Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 14 SF 70/09 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AL 21/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Nr. 3103 VV-RGV gilt nicht in dem Fall, in dem die Überprüfung eines Bescheides im Verwaltungsverfahren geltend gemacht und gleichzeitig ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b SGG gestellt wird. Es fehlt an einem vorausgegangenenVerwaltungsverfahren. Die Vergütung richtet sich nach der Nr. 3102 VV-RVG.
Bemerkung
verb. mit L 2 AL 22/11 B
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 29. November 2010 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Im Verfahren vor dem Sozialgericht Gießen X. (Antragsteller) gegen die Bundesagentur für Arbeit (Antragsgegnerin) - S 14 AL 13/09 ER - beantragte der Antragsteller am 15. Januar 2009, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Vorausleistung von Berufsausbildungsbeihilfe gemäß § 72 Sozialgesetzbuch III (SGB III) ab sofort zu gewähren sowie ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und die Beschwerdegegnerin als Rechtsanwältin beizuordnen. Gleichzeitig beantragte der Antragsteller bei der Agentur für Arbeit ZP. die Gewährung von Vorausleistung von Berufsausbildungsbeihilfe. Die Antragsgegnerin erkannte den Anspruch an. Hierauf erklärte der Antragsteller das einstweilige Anordnungsverfahren am 4. Februar 2009 für erledigt. Mit Beschluss vom 18. Februar 2009 bewilligte das Sozialgericht Gießen dem Antragsteller Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin ab 15. Januar 2009.
Mit Kostenrechnung vom 2. März 2009 beantragte die Beschwerdegegnerin, die Vergütung für ihre Tätigkeit im Verfahren S 14 AL 13/09 ER auf insgesamt 321,30 EUR festzusetzen und legte hierbei eine Verfahrensgebühr nach der Nr. 3102 Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz RVG - (VV-RVG) in Höhe von 250,00 EUR zugrunde. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte mit Beschluss vom 5. März 2009 die Vergütung auf insgesamt 226,10 EUR unter Berechnung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 170,00 EUR fest auf der Grundlage der Nr. 3103 VV-RVG. Die Klage sei durch angenommenes Anerkenntnis erledigt worden. Die Festsetzung sei erfolgt im Rahmen der Mittelgebühr. Für die Bestimmung der Höhe der Verfahrensgebühr seien vorliegend die Schwierigkeit des Falles und die Art der entfalteten Tätigkeit entscheidend. Unter Anlegung der in den §§ 3 und 14 RVG benannten Maßstäbe seien bei der Festsetzung der Umfang der anwaltlichen Intensität, Schwierigkeit und Aufwand zu beachten. Im vorliegenden Rechtsstreit seien besondere Verfahrenstätigkeiten, die über die Normalität hinausgingen, nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für den ermäßigten Verfahrensgebührenrahmen nach der Nr. 3103 VV-RVG lägen vor. Denn mit Schriftsatz vom 15. Januar 2009 sei bereits ein Antrag auf Vorausleistung gemäß § 72 SGB III bei der Beklagten gestellt worden. Ein Tätigwerden im Vorverfahren liege damit vor.
Gegen die Vergütungsfestsetzung erhob die Beschwerdegegnerin am 18. März 2009 Erinnerung, mit der sie ihren Kostenanspruch weiter verfolgte. Der Beschwerdeführer legte Anschlusserinnerung ein und beantragte, die Vergütung in Höhe von 160,65 EUR festzusetzen.
