Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 3593/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1039/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Januar 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Auszahlung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.2009 i.H.v. insgesamt 1.587,45 EUR.
Die am 20.03.1963 geborene alleinstehende Klägerin steht seit dem 01.01.2005 im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14.07.2008 bewilligte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2009 i.H.v. 811,41 EUR monatlich. Sie berücksichtigte hierbei neben dem Regelleistungsbetrag von 351,- EUR Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 460,41 EUR.
Am 02.03.2009 wurde der Beklagten durch die Deutsche Rentenversicherung - Bund - mitgeteilt, dass sie der Klägerin ab 01.04.2009, befristet bis zum 30.09.2010, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. 364,45 EUR monatlich (netto) bewilligt habe. Die Klägerin legte sodann am 09. März 2009 eine Mehrfertigung des Rentenbescheides vom 23.02.2009 vor und teilte gleichfalls mit, dass sie von April 2009 bis zum 30.09.2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhalte.
Mit Bescheid vom 02.04.2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. bis 30.04.2009 teilweise i.H.v. 282,26 EUR auf. Zur Begründung führte sie an, die Klägerin habe in dem genannten Zeitraum Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, welche bisher noch nicht angerechnet worden sei.
Mit Änderungsbescheid vom 02.04.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen u.a. für die Zeit vom 01.04. bis 31.07.2009 i.H.v. 529,15 EUR monatlich. Sie führte hierzu u.a. die Anrechnung der Rente wegen voller Erwerbsminderung "bis geklärt" sei "ob es sich um eine sog. "Arbeitsmarktrente" handelt" an. Leistungen in dieser Höhe wurden der Klägerin für den Monat April 2009 ausbezahlt. Für die Zeit vom 01.05 - 31.07.2009 erfolgte hingegen keine Zahlung.
Mit Schreiben vom 02.04.2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie wiederholt gemeldet habe, ab April 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu beziehen. Diese Meldung sei jedoch bis heute nicht bearbeitet worden weswegen ihr Leistungen für April gezahlt worden sei. Sie bitte insofern um Korrektur.
Nachdem die Beklagte am 07.04.2009 telefonisch bei der Deutschen Rentenversicherung -Bund- in Erfahrung gebracht hatte, dass die der Klägerin gewährte Rente nicht wegen einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes als volle Erwerbsminderungsrente gewährt wird, entschied die Beklagte mit "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid" vom 07.04.2009,
"die Entscheidung vom 02.04.2009 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ab 01.04.2009 in folgender Höhe ganz" aufzuheben:
"Erstattungszeitraum: 01.04.2009 bis 30.04.2009 Arbeitslosengeld II (Regelleistung) 68,74 EUR Leistung für Unterkunft und Heizung 246,26 EUR Summe Zeitraum: 315,00 EUR Es ergibt sich somit eine Gesamtforderung in Höhe von 315,00 EUR."
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Beklagte an, dass Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II u.a. die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei. Erwerbsfähigkeit liege vor, wenn unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich gearbeitet werden könne. Durch den zuständigen Rententräger, die Deutsche Rentenversicherung Bund, sei nunmehr festgestellt worden, dass das Leistungsvermögen der Klägerin für den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mindestens drei Stunden täglich umfasse; die Klägerin sei daher nicht mehr erwerbsfähig. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die weiteren Ausführungen im, von der Klägerin übersandten, Bescheid vom 23.02.2009 verwiesen. In der Zeit vom 01.04.2009 bis 30.04.2009 seien Leistungen nach dem SGB II in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt worden. Diese Beträge seien von der Klägerin zu erstatten. Sie hätte wissen müssen, dass der zuerkannte Anspruch zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei.
Am 07.05.2009 erhob die Klägerin gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07.04.2009 Widerspruch.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29.05.2009 entschied der Beklagte,
"die Entscheidung vom 02.04.2009 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ab 01.04.2009 in folgender Höhe ganz" zurückzunehmen:
"Dieser Bescheid ersetzt den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07.04.2009
Erstattungszeitraum: 01.04.2009 bis 30.04.2009 Arbeitslosengeld II (Regelleistung) 68,74 EUR Leistung für Unterkunft und Heizung 463,42 EUR Summe Zeitraum: 532,16 EUR Es ergibt sich somit eine Gesamtforderung in Höhe von 532,16 EUR."
