Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 2 R 90246/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 123/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 9. März 2010 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Die am ... 1964 geborene Klägerin durchlief vom 1. September 1980 bis zum 15. Juli 1982 eine Berufsausbildung zum Damen- und Herrenfriseur sowie eine Ausbildung zur Kosmetikerin und Fußpflegerin. Am 30. August 1989 erwarb sie die Qualifikation "Meister des Friseurhandwerks". Sie betreibt im Rahmen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit einen Friseursalon; das Gewerbe wurde zum 2. Januar 1993 angemeldet. In dem Betrieb waren zunächst keine Angestellten und dann bis 2005 zwei Friseurinnen tätig. Nach Angaben der Klägerin ist seitdem bei ihr eine Friseurin ca. fünf Stunden täglich beschäftigt. Nach August 2002 habe sie selbst dort zwei bis drei Stunden täglich im Wechsel zwischen Bürotätigkeit und Dienst am Kunden, im Jahr 2003 zwei bis vier Stunden täglich (manchmal auch nur zwei Stunden und an manchen Tagen gar nicht) und seit ca. 2004 zwischen drei und höchstens fünf Stunden täglich (an manchen Tagen gar nicht) gearbeitet. In der Arbeitszeit der Angestellten würden in Absprache die Tätigkeiten ausgeführt, die sie selbst nicht bewältigen könne. Bei Arbeiten, die die Vorhalte der Arme erforderten, müsse zeitweise eine Kollegin einspringen.
Seit 1996 bezog die Klägerin Wohngeld. Aus den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden gehen folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb hervor:
1999/9.307,00 DM, 2000/4.399,00 DM, 2001/negative Einkünfte (-12.569,00 DM), 2002/1.199,00 EUR, 2003/3.680,00 EUR, 2004/2.874,00 EUR, 2005/2.800 EUR, 2006/2.962,00 EUR.
Im Sommer 1993 traten bei der Klägerin Schmerzen im Oberarm rechts auf. Nach ambulanter Entfernung einees Knotens wurde die Diagnose eines infiltrierenden duktalen Karzinoms gestellt und am 9. April 1994 brusterhaltend eine ausgiebige Quadrantenresektion an der rechten Brust vorgenommen. Aus den ihr von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen-Anhalt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, bewilligten stationären Rehabiliationskuren im Juni/Juli 1995, Juli 1996 und Juli/August 1997 wurde die Klägerin nach den Entlassungsberichten vom 27. Juli 1995, 31. Juli 1996 und 19. September 1997 jeweils mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Arbeiten ohne Über-Kopf-Arbeit und eine besondere Belastung des rechten Armes - nach der Maßnahme im Juli/August 1997 auch mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für eine Tätigkeit als Friseurmeisterin - entlassen. Am 24. Juli 2000 wurde bei der Klägerin eine brusterhaltende Operation auf Grund eines Tumors an der linken Brust durchgeführt. Anschließend wurden eine Chemotherapie, eine Bestrahlung und eine Hormontherapie eingeleitet. Seit dem 24. Juli 2000 bezog die Klägerin Krankengeld. Die Beklagte gewährte der Klägerin auf ihre Anträge vom 5. September 2000 und vom 9. April 2001 weitere Leistungen zur Rehabilitation vom 27. September bis zum 25. Oktober 2000 und vom 10. Mai bis zum 14. Juni 2001.
Die Klägerin beantragte am 26. Juni 2001 förmlich die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der LVA. Diese zog u.a. den Entlassungsbericht der Reha-Klinik B. S. vom 2. November 2000 bei. Diesem ist zu entnehmen, nach Abschluss der adjuvanten Tumortherapie werde die Klägerin voraussichtlich in einem Dreivierteljahr ihre bisherige berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen können. Auf das Heben und Bewegen von Lasten über 5 kg sowie andauernde Überkopfarbeiten solle sie dabei verzichten. Voraussetzung für den Wiederbeginn der Arbeit seien unauffällige Ergebnisse in dem im Anschluss an die Therapie erforderlichen Restaging. In der sozialmedizinischen Stellungnahme wurde im Ankreuzverfahren ein vollschichtiges Leistungsvermögen als "Friseuse" sowie für leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten angegeben. Aus der von Mai bis Juni 2001 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme im Eisenmoorbad Bad S. wurde die Klägerin nach dem Entlassungbericht vom 28. Juni 2001 mit einem Leistungsvermögen für ihre letzte Tätigkeit als "Friseusin" und andere leichte körperliche Arbeiten auf Grund der allgemeinen Leistungsschwäche bei Doppelkarzinomerkrankung von nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich entlassen. Eine erneute sozialmedizinische Beurteilung solle in zwei Jahren erfolgen.
Die LVA bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 28. September 2001 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 1. Februar 2001 bis zum 31. Januar 2004. Die Anspruchsvoraussetzungen seien seit dem 17. Juli 2000, dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, erfüllt. Als Rentenantrag sei nach § 116 Abs. 2 SGB VI der am 5. September 2000 gestellte Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation berücksichtigt worden. Der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die teilweise Erwerbsminderung behoben werden könne. Die Rente werde zunächst wegen des vorausgehend bezogenen Übergangsgeldes erst ab dem 15. Juni 2001 gezahlt.
Die Klägerin legte hiergegen - vertreten durch einen Rentenberater - fristgerecht Widerspruch ein. Auf Grund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei sie nicht in der Lage, regelmäßig zu arbeiten. Sie noch arbeitsunfähig und befinde sich in ständiger ambulanter Behandlung.
Die LVA holte zur Frage der Wiederherstellbarkeit der Leistungsfähigkeit der Klägerin eine prüfärztliche Stellungnahme von dem Prüfarzt Dr. S. vom 5. März 2002 ein, der ein nicht unter halbschichtig herabgesunkenes Leistungsvermögen der Klägerin bestätigte. Üblicherweise erlangten Kranke mit dem bei der Klägerin vorliegenden Tumorstadium sogar innerhalb der gesetzlichen Arbeitsunfähigkeitszeit das volle Leistungsvermögen für leidensgerechte Tätigkeiten. Da kein Lymphstau in beiden Armen als Operationsfolge aufgetreten sei und kein Anhalt für eine organische Herzerkrankung vorliege, sei die Annahme berechtigt, dass die Klägerin nach Ablauf der ihr bewilligten Rente auch ihre Friseurtätigkeit wieder ausüben könne, sofern sich die als Therapiefolgen aufgetretenen Empfindungsstörungen und Gelenkschmerzen an beiden Händen nach Abschluss dieser Behandlung wieder zurückbildeten.
Die LVA wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 28. September 2001 mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2002 als unbegründet zurück. Die Klägerin sei seit dem 17. Juli 2000 fähig, leichte Arbeiten unter zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen drei bis unter sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuführen. Für die Entscheidung, ihr eine teilweise Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Februar 2001 nach § 102 Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung zu bewilligen, sei maßgebend gewesen, dass die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit als Friseurin nicht aufgegeben habe und somit der Arbeitsmarkt für sie nicht als verschlossen gelte. Es sei auch nicht unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Bei einem Rentenbeginn am 1. Februar 2001 sei gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI das SGB VI in der Fassung ab 1. Januar 2001 anzuwenden gewesen.
Aus der ihr vom 1. bis zum 29. August 2002 von der LVA gewährten stationären Rehabilitationsmaßnahme ist die Klägerin nach dem Entlassungsbericht der V.-Klinik B. E. vom 16. September 2002 mit einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich als selbstständige Friseurmeisterin sowie für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel der Haltungsarten entlassen worden. Ein höheres Leistungsvermögen der Klägerin sei gegenwärtig insbesondere deshalb nicht gegeben, weil ihre berufliche Tätigkeit mit einer besonderen Belastung des Schultergürtels verbunden sei.
Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 4. November 2003, bei dem sie eine laufende Erwerbstätigkeit als Friseurin im Umfang von ca. vier bis fünf Stunden täglich angegeben hatte, bewilligte die LVA der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 30. Januar 2004 weiter bis zum 30. September 2005. Der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die teilweise Erwerbsminderung behoben werden könne. Der Bewilligung lag im Wesentlichen das von der Beklagten eingeholte Gutachten von dem Facharzt für Frauenheilkunde MR Dr. G. vom 9. Januar 2004 zugrunde. Diesem ist zu entnehmen, die Klägerin habe angegeben, unter einer allgemeinen Erschöpfung und Schmerzen in allen Gelenken - besonders in den Ellenbogengelenken - und Angstzuständen zu leiden. Sie könne ihre Arme nur kurzfristig anheben, was ihre Arbeit als Friseurin beim Haareschneiden und Föhnen stark beeinträchtige. Die Arbeit gelinge ihr sehr wechselnd gut bis gar nicht. Bislang gebe es keinen Anhalt für ein Lokalrezidiv oder Metastasen. Als Folge der Dissektio der Axilla beidseits komme es immer noch zu Anschwellungen der Arme mit Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und einer eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der Arme. Als Folge der zweieinhalbjährigen Therapie mit Zoladex schmerzten alle Gelenke, besonders aber die Ellenbogengelenke. Es bestehe ein Fatigue-Syndrom. Die Klägerin könne ihre seit zwei Jahren wieder drei bis vier Stunden täglich verrichtete Tätigkeit als Friseurmeisterin mit der Zeitbeschränkung auf drei bis sechs Stunden täglich fortsetzen. Auch für leichte/leichtere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehe eine Leistungsfähigkeit der Klägerin von drei bis sechs Stunden täglich unter Vermeidung von Hebeleistungen und Über-Kopf-Arbeit.
Auf den Weitergewährungssantrag der Klägerin vom 9. Juni 2005 holte die LVA zunächst einen Befundbericht von Dr. D. vom 19. Juni 2005 ein, dem als Anlage sein Arztbrief vom 3. November 2004 beigefügt war. Darin wird ein Hinweis auf ein Lokalrezidiv der Tumorerkrankung verneint. Die LVA holte ein Gutachten von der Fachärztin für Chirurgie Dr. H. vom 10. August 2005 ein, der gegenüber die Klägerin angab, im beruflichen Bereich täglich mit Pausen als Friseuse drei Stunden die Kundenbetreuung und ca. zwei Stunden organisatorische Aufgaben zu übernehmen; insgesamt arbeite sie etwa fünf Stunden am Tag. Aus chirurgischer Sicht sei die Klägerin in ihrem Beruf als Leiterin eines Friseursalons in Teilzeit arbeitsfähig. Sie müsse ihre Arbeit so einrichten, dass sie gut wechsele zwischen Kundenbetreuung und organisatorischer Tätigkeit. Das neu aufgetretene Lymphödem des rechten Armes habe die Klägerin gut im Griff; zeitweise würden Lymphdrainagen durchgeführt. Als selbstständige Friseurmeisterin sowie in leichten bis mittelschweren Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Tagesschicht und im Wechsel der Haltungsarten könne die Klägerin noch drei bis unter sechs Stunden täglich - bzw. nach der bis zum 31. Dezember 2000 maßgebenden Rechtslage halb- bis unter vollschichtig - arbeiten.
Die LVA lehnte den zweiten Weitergewährungsantrag mit Bescheid vom 23. August 2005 zunächst ab. Über den Wegfallzeitpunkt der vorher bewilligten Rente hinaus liege bei der Klägerin weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor. Sie könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs führte die Klägerin aus, sie könne nicht sechs Stunden am Tag erwerbstätig sein. Sie gehe ihrer selbstständigen Tätigkeit zwischen drei und höchstens fünf Stunden pro Tag nach. An manchen Tagen könne sie gar nicht arbeiten. Ihr Körper habe unter der Chemotherapie, Bestrahlung und zweijährigen Behandlung mit Zoladex gelitten. Sie habe Probleme in den Schultergelenken bzw. gürteln und schwere Arme, sodass es ihr oft nicht möglich sei, ihre Arbeit auszuführen. Denn die Friseurtätigkeit werde hauptsächlich mit erhobenen Armen ausgeführt und dies sei sehr anstrengend. Da sie nicht mehr so fit wie vor ihrer Erkrankung sei, benötige sie für diese Arbeiten mehr Zeit. Sie arbeite meist im Wechsel zwischen Bürotätigkeit und Dienst am Kunden. Sie habe Schmerzen, nachts unruhige Beine und fühle sich nach jeder kleinsten Anstrengung gleich schlapp und dauernd müde.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin eine stationäre Rehabilitationskur in der M. Klinik in W. (Einrichtung mit Schwerpunkt Orthopädie) vom 10. Januar bis zum 7. Februar 2006, aus der die Klägerin nach dem Entlassungsbericht vom 7. Februar 2006 mit einem Leistungsvermögen als Friseurin von drei bis unter sechs Stunden und einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis intermittierend mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel der Haltungsarten entlassen wurde. Zu vermeiden seien ständige Zwangshaltungen wie Arbeiten in Vorbeuge, Über-Kopf-Tätigkeiten sowie Rumpfüberstreckungen, häufiges Bücken, Hocken, Kälte-/Nässe-/Zugluftexposition und Tätigkeiten mit erhöhter Unfall- oder Verletzungsgefahr.
Die Beklagte half dem Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 19. Mai 2006 und Ausführungsbescheid vom 9. Juni 2006 teilweise ab und bewilligte ihr die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung weiter bis zum 28. Februar 2006. Den von der Klägerin mit der Begründung, sie könne keine Tätigkeit sechs Stunden täglich ausüben, im Übrigen aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 als unbegründet zurück. Das in dem Bescheid vom 23. August 2005 zugrunde gelegte Leistungsvermögen der Klägerin von mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - ohne starken Zeitdruck (z.B. Akkord), Wechsel-/Nachtschicht, eine Gefährdung durch Kälte, Zugluft, Nässe, ein Heben und Tragen von über 10 kg, häufiges Bücken und Hocken, Überkopfarbeiten und länger andauernde Tätigkeiten in Armvorhalte - sei für die Zeit seit Abschluss der letzten Rehabilitationsmaßnahme bestätigt worden. Der Gesundheitszustand der Klägerin sei gebessert mit einem geringen Lymphöden am rechten Arm. Das beidseitige Tumorleiden sei ohne Rezidiv und Metastasen; die Laborwerte lägen im Normbereich.
Die Klägerin hat am 8. August 2006 Klage vor dem früheren Sozialgericht Stendal erhoben und zunächst beantragt, den Bescheid vom 23. August 2005 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 aufzuheben und ihr eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zuzusprechen. Sie übe ihre selbstständige Erwerbstätigkeit als Damen- und Herren-Friseur zwischen 15 und 25 Stunden in der Woche aus. Für diese Tätigkeit sei sie nur drei bis unter sechs Stunden täglich einsetzbar. Die gesundheitlichen Bedingungen, die zur ursprünglichen Rentenbewilligung geführt hätten, lägen weiterhin vor.
Das Sozialgericht hat zunächst durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Aus dem Befundbericht von Dr. D. vom 1. Oktober 2006 gehen keine Veränderungen der Befunde bei der Klägerin hervor. Überwiegend leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung (nur kurzfristig etwas schwere Arbeiten), ohne schweres Heben und Tragen, Nässe, Zugluft und statische Arbeiten könne sie noch vollschichtig verrichten. Es bestehe eine Lymphabflussbehinderung, die durch eine statische Körperhaltung verstärkt werde. Die Arme würden schwer, ermüdeten schneller und die Feinmotorik sei eingeschränkt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin/Naturheilkunde Dipl.-Med. B. hat in ihrem Befundbericht vom 8. November 2006 nur noch leichte Arbeiten ohne Zwangshaltung der Arme (ohne Angaben zur Zeitdauer) als der Klägerin zumutbar angegeben. Die Fachärztin für Orthopädie Dr. B. hat nach ihrer Erinnerung für den Behandlungszeitraum bis November 2006 in ihrem Befundbericht vom 19. März 2007 ein nicht mehr vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin mitgeteilt.
Das Sozialgericht hat sodann ein Gutachten von Dr. H., Chefarzt der Chirurgischen Klinik am H. E. Hospital in B., eingeholt, das nach Anfertigung einer Computertomografie (CT) erstellt worden ist. In ihrer Auswertung des CT-Befundes vom 22. Mai 2007 hat die Fachärztin für diagnostische Radiologie Dr. S. angegeben, bei der Klägerin bestehe eine Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule (HWS) ohne Anhalt für eine Bandscheibenprotrusion, einen Bandscheibenvorfall, einen Sequester oder engen Spinalkanal. Auch ein Hinweis auf einen malignitätsverdächtigen Prozess oder eine Myelomalazie bestehe nicht. Erkennbar sei eine deutlich fluoride Ansatztendinitis der Supraspinatussehne mit Tendinosis calcarea, ein ossäres Impingementsyndrom der langen Bizepssehne mit chronisch wirkender Tendosynovitis, ein Reizerguss in der Bursa subdeltoidea und subakromialis, eine mäßiggradige AC-Gelenksarthrose und ein kleiner Einriss des Labrum glenoidale ventrale. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 13. Juni 2007 ausgeführt, die Klägerin habe bereits für das Jahr 2001 eine Minderbelastbarkeit der Arme bei anstrengenden Tätigkeiten und belastungsabhängige Schulter-Nackenbeschwerden mit Kribbelparästhesien in den Händen - insbesondere nachts - angegeben. Seit einiger Zeit bestünden auch rechtsseitige Ischialgien. Als Diagnosen lägen vor:
Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks, Ansatztendinitis der Supraspinatussehne mit Tendinosis calcanea, ossäres Impingementsyndrom der langen Bizepssehne mit chronischer Tendosynovitis, Reizerguss der Bursa subdeltoidea und der Bursa subacromialis, mäßiggradige AC-Gelenkarthrose, kleiner Einriss des Labrum glenoidale ventrale.
Rezidivierendes Zervikobrachialsyndrom beidseits mit Streckfehlhaltung der HWS.
Zustand nach Mammakarzinom rechts 1984, nach Quadrantenresektion und axilärer Lymphadenektomie Level I-III und nach Radiatio und Chemotherapie.
Zustand nach Mammakarzinom links 2000, nach Quadrantenresektion und axillärer Lymphadenektomie, Radiatio und Chemotherapie, ohne Hinweis für Rezidiv.
Mäßiggradiges Lymphödem links.
Postradikuläre Lumboischialgie rechts rezidivierend.
Großzehengrundgelenksarthrose beidseits.
Anamnestisch Hypertonus.
Hinweise für Abweichungen im psychischen Bereich seien nicht vorhanden. Der Klägerin seien noch vollschichtig leichte, ausnahmsweise auch mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Zwangshaltungen möglich. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, Heben, Tragen, Hocken, Nässe, Kälte, Zugluft und eine erhöhte Unfall- und Verletzungsgefahr, Arbeiten über Kopf, in Nachtschicht, im Akkord, am Fließband sowie Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten. Armvorhaltearbeiten seien nur kurzfristig ausführbar. An beiden Händen bestehe eine geringgradige polyneuropathische Sensibilitätsstörung, die aber eine Arbeit mit Tastempfindung nicht ausschließe. Geschont werden müsse unbedingt das rechte Schultergelenk, mit einem dadurch bedingten eingeschränkten Gebrauch des rechten Armes. Die Klägerin könne als Friseurin nur bis zu drei Stunden täglich und nur zeitweilig mit großen Pausen am Kunden arbeiten. Dieser Zustand sei seit dem Tag der Antragstellung am 5. September 2000 vorhanden, mit einer Verschlimmerung des Zustands an der rechten Schulter. Zurzeit werde von der Klägerin eine Erwerbstätigkeit teilweise zeitweilig auf Kosten der Gesundheit durchgeführt. Ihre Fähigkeit, die Wege zur Arbeit zurückzulegen, sei nicht beschränkt. Eine begründete Aussicht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne, bestehe nicht.
Im April 2007 hatte der Vorsitzende der Kammer des Sozialgerichts der Beklagten mitgeteilt, der Leistungsfall sei hier der 17. Juli 2000 gewesen, sodass nach der neueren Rechtsprechung "altes Recht" angewendet werden und damit auch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit geprüft werden müsse. Die Beklagte werde "beauflagt", den Sachverhalt von Amts wegen zu überprüfen. Die Beklagte hat den Erlass eines Überprüfungsbescheides zunächst abgelehnt. Die Voraussetzungen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit lägen nicht vor, da die Klägerin noch den Verweisungsberuf einer Rezeptionistin in größeren Friseursalons verrichten könne. Mit einem Leistungsvermögen in ihrer selbstständigen Tätigkeit von drei bis unter sechs Stunden habe sie auch noch mehr als die Lohnhälfte im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. erzielen können. Mit am 6. Dezember 2007 bei dem Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz vom 4. Dezember 2007 hat die Klägerin ausgeführt, sie stelle "hiermit den konkreten Antrag auf einen Überprüfungsbescheid. Möglicherweise wäre eine Erwerbsminderungsrente zu gewähren". Die richterliche Verfügung zur Weiterleitung dieses Schriftsatzes an die Beklagte vom 12. Dezember 2007 ist ausweislich des Aktenvermerkes der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle am 8. Januar 2008 ausgeführt worden. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 21. Januar 2008 die Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2001 nach dessen Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) abgelehnt. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit scheide auf Grund ihrer selbstständigen Tätigkeit aus. Einem Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit stehe entgegen, dass die Klägerin mit ihrem seit dem 17. Juli 2000 vorliegenden halb- bis unter vollschichtigen Leistungsvermögen und ihrer selbstständigen Tätigkeit mit Angestellten auf die selbstständige Tätigkeit als Friseurmeisterin, ein Beschäftigungsverhältnis in gleichwertiger Stellung oder auf den Beruf einer Rezeptionistin in einem größeren Friseursalon verweisbar sei. Dieser Bescheid werde gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens.
Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, "der Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.09.2001 bleibt bestehen". Ihr Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Sie könne nicht länger als fünf Stunden hintereinander arbeiten. "Totale Erwerbsunfähigkeit" liege nicht vor und sei auch nicht ihr Ziel. "Jedoch liegt hier eine Erwerbsminderung vor, die nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen zu überprüfen wäre und in einer angemessenen Erwerbsminderungsrente ihren Ausdruck finden sollte".
Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 9. März 2010 folgende Anträge laut diktiert (nicht vorgelesen oder vorgespielt) und mit dem Hinweis auf einen allseitigen Verzicht auf ein "erneutes" Vorspielen in das Protokoll aufgenommen:
"Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung bzw. Abänderung des Bescheides vom 28.09.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002 sowie der Bescheide vom 30.01.2004, 23.08.2005, sowie der Bescheide vom 30.01.2004, 23.08.2005, 19.05.2006 und 09.06.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2006 sowie des Bescheides vom 21.01.2008 zu verurteilen, ihr ab dem 01.08.2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit in der bis zum 31.12.2000 gültigen Gesetzesfassung zu gewähren,
hilfsweise,
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 28.02.2006 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren."
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen."
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. März 2010 den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2002 sowie die Bescheide vom 30. Januar 2004 und 23. August 2005 abgeändert und den Bescheid vom 19. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 sowie den Bescheid vom 21. Januar 2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer ab dem 1. August 2000 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung der Entscheidung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe am 5. September 2000 auch die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit beantragt, da sie auf ihrem Antrag von Juli bzw. Juni 2001 das Kästchen "Rente wegen Erwerbsminderung" angekreuzt und damit deutlich gemacht habe, dass sie alles zugesprochen haben wollte, was ihr auf Grund des Antrags zustand. Da ihrem Widerspruchsschreiben vom 4. Oktober 2001 ihre Auffassung zu entnehmen gewesen sei, sie könne auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht mehr voll arbeiten, habe sie auch erklärt, Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zu erstreben. Vor diesem Hintergrund seien sämtliche Bescheide der Beklagten dahingehend auszulegen, dass jeweils auch über die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mitentschieden worden sei. Der auf den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2007 gestellten Antrag erlassene Bescheid im Zugunstenverfahren sei gemäß § 96 SGG a.F./n.F. unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung divergierender Entscheidungen bzw. der Prozessökonomie zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden. Dieser Bescheid ändere bzw. ersetze den Bescheid vom 23. August 2005, da er Auswirkungen auf die Beschwer der Klägerin habe, weil eine Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2001 bzw. ein Tätigwerden nach § 44 SGB X abgelehnt worden sei. Die Voraussetzungen einer Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides vom 28. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2002 lägen vor. Da es auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankomme, fänden §§ 43 und 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung Anwendung. Die Voraussetzungen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI a.F. erfülle die Klägerin, weil sie ihren bisherigen Beruf als Friseurmeisterin seit dem 17. Juli 2000 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne. Das sei zwischen den Beteiligten unstreitig und ergebe sich auch aus den im Verwaltungsverfahren durchgeführten Ermittlungen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Sozialgericht. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin nach dem 17. Juli 2000 teilweise ca. drei bis fünf Stunden täglich in ihrem Betrieb als selbstständige Friseurmeisterin tätig gewesen sei, da sie diese Arbeiten auf Kosten ihrer Gesundheit ausgeübt habe. Eine ihr gesundheitlich und sozial zumutbare Tätigkeit der dritten Stufe des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (BSG) sei nicht erkennbar. Die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit einer Rezeptionistin in größeren Friseursalons sei ihr gesundheitlich nicht zumutbar, weil sie nicht - wie erforderlich - regelmäßig in Kartons, Gebinden bzw. Paketen verpackte Waren mit einem Gewicht von über 10 kg handhaben oder Arbeiten mit Zwangshaltungen verrichten könne. Im Übrigen habe die Beklagte den Nachweis nicht erbracht, dass für diese Verweisungstätigkeit mehr als dreihundert allgemein zugängliche Arbeitsplätze vorhanden seien. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei es zum Zeitpunkt der Erstellung des Bescheides vom 28. September 2001 auch unwahrscheinlich gewesen, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin wieder insoweit hätte entfallen können, dass ihr eine zumutbare Verweisungstätigkeit hätte benannt werden oder sie ihre selbstständige Tätigkeit vollwertig würde verrichten können. Aus den beigezogenen Rehabilitationsentlassungsberichten sowie den von der Beklagten eingeholten Gutachten und dem Gutachten von Dr. H. vom 13. Juni 2007 ergebe sich, dass es sich um einen Dauerzustand gehandelt habe. Aus der Regelung in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ergebe sich unter Berücksichtigung der Antragstellung der Klägerin am 6. Dezember 2007 ein frühester Leistungsbeginn am 1. Januar 2003. Ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit scheide wegen der selbstständigen Erwerbstätigkeit aus. Eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung komme nicht in Betracht, da die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest leichte körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten könne.
Gegen das ihr am 7. April 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. Mai 2010 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen - unter ausführlicher Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung - aus, einem Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Berufsunfähigkeit stehe entgegen, dass der Beginn der bei der erstmaligen Entscheidung zu befristenden Rente im Jahr 2001 gelegen habe, sodass der Sachverhalt nach den zum 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Vorschriften über die Renten wegen Erwerbsminderung zu beurteilen sei. Nach § 44 Abs. 4 SGB X ergebe sich ein frühester Leistungszeitpunkt erst ab dem 1. Januar 2003, da die Klägerin den Überprüfungsantrag im Dezember 2007 gestellt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 9. März 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es müsse für sie auch so etwas wie Bestands- bzw. Vertrauensschutz geben.
Die Beteiligten sind vom Berichterstatter darauf hingewiesen worden, dass Bedenken im Hinblick auf die vom Sozialgericht angenommene Einbeziehung nach § 96 SGG des Bescheides vom 21. Januar 2008 in den Rechtsstreit bestehen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit noch einen Anspruch auf Weiterbewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Eine rechtswidrige Entscheidung der Beklagten, die die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), liegt nicht vor.
Der Senat geht im Sinne einer effektiven Rechtsschutzgewährung für die Beteiligten (Art. 19 Abs. 4 und 20 Abs. 3 Grundgesetz) zunächst davon aus, dass eine abschließende Entscheidung über einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit zu erfolgen hat, obwohl die Klageänderung in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts nicht ordnungsgemäß protokolliert worden ist. Die Beklagte hat eine Verletzung der in § 122 SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) geregelten Formvorschriften über die Protokollierung von Anträgen nicht gerügt. Die Frage der Wirksamkeit nicht den Formvorschriften entsprechend protokollierter Anträge bei vorausgehenden abweichenden Anträgen ist höchstrichterlich nicht abschließend geklärt (z.B. offen gelassen für die entsprechende Regelung in § 105 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO): Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 22. November 2010 - 2 B 8/10 - juris). Da die Beteiligten sich im Berufungsverfahren nicht von den der Entscheidung des Sozialgerichts zugrunde gelegten Anträgen distanziert haben, geht der Senat zumindest von einer nachträglichen Genehmigung der jeweiligen Anträge aus.
Soweit von der Klägerin die Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit geltend gemacht wird, fehlt es nach der Überzeugung des Senats bereits an einer Zulässigkeit der Klage. Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war zunächst nur der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2005 in der Fassung des Bescheides vom 19. Mai 2006 bzw. 9. Juni 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 über die Ablehnung der Weitergewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 28. Februar 2006 hinaus.
Bezüglich des Bescheides vom 28. September 2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2002) steht dessen Bestandskraft (§ 77 SGG) einer Entscheidung des Senats entgegen. Soweit die Klägerin bekundet hat, ihren Widerspruch gegen diesen Bescheid aufrecht erhalten zu wollen, kommt dem vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Entscheidung über den Widerspruch in dem Widerspruchsbescheid vom 11. April 2002 keine Bedeutung zu. Für den Bescheid vom 21. Januar 2008, der gemäß § 99 Abs. 2 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist und mit dem (nur) über die Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2001 entschieden worden ist, ist das erforderliche Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 SGG) nicht durchgeführt worden. Ein Vorverfahren ist insoweit auch nicht nach § 96 Abs. 1 SGG entbehrlich. Nach dieser Regelung in der hier maßgebenden zum 1. April 2008 außer Kraft getretenen Fassung wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn durch diesen nach Klageerhebung der Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird. Durch den Bescheid vom 21. Januar 2008 wird der ursprünglich mit der Klage angefochtene Bescheid vom 23. August 2005 in der Fassung des Bescheides vom 19. Mai 2006 bzw. vom 9. Juni 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 weder abgeändert noch ersetzt. Da offensichtlich mit einer Überprüfung (nur) des Bescheides vom 23. August 2005 auch im Rahmen einer Zugunstenentscheidung die Bewilligung einer Rente nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rentenrecht nicht in Betracht kommt, ist auf diese Konstellation die vom Senat in stetiger Rechtsprechung angewendete Praxis der Einbeziehung von auf der Grundlage von § 44 Abs. 1 SGB X erlassenen Verwaltungsakten zu den im Verfahren angefochtenen Ursprungsbescheiden nicht übertragbar. Denn insoweit werden nur Bescheide erfasst, die denselben Streitgegenstand betreffen oder die Beschwer des Betroffenen durch Eingriff in den Regelungsgegenstand des Ursprungsbescheides ändern (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 23/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr. 3). Das Sozialgericht hat hier die Klägerin veranlasst, einen Bescheid zur Überprüfung zu stellen, der mit dem Verfahrensgegenstand nur insoweit in einem Sachzusammenhang steht, als die Bewilligung einer Dauerrente im Zugunstenverfahren ggf. das Rechtsschutzbedürfnis im Klageverfahren hätte entfallen lassen. Darüberhinaus stellen die "Rente wegen Berufsunfähigkeit" und die "Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung" verschiedene Streitgegenstände dar, deren Anspruchsvoraussetzungen im Wesentlichen abweichend voneinander sind und deren Zuerkennung in jeweils anderslautenden Verfügungssätzen der Verwaltung stattfindet.
Der Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, das Verfahren zur Nachholung eines Vorverfahrens auszusetzen. Die Klägerin hat auch nach dem Hinweis des Berichterstatters mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 ein Widerspruchsverfahren in Bezug auf den Bescheid vom 21. Januar 2008 nicht betrieben. Im Rahmen eines solchen Widerspruchsverfahrens könnte der Klägerin auch nicht zu einer Behördenentscheidung verholfen werden, die sich mit dem Tenor der Entscheidung des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil decken würde. Insoweit fehlt es an einer verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelung, die die von der Klägerin erstrebte Entscheidung für den Zeitraum ab August 2000 erlauben würde. Als solche kommt § 44 SGB X, der die verfahrensrechtliche Grundlage des Bescheides vom 21. Januar 2008 bildet und eines diesen Bescheid betreffenden Vorverfahrens bilden würde, nicht in Betracht. Damit kann auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens der angestrebte Zweck der Klage, den die Klägerin sich zu eigen gemacht hat, nicht erreicht werden (vgl. zu den Fällen der Entbehrlichkeit des Vorverfahrens als Klagevoraussetzung zuletzt BVerwG, Urteil vom 15. September 2010 - 8 C 21/09 - juris).
Ein Verwaltungsakt ist nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, werden nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X Sozialleistungen nach den besonderen Teilen des Sozialgesetzbuchs längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (a.a.O. Satz 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (a.a.O. Satz 3). Soweit die Klägerin sich auf einen Bestands- bzw. Vertrauensschutz beruft, hat der Gesetzgeber hierzu in den Regelungen der §§ 44 ff. SGB X ein differenziertes System geschaffen, dass die Verwaltung und die Gerichte bindet.
Die Regelung in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X schließt für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31. Dezember 2003 die vom Sozialgericht der Klägerin zugesprochene Leistung von vornherein aus. Ein Antrag auf Überprüfung ist hier frühestens im Januar 2008 mit Zugang des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 4. Dezember 2007
bei der Beklagten gestellt worden. Es kann offen bleiben, ob § 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) in den Fällen des § 44 Abs. 4 SGB X Anwendung findet. Denn Gerichte gehören nicht zu den in § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I genannten Behörden, bei denen Anträge fristwahrend gestellt werden können (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. September 2010 - L 7 AS 651/10 B ER - juris; vgl. zur engen Auslegung der Regelung Lilge, SGB I Kommentar, § 16 RdNr. 38). Die Weiterleitung des Schriftsatzes der Klägerin an die Beklagte ist ausweislich des entsprechenden Vermerks an der richterlichen Verfügung erst am 8. Januar 2008 erfolgt, sodass ein Antragseingang bei der Beklagten im Jahr 2007 ausscheidet.
Nach überwiegender Auffassung besteht damit für den von § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X erfassten Zeitraum auch kein Anspruch auf eine Behördenentscheidung, in dem eine unrichtige Rechtsanwendung bei Erlass des Ursprungsbescheides festgestellt wird, da der Bescheid im Hinblick auf die Leistung nicht umgesetzt werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 1991 - 9b RAr 7/90 - BSGE 68, 180, 181 f.; BSG, Beschluss vom 26. Oktober 1994 - 8 BH (Kn) 1/94 - SozR 3-6610 Art. 5 Nr. 1).
Da vor diesem Hintergrund eine Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2001 für einen vor dem 1. Januar 2004 liegenden Zeitraum ausgeschlossen ist, steht hier die Regelung in § 302b Abs. 1 SGB VI auch einer Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit durch die Beklagte für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2004 entgegen. Diese Übergangsvorschrift sieht vor, dass der jeweilige Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (bzw. in der Fassung des Rentenversicherungsanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze) weiterbesteht, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistungen maßgebend waren, wenn am 31. Dezember 2000 ein Anspruch auf eine solche Rente bestand (Satz 1). Bei befristeten Renten gilt dies auch für einen Anspruch nach Ablauf der Frist (Satz 2). Mangels einer Verpflichtung der Beklagten, eine Bewilligungsentscheidung über einen Anspruch der Klägerin auf Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente am 31. Dezember 2000 zu erlassen, kann weder ein Anspruch der Klägerin zum maßgebenen Stichtag (fiktiv) vom Gericht festgelegt noch darüber hinausgehend das Fortbestehen der für "die Bewilligung" maßgebenden Voraussetzungen festgestellt werden. Mit der letztgenannten Voraussetzung meint der Gesetzgeber die Bewilligung durch die zuständige Behörde.
Soweit das Sozialgericht auch den Bescheid vom 30. Januar 2004 abgeändert hat, ist eine Vorbefassung der Verwaltung mit einer Überprüfung dieses bestandskräftigen Bescheides, die nach Durchführung eines Vorverfahrens den Klageweg eröffnen würde, nicht erkennbar.
Im Übrigen, d.h. soweit nicht die Rente wegen Berufsunfähigkeit betroffen ist, ist der Streitgegenstand, über den das Sozialgericht entschieden hat, für den Senat nicht eindeutig feststellbar. Während die Formulierung eines Haupt- und eines Hilfsantrags in der mündlichen Verhandlung und die nicht vorgenommene Klageabweisung im Tenor dafür sprechen, dass das Sozialgericht nur über einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit entschieden hat, enthalten die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Ausführungen auch zu einem Anspruch der Klägerin auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und - über den Haupt- und Hilfsantrag hinausgehend - Ausführungen zu einem im Ergebnis verneinten Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Nach § 157 Satz 1 SGG prüft das LSG den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Im Rahmen der allein von der Beklagten geführten Berufung ist indes eine Entscheidung des Senats über eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und wegen voller Erwerbsminderung ausgeschlossen, da diese jeweils einen höheren Rentenartfaktor (1,0) als die ausgeurteilte Rente wegen Berufsunfähigkeit (0,6667) haben.
Bezüglich des ursprünglich von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 23. August 2005 in der Fassung des Bescheides vom 19. Mai 2006 bzw. 9. Juni 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 stehen der Prüfung eines Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit mehrere rechtliche Gesichtspunkte - u.a. die Regelung in § 302b Abs. 1 SGB VI - entgegen, sodass es nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Leistungen über den 28. Februar 2006 hinaus nicht erweiternd ausgelegt und unter Berücksichtigung des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechts beschieden hat.
Im Hinblick auf den vor dem Sozialgericht als Hilfsantrag gestellten Antrag auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB VI n.F. kann der Senat auch bei einer im Rahmen des Berufungsverfahrens zur Entscheidung gestellten Verurteilung zur Bewilligung einer Berufsunfähigkeit nach neuem Recht über diese geringere Rente (Rentenartfaktor 0,5) mitentscheiden.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI n.F. haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (a.a.O. Satz 2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (a.a.O. Satz 3).
Die Klägerin ist nicht teilweise erwerbsgemindert im vorgenannten Sinne. Sie kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch vollschichtig leichte, ausnahmsweise auch mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung - ohne Arbeiten in Zwangshaltungen, mit häufigen Bücken, Heben, Tragen, Hocken, mit einer Exposition gegenüber Nässe, Kälte, Zugluft, mit erhöhter Verletzungsgefahr sowie ohne Arbeiten in Nachschicht, im Akkord, am Fließband und auf Leitern oder Gerüsten - verrichten. Armvorhaltearbeiten und Über-Kopf-Arbeiten sind nur kurzfristig ausführbar. Das rechte Schultergelenk bedarf der Schonung, sodass der Gebrauch des rechten Armes eingeschränkt ist.
Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus den insoweit überzeugenden Feststellungen von Dr. H. in seinem Gutachten vom 13. Juni 2007, die durch die von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. H. vom 10. August 2005 und von Dr. G. vom 9. Januar 2004 und die Angaben in sämtlichen Entlassungsberichten über die ingesamt fünf aktenkundigen stationären Rehabilitationskuren gestützt werden.
Nach allen medizinischen Feststellungen hat ein Rezidiv der Tumorerkrankung ausgeschlossen werden können. Hinweise auf erhebliche psychische Beeinträchtigungen hat Dr. H. in seinem Gutachten vom 13. Juni 2007 ausdrücklich verneint. Die damit zu berücksichtigenden Gesundheitseinschränkungen der Klägerin, die zu Funktionsminderungen führen, liegen auf orthopädisch-/internistischem Fachgebiet. Im Wesentlichen ist der Dauergebrauch der Arme durch das Lymphödem und entzündlich-degenerative Veränderungen am Band-/Sehnenapparat der Schultern eingeschränkt, sodass ihr Arbeiten mit Armvorhalte bzw. solche über Kopf nur eingeschränkt möglich sind. Soweit in körperlich leichten Tätigkeiten aber nur ein leichtes Anheben von Gegenständen ohne Zwangshaltung erforderlich ist, besteht bei der Klägerin ein quantitativ nicht gemindertes Leistungsvermögen. Ob in welchem Umfang die Klägerin noch zumutbar als Leiterin eines Friseursalons tätig sein kann, hat hier außer Betracht zu bleiben, da Prüfungsmaßstab nach dem Gesetzeswortlaut allein Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sind.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI kommt hier nicht in Betracht, da die Klägerin nach dem maßgebenden Stichtag am ... 1961 geboren ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Die am ... 1964 geborene Klägerin durchlief vom 1. September 1980 bis zum 15. Juli 1982 eine Berufsausbildung zum Damen- und Herrenfriseur sowie eine Ausbildung zur Kosmetikerin und Fußpflegerin. Am 30. August 1989 erwarb sie die Qualifikation "Meister des Friseurhandwerks". Sie betreibt im Rahmen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit einen Friseursalon; das Gewerbe wurde zum 2. Januar 1993 angemeldet. In dem Betrieb waren zunächst keine Angestellten und dann bis 2005 zwei Friseurinnen tätig. Nach Angaben der Klägerin ist seitdem bei ihr eine Friseurin ca. fünf Stunden täglich beschäftigt. Nach August 2002 habe sie selbst dort zwei bis drei Stunden täglich im Wechsel zwischen Bürotätigkeit und Dienst am Kunden, im Jahr 2003 zwei bis vier Stunden täglich (manchmal auch nur zwei Stunden und an manchen Tagen gar nicht) und seit ca. 2004 zwischen drei und höchstens fünf Stunden täglich (an manchen Tagen gar nicht) gearbeitet. In der Arbeitszeit der Angestellten würden in Absprache die Tätigkeiten ausgeführt, die sie selbst nicht bewältigen könne. Bei Arbeiten, die die Vorhalte der Arme erforderten, müsse zeitweise eine Kollegin einspringen.