Mit Beschluss vom 29. November 2010 wies das Sozialgericht die Erinnerung und die Anschlusserinnerung zurück und ließ die Beschwerde zu. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im Wesentlichen aus, die Beschwerdegegnerin habe zeitgleich zu dem beim Gericht eingegangenen Antrag einen Antrag auf Vorausleistung bei der Agentur für Arbeit gestellt. Dieser parallel gestellte Antrag sei Ergebnis einer Prüfung der Sach- und Rechtslage in einem Verwaltungsverfahren. Die Beschwerdegegnerin habe damit Vorkenntnisse über den Sachverhalt gehabt. Dies reiche für die Anwendung der Nr. 3103 VV-RVG aus. Der Urkundsbeamte habe auch zu Recht die Vergütung in Höhe der Mittelgebühr von 170,00 EUR festgesetzt. Die Anschlusserinnerung sei daher zurückzuweisen gewesen. Zwar teile das Gericht die Auffassung des Beschwerdeführers, dass in der Regel einem einstweiligem Rechtsschutzverfahren nicht die selbe Wertigkeit zugemessen werden könne wie einem Hauptsacheverfahren und daher grundsätzlich auf eine auf 2/3 reduzierte Mittelgebühr des Betragsrahmens des Ausgangswertes einem solchen Verfahren zugrunde zu legen sei. Hier liege jedoch ein Ausnahmefall vor, der die Zuerkennung der Mittelgebühr rechtfertige. Ein Hauptsacheverfahren habe nicht stattgefunden. Der Rechtsstreit sei abschließend und vollständig im einstweiligen Anordnungsverfahren geklärt worden. Hinzu komme, dass die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe zu den schwierigeren Materien im Sozialrecht zählten, so dass auch wegen der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit die Zuerkennung der Mittelgebühr gerechtfertigt erscheine.
Mit seiner am 10. Dezember 2010 eingelegten Beschwerde richtet sich der Beschwerdeführer gegen den ihm am 1. Dezember 2010 zugestellten Beschluss. Der Beschwerdeführer hat vorgetragen, der Urkundsbeamte habe für die Festsetzung der Verfahrensgebühr zutreffend die Nr. 3103 VV-RVG herangezogen. Die Heranziehung der Nr. 3103 VV-RVG habe seiner Auffassung nach für den Fall des Einleitens zweier Angelegenheiten, etwa bei zeitgleicher Erhebung eines Widerspruchs und Eilantragstellung bei Gericht, zu gelten. Neben der Frage, welcher Gebührenrahmen Anwendung finde, stelle sich ebenso die Frage, in welcher Höhe die Gebühr gerechtfertigt sei. Für ein durchschnittlich gestaltetes Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz gelte nach der Rechtsprechung des Kostensenats nicht die Mittelgebühr, sondern eine auf 2/3 reduzierte Mittelgebühr des Betragsrahmens. Als Verfahrensgebühr könne dementsprechend nur ein Betrag in Höhe von 115,00 EUR festgesetzt werden.
Der Beschwerdeführer beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 29. November 2010 zu ändern und die aus der Staatskasse an die beigeordnete Beschwerdegegnerin zu zahlende Vergütung auf 160,65 EUR festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten L 2 AL 21/11 B und L 2 AL 22/11 B sowie die Gerichtsakte S 14 AL 13/09 ER, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Der Senat hat die Beschwerde durch seine Berufsrichter entschieden, nachdem die Berichterstatterin das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen hatte (§§ 56 Abs. 2 S.1, 33 Abs. 8 S.2 RVG).
Die Beschwerde ist zulässig, da das Sozialgericht diese im Beschluss vom 29. November 2010 ausdrücklich zugelassen hat. Die Beschwerdefrist ist ebenfalls gewahrt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Der Beschwerdegegnerin steht gegenüber der Staatskasse für ihre Tätigkeit im Verfahren vor dem Sozialgericht Gießen S 14 AL 13/09 ER eine Vergütung in Höhe von insgesamt 226,10 EUR zu. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung von der Staatskasse, soweit in Abschnitt 8 des RVG nichts anderes bestimmt ist. Dieser Vergütungsanspruch ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 RVG nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung und unter der Voraussetzung einer wirksamen Vollmacht des begünstigten Beteiligten ergeben. Dementsprechend besteht vorliegend ein Vergütungsanspruch der Beschwerdegegnerin. Zwischen dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens und der Beschwerdegegnerin hat ein Mandatsverhältnis bestanden. Im Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 18. Februar 2009 ist die Beschwerdegegnerin dem Antragsteller beigeordnet worden.