Zur Begründung ihrer Entscheidung wiederholte die Beklagte die Ausführungen aus dem Bescheid vom 02.04.2009. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2009 wies sie sodann den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Ein hiergegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) geführtes Verfahren (- S 20 AS 3591/09 -) endete durch gerichtlichen Vergleich vom 22.01.2010, in welchem sich die Beklagte verpflichtete, den Bescheid vom 07.04.2009 in der Fassung des Bescheides vom 29.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2009 dahingehend abzuändern, dass nur noch 265,- EUR zurückgefordert werden.
Am 21.07.2009 hat die Klägerin Klage zum SG erhoben, mit welcher sie die Auszahlung eines Betrages von 1.587,45 EUR geltend gemacht hat. Zur Begründung hat die Klägerin vorgebracht, die Beklagte habe ihr mit Bescheid vom 02.04.2009 laufende Leistungen nach dem SGB II für die Monate Mai, Juni und Juli 2009 i.H.v. jeweils 529,15 EUR monatlich bewilligt, diesen Betrag jedoch nicht ausgezahlt. Ein Grund hierfür sei nicht ersichtlich. Zwar habe der Beklagte am 07.04.2009 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen, dieser betreffe jedoch nur den April 2009. Auch der weitere Bescheid vom 29.05.2009 beziehe sich ausschließlich auf den April 2009. Die Beklagte habe den Bewilligungsbescheid gerade nicht ganz, sondern nur in der Höhe, die im Bescheid ausdrücklich genannt sei, aufgehoben. Die vom Beklagten verwandten Ausdrücke "ganz" und "in folgender Höhe" ließen nur diesen Schluss zu. Im Übrigen sei der Bescheid zu unbestimmt und deswegen aufzuheben. Da aus dem Verwaltungsakt vom 02.04.2009 nicht vollstreckt werden könne, sei die Klage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geboten, um den Anspruch aus dem Bewilligungsbescheid zu realisieren. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hierzu vorgebracht, die Klägerin könne die Auszahlung von Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht erfolgreich geltend machen. Sie beziehe seit dem 01.04.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die Klägerin sei nicht erwerbsfähig, weswegen ab diesem Zeitpunkt kein Leistungsanspruch nach dem SGB II mehr bestehe. Ferner sei mit dem Bescheid vom 07.04.2009 bzw. dem Änderungsbescheid vom 29.05.2009 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab 01.04.2009 ganz zurückgenommen worden. Eine Beschränkung der Rücknahme ausschließlich auf April 2009 ließen die Bescheide nicht erkennen, vielmehr werde die Bewilligung von Leistungen insgesamt ab dem 01.04.2009 zurückgenommen. Lediglich die Erstattung zu Unrecht an die Klägerin gezahlter Leistungen sei auf April 2009 beschränkt.
Mit Urteil vom 22.01.2010 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 1.587,45 EUR zu bezahlen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, das zulässig im Wege einer Leistungsklage verfolgte Begehren sei begründet. Die Klägerin habe aus dem Bewilligungsbescheid vom 02.04.2009 einen Anspruch auf Auszahlung eines Betrages i.H.v. 1.587,45 EUR. Der Bewilligungsbescheid sei für die Monate Mai bis Juli 2009 nicht wirksam zurückgenommen bzw. aufgehoben worden. Der Regelungsgehalt des Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07.04.2009 erschöpfe sich in der Aufhebung bzw. Zurücknahme der Bewilligung von Leistungen für April 2009. Dies ergebe eine Auslegung des Bescheides, die danach zu erfolgen habe, wie der Empfänger den Inhalt bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls zu deuten habe (sog. Empfängerhorizont). Inhaltliche Unklarheiten gingen im Zweifel zu Lasten der Behörde. Durch die missverständliche Formulierung "in folgender Höhe" und die Auflistung der zu erstattenden Beträge für den Monat April 2009 habe die Klägerin den Bescheid so verstehen dürfen, dass lediglich die Bewilligungsentscheidung betreffend April 2009 aufgehoben werden sollte.