Seit 1996 bezog die Klägerin Wohngeld. Aus den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden gehen folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb hervor:
1999/9.307,00 DM, 2000/4.399,00 DM, 2001/negative Einkünfte (-12.569,00 DM), 2002/1.199,00 EUR, 2003/3.680,00 EUR, 2004/2.874,00 EUR, 2005/2.800 EUR, 2006/2.962,00 EUR.
Im Sommer 1993 traten bei der Klägerin Schmerzen im Oberarm rechts auf. Nach ambulanter Entfernung einees Knotens wurde die Diagnose eines infiltrierenden duktalen Karzinoms gestellt und am 9. April 1994 brusterhaltend eine ausgiebige Quadrantenresektion an der rechten Brust vorgenommen. Aus den ihr von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen-Anhalt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, bewilligten stationären Rehabiliationskuren im Juni/Juli 1995, Juli 1996 und Juli/August 1997 wurde die Klägerin nach den Entlassungsberichten vom 27. Juli 1995, 31. Juli 1996 und 19. September 1997 jeweils mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Arbeiten ohne Über-Kopf-Arbeit und eine besondere Belastung des rechten Armes - nach der Maßnahme im Juli/August 1997 auch mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für eine Tätigkeit als Friseurmeisterin - entlassen. Am 24. Juli 2000 wurde bei der Klägerin eine brusterhaltende Operation auf Grund eines Tumors an der linken Brust durchgeführt. Anschließend wurden eine Chemotherapie, eine Bestrahlung und eine Hormontherapie eingeleitet. Seit dem 24. Juli 2000 bezog die Klägerin Krankengeld. Die Beklagte gewährte der Klägerin auf ihre Anträge vom 5. September 2000 und vom 9. April 2001 weitere Leistungen zur Rehabilitation vom 27. September bis zum 25. Oktober 2000 und vom 10. Mai bis zum 14. Juni 2001.
Die Klägerin beantragte am 26. Juni 2001 förmlich die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der LVA. Diese zog u.a. den Entlassungsbericht der Reha-Klinik B. S. vom 2. November 2000 bei. Diesem ist zu entnehmen, nach Abschluss der adjuvanten Tumortherapie werde die Klägerin voraussichtlich in einem Dreivierteljahr ihre bisherige berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen können. Auf das Heben und Bewegen von Lasten über 5 kg sowie andauernde Überkopfarbeiten solle sie dabei verzichten. Voraussetzung für den Wiederbeginn der Arbeit seien unauffällige Ergebnisse in dem im Anschluss an die Therapie erforderlichen Restaging. In der sozialmedizinischen Stellungnahme wurde im Ankreuzverfahren ein vollschichtiges Leistungsvermögen als "Friseuse" sowie für leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten angegeben. Aus der von Mai bis Juni 2001 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme im Eisenmoorbad Bad S. wurde die Klägerin nach dem Entlassungbericht vom 28. Juni 2001 mit einem Leistungsvermögen für ihre letzte Tätigkeit als "Friseusin" und andere leichte körperliche Arbeiten auf Grund der allgemeinen Leistungsschwäche bei Doppelkarzinomerkrankung von nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich entlassen. Eine erneute sozialmedizinische Beurteilung solle in zwei Jahren erfolgen.
Die LVA bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 28. September 2001 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 1. Februar 2001 bis zum 31. Januar 2004. Die Anspruchsvoraussetzungen seien seit dem 17. Juli 2000, dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, erfüllt. Als Rentenantrag sei nach § 116 Abs. 2 SGB VI der am 5. September 2000 gestellte Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation berücksichtigt worden. Der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die teilweise Erwerbsminderung behoben werden könne. Die Rente werde zunächst wegen des vorausgehend bezogenen Übergangsgeldes erst ab dem 15. Juni 2001 gezahlt.
Die Klägerin legte hiergegen - vertreten durch einen Rentenberater - fristgerecht Widerspruch ein. Auf Grund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei sie nicht in der Lage, regelmäßig zu arbeiten. Sie noch arbeitsunfähig und befinde sich in ständiger ambulanter Behandlung.
Die LVA holte zur Frage der Wiederherstellbarkeit der Leistungsfähigkeit der Klägerin eine prüfärztliche Stellungnahme von dem Prüfarzt Dr. S. vom 5. März 2002 ein, der ein nicht unter halbschichtig herabgesunkenes Leistungsvermögen der Klägerin bestätigte. Üblicherweise erlangten Kranke mit dem bei der Klägerin vorliegenden Tumorstadium sogar innerhalb der gesetzlichen Arbeitsunfähigkeitszeit das volle Leistungsvermögen für leidensgerechte Tätigkeiten. Da kein Lymphstau in beiden Armen als Operationsfolge aufgetreten sei und kein Anhalt für eine organische Herzerkrankung vorliege, sei die Annahme berechtigt, dass die Klägerin nach Ablauf der ihr bewilligten Rente auch ihre Friseurtätigkeit wieder ausüben könne, sofern sich die als Therapiefolgen aufgetretenen Empfindungsstörungen und Gelenkschmerzen an beiden Händen nach Abschluss dieser Behandlung wieder zurückbildeten.
Die LVA wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 28. September 2001 mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2002 als unbegründet zurück. Die Klägerin sei seit dem 17. Juli 2000 fähig, leichte Arbeiten unter zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen drei bis unter sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuführen. Für die Entscheidung, ihr eine teilweise Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Februar 2001 nach § 102 Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung zu bewilligen, sei maßgebend gewesen, dass die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit als Friseurin nicht aufgegeben habe und somit der Arbeitsmarkt für sie nicht als verschlossen gelte. Es sei auch nicht unwahrscheinlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Bei einem Rentenbeginn am 1. Februar 2001 sei gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI das SGB VI in der Fassung ab 1. Januar 2001 anzuwenden gewesen.
Aus der ihr vom 1. bis zum 29. August 2002 von der LVA gewährten stationären Rehabilitationsmaßnahme ist die Klägerin nach dem Entlassungsbericht der V.-Klinik B. E. vom 16. September 2002 mit einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich als selbstständige Friseurmeisterin sowie für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel der Haltungsarten entlassen worden. Ein höheres Leistungsvermögen der Klägerin sei gegenwärtig insbesondere deshalb nicht gegeben, weil ihre berufliche Tätigkeit mit einer besonderen Belastung des Schultergürtels verbunden sei.
Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 4. November 2003, bei dem sie eine laufende Erwerbstätigkeit als Friseurin im Umfang von ca. vier bis fünf Stunden täglich angegeben hatte, bewilligte die LVA der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 30. Januar 2004 weiter bis zum 30. September 2005. Der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die teilweise Erwerbsminderung behoben werden könne. Der Bewilligung lag im Wesentlichen das von der Beklagten eingeholte Gutachten von dem Facharzt für Frauenheilkunde MR Dr. G. vom 9. Januar 2004 zugrunde. Diesem ist zu entnehmen, die Klägerin habe angegeben, unter einer allgemeinen Erschöpfung und Schmerzen in allen Gelenken - besonders in den Ellenbogengelenken - und Angstzuständen zu leiden. Sie könne ihre Arme nur kurzfristig anheben, was ihre Arbeit als Friseurin beim Haareschneiden und Föhnen stark beeinträchtige. Die Arbeit gelinge ihr sehr wechselnd gut bis gar nicht. Bislang gebe es keinen Anhalt für ein Lokalrezidiv oder Metastasen. Als Folge der Dissektio der Axilla beidseits komme es immer noch zu Anschwellungen der Arme mit Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und einer eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der Arme. Als Folge der zweieinhalbjährigen Therapie mit Zoladex schmerzten alle Gelenke, besonders aber die Ellenbogengelenke. Es bestehe ein Fatigue-Syndrom. Die Klägerin könne ihre seit zwei Jahren wieder drei bis vier Stunden täglich verrichtete Tätigkeit als Friseurmeisterin mit der Zeitbeschränkung auf drei bis sechs Stunden täglich fortsetzen. Auch für leichte/leichtere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehe eine Leistungsfähigkeit der Klägerin von drei bis sechs Stunden täglich unter Vermeidung von Hebeleistungen und Über-Kopf-Arbeit.
Auf den Weitergewährungssantrag der Klägerin vom 9. Juni 2005 holte die LVA zunächst einen Befundbericht von Dr. D. vom 19. Juni 2005 ein, dem als Anlage sein Arztbrief vom 3. November 2004 beigefügt war. Darin wird ein Hinweis auf ein Lokalrezidiv der Tumorerkrankung verneint. Die LVA holte ein Gutachten von der Fachärztin für Chirurgie Dr. H. vom 10. August 2005 ein, der gegenüber die Klägerin angab, im beruflichen Bereich täglich mit Pausen als Friseuse drei Stunden die Kundenbetreuung und ca. zwei Stunden organisatorische Aufgaben zu übernehmen; insgesamt arbeite sie etwa fünf Stunden am Tag. Aus chirurgischer Sicht sei die Klägerin in ihrem Beruf als Leiterin eines Friseursalons in Teilzeit arbeitsfähig. Sie müsse ihre Arbeit so einrichten, dass sie gut wechsele zwischen Kundenbetreuung und organisatorischer Tätigkeit. Das neu aufgetretene Lymphödem des rechten Armes habe die Klägerin gut im Griff; zeitweise würden Lymphdrainagen durchgeführt. Als selbstständige Friseurmeisterin sowie in leichten bis mittelschweren Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Tagesschicht und im Wechsel der Haltungsarten könne die Klägerin noch drei bis unter sechs Stunden täglich - bzw. nach der bis zum 31. Dezember 2000 maßgebenden Rechtslage halb- bis unter vollschichtig - arbeiten.
Die LVA lehnte den zweiten Weitergewährungsantrag mit Bescheid vom 23. August 2005 zunächst ab. Über den Wegfallzeitpunkt der vorher bewilligten Rente hinaus liege bei der Klägerin weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor. Sie könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs führte die Klägerin aus, sie könne nicht sechs Stunden am Tag erwerbstätig sein. Sie gehe ihrer selbstständigen Tätigkeit zwischen drei und höchstens fünf Stunden pro Tag nach. An manchen Tagen könne sie gar nicht arbeiten. Ihr Körper habe unter der Chemotherapie, Bestrahlung und zweijährigen Behandlung mit Zoladex gelitten. Sie habe Probleme in den Schultergelenken bzw. gürteln und schwere Arme, sodass es ihr oft nicht möglich sei, ihre Arbeit auszuführen. Denn die Friseurtätigkeit werde hauptsächlich mit erhobenen Armen ausgeführt und dies sei sehr anstrengend. Da sie nicht mehr so fit wie vor ihrer Erkrankung sei, benötige sie für diese Arbeiten mehr Zeit. Sie arbeite meist im Wechsel zwischen Bürotätigkeit und Dienst am Kunden. Sie habe Schmerzen, nachts unruhige Beine und fühle sich nach jeder kleinsten Anstrengung gleich schlapp und dauernd müde.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin eine stationäre Rehabilitationskur in der M. Klinik in W. (Einrichtung mit Schwerpunkt Orthopädie) vom 10. Januar bis zum 7. Februar 2006, aus der die Klägerin nach dem Entlassungsbericht vom 7. Februar 2006 mit einem Leistungsvermögen als Friseurin von drei bis unter sechs Stunden und einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis intermittierend mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel der Haltungsarten entlassen wurde. Zu vermeiden seien ständige Zwangshaltungen wie Arbeiten in Vorbeuge, Über-Kopf-Tätigkeiten sowie Rumpfüberstreckungen, häufiges Bücken, Hocken, Kälte-/Nässe-/Zugluftexposition und Tätigkeiten mit erhöhter Unfall- oder Verletzungsgefahr.
Die Beklagte half dem Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 19. Mai 2006 und Ausführungsbescheid vom 9. Juni 2006 teilweise ab und bewilligte ihr die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung weiter bis zum 28. Februar 2006. Den von der Klägerin mit der Begründung, sie könne keine Tätigkeit sechs Stunden täglich ausüben, im Übrigen aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006 als unbegründet zurück. Das in dem Bescheid vom 23. August 2005 zugrunde gelegte Leistungsvermögen der Klägerin von mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - ohne starken Zeitdruck (z.B. Akkord), Wechsel-/Nachtschicht, eine Gefährdung durch Kälte, Zugluft, Nässe, ein Heben und Tragen von über 10 kg, häufiges Bücken und Hocken, Überkopfarbeiten und länger andauernde Tätigkeiten in Armvorhalte - sei für die Zeit seit Abschluss der letzten Rehabilitationsmaßnahme bestätigt worden. Der Gesundheitszustand der Klägerin sei gebessert mit einem geringen Lymphöden am rechten Arm. Das beidseitige Tumorleiden sei ohne Rezidiv und Metastasen; die Laborwerte lägen im Normbereich.
Die Klägerin hat am 8. August 2006 Klage vor dem früheren Sozialgericht Stendal erhoben und zunächst beantragt, den Bescheid vom 23. August 2005 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 aufzuheben und ihr eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zuzusprechen. Sie übe ihre selbstständige Erwerbstätigkeit als Damen- und Herren-Friseur zwischen 15 und 25 Stunden in der Woche aus. Für diese Tätigkeit sei sie nur drei bis unter sechs Stunden täglich einsetzbar. Die gesundheitlichen Bedingungen, die zur ursprünglichen Rentenbewilligung geführt hätten, lägen weiterhin vor.
Das Sozialgericht hat zunächst durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Aus dem Befundbericht von Dr. D. vom 1. Oktober 2006 gehen keine Veränderungen der Befunde bei der Klägerin hervor. Überwiegend leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung (nur kurzfristig etwas schwere Arbeiten), ohne schweres Heben und Tragen, Nässe, Zugluft und statische Arbeiten könne sie noch vollschichtig verrichten. Es bestehe eine Lymphabflussbehinderung, die durch eine statische Körperhaltung verstärkt werde. Die Arme würden schwer, ermüdeten schneller und die Feinmotorik sei eingeschränkt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin/Naturheilkunde Dipl.-Med. B. hat in ihrem Befundbericht vom 8. November 2006 nur noch leichte Arbeiten ohne Zwangshaltung der Arme (ohne Angaben zur Zeitdauer) als der Klägerin zumutbar angegeben. Die Fachärztin für Orthopädie Dr. B. hat nach ihrer Erinnerung für den Behandlungszeitraum bis November 2006 in ihrem Befundbericht vom 19. März 2007 ein nicht mehr vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin mitgeteilt.
Das Sozialgericht hat sodann ein Gutachten von Dr. H., Chefarzt der Chirurgischen Klinik am H. E. Hospital in B., eingeholt, das nach Anfertigung einer Computertomografie (CT) erstellt worden ist. In ihrer Auswertung des CT-Befundes vom 22. Mai 2007 hat die Fachärztin für diagnostische Radiologie Dr. S. angegeben, bei der Klägerin bestehe eine Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule (HWS) ohne Anhalt für eine Bandscheibenprotrusion, einen Bandscheibenvorfall, einen Sequester oder engen Spinalkanal. Auch ein Hinweis auf einen malignitätsverdächtigen Prozess oder eine Myelomalazie bestehe nicht. Erkennbar sei eine deutlich fluoride Ansatztendinitis der Supraspinatussehne mit Tendinosis calcarea, ein ossäres Impingementsyndrom der langen Bizepssehne mit chronisch wirkender Tendosynovitis, ein Reizerguss in der Bursa subdeltoidea und subakromialis, eine mäßiggradige AC-Gelenksarthrose und ein kleiner Einriss des Labrum glenoidale ventrale. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 13. Juni 2007 ausgeführt, die Klägerin habe bereits für das Jahr 2001 eine Minderbelastbarkeit der Arme bei anstrengenden Tätigkeiten und belastungsabhängige Schulter-Nackenbeschwerden mit Kribbelparästhesien in den Händen - insbesondere nachts - angegeben. Seit einiger Zeit bestünden auch rechtsseitige Ischialgien. Als Diagnosen lägen vor:
Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks, Ansatztendinitis der Supraspinatussehne mit Tendinosis calcanea, ossäres Impingementsyndrom der langen Bizepssehne mit chronischer Tendosynovitis, Reizerguss der Bursa subdeltoidea und der Bursa subacromialis, mäßiggradige AC-Gelenkarthrose, kleiner Einriss des Labrum glenoidale ventrale.
Rezidivierendes Zervikobrachialsyndrom beidseits mit Streckfehlhaltung der HWS.
Zustand nach Mammakarzinom rechts 1984, nach Quadrantenresektion und axilärer Lymphadenektomie Level I-III und nach Radiatio und Chemotherapie.
Zustand nach Mammakarzinom links 2000, nach Quadrantenresektion und axillärer Lymphadenektomie, Radiatio und Chemotherapie, ohne Hinweis für Rezidiv.
Mäßiggradiges Lymphödem links.
Postradikuläre Lumboischialgie rechts rezidivierend.
Großzehengrundgelenksarthrose beidseits.
Anamnestisch Hypertonus.
Hinweise für Abweichungen im psychischen Bereich seien nicht vorhanden. Der Klägerin seien noch vollschichtig leichte, ausnahmsweise auch mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Zwangshaltungen möglich. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, Heben, Tragen, Hocken, Nässe, Kälte, Zugluft und eine erhöhte Unfall- und Verletzungsgefahr, Arbeiten über Kopf, in Nachtschicht, im Akkord, am Fließband sowie Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten. Armvorhaltearbeiten seien nur kurzfristig ausführbar. An beiden Händen bestehe eine geringgradige polyneuropathische Sensibilitätsstörung, die aber eine Arbeit mit Tastempfindung nicht ausschließe. Geschont werden müsse unbedingt das rechte Schultergelenk, mit einem dadurch bedingten eingeschränkten Gebrauch des rechten Armes. Die Klägerin könne als Friseurin nur bis zu drei Stunden täglich und nur zeitweilig mit großen Pausen am Kunden arbeiten. Dieser Zustand sei seit dem Tag der Antragstellung am 5. September 2000 vorhanden, mit einer Verschlimmerung des Zustands an der rechten Schulter. Zurzeit werde von der Klägerin eine Erwerbstätigkeit teilweise zeitweilig auf Kosten der Gesundheit durchgeführt. Ihre Fähigkeit, die Wege zur Arbeit zurückzulegen, sei nicht beschränkt. Eine begründete Aussicht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne, bestehe nicht.
Im April 2007 hatte der Vorsitzende der Kammer des Sozialgerichts der Beklagten mitgeteilt, der Leistungsfall sei hier der 17. Juli 2000 gewesen, sodass nach der neueren Rechtsprechung "altes Recht" angewendet werden und damit auch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit geprüft werden müsse. Die Beklagte werde "beauflagt", den Sachverhalt von Amts wegen zu überprüfen. Die Beklagte hat den Erlass eines Überprüfungsbescheides zunächst abgelehnt. Die Voraussetzungen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit lägen nicht vor, da die Klägerin noch den Verweisungsberuf einer Rezeptionistin in größeren Friseursalons verrichten könne. Mit einem Leistungsvermögen in ihrer selbstständigen Tätigkeit von drei bis unter sechs Stunden habe sie auch noch mehr als die Lohnhälfte im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. erzielen können. Mit am 6. Dezember 2007 bei dem Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz vom 4. Dezember 2007 hat die Klägerin ausgeführt, sie stelle "hiermit den konkreten Antrag auf einen Überprüfungsbescheid. Möglicherweise wäre eine Erwerbsminderungsrente zu gewähren". Die richterliche Verfügung zur Weiterleitung dieses Schriftsatzes an die Beklagte vom 12. Dezember 2007 ist ausweislich des Aktenvermerkes der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle am 8. Januar 2008 ausgeführt worden. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 21. Januar 2008 die Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2001 nach dessen Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) abgelehnt. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit scheide auf Grund ihrer selbstständigen Tätigkeit aus. Einem Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit stehe entgegen, dass die Klägerin mit ihrem seit dem 17. Juli 2000 vorliegenden halb- bis unter vollschichtigen Leistungsvermögen und ihrer selbstständigen Tätigkeit mit Angestellten auf die selbstständige Tätigkeit als Friseurmeisterin, ein Beschäftigungsverhältnis in gleichwertiger Stellung oder auf den Beruf einer Rezeptionistin in einem größeren Friseursalon verweisbar sei. Dieser Bescheid werde gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Verfahrens.
Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, "der Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.09.2001 bleibt bestehen". Ihr Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Sie könne nicht länger als fünf Stunden hintereinander arbeiten. "Totale Erwerbsunfähigkeit" liege nicht vor und sei auch nicht ihr Ziel. "Jedoch liegt hier eine Erwerbsminderung vor, die nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen zu überprüfen wäre und in einer angemessenen Erwerbsminderungsrente ihren Ausdruck finden sollte".
Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 9. März 2010 folgende Anträge laut diktiert (nicht vorgelesen oder vorgespielt) und mit dem Hinweis auf einen allseitigen Verzicht auf ein "erneutes" Vorspielen in das Protokoll aufgenommen:
"Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung bzw. Abänderung des Bescheides vom 28.09.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002 sowie der Bescheide vom 30.01.2004, 23.08.2005, sowie der Bescheide vom 30.01.2004, 23.08.2005, 19.05.2006 und 09.06.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2006 sowie des Bescheides vom 21.01.2008 zu verurteilen, ihr ab dem 01.08.2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit in der bis zum 31.12.2000 gültigen Gesetzesfassung zu gewähren,
hilfsweise,
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 28.02.2006 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren."
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen."
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. März 2010 den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2002 sowie die Bescheide vom 30. Januar 2004 und 23. August 2005 abgeändert und den Bescheid vom 19. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 sowie den Bescheid vom 21. Januar 2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer ab dem 1. August 2000 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung der Entscheidung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe am 5. September 2000 auch die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit beantragt, da sie auf ihrem Antrag von Juli bzw. Juni 2001 das Kästchen "Rente wegen Erwerbsminderung" angekreuzt und damit deutlich gemacht habe, dass sie alles zugesprochen haben wollte, was ihr auf Grund des Antrags zustand. Da ihrem Widerspruchsschreiben vom 4. Oktober 2001 ihre Auffassung zu entnehmen gewesen sei, sie könne auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht mehr voll arbeiten, habe sie auch erklärt, Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zu erstreben. Vor diesem Hintergrund seien sämtliche Bescheide der Beklagten dahingehend auszulegen, dass jeweils auch über die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mitentschieden worden sei. Der auf den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2007 gestellten Antrag erlassene Bescheid im Zugunstenverfahren sei gemäß § 96 SGG a.F./n.F. unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung divergierender Entscheidungen bzw. der Prozessökonomie zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden. Dieser Bescheid ändere bzw. ersetze den Bescheid vom 23. August 2005, da er Auswirkungen auf die Beschwer der Klägerin habe, weil eine Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2001 bzw. ein Tätigwerden nach § 44 SGB X abgelehnt worden sei. Die Voraussetzungen einer Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides vom 28. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2002 lägen vor. Da es auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankomme, fänden §§ 43 und 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung Anwendung. Die Voraussetzungen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI a.F. erfülle die Klägerin, weil sie ihren bisherigen Beruf als Friseurmeisterin seit dem 17. Juli 2000 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne. Das sei zwischen den Beteiligten unstreitig und ergebe sich auch aus den im Verwaltungsverfahren durchgeführten Ermittlungen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Sozialgericht. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin nach dem 17. Juli 2000 teilweise ca. drei bis fünf Stunden täglich in ihrem Betrieb als selbstständige Friseurmeisterin tätig gewesen sei, da sie diese Arbeiten auf Kosten ihrer Gesundheit ausgeübt habe. Eine ihr gesundheitlich und sozial zumutbare Tätigkeit der dritten Stufe des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (BSG) sei nicht erkennbar. Die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit einer Rezeptionistin in größeren Friseursalons sei ihr gesundheitlich nicht zumutbar, weil sie nicht - wie erforderlich - regelmäßig in Kartons, Gebinden bzw. Paketen verpackte Waren mit einem Gewicht von über 10 kg handhaben oder Arbeiten mit Zwangshaltungen verrichten könne. Im Übrigen habe die Beklagte den Nachweis nicht erbracht, dass für diese Verweisungstätigkeit mehr als dreihundert allgemein zugängliche Arbeitsplätze vorhanden seien. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei es zum Zeitpunkt der Erstellung des Bescheides vom 28. September 2001 auch unwahrscheinlich gewesen, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin wieder insoweit hätte entfallen können, dass ihr eine zumutbare Verweisungstätigkeit hätte benannt werden oder sie ihre selbstständige Tätigkeit vollwertig würde verrichten können. Aus den beigezogenen Rehabilitationsentlassungsberichten sowie den von der Beklagten eingeholten Gutachten und dem Gutachten von Dr. H. vom 13. Juni 2007 ergebe sich, dass es sich um einen Dauerzustand gehandelt habe. Aus der Regelung in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ergebe sich unter Berücksichtigung der Antragstellung der Klägerin am 6. Dezember 2007 ein frühester Leistungsbeginn am 1. Januar 2003. Ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit scheide wegen der selbstständigen Erwerbstätigkeit aus. Eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung komme nicht in Betracht, da die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest leichte körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten könne.
Gegen das ihr am 7. April 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. Mai 2010 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen - unter ausführlicher Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung - aus, einem Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Berufsunfähigkeit stehe entgegen, dass der Beginn der bei der erstmaligen Entscheidung zu befristenden Rente im Jahr 2001 gelegen habe, sodass der Sachverhalt nach den zum 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Vorschriften über die Renten wegen Erwerbsminderung zu beurteilen sei. Nach § 44 Abs. 4 SGB X ergebe sich ein frühester Leistungszeitpunkt erst ab dem 1. Januar 2003, da die Klägerin den Überprüfungsantrag im Dezember 2007 gestellt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 9. März 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es müsse für sie auch so etwas wie Bestands- bzw. Vertrauensschutz geben.
Die Beteiligten sind vom Berichterstatter darauf hingewiesen worden, dass Bedenken im Hinblick auf die vom Sozialgericht angenommene Einbeziehung nach § 96 SGG des Bescheides vom 21. Januar 2008 in den Rechtsstreit bestehen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit noch einen Anspruch auf Weiterbewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Eine rechtswidrige Entscheidung der Beklagten, die die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), liegt nicht vor.
Der Senat geht im Sinne einer effektiven Rechtsschutzgewährung für die Beteiligten (Art. 19 Abs. 4 und 20 Abs. 3 Grundgesetz) zunächst davon aus, dass eine abschließende Entscheidung über einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit zu erfolgen hat, obwohl die Klageänderung in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts nicht ordnungsgemäß protokolliert worden ist. Die Beklagte hat eine Verletzung der in § 122 SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) geregelten Formvorschriften über die Protokollierung von Anträgen nicht gerügt. Die Frage der Wirksamkeit nicht den Formvorschriften entsprechend protokollierter Anträge bei vorausgehenden abweichenden Anträgen ist höchstrichterlich nicht abschließend geklärt (z.B. offen gelassen für die entsprechende Regelung in § 105 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO): Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 22. November 2010 - 2 B 8/10 - juris). Da die Beteiligten sich im Berufungsverfahren nicht von den der Entscheidung des Sozialgerichts zugrunde gelegten Anträgen distanziert haben, geht der Senat zumindest von einer nachträglichen Genehmigung der jeweiligen Anträge aus.
Soweit von der Klägerin die Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit geltend gemacht wird, fehlt es nach der Überzeugung des Senats bereits an einer Zulässigkeit der Klage. Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war zunächst nur der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2005 in der Fassung des Bescheides vom 19. Mai 2006 bzw. 9. Juni 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 über die Ablehnung der Weitergewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 28. Februar 2006 hinaus.
Bezüglich des Bescheides vom 28. September 2001 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2002) steht dessen Bestandskraft (§ 77 SGG) einer Entscheidung des Senats entgegen. Soweit die Klägerin bekundet hat, ihren Widerspruch gegen diesen Bescheid aufrecht erhalten zu wollen, kommt dem vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Entscheidung über den Widerspruch in dem Widerspruchsbescheid vom 11. April 2002 keine Bedeutung zu. Für den Bescheid vom 21. Januar 2008, der gemäß § 99 Abs. 2 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist und mit dem (nur) über die Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2001 entschieden worden ist, ist das erforderliche Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 SGG) nicht durchgeführt worden. Ein Vorverfahren ist insoweit auch nicht nach § 96 Abs. 1 SGG entbehrlich. Nach dieser Regelung in der hier maßgebenden zum 1. April 2008 außer Kraft getretenen Fassung wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn durch diesen nach Klageerhebung der Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird. Durch den Bescheid vom 21. Januar 2008 wird der ursprünglich mit der Klage angefochtene Bescheid vom 23. August 2005 in der Fassung des Bescheides vom 19. Mai 2006 bzw. vom 9. Juni 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 weder abgeändert noch ersetzt. Da offensichtlich mit einer Überprüfung (nur) des Bescheides vom 23. August 2005 auch im Rahmen einer Zugunstenentscheidung die Bewilligung einer Rente nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rentenrecht nicht in Betracht kommt, ist auf diese Konstellation die vom Senat in stetiger Rechtsprechung angewendete Praxis der Einbeziehung von auf der Grundlage von § 44 Abs. 1 SGB X erlassenen Verwaltungsakten zu den im Verfahren angefochtenen Ursprungsbescheiden nicht übertragbar. Denn insoweit werden nur Bescheide erfasst, die denselben Streitgegenstand betreffen oder die Beschwer des Betroffenen durch Eingriff in den Regelungsgegenstand des Ursprungsbescheides ändern (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 23/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr. 3). Das Sozialgericht hat hier die Klägerin veranlasst, einen Bescheid zur Überprüfung zu stellen, der mit dem Verfahrensgegenstand nur insoweit in einem Sachzusammenhang steht, als die Bewilligung einer Dauerrente im Zugunstenverfahren ggf. das Rechtsschutzbedürfnis im Klageverfahren hätte entfallen lassen. Darüberhinaus stellen die "Rente wegen Berufsunfähigkeit" und die "Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung" verschiedene Streitgegenstände dar, deren Anspruchsvoraussetzungen im Wesentlichen abweichend voneinander sind und deren Zuerkennung in jeweils anderslautenden Verfügungssätzen der Verwaltung stattfindet.
Der Senat hat auch keine Veranlassung gesehen, das Verfahren zur Nachholung eines Vorverfahrens auszusetzen. Die Klägerin hat auch nach dem Hinweis des Berichterstatters mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 ein Widerspruchsverfahren in Bezug auf den Bescheid vom 21. Januar 2008 nicht betrieben. Im Rahmen eines solchen Widerspruchsverfahrens könnte der Klägerin auch nicht zu einer Behördenentscheidung verholfen werden, die sich mit dem Tenor der Entscheidung des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil decken würde. Insoweit fehlt es an einer verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelung, die die von der Klägerin erstrebte Entscheidung für den Zeitraum ab August 2000 erlauben würde. Als solche kommt § 44 SGB X, der die verfahrensrechtliche Grundlage des Bescheides vom 21. Januar 2008 bildet und eines diesen Bescheid betreffenden Vorverfahrens bilden würde, nicht in Betracht. Damit kann auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens der angestrebte Zweck der Klage, den die Klägerin sich zu eigen gemacht hat, nicht erreicht werden (vgl. zu den Fällen der Entbehrlichkeit des Vorverfahrens als Klagevoraussetzung zuletzt BVerwG, Urteil vom 15. September 2010 - 8 C 21/09 - juris).
Ein Verwaltungsakt ist nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, werden nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X Sozialleistungen nach den besonderen Teilen des Sozialgesetzbuchs längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (a.a.O. Satz 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (a.a.O. Satz 3). Soweit die Klägerin sich auf einen Bestands- bzw. Vertrauensschutz beruft, hat der Gesetzgeber hierzu in den Regelungen der §§ 44 ff. SGB X ein differenziertes System geschaffen, dass die Verwaltung und die Gerichte bindet.
Die Regelung in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X schließt für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31. Dezember 2003 die vom Sozialgericht der Klägerin zugesprochene Leistung von vornherein aus. Ein Antrag auf Überprüfung ist hier frühestens im Januar 2008 mit Zugang des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 4. Dezember 2007
bei der Beklagten gestellt worden. Es kann offen bleiben, ob § 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) in den Fällen des § 44 Abs. 4 SGB X Anwendung findet. Denn Gerichte gehören nicht zu den in § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I genannten Behörden, bei denen Anträge fristwahrend gestellt werden können (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. September 2010 - L 7 AS 651/10 B ER - juris; vgl. zur engen Auslegung der Regelung Lilge, SGB I Kommentar, § 16 RdNr. 38). Die Weiterleitung des Schriftsatzes der Klägerin an die Beklagte ist ausweislich des entsprechenden Vermerks an der richterlichen Verfügung erst am 8. Januar 2008 erfolgt, sodass ein Antragseingang bei der Beklagten im Jahr 2007 ausscheidet.
Nach überwiegender Auffassung besteht damit für den von § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X erfassten Zeitraum auch kein Anspruch auf eine Behördenentscheidung, in dem eine unrichtige Rechtsanwendung bei Erlass des Ursprungsbescheides festgestellt wird, da der Bescheid im Hinblick auf die Leistung nicht umgesetzt werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 1991 - 9b RAr 7/90 - BSGE 68, 180, 181 f.; BSG, Beschluss vom 26. Oktober 1994 - 8 BH (Kn) 1/94 - SozR 3-6610 Art. 5 Nr. 1).
Da vor diesem Hintergrund eine Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheides vom 28. September 2001 für einen vor dem 1. Januar 2004 liegenden Zeitraum ausgeschlossen ist, steht hier die Regelung in § 302b Abs. 1 SGB VI auch einer Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit durch die Beklagte für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2004 entgegen. Diese Übergangsvorschrift sieht vor, dass der jeweilige Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (bzw. in der Fassung des Rentenversicherungsanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze) weiterbesteht, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Bewilligung der Leistungen maßgebend waren, wenn am 31. Dezember 2000 ein Anspruch auf eine solche Rente bestand (Satz 1). Bei befristeten Renten gilt dies auch für einen Anspruch nach Ablauf der Frist (Satz 2). Mangels einer Verpflichtung der Beklagten, eine Bewilligungsentscheidung über einen Anspruch der Klägerin auf Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente am 31. Dezember 2000 zu erlassen, kann weder ein Anspruch der Klägerin zum maßgebenen Stichtag (fiktiv) vom Gericht festgelegt noch darüber hinausgehend das Fortbestehen der für "die Bewilligung" maßgebenden Voraussetzungen festgestellt werden. Mit der letztgenannten Voraussetzung meint der Gesetzgeber die Bewilligung durch die zuständige Behörde.
Soweit das Sozialgericht auch den Bescheid vom 30. Januar 2004 abgeändert hat, ist eine Vorbefassung der Verwaltung mit einer Überprüfung dieses bestandskräftigen Bescheides, die nach Durchführung eines Vorverfahrens den Klageweg eröffnen würde, nicht erkennbar.
Im Übrigen, d.h. soweit nicht die Rente wegen Berufsunfähigkeit betroffen ist, ist der Streitgegenstand, über den das Sozialgericht entschieden hat, für den Senat nicht eindeutig feststellbar. Während die Formulierung eines Haupt- und eines Hilfsantrags in der mündlichen Verhandlung und die nicht vorgenommene Klageabweisung im Tenor dafür sprechen, dass das Sozialgericht nur über einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit entschieden hat, enthalten die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Ausführungen auch zu einem Anspruch der Klägerin auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und - über den Haupt- und Hilfsantrag hinausgehend - Ausführungen zu einem im Ergebnis verneinten Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Nach § 157 Satz 1 SGG prüft das LSG den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Im Rahmen der allein von der Beklagten geführten Berufung ist indes eine Entscheidung des Senats über eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und wegen voller Erwerbsminderung ausgeschlossen, da diese jeweils einen höheren Rentenartfaktor (1,0) als die ausgeurteilte Rente wegen Berufsunfähigkeit (0,6667) haben.
Bezüglich des ursprünglich von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 23. August 2005 in der Fassung des Bescheides vom 19. Mai 2006 bzw. 9. Juni 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2006 stehen der Prüfung eines Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit mehrere rechtliche Gesichtspunkte - u.a. die Regelung in § 302b Abs. 1 SGB VI - entgegen, sodass es nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Leistungen über den 28. Februar 2006 hinaus nicht erweiternd ausgelegt und unter Berücksichtigung des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechts beschieden hat.
Im Hinblick auf den vor dem Sozialgericht als Hilfsantrag gestellten Antrag auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB VI n.F. kann der Senat auch bei einer im Rahmen des Berufungsverfahrens zur Entscheidung gestellten Verurteilung zur Bewilligung einer Berufsunfähigkeit nach neuem Recht über diese geringere Rente (Rentenartfaktor 0,5) mitentscheiden.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI n.F. haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (a.a.O. Satz 2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (a.a.O. Satz 3).
Die Klägerin ist nicht teilweise erwerbsgemindert im vorgenannten Sinne. Sie kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch vollschichtig leichte, ausnahmsweise auch mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung - ohne Arbeiten in Zwangshaltungen, mit häufigen Bücken, Heben, Tragen, Hocken, mit einer Exposition gegenüber Nässe, Kälte, Zugluft, mit erhöhter Verletzungsgefahr sowie ohne Arbeiten in Nachschicht, im Akkord, am Fließband und auf Leitern oder Gerüsten - verrichten. Armvorhaltearbeiten und Über-Kopf-Arbeiten sind nur kurzfristig ausführbar. Das rechte Schultergelenk bedarf der Schonung, sodass der Gebrauch des rechten Armes eingeschränkt ist.
Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus den insoweit überzeugenden Feststellungen von Dr. H. in seinem Gutachten vom 13. Juni 2007, die durch die von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. H. vom 10. August 2005 und von Dr. G. vom 9. Januar 2004 und die Angaben in sämtlichen Entlassungsberichten über die ingesamt fünf aktenkundigen stationären Rehabilitationskuren gestützt werden.
Nach allen medizinischen Feststellungen hat ein Rezidiv der Tumorerkrankung ausgeschlossen werden können. Hinweise auf erhebliche psychische Beeinträchtigungen hat Dr. H. in seinem Gutachten vom 13. Juni 2007 ausdrücklich verneint. Die damit zu berücksichtigenden Gesundheitseinschränkungen der Klägerin, die zu Funktionsminderungen führen, liegen auf orthopädisch-/internistischem Fachgebiet. Im Wesentlichen ist der Dauergebrauch der Arme durch das Lymphödem und entzündlich-degenerative Veränderungen am Band-/Sehnenapparat der Schultern eingeschränkt, sodass ihr Arbeiten mit Armvorhalte bzw. solche über Kopf nur eingeschränkt möglich sind. Soweit in körperlich leichten Tätigkeiten aber nur ein leichtes Anheben von Gegenständen ohne Zwangshaltung erforderlich ist, besteht bei der Klägerin ein quantitativ nicht gemindertes Leistungsvermögen. Ob in welchem Umfang die Klägerin noch zumutbar als Leiterin eines Friseursalons tätig sein kann, hat hier außer Betracht zu bleiben, da Prüfungsmaßstab nach dem Gesetzeswortlaut allein Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sind.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI kommt hier nicht in Betracht, da die Klägerin nach dem maßgebenden Stichtag am ... 1961 geboren ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
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