Für ihre Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren steht der Beschwerdegegnerin eine Verfahrensgebühr zu. Diese beträgt nach der Nr. 3102 VV-RVG 40,00 bis 460,00 EUR für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Nach der Ziffer 3103 VV-RVG beträgt jedoch die Gebühr der Nr. 3102 20,00 bis 320,00 EUR, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder in weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Dabei ist bei der Bemessung der Gebühr nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder in weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren geringer ist.
Die Voraussetzungen der Nr. 3103 VV-RVG liegen nicht vor, wenn einerseits eine Prüfung im Verwaltungsverfahren geltend gemacht und daneben bei Gericht ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren eingeleitet wird. Bei dieser Fallgestaltung fehlt es an einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren, wie es der Wortlaut der Nr. 3103 VV RVG ausdrücklich vorgibt. Dabei kann offen bleiben, ob der Gegenstand des Verwaltungsverfahrens überhaupt identisch ist mit dem des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und es schon deshalb nicht gerechtfertigt ist, die Nr. 3103 VV RVG anzuwenden (Urteil des SG Duisburg vom 15. Mai 2007 – S 7 AS 249/06 R; Beschluss des SG Berlin vom 20. Januar 2010 – S 165 SF 657/09 E).
Nach Auffassung des erkennenden Senats ist im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens im Regelfall eine auf 2/3 reduzierte Mittelgebühr als Vergütung zu gewähren (Beschluss vom 25. Mai 2009 – L 2 SF 50/09 E). Eine weitere Reduzierung kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
Die Mittelgebühr nach der Nr. 3102 VV-RVG beträgt 250,00 EUR, die auf 2/3 reduzierte Mittelgebühr 170,00 EUR. Dieser Gebührenansatz entspricht dem Betrag, den auch der Urkundsbeamte festgesetzt hatte. Zuzüglich der Pauschale von 20,00 EUR und der Umsatzsteuer hat die Beschwerdegegnerin Anspruch auf die Vergütung, wie vom Urkundsbeamten errechnet und vom Sozialgericht bestätigt (226,10 EUR).
Es hat deshalb bei der Entscheidung des Sozialgerichts zu verbleiben.
Die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Die Beschwerde gegen diese Entscheidung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Gründe:
I.
Im Verfahren vor dem Sozialgericht Gießen X. (Antragsteller) gegen die Bundesagentur für Arbeit (Antragsgegnerin) - S 14 AL 13/09 ER - beantragte der Antragsteller am 15. Januar 2009, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Vorausleistung von Berufsausbildungsbeihilfe gemäß § 72 Sozialgesetzbuch III (SGB III) ab sofort zu gewähren sowie ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und die Beschwerdegegnerin als Rechtsanwältin beizuordnen. Gleichzeitig beantragte der Antragsteller bei der Agentur für Arbeit ZP. die Gewährung von Vorausleistung von Berufsausbildungsbeihilfe. Die Antragsgegnerin erkannte den Anspruch an. Hierauf erklärte der Antragsteller das einstweilige Anordnungsverfahren am 4. Februar 2009 für erledigt. Mit Beschluss vom 18. Februar 2009 bewilligte das Sozialgericht Gießen dem Antragsteller Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin ab 15. Januar 2009.