Gegen das ihr am 11.02.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.03.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels bringt sie vor, die Klägerin habe für die Zeit vom 01.05.2009 bis 31.07.2009 keinen Anspruch auf Auszahlungen der Leistungen nach dem SGB II, da der Bewilligungsbescheid vom 02.04.2009 wirksam zurückgenommen worden sei. Der Einschätzung des SG, der Empfänger des Bescheides habe nach verständiger Würdigung davon ausgehen können, dass die Bewilligungsentscheidung nur für den April 2009 aufgehoben worden sei, könne nicht gefolgt werden. Die Entscheidung vom 02.04.2009 sei ganz aufgehoben worden. Eine Beschränkung des Aufhebungszeitraumes sei im Aufhebungsbescheid nicht genannt. Der die Aufhebung betreffende Verfügungssatz gehe eindeutig über den 30.04.2009 hinaus. Ferner sei in der Begründung ausgeführt worden, dass die Klägerin aufgrund des Bezuges einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht mehr erwerbsfähig sei und ihr daher kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zustehe. Da die Rente auch über den April 2009 hinaus gezahlt worden sei, ergebe sich hieraus, dass auch für die Monate Mai bis Juli 2009 kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe. Zwar sei die Formulierung "in folgender Höhe" missverständlich, dies werde jedoch durch die eindeutige Formulierung "ab 01.04.2009 ganz aufgehoben" und die Ausführungen in der Begründung ausgeräumt. Die seitens des SG für missverständlich angesehene Auflistung der Erstattungsbeträge für den April 2009 betreffe lediglich die Erstattung der Leistungen nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), nicht jedoch die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Januar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages bringt die Klägerin vor, dass eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides nur nach § 45 SGB X möglich sei. Der Beklagte habe jedoch mit dem Bescheid vom 02.04.2009 für den Zeitraum vom 01.04. bis 31.07.2009 ausdrücklich Leistungen nach dem SGB II bewilligt und dabei die Rente anspruchsmindernd berücksichtigt. Die Klägerin habe daher davon ausgehen dürfen, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II auch neben der bezogenen Rente wegen Erwerbsminderung besehe. Im Übrigen habe der Beklagte kein Ermessen ausgeübt. Die vom Beklagten verwandten Begrifflichkeiten führten zu Missverständlichkeiten, die jedoch nicht dazu führen könnten, dass der Bescheid so auszulegen sei, wie es von dem Beklagten beabsichtigt gewesen sei, sondern dazu, dass der Bescheid wegen mangelnder Bestimmtheit zur Gänze als rechtswidrig anzusehen sei. Auch der zwischenzeitlich vor dem SG geschlossene Vergleich bestätige, dass der Bescheid vom 29.05.2009 nur Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II im April 2009 betroffen habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Prozessakte des Verfahrens vor dem SG - S 20 AS 3591/09 - und die bei dem Beklagten für die Klägerin geführte Leistungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch in der Sache begründet. Das SG hat der nach § 54 Abs. 5 SGG statthaften Leistungsklage zu Unrecht stattgegeben.
Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der Fassung des mit Wirkung zum 01.01.2011 in Kraft getretenen Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 03.08.2010 (BGBl. I S. 1112) tritt die gemeinsame Einrichtung (§ 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende), die nach § 6 d SGB II die Bezeichnung Jobcenter trägt, als Rechtsnachfolger an die Stelle der zunächst beklagten Arbeitsgemeinschaft. Dieser kraft Gesetz eintretende Beteiligtenwechsel stellt keine unzulässige Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG dar (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 90/10 R - veröffentlicht in Juris). Lediglich das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auszahlung von Leistungen nach dem SGB II für die Monate Mai bis Juli 2009. Zwar wurden der Klägerin mit Bescheid vom 14.07.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.04.2009 Leistungen (auch) für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.2009 i.H.v. 529,15 EUR monatlich bewilligt, die Bewilligungsentscheidung wurde von der Beklagten jedoch (auch) für die Zeit vom 01.05. - 31.07.2009 zurückgenommen.
Gemäß § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Mit dem Bescheid vom 29.05.2009 hat die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2009 zurückgenommen. Ob dies in rechtmäßiger Weise erfolgt ist, ist vorliegend nicht zu entscheiden, da sich die Beteiligten im Verfahren vor dem SG (- S 20 AS 3591/09 -), in dem der Bescheid vom 29.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2009 gerichtlich angefochten war, im Wege eines gerichtlichen Vergleiches (§ 101 Abs. 1 SGG) dahingehend geeinigt haben, dass die Beklagte die Erstattungssumme von ursprünglich 532,16 EUR auf 265,- EUR reduziert. Im Übrigen haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Bescheid vom 29.05.2009 ist hiernach bestandskräftig geworden; er ist für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG). Der Vergleich ist zwischen den Beteiligten materiell-rechtlich verbindlich und entzieht den Bescheid vom 29.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2009 einer gerichtlichen Überprüfung (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 101, Rn. 12).
Der Umfang der Rücknahmeentscheidung des Beklagten ist im Wege einer Auslegung des Bescheides vom 29.05.2009 zu ermitteln. Maßstab der Auslegung eines Verwaltungsaktes ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG, Urteil vom 29.01.2008 - B 5a/5 R 20/06 R -; Urteil vom 21.09.2010 - B 2 U 25/09 R - jeweils veröffentlicht in Juris). Nach diesem Auslegungsmaßstab ist der Bescheid vom 29.05.2009 von einem verständigen Beteiligten dahin zu verstehen, dass der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II nicht nur für den April 2009, sondern darüberhinaus auch für die Monate Mai bis Juli 2009 zurückgenommen hat. Die vom Beklagten verwandte Formulierung "ab 01.04.2009 in folgender Höhe ganz zurückgenommen" beinhaltet keine zeitliche Einschränkung dahingehend, dass nur und ausschließlich die Leistungsbewilligung für April 2009 zurückgenommen werden sollte. Soweit klägerseits maßgeblich unter Anführung der im Bescheid beinhalteten Auflistung und Bezifferung der für den Zeitraum vom 01. - 30.04.2009 bestehenden Erstattungsforderung von 532,16 EUR argumentiert wird, hieraus sei zu schließen, dass die Bewilligungsentscheidung ausschließlich für April 2009 zurückgenommen werden sollte, vermag sich der Senat dieser vom SG bestätigten Auffassung nicht anzuschließen. Die Beschränkung auf den Betrag bezieht sich ausschließlich auf die Höhe der von der Klägerin zu erstattenden Leistungen. Auf der Rückseite des Bescheides ist ausdrücklich angeführt, dass Leistungen in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt und gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten seien. Hieraus wird deutlich, dass die zeitliche Einschränkung nur den Rahmen beschreibt, für den eine Erstattung geltend gemacht ist. Ein Rückschluss auf den zeitlichen Umfang der Rücknahmeentscheidung, der Gestalt, dass diese nur für einen korrelierenden Zeitraum erfolgen sollte, kann in Ansehung dieser Konkretisierung nicht gezogen werden. Aus der Begründung der Entscheidung wird ferner hinreichend deutlich, dass der Grund der Zurücknahme, der Bezug einer Rente voller Erwerbsminderung, der Leistungsgewährung nach dem SGB II dem Grunde nach entgegen. Hieraus ist für einen verständigen Beteiligten nur der Schluss zu ziehen, dass keine Leistungsansprüche nach dem SGB II mehr bestehen. Ein Rückschluss derart, dass dies nur für April 2009 gelten solle, kann ein verständiger Beteiligter hingegen nicht ziehen. Schließlich hat die Klägerin selbst mit ihrem Schreiben vom 02.04.2009 kundgetan, dass ihr bewusst gewesen ist, wegen des Bezuges der Rente wegen voller Erwerbsminderung keine Leistungen erhalten zu können. Hieraus folgt zur Überzeugung des Senats, dass die im Klageverfahren angeführte missverständliche Formulierung des Bescheides bei der Klägerin selbst keine Unklarheiten hervorgerufen hat. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die von der Beklagten lediglich für den Zeitraum 01. bis 30.04.2009 verfügte Erstattung ihren Grund darin hat, dass nur die Erstattung der zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides bereits gewährten Leistungen festzusetzen war.
Mithin hat die Beklagte den Bescheid vom 02.04.2009 durch den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29.05.2009 zurückgenommen, weswegen die Klägerin keinen Anspruch auf Auszahlung der ihr mit Bescheid vom 02.04.2009 bewilligten Leistungen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Auszahlung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.2009 i.H.v. insgesamt 1.587,45 EUR.
Die am 20.03.1963 geborene alleinstehende Klägerin steht seit dem 01.01.2005 im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14.07.2008 bewilligte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2009 i.H.v. 811,41 EUR monatlich. Sie berücksichtigte hierbei neben dem Regelleistungsbetrag von 351,- EUR Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 460,41 EUR.
Am 02.03.2009 wurde der Beklagten durch die Deutsche Rentenversicherung - Bund - mitgeteilt, dass sie der Klägerin ab 01.04.2009, befristet bis zum 30.09.2010, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. 364,45 EUR monatlich (netto) bewilligt habe. Die Klägerin legte sodann am 09. März 2009 eine Mehrfertigung des Rentenbescheides vom 23.02.2009 vor und teilte gleichfalls mit, dass sie von April 2009 bis zum 30.09.2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhalte.
Mit Bescheid vom 02.04.2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. bis 30.04.2009 teilweise i.H.v. 282,26 EUR auf. Zur Begründung führte sie an, die Klägerin habe in dem genannten Zeitraum Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, welche bisher noch nicht angerechnet worden sei.
Mit Änderungsbescheid vom 02.04.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen u.a. für die Zeit vom 01.04. bis 31.07.2009 i.H.v. 529,15 EUR monatlich. Sie führte hierzu u.a. die Anrechnung der Rente wegen voller Erwerbsminderung "bis geklärt" sei "ob es sich um eine sog. "Arbeitsmarktrente" handelt" an. Leistungen in dieser Höhe wurden der Klägerin für den Monat April 2009 ausbezahlt. Für die Zeit vom 01.05 - 31.07.2009 erfolgte hingegen keine Zahlung.
Mit Schreiben vom 02.04.2009 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie wiederholt gemeldet habe, ab April 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu beziehen. Diese Meldung sei jedoch bis heute nicht bearbeitet worden weswegen ihr Leistungen für April gezahlt worden sei. Sie bitte insofern um Korrektur.
Nachdem die Beklagte am 07.04.2009 telefonisch bei der Deutschen Rentenversicherung -Bund- in Erfahrung gebracht hatte, dass die der Klägerin gewährte Rente nicht wegen einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes als volle Erwerbsminderungsrente gewährt wird, entschied die Beklagte mit "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid" vom 07.04.2009,
"die Entscheidung vom 02.04.2009 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ab 01.04.2009 in folgender Höhe ganz" aufzuheben:
"Erstattungszeitraum: 01.04.2009 bis 30.04.2009 Arbeitslosengeld II (Regelleistung) 68,74 EUR Leistung für Unterkunft und Heizung 246,26 EUR Summe Zeitraum: 315,00 EUR Es ergibt sich somit eine Gesamtforderung in Höhe von 315,00 EUR."
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Beklagte an, dass Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II u.a. die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei. Erwerbsfähigkeit liege vor, wenn unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich gearbeitet werden könne. Durch den zuständigen Rententräger, die Deutsche Rentenversicherung Bund, sei nunmehr festgestellt worden, dass das Leistungsvermögen der Klägerin für den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mindestens drei Stunden täglich umfasse; die Klägerin sei daher nicht mehr erwerbsfähig. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die weiteren Ausführungen im, von der Klägerin übersandten, Bescheid vom 23.02.2009 verwiesen. In der Zeit vom 01.04.2009 bis 30.04.2009 seien Leistungen nach dem SGB II in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt worden. Diese Beträge seien von der Klägerin zu erstatten. Sie hätte wissen müssen, dass der zuerkannte Anspruch zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei.
Am 07.05.2009 erhob die Klägerin gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07.04.2009 Widerspruch.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29.05.2009 entschied der Beklagte,
"die Entscheidung vom 02.04.2009 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ab 01.04.2009 in folgender Höhe ganz" zurückzunehmen:
"Dieser Bescheid ersetzt den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07.04.2009
Erstattungszeitraum: 01.04.2009 bis 30.04.2009 Arbeitslosengeld II (Regelleistung) 68,74 EUR Leistung für Unterkunft und Heizung 463,42 EUR Summe Zeitraum: 532,16 EUR Es ergibt sich somit eine Gesamtforderung in Höhe von 532,16 EUR."
Zur Begründung ihrer Entscheidung wiederholte die Beklagte die Ausführungen aus dem Bescheid vom 02.04.2009. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2009 wies sie sodann den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Ein hiergegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) geführtes Verfahren (- S 20 AS 3591/09 -) endete durch gerichtlichen Vergleich vom 22.01.2010, in welchem sich die Beklagte verpflichtete, den Bescheid vom 07.04.2009 in der Fassung des Bescheides vom 29.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2009 dahingehend abzuändern, dass nur noch 265,- EUR zurückgefordert werden.
Am 21.07.2009 hat die Klägerin Klage zum SG erhoben, mit welcher sie die Auszahlung eines Betrages von 1.587,45 EUR geltend gemacht hat. Zur Begründung hat die Klägerin vorgebracht, die Beklagte habe ihr mit Bescheid vom 02.04.2009 laufende Leistungen nach dem SGB II für die Monate Mai, Juni und Juli 2009 i.H.v. jeweils 529,15 EUR monatlich bewilligt, diesen Betrag jedoch nicht ausgezahlt. Ein Grund hierfür sei nicht ersichtlich. Zwar habe der Beklagte am 07.04.2009 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen, dieser betreffe jedoch nur den April 2009. Auch der weitere Bescheid vom 29.05.2009 beziehe sich ausschließlich auf den April 2009. Die Beklagte habe den Bewilligungsbescheid gerade nicht ganz, sondern nur in der Höhe, die im Bescheid ausdrücklich genannt sei, aufgehoben. Die vom Beklagten verwandten Ausdrücke "ganz" und "in folgender Höhe" ließen nur diesen Schluss zu. Im Übrigen sei der Bescheid zu unbestimmt und deswegen aufzuheben. Da aus dem Verwaltungsakt vom 02.04.2009 nicht vollstreckt werden könne, sei die Klage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geboten, um den Anspruch aus dem Bewilligungsbescheid zu realisieren. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hierzu vorgebracht, die Klägerin könne die Auszahlung von Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht erfolgreich geltend machen. Sie beziehe seit dem 01.04.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Die Klägerin sei nicht erwerbsfähig, weswegen ab diesem Zeitpunkt kein Leistungsanspruch nach dem SGB II mehr bestehe. Ferner sei mit dem Bescheid vom 07.04.2009 bzw. dem Änderungsbescheid vom 29.05.2009 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab 01.04.2009 ganz zurückgenommen worden. Eine Beschränkung der Rücknahme ausschließlich auf April 2009 ließen die Bescheide nicht erkennen, vielmehr werde die Bewilligung von Leistungen insgesamt ab dem 01.04.2009 zurückgenommen. Lediglich die Erstattung zu Unrecht an die Klägerin gezahlter Leistungen sei auf April 2009 beschränkt.
Mit Urteil vom 22.01.2010 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 1.587,45 EUR zu bezahlen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, das zulässig im Wege einer Leistungsklage verfolgte Begehren sei begründet. Die Klägerin habe aus dem Bewilligungsbescheid vom 02.04.2009 einen Anspruch auf Auszahlung eines Betrages i.H.v. 1.587,45 EUR. Der Bewilligungsbescheid sei für die Monate Mai bis Juli 2009 nicht wirksam zurückgenommen bzw. aufgehoben worden. Der Regelungsgehalt des Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 07.04.2009 erschöpfe sich in der Aufhebung bzw. Zurücknahme der Bewilligung von Leistungen für April 2009. Dies ergebe eine Auslegung des Bescheides, die danach zu erfolgen habe, wie der Empfänger den Inhalt bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls zu deuten habe (sog. Empfängerhorizont). Inhaltliche Unklarheiten gingen im Zweifel zu Lasten der Behörde. Durch die missverständliche Formulierung "in folgender Höhe" und die Auflistung der zu erstattenden Beträge für den Monat April 2009 habe die Klägerin den Bescheid so verstehen dürfen, dass lediglich die Bewilligungsentscheidung betreffend April 2009 aufgehoben werden sollte.
Gegen das ihr am 11.02.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.03.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels bringt sie vor, die Klägerin habe für die Zeit vom 01.05.2009 bis 31.07.2009 keinen Anspruch auf Auszahlungen der Leistungen nach dem SGB II, da der Bewilligungsbescheid vom 02.04.2009 wirksam zurückgenommen worden sei. Der Einschätzung des SG, der Empfänger des Bescheides habe nach verständiger Würdigung davon ausgehen können, dass die Bewilligungsentscheidung nur für den April 2009 aufgehoben worden sei, könne nicht gefolgt werden. Die Entscheidung vom 02.04.2009 sei ganz aufgehoben worden. Eine Beschränkung des Aufhebungszeitraumes sei im Aufhebungsbescheid nicht genannt. Der die Aufhebung betreffende Verfügungssatz gehe eindeutig über den 30.04.2009 hinaus. Ferner sei in der Begründung ausgeführt worden, dass die Klägerin aufgrund des Bezuges einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht mehr erwerbsfähig sei und ihr daher kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zustehe. Da die Rente auch über den April 2009 hinaus gezahlt worden sei, ergebe sich hieraus, dass auch für die Monate Mai bis Juli 2009 kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe. Zwar sei die Formulierung "in folgender Höhe" missverständlich, dies werde jedoch durch die eindeutige Formulierung "ab 01.04.2009 ganz aufgehoben" und die Ausführungen in der Begründung ausgeräumt. Die seitens des SG für missverständlich angesehene Auflistung der Erstattungsbeträge für den April 2009 betreffe lediglich die Erstattung der Leistungen nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), nicht jedoch die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Januar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages bringt die Klägerin vor, dass eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides nur nach § 45 SGB X möglich sei. Der Beklagte habe jedoch mit dem Bescheid vom 02.04.2009 für den Zeitraum vom 01.04. bis 31.07.2009 ausdrücklich Leistungen nach dem SGB II bewilligt und dabei die Rente anspruchsmindernd berücksichtigt. Die Klägerin habe daher davon ausgehen dürfen, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II auch neben der bezogenen Rente wegen Erwerbsminderung besehe. Im Übrigen habe der Beklagte kein Ermessen ausgeübt. Die vom Beklagten verwandten Begrifflichkeiten führten zu Missverständlichkeiten, die jedoch nicht dazu führen könnten, dass der Bescheid so auszulegen sei, wie es von dem Beklagten beabsichtigt gewesen sei, sondern dazu, dass der Bescheid wegen mangelnder Bestimmtheit zur Gänze als rechtswidrig anzusehen sei. Auch der zwischenzeitlich vor dem SG geschlossene Vergleich bestätige, dass der Bescheid vom 29.05.2009 nur Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II im April 2009 betroffen habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die Prozessakte des Verfahrens vor dem SG - S 20 AS 3591/09 - und die bei dem Beklagten für die Klägerin geführte Leistungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2011 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch in der Sache begründet. Das SG hat der nach § 54 Abs. 5 SGG statthaften Leistungsklage zu Unrecht stattgegeben.
Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der Fassung des mit Wirkung zum 01.01.2011 in Kraft getretenen Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 03.08.2010 (BGBl. I S. 1112) tritt die gemeinsame Einrichtung (§ 44 b Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende), die nach § 6 d SGB II die Bezeichnung Jobcenter trägt, als Rechtsnachfolger an die Stelle der zunächst beklagten Arbeitsgemeinschaft. Dieser kraft Gesetz eintretende Beteiligtenwechsel stellt keine unzulässige Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG dar (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 90/10 R - veröffentlicht in Juris). Lediglich das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auszahlung von Leistungen nach dem SGB II für die Monate Mai bis Juli 2009. Zwar wurden der Klägerin mit Bescheid vom 14.07.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.04.2009 Leistungen (auch) für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.2009 i.H.v. 529,15 EUR monatlich bewilligt, die Bewilligungsentscheidung wurde von der Beklagten jedoch (auch) für die Zeit vom 01.05. - 31.07.2009 zurückgenommen.
Gemäß § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Mit dem Bescheid vom 29.05.2009 hat die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.04.2009 zurückgenommen. Ob dies in rechtmäßiger Weise erfolgt ist, ist vorliegend nicht zu entscheiden, da sich die Beteiligten im Verfahren vor dem SG (- S 20 AS 3591/09 -), in dem der Bescheid vom 29.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2009 gerichtlich angefochten war, im Wege eines gerichtlichen Vergleiches (§ 101 Abs. 1 SGG) dahingehend geeinigt haben, dass die Beklagte die Erstattungssumme von ursprünglich 532,16 EUR auf 265,- EUR reduziert. Im Übrigen haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Bescheid vom 29.05.2009 ist hiernach bestandskräftig geworden; er ist für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG). Der Vergleich ist zwischen den Beteiligten materiell-rechtlich verbindlich und entzieht den Bescheid vom 29.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2009 einer gerichtlichen Überprüfung (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 101, Rn. 12).
Der Umfang der Rücknahmeentscheidung des Beklagten ist im Wege einer Auslegung des Bescheides vom 29.05.2009 zu ermitteln. Maßstab der Auslegung eines Verwaltungsaktes ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG, Urteil vom 29.01.2008 - B 5a/5 R 20/06 R -; Urteil vom 21.09.2010 - B 2 U 25/09 R - jeweils veröffentlicht in Juris). Nach diesem Auslegungsmaßstab ist der Bescheid vom 29.05.2009 von einem verständigen Beteiligten dahin zu verstehen, dass der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II nicht nur für den April 2009, sondern darüberhinaus auch für die Monate Mai bis Juli 2009 zurückgenommen hat. Die vom Beklagten verwandte Formulierung "ab 01.04.2009 in folgender Höhe ganz zurückgenommen" beinhaltet keine zeitliche Einschränkung dahingehend, dass nur und ausschließlich die Leistungsbewilligung für April 2009 zurückgenommen werden sollte. Soweit klägerseits maßgeblich unter Anführung der im Bescheid beinhalteten Auflistung und Bezifferung der für den Zeitraum vom 01. - 30.04.2009 bestehenden Erstattungsforderung von 532,16 EUR argumentiert wird, hieraus sei zu schließen, dass die Bewilligungsentscheidung ausschließlich für April 2009 zurückgenommen werden sollte, vermag sich der Senat dieser vom SG bestätigten Auffassung nicht anzuschließen. Die Beschränkung auf den Betrag bezieht sich ausschließlich auf die Höhe der von der Klägerin zu erstattenden Leistungen. Auf der Rückseite des Bescheides ist ausdrücklich angeführt, dass Leistungen in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt und gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten seien. Hieraus wird deutlich, dass die zeitliche Einschränkung nur den Rahmen beschreibt, für den eine Erstattung geltend gemacht ist. Ein Rückschluss auf den zeitlichen Umfang der Rücknahmeentscheidung, der Gestalt, dass diese nur für einen korrelierenden Zeitraum erfolgen sollte, kann in Ansehung dieser Konkretisierung nicht gezogen werden. Aus der Begründung der Entscheidung wird ferner hinreichend deutlich, dass der Grund der Zurücknahme, der Bezug einer Rente voller Erwerbsminderung, der Leistungsgewährung nach dem SGB II dem Grunde nach entgegen. Hieraus ist für einen verständigen Beteiligten nur der Schluss zu ziehen, dass keine Leistungsansprüche nach dem SGB II mehr bestehen. Ein Rückschluss derart, dass dies nur für April 2009 gelten solle, kann ein verständiger Beteiligter hingegen nicht ziehen. Schließlich hat die Klägerin selbst mit ihrem Schreiben vom 02.04.2009 kundgetan, dass ihr bewusst gewesen ist, wegen des Bezuges der Rente wegen voller Erwerbsminderung keine Leistungen erhalten zu können. Hieraus folgt zur Überzeugung des Senats, dass die im Klageverfahren angeführte missverständliche Formulierung des Bescheides bei der Klägerin selbst keine Unklarheiten hervorgerufen hat. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die von der Beklagten lediglich für den Zeitraum 01. bis 30.04.2009 verfügte Erstattung ihren Grund darin hat, dass nur die Erstattung der zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides bereits gewährten Leistungen festzusetzen war.
Mithin hat die Beklagte den Bescheid vom 02.04.2009 durch den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29.05.2009 zurückgenommen, weswegen die Klägerin keinen Anspruch auf Auszahlung der ihr mit Bescheid vom 02.04.2009 bewilligten Leistungen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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