstweiligen Anordnung, verpflichtet, die Warnhinweise und die Sortierung nach Risikokriterien zu der Veröffentlichung des Transparenzberichts der Pflegeeinrichtung der Antragstellerin im Internet unter der Website www.aok-pflegeheimnavigator.de zu unterlassen. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen für das Verfahren vor dem Sozialgericht die Antragstellerin ¼, die Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen ¾ und für das Beschwerdeverfahren die Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen insgesamt. Der Streitwert wird sowohl für das Verfahren vor dem Sozialgericht, als auch für das Beschwerdeverfahren auf jeweils 5000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Art und Weise der Veröffentlichung eines Transparenzberichts durch die Antragsgegnerinnen.

Die Antragstellerin betreibt eine zugelassene vollstationäre Pflegeeinrichtung, bei der am 23.11.2009 durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen Westfalen-Lippe (MDK) eine Qualitätsprüfung nach den §§ 114 ff des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) durchgeführt wurde. Der auf Grundlage des Prüfberichts erstellte sog. Transparenzbericht, gegen den die Antragstellerin keine Einwände erhob, wurde gemäß § 115 Abs. 1a SGB XI durch die Landesverbände der Pflegekassen u.a. im Internet veröffentlicht.

Die Veröffentlichung erfolgte durch die Antragsgegnerin zu 2) über eine von der Antragsgegnerin zu 1) zur Verfügung gestellte Internetplattform. Insoweit ist die Antragsgegnerin zu 2), gemeinsam mit den weiteren Landesverbänden der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1). Die Antragsgegnerin zu 1) unterstützt nach dem Gesellschaftsvertrag ihre Gesellschafter bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und der Wahrnehmung ihrer Interessen. In ihrer Funktion als Landesverbände der Pflegekassen haben die AOK s als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) diese damit beauftragt, eine Veröffentlichungsmöglichkeit für die Transparenzberichte zu gestalten. In Erfüllung dieses Auftrags hat die Antragsgegnerin zu 1) die technischen Voraussetzungen für eine Veröffentlichung der Transparenzberichte im Internet durch die Landesverbände der AOK in der Gestalt geschaffen, dass sie die Homepage "www.aok-pflegeheimnavigator.de" (Pflegeheimnavigator) zur Verfügung stellt. Die Antragsgegnerin zu 1) ist dementsprechend laut Impressum des Pflegeheimnavigators gemeinsam mit ihren Gesellschafterinnen für diesen verantwortlich. Der technische Betrieb erfolgt durch die D GmbH. Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsverhältnisses der Antragsgegnerin zu 1) zur Antragsgegnerin zu 2) wird auf den im Beschwerdeverfahren in Auszügen übermittelten Gesellschaftsvertrag Bezug genommen.

Die Veröffentlichung der Transparenzberichte im sog. Pflegeheimnavigator wird wie folgt vorgenommen:

Nachdem man die Website unter www.aok-pflegeheimnavigator.de aufgerufen hat, erscheint eine Suchmaske, bei der primär eine Gemeinde/Stadt oder eine Postleitzahl sowie der Umkreis, in dem gesucht werden soll, eingegeben werden kann. Geht man dementsprechend vor, erscheinen alle Pflegeheime zum angegebenen Ort bzw. zur angegebenen Postleitzahl. Macht man jedoch in der Ausgangssuchmaske von der Möglichkeit Gebrauch, die Suche dahingehend einzuschränken, nur Einrichtungen mit MDK-Transparenzbericht anzeigen zu lassen, erweitert sich die Suchmaske auf die Möglichkeit der Bewertung nach sog. "wichtigen Risikofaktoren aus dem MDK-Transparenzbericht"; diese sind: Dekubitus (07); Dekubitus (10); Nahrungsversorgung (14); Ernährungszustand (15); Flüssigkeitsversorgung (17); Flüssigkeitsversorgung (18); Inkontinenz (23); Sturzprophylaxe (26) und Kontraktur (28). Zu den genannten Risikofaktoren werden jeweils erläuternde Fragen aufgeführt, so beispielsweise zum Risikofaktor Dekubitus (07): "Werden erforderliche Dekubitusprophylaxen durchgeführt?". Es besteht die Möglichkeit, einen der genannten Risikofaktoren auszuwählen; die Suche nach der Pflegeeinrichtung erfolgt dann anhand dieses Risikofaktors. Insofern werden zwar weiterhin alle im Umkreis vorhandenen Pflegeheime mit MDK-Transparenzbericht angezeigt, diese werden jedoch in eine Rangfolge gestellt, die der Bewertung des genannten Risikofaktors im Transparenzbericht entspricht. So erscheint das insofern am besten bewertete Heim an erster Stelle. Bei dem Risikofaktor Dekubitus (07) wird beispielsweise auf die Bewertung des Transparenzkriteriums 7 des Qualitätsbereichs 1 im Sinne der Anlage 1 zur Pflege-Transparenzvereinbarung stationär (PTVS) vom 17.12.2008 und der dort vergebenen Einzelnote abgestellt. Der Begriff des Risikofaktors wird auf einer anderen Darstellungsebene durch einen weiteren Link ("nähere Informationen") erläutert. Öffnet man diesen Link, erscheint auf der zweiten Darstellungsebene ein sog. "Hinweis zur Sortierung nach Risikofaktoren" mit folgendem Text:

"Genau hinschauen. Zwischen den Pflegekassen und den Pflegeheimen ist vereinbart, dass alle Aspekte der Qualität in Pflegeheimen gleich gewichtet werden. Das hat zur Folge, dass solche pflegerischen Faktoren nicht auf Anhieb erkennbar sind, die für die Gesundheit des Heimbewohners von besonderer Bedeutung sind ("Risikofaktoren").

Für die Beurteilung der Risikofaktoren eines Pflegeheims betrachten Sie die Benotung der Risikofaktoren im Bereich "Pflege und medizinische Versorgung".

Dazu können Sie die in diesem Bereich enthaltenen "Risikofaktoren" jeweils aufsteigend (mit der besten Note beginnend) oder absteigend (mit der schlechtesten Note beginnend) sortieren.

Wenn sie weitere Informationen zu den Risikofaktoren wünschen, folgen sie bitte nachstehendem Link (mehr Informationen).

Mit dieser Auswahlmöglichkeit wird Ihnen die Wahl ihres Pflegeheimes vermutlich erleichtert."

Bezüglich der Einrichtung der Antragstellerin erschien bei Wahl des Risikofaktors "Dekubitus - werden erforderliche Dekubitusprophylaxen durchgeführt?" (so seinerzeit die - nunmehr geänderte - Bezeichnung des Risikofaktors im Pflegeheimnavigator) in der Darstellung auf der nächsten Darstellungsebene die Einrichtung mit voller Anschrift sowie Pflegeplätzen ab Pflegestufe I und dem gegenwärtigen Pflegesatz pro Tag sowie der Note 5.0 (Mangelhaft) für den Risikofaktor "Dekubitus - wird Dekubitus vermieden?" und der Note 0.0 (nicht bewertet) für den Risikofaktor "Dekubitus - Behandlung gemäß aktuellem Wissenstand?".

Am 18.10.2010 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Detmold den Erlass einer Einstweiligen Anordnung beantragt, mit der sie sich gegen die Veröffentlichung ihres Transparenzberichts in der Art gewendet hat, wie sie über die Veröffentlichungsplattform der Antragsgegnerinnen geschieht, also mittels der Möglichkeit der Sortierung nach Risikokriterien sowie dem dargestellten Warnhinweis. Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, für diese konkrete Form der Veröffentlichung im Internet gebe es keine Ermächtigungsgrundlage. Die von den Antragsgegnerinnen vorgenommene neue Sortierung des Transparenzberichts nach Risikokriterien führe zu einem Reputationsschaden der Einrichtung der Antragstellerin, die im Bereich "Pflege und medizinische Versorgung" die Note 3,6 erhalten habe. In § 1 der PTVS seien die Kriterien im Qualitätsbereich abschließend aufgeführt. Die Kriterien der Veröffentlichung seien in der nach § 1 Abs. 1 ergangenen Anlage 1 abschließend aufgelistet. § 1 Abs. 2 lege abschließend die maßgeblichen Kriterien in den Qualitätsbereichen Pflege und medizinische Versorgung, Umgang mit demenzkranken Bewohnern, soziale Betreuung und Alltagsgestaltung, Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene und Befragung der Bewohner fest; weitere Risikofaktoren, wie jetzt von den Antragsgegnerinnen in die Veröffentlichung mit aufgenommen, seien nicht geregelt. § 5 PTVS berechtige die Antragsgegnerin nicht, den Transparenzbericht mit Warnhinweisen zu versehen und nach Risikofaktoren zu sortieren. Vielmehr habe die Darstellung bundesweit einheitlich auf zwei Darstellungsebenen zu erfolgen. Auf der ersten dürften nur die Prüfungsergebnisse der genannten Qualitätsbereiche, das Gesamtergebnis sowie mögliche Ergebnisse gleichwertiger Prüfungen erscheinen, auf der zweiten Darstellungsebene die Prüfergebnisse zu einzelnen Bewertungskriterien. Das System der Veröffentlichung der Transparenzberichte sei durch § 115 Abs. 1a SGB XI iVm der PTVS abschließend geregelt. Für einen eigenen Bewertungsmaßstab der Antragsgegnerinnen bleibe kein Platz.

Die Antragstellerin hat zudem den Erlass eines sog. Hängebeschlusses beantragt.

Sie hat sich mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zunächst nicht nur gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2), sondern auch gegen die anderen Landesverbände der Pflegekassen in Westfalen-Lippe (BKK-Landesverband, Signal-Iduna, IKK, Landwirtschaftliche Pflegekasse NRW, Knappschaft und Verband und Ersatzkassen e.V.) gewandt. Soweit erkennbar, hat sie dieses Vorbringen nicht aufrecht erhalten. Mit Schriftsatz vom 15.11.2010 hat sie ausgeführt "auf jeden Fall" solle sich der Beschluss gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) richten; allerdings hat sie mit gleichem Schriftsatz ihre Auffassung kundgetan, dass auch der BKK-Landesverband Nordwest passiv legitimiert sei.

Nachdem das SG zunächst - mit berichtigtem Hängebeschluss vom 20.10.2010 in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 26.11.2010 - die Warnhinweise und die Sortierung nach Risikokriterien zur Veröffentlichung des Transparenzberichts der Pflegeeinrichtung im Internet untersagt hatte, hat es mit Beschluss vom 10.12.2010 den Antrag der Antragstellerin abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Darstellung des Transparenzberichts der Einrichtung der Antragstellerin im AOK-Pflegeheimnavigator im Internet verstoße nicht gegen die PTVS. Die Darstellung halte sich exakt an die Vorgaben der §§ 1 und 5 PTVS. Soweit auf der Internetseite der Antragsgegnerinnen eine Sortierfunktion hinsichtlich bestimmter Kriterien eingerichtet sei, handele es sich um eine weitere Möglichkeit für die Versicherten, sich gezielt über bestimmte Kriterien zu informieren; diese stehe gleichwertig neben anderen Informationsmöglichkeiten. Die Darstellung anderer Prüfergebnisse werde hierdurch weder verschleiert noch eingeschränkt. Es handele sich um eine besonders benutzerfreundlich ausgestaltete Suchmöglichkeit. Auch die Auswahl der Kriterien für diese Suchfunktion sei sachlich begründet. Sie gehe zurück auf die zur Evaluation der Transparenzvereinbarungen im Abschlussbericht über die "quantitive und qualitative Auswertung der Transparenzergebnisse der medizinischen Dienste für die stationäre und ambulante Pflege" ausgewählten weiteren Kriterien. Darüber hinaus fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin habe keine wesentlichen Nachteile geltend gemacht; die Befürchtung eines Reputationsschadens reiche hierfür nicht aus.

Nachdem die Antragsgegnerinnen gegen den Hängebeschluss in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses Beschwerde eingelegt hatten, hat die Antragstellerin gegen den am 21.12.2010 zugestellten Beschluss vom 10.12.2010 am 10.01.2011 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und weist insbesondere darauf hin, das SG habe nicht ausreichend beachtet, dass bereits in dem Moment, in dem der Nutzer ein oder mehrere Einrichtungen mit Transparenzbericht abrufen wolle, der sehr deutliche Warnhinweis erfolge, der in den Vordergrund springe und von der eigentlichen Darstellung der Transparenzberichte abweiche. Auch habe das SG nicht beachtet, dass die Formulierungen der Transparenzfragen von der PTVS abwichen.

Die Antragstellerin hat bislang keinen konkreten Beschwerdeantrag gestellt. Sie hat sich inhaltlich gegen die Tatsache, dass das SG im Rubrum des angegriffenen Beschlusses allein die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 2), nicht aber die anderen Landesverbände der Pflegekassen führt, nicht gewandt. Der Senat geht daher davon aus, dass sie der Sache nach beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 10.12.2010 aufzuheben und die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) im Wege einer Einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Warnhinweise und die Sortierung nach Risikokriterien zu der Veröffentlichung des Transparenzberichts der Pflegeeinrichtung der Antragstellerin im Internet unter der Webseite www.aok-pflegeheimnavigator.de zu unterlassen.

Die Antragegnerinnen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Bezüglich der Passivlegitimation der Antragsgegnerin zu 1) haben sie den (in Teilen allerdings geschwärzten) Gesellschaftsvertrag vom 01.01.2009, zuletzt geändert am 15.04.2010, vorgelegt und ergänzend ausgeführt, sie hielten sich beide, insbesondere aufgrund der Regelungen im Gesellschaftsvertrag in Verbindung mit den Vorschriften der §§ 115 SGB XI, 212, 214 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) für passiv legitimiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Rechtsgrundlage für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist § 86b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine Einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Eine stattgebende Eilentscheidung setzt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Hauptsacheverfahrens (Anordnungsanspruch) und für die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) als jeweils eigenständige Voraussetzungen des Anordnungsbegehrens voraus. Hierbei sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund umso höher, je geringer die Erfolgsaussicht ist und umso niedriger, je größer die Erfolgaussicht ist. Wäre ein Hauptsacheverfahren offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund so weit, dass dem Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung in der Regel stattzugeben ist.

Der Senat kommt nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass ein Anordnungsanspruch eindeutig gegeben ist, ein Hauptsacheverfahren offensichtlich begründet wäre. Auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist jedenfalls nicht ersichtlich abwegig.

1. Ein Anordnungsanspruch liegt vor. Eine Klage hätte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache Erfolg, denn die Art und Weise der von den Antragsgegnerinnen vorgenommenen Veröffentlichung des Transparenzberichts der Antragstellerin ist offensichtlich rechtswidrig. Mit der Art und Weise der Veröffentlichung liegt ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektives Recht der Antragstellerin vor.

Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung von Transparenzberichten ist § 115 Abs. 1a SGB XI. Diese Rechtsgrundlage ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht verfassungswidrig und ihre rechtlichen Grenzen sind nicht überschritten (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 15.11.2010, L 10 P 76/10 B ER mwN).

Allerdings ist die Veröffentlichung eines Transparenzberichts gerade im Hinblick auf die Rechtsprechung des Senats (vgl. insbesondere auch Beschluss vom 10.05.2010 - L 10 P 10/10 B ER -) nur in dem von § 115 Abs.1a SGB XI iVm der PTVS vergebenen Rahmen zulässig. Überschreitet die Veröffentlichung diese Vorgaben oder ist sie inhaltlich offensichtlich fehlerhaft, ist sie im Hinblick auf mögliche Eingriffe in die durch Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin nicht hinzunehmen. Denn durch unzutreffende öffentliche Bewertungen von Martkangeboten durch Hoheitsträger und entsprechende staatliche Marktsteuerung kann das Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit verletzt sein. Insofern ist eine Verletzung nicht nur möglich, wenn eine berufliche Tätigkeit unterbunden wird, sondern auch, wenn der Markterfolg behindert wird. Artikel 12 Abs. 1 GG schützt Unternehmen in ihrer beruflichen Betätigung auch vor inhaltlich unrichtigen oder unsachlichen Informationen oder Bewertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, wenn der Wettbewerb in seiner Funktionsweise durch sie gestört wird und sie in der Folge den betroffenen Wettbewerber in der Freiheit seiner beruflichen Tätigkeit beeinträchtigen (vgl. hierzu die Rechtsprechung des Landessozialgerichts - LSG - Berlin-Brandenburg zur Verfassungsmäßigkeit der PTVS und der entsprechenden Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant - PTVA -, zuletzt im Beschluss vom 11.05.2010, L 27 P 18/10 B ER).

Mit der Feststellung der Beeinträchtigung des Schutzbereichs steht auch die Rechtswidrigkeit fest, da eine Rechtfertigung der Weiterverbreitung von unrichtigen Informationen ausgeschlossen ist. Auch der erkennende Senat hat die Veröffentlichung von Transparenzberichten dann als unzulässig angesehen, wenn die Bewertung den Boden der Neutralität, der Ojektivität und der Sachkunde verlässt, insbesondere bei offensichtlichen oder gar bewussten Fehlurteilen, etc. (vgl. Senatsbeschluss vom 10.05.2010, L 10 P 10/10 B ER).

Entsprechendes gilt nicht nur dann, wenn die Bewertung an sich, also die im Transparenzbericht wiedergegebenen Noten, fehlerhaft sind bzw. den Boden der Neutralität, etc. verlassen haben, sondern auch dann, wenn sie nicht so veröffentlicht sind, wie dies in der PTVS vorgegeben ist. Gerade im Hinblick darauf, dass der Senat § 115 Abs 1a SGB XI nicht für verfassungswidrig ansieht und die Veröffentlichung von Transparenzberichten im Rahmen der mit der genannten Vorschrift in Übereinstimmung stehenden PTVS grundsätzlich gebilligt hat, ist es erforderlich, dass sich die Art und Weise der Veröffentlichung eben in dem von der PTVS gesteckten Rahmen hält. Da die Veröffentlichung der Transparenzberichte grundsätzlich geeignet sein kann, Wettbewerbs- und Grundrechte der Pflegeheimträger zu verletzen, ist sie nur in der Gestalt erlaubt, wie sie von der PTVS vorgegeben wird.

Diesen Vorgaben wird die von den Antragsgegnerinnen gewählte Art der Veröffentlichung im Internet auf der Plattform www.aok-pflegeheimnatigator.de nicht gerecht. Nach § 5 der PTVS werden die Prüfergebnisse bundesweit einheitlich auf zwei Darstellungsebenen veröffentlicht. Auf der ersten Darstellungsebene erscheinen die Prüfergebnisse der Qualitätsbereiche, das Gesamtergebnis sowie mögliche Ergebnisse gleichwertiger Prüfungen. Auf der zweiten Darstellungsebene werden die Prüfergebnisse zu den einzelnen Bewertungskriterien dargestellt. Weitere Einzelheiten sind in der Anlage 4 der PTVS geregelt. Dort ist im einzelnen beschrieben, wie die Darstellungsebenen auszusehen haben. In der Anlage 4 zur PTVS ist sodann ua ausdrücklich vorgegeben, dass die in der Darstellungsebene 1 aufzunehmenden Informationen "verbindlich" aufgeführt sind. Zudem ergibt sich aus der Anlage, dass auch das Layout im einzelnen zwischen den Vertragsparteien abzustimmen ist und mithin nicht einseitig von einer Vertragspartei für ihren Bereich geändert werden kann.

Von der so umschriebenen Art und Weise der Veröffentlichung weicht die von den Antragsgegnerinnen gewählte Art der Veröffentlichung in rechtserheblicher Weise zum Nachteil der Antragstellerin ab. Zwar ist es richtig, dass die Nutzer auch die Möglichkeit haben, die Darstellung so aufzurufen, wie sie von der PTVS vorgegeben ist. In der gleichen Suchmaske, nicht auf einer anderen, hiervon getrennten Maske oder einer anderen Homepage, besteht aber eben auch die Möglichkeit, gerade dann, wenn die Nutzer sich nur die Pflegeheime mit bereits veröffentlichtem Transparenzbericht anzeigen lassen wollen, eine Sortierung nach den von den Antragsgegnerinnen gewählten sog. Risikokriterien vorzunehmen. Hierzu bedarf es allein des Anklickens des Kästchens "nur Einrichtungen mit MDK-Transparenzbericht". Will sich der Nutzer nur solche Einrichtungen anzeigen lassen, so hat er nur die Möglichkeit, nach den Risikofaktoren zu sortieren. Zudem erscheint der sog. Warnhinweis, wenn über den auf der Suchmaske bereits vorgegeben Link "nähere Informationen" diese Maske aufgerufen wird.

Abgesehen davon, dass eine Sortierung der Transparenzberichte nach irgendwelchen Risikokriterien in der PTVS überhaupt nicht vorgegeben ist, findet die von den Antragsgegnerinnen vorgenommene Auswahl der neun Risikokriterien nirgendwo in der PTVS eine Stütze. Mit der Auswahl dieser Risikokriterien geben die Antragsgegnerinnen der Überzeugung Ausdruck, dass diese Kriterien für die Wahl des Pflegeheims für die Nutzer von überragender Bedeutung sind. Dies wird durch den Inhalt des sog. Warnhinweises noch unterstrichen. Die PTVS selbst gewichtet jedoch an keiner Stelle ihre Transparenzkriterien oder gibt bestimmten Kriterien vor anderen den Vorrang. Nach dem Willen der Vertragsparteien ist eine Gewichtung der Transparenzkriterien nach deren Bedeutung für die pflegebedürftigen Menschen bislang nicht möglich; eine, zunächst geplante, Anpassung der PTVS an aktuelle pflegewissenschaftliche Erkenntnisse, hat bislang nicht stattgefunden. Es ist den Antragsgegnerinnen zur Überzeugung des Senats auch verwehrt, sich auf das Ergebnis im Abschlussbericht über die "quantitative und qualitative Auswertung der Transparenzergebnisse der Medizinischen Dienste für die stationäre und ambulante Pflege", Stand: 16.02.2010 sowie den wissenschaftlichen Evaluationsbericht der Professorinnen Dr. I und Dr. X zu beziehen. Es mag sein, dass dort, ggf. pflegewissenschaftlich zu Recht, Risikofaktoren empfohlen bzw. festgelegt werden, die für die Versorgung der Versicherten von höherer Bedeutung als die anderen Transparenzkriterien, ja von essentieller Bedeutung sind. Diese Berichte sind in der PTVS bislang aber nicht umgesetzt worden. Damit können sie bei der Art und Weise der Veröffentlichung auch keine Berücksichtigung finden. Die Festlegung der Kriterien der Veröffentlichung sind durch § 115 Abs. 1a S. 6 SGB XI allein den dort genannten Spitzenverbänden (Spitzenverband Bund der Pflegekassen, Vereinigung der Träger der Pflegeeinrichtung auf Bundesebene, Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen) vorbehalten. Solange diese die Ergebnisse etwaiger Evaluationsberichte noch nicht umgesetzt haben, können die in der PTVS vorgenommenen Regelungen zur Veröffentlichung auch nicht geändert werden.

Der Senat weist darauf hin, dass er gegen die von den Antragsgegnerinnen angebotene Sortierfunktion dann keine Bedenken hätte, wenn sie mit der Suchmaske für die Transparenzberichte, wie sie nach der PTVS vorgegeben ist, nicht verknüpft wäre, also als eine gesonderte und insbesondere nicht verlinkte Leistung zur Verfügung stünde. Dies ist jedoch - bislang - nicht der Fall.

2. Der Senat geht auch von einem Anordnungsgrund aus. Da vorliegend die Rechtsverfolgung offensichtlich zulässig und begründet ist, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Dem Antrag ist in diesem Fall in der Regel stattzugeben. Da eine Ausnahme nicht ersichtlich ist, ist vorliegend entsprechend zu verfahren.

3. Der Anordnungsanspruch besteht sowohl gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) als auch derjenigen zu 2). Insofern kann dahinstehen, wer zivil- oder pressrechtlich für die Veröffentlichung der Internetplattform Pflegeheimnavigator zuständig ist. Allerdings erscheinen im Impressum des Pflegeheimnavigators sowohl die Antragsgegnerin zu 1) als auch die zu 2).

Jedenfalls folgt die Passivlegitimation der Antragsgegnerin zu 1) daraus, dass sie die beanstandete Veröffentlichung tatsächlich - im Auftrag der Antragsgegnerin zu 2) - vornimmt. Dies ist nicht grundsätzlich zu bemängeln, da die Landesverbände der Pflegekassen nur sicherstellen müssen, dass die Prüfergebnisse veröffentlicht werden, dies aber nicht selber tun müssen (vgl Klie, Kommentar zum SGB XI, 3. Auflage 2009, Rn 5a zu § 115). Die Passivlegitimation der Antragsgegnerin zu 2) folgt daraus, dass sie die für die Art und Weise der Veröffentlichung rechtlich zuständige Organisation, nämlich der Landesverband der Pflegekassen im Sinne des § 115 Abs. 1a SGB XI und zudem eine der Gesellschafterinnen der Antragsgegnerin zu 1) ist.

Da die Art und Weise der Veröffentlichung zudem, wie bereits dargelegt, rechtswidrig ist, besteht ein entsprechender Unterlassungsanspruch gegen jeden, der in die Veröffentlichung involviert ist.

Zudem haben die Antragsgegnerinnen im Beschwerdeverfahren aus Sicht des Senats zutreffend unter Vorlage des Gesellschaftsvertrags dargelegt, dass eine Passivlegitimation beider Antragsgegnerinnen vorliegt. Auf den Schriftsatz vom 21.03.2011 nebst Anlagen wird Bezug genommen. Insbesondere besteht zwischen der Antragsgegnerin zu 1) und derjenigen zu 2) ein Auftragsverhältnis.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie berücksichtigt den Erfolg der Rechtsverfolgung insgesamt.

Die Tatsache, dass der Senat den sog. Hängebeschluss des SG aufgehoben und damit dem Ergebnis nach die Antragsgegnerinnen insoweit obsiegt haben, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Aufhebung erfolgte allein deshalb, weil sich der Hängebeschluss vom 20.10.2010 durch den vorliegend angegriffenen Beschluss des SG vom 10.12.2010 der Sache nach erledigt hatte und daher nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Die Tatsache, dass dem Beschluss zu Unrecht eine über die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens hinausgehende Regelungswirkung beigemessen wurde, kann nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen.

Die Tatsache, dass die Antragstellerin sich zunächst - zu Unrecht - auch gegen die anderen Landesverbände der Pflegekassen in NRW (BKK-Landesverband etc.), die die umstrittene Form der Veröffentlichung nicht durchführen, gewandt hat, führt zu ihrer Kostentragungspflicht von ¼ für das Verfahren vor dem SG.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a SGG iVm §§ 63, Abs. 3 S. 1, 53 Abs. 2 Ziffer 4, 52 Abs. 2 und 1 Gerichtskostengesetz.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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