Mit Kostenrechnung vom 2. März 2009 beantragte die Beschwerdegegnerin, die Vergütung für ihre Tätigkeit im Verfahren S 14 AL 13/09 ER auf insgesamt 321,30 EUR festzusetzen und legte hierbei eine Verfahrensgebühr nach der Nr. 3102 Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz RVG - (VV-RVG) in Höhe von 250,00 EUR zugrunde. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte mit Beschluss vom 5. März 2009 die Vergütung auf insgesamt 226,10 EUR unter Berechnung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 170,00 EUR fest auf der Grundlage der Nr. 3103 VV-RVG. Die Klage sei durch angenommenes Anerkenntnis erledigt worden. Die Festsetzung sei erfolgt im Rahmen der Mittelgebühr. Für die Bestimmung der Höhe der Verfahrensgebühr seien vorliegend die Schwierigkeit des Falles und die Art der entfalteten Tätigkeit entscheidend. Unter Anlegung der in den §§ 3 und 14 RVG benannten Maßstäbe seien bei der Festsetzung der Umfang der anwaltlichen Intensität, Schwierigkeit und Aufwand zu beachten. Im vorliegenden Rechtsstreit seien besondere Verfahrenstätigkeiten, die über die Normalität hinausgingen, nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für den ermäßigten Verfahrensgebührenrahmen nach der Nr. 3103 VV-RVG lägen vor. Denn mit Schriftsatz vom 15. Januar 2009 sei bereits ein Antrag auf Vorausleistung gemäß § 72 SGB III bei der Beklagten gestellt worden. Ein Tätigwerden im Vorverfahren liege damit vor.
Gegen die Vergütungsfestsetzung erhob die Beschwerdegegnerin am 18. März 2009 Erinnerung, mit der sie ihren Kostenanspruch weiter verfolgte. Der Beschwerdeführer legte Anschlusserinnerung ein und beantragte, die Vergütung in Höhe von 160,65 EUR festzusetzen.
Mit Beschluss vom 29. November 2010 wies das Sozialgericht die Erinnerung und die Anschlusserinnerung zurück und ließ die Beschwerde zu. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im Wesentlichen aus, die Beschwerdegegnerin habe zeitgleich zu dem beim Gericht eingegangenen Antrag einen Antrag auf Vorausleistung bei der Agentur für Arbeit gestellt. Dieser parallel gestellte Antrag sei Ergebnis einer Prüfung der Sach- und Rechtslage in einem Verwaltungsverfahren. Die Beschwerdegegnerin habe damit Vorkenntnisse über den Sachverhalt gehabt. Dies reiche für die Anwendung der Nr. 3103 VV-RVG aus. Der Urkundsbeamte habe auch zu Recht die Vergütung in Höhe der Mittelgebühr von 170,00 EUR festgesetzt. Die Anschlusserinnerung sei daher zurückzuweisen gewesen. Zwar teile das Gericht die Auffassung des Beschwerdeführers, dass in der Regel einem einstweiligem Rechtsschutzverfahren nicht die selbe Wertigkeit zugemessen werden könne wie einem Hauptsacheverfahren und daher grundsätzlich auf eine auf 2/3 reduzierte Mittelgebühr des Betragsrahmens des Ausgangswertes einem solchen Verfahren zugrunde zu legen sei. Hier liege jedoch ein Ausnahmefall vor, der die Zuerkennung der Mittelgebühr rechtfertige. Ein Hauptsacheverfahren habe nicht stattgefunden. Der Rechtsstreit sei abschließend und vollständig im einstweiligen Anordnungsverfahren geklärt worden. Hinzu komme, dass die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe zu den schwierigeren Materien im Sozialrecht zählten, so dass auch wegen der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit die Zuerkennung der Mittelgebühr gerechtfertigt erscheine.
Mit seiner am 10. Dezember 2010 eingelegten Beschwerde richtet sich der Beschwerdeführer gegen den ihm am 1. Dezember 2010 zugestellten Beschluss. Der Beschwerdeführer hat vorgetragen, der Urkundsbeamte habe für die Festsetzung der Verfahrensgebühr zutreffend die Nr. 3103 VV-RVG herangezogen. Die Heranziehung der Nr. 3103 VV-RVG habe seiner Auffassung nach für den Fall des Einleitens zweier Angelegenheiten, etwa bei zeitgleicher Erhebung eines Widerspruchs und Eilantragstellung bei Gericht, zu gelten. Neben der Frage, welcher Gebührenrahmen Anwendung finde, stelle sich ebenso die Frage, in welcher Höhe die Gebühr gerechtfertigt sei. Für ein durchschnittlich gestaltetes Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz gelte nach der Rechtsprechung des Kostensenats nicht die Mittelgebühr, sondern eine auf 2/3 reduzierte Mittelgebühr des Betragsrahmens. Als Verfahrensgebühr könne dementsprechend nur ein Betrag in Höhe von 115,00 EUR festgesetzt werden.
Der Beschwerdeführer beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 29. November 2010 zu ändern und die aus der Staatskasse an die beigeordnete Beschwerdegegnerin zu zahlende Vergütung auf 160,65 EUR festzusetzen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten L 2 AL 21/11 B und L 2 AL 22/11 B sowie die Gerichtsakte S 14 AL 13/09 ER, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Der Senat hat die Beschwerde durch seine Berufsrichter entschieden, nachdem die Berichterstatterin das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen hatte (§§ 56 Abs. 2 S.1, 33 Abs. 8 S.2 RVG).
Die Beschwerde ist zulässig, da das Sozialgericht diese im Beschluss vom 29. November 2010 ausdrücklich zugelassen hat. Die Beschwerdefrist ist ebenfalls gewahrt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Der Beschwerdegegnerin steht gegenüber der Staatskasse für ihre Tätigkeit im Verfahren vor dem Sozialgericht Gießen S 14 AL 13/09 ER eine Vergütung in Höhe von insgesamt 226,10 EUR zu. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung von der Staatskasse, soweit in Abschnitt 8 des RVG nichts anderes bestimmt ist. Dieser Vergütungsanspruch ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 RVG nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung und unter der Voraussetzung einer wirksamen Vollmacht des begünstigten Beteiligten ergeben. Dementsprechend besteht vorliegend ein Vergütungsanspruch der Beschwerdegegnerin. Zwischen dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens und der Beschwerdegegnerin hat ein Mandatsverhältnis bestanden. Im Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 18. Februar 2009 ist die Beschwerdegegnerin dem Antragsteller beigeordnet worden.
Für ihre Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren steht der Beschwerdegegnerin eine Verfahrensgebühr zu. Diese beträgt nach der Nr. 3102 VV-RVG 40,00 bis 460,00 EUR für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Nach der Ziffer 3103 VV-RVG beträgt jedoch die Gebühr der Nr. 3102 20,00 bis 320,00 EUR, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder in weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Dabei ist bei der Bemessung der Gebühr nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder in weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren geringer ist.
Die Voraussetzungen der Nr. 3103 VV-RVG liegen nicht vor, wenn einerseits eine Prüfung im Verwaltungsverfahren geltend gemacht und daneben bei Gericht ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren eingeleitet wird. Bei dieser Fallgestaltung fehlt es an einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren, wie es der Wortlaut der Nr. 3103 VV RVG ausdrücklich vorgibt. Dabei kann offen bleiben, ob der Gegenstand des Verwaltungsverfahrens überhaupt identisch ist mit dem des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und es schon deshalb nicht gerechtfertigt ist, die Nr. 3103 VV RVG anzuwenden (Urteil des SG Duisburg vom 15. Mai 2007 – S 7 AS 249/06 R; Beschluss des SG Berlin vom 20. Januar 2010 – S 165 SF 657/09 E).
Nach Auffassung des erkennenden Senats ist im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens im Regelfall eine auf 2/3 reduzierte Mittelgebühr als Vergütung zu gewähren (Beschluss vom 25. Mai 2009 – L 2 SF 50/09 E). Eine weitere Reduzierung kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
Die Mittelgebühr nach der Nr. 3102 VV-RVG beträgt 250,00 EUR, die auf 2/3 reduzierte Mittelgebühr 170,00 EUR. Dieser Gebührenansatz entspricht dem Betrag, den auch der Urkundsbeamte festgesetzt hatte. Zuzüglich der Pauschale von 20,00 EUR und der Umsatzsteuer hat die Beschwerdegegnerin Anspruch auf die Vergütung, wie vom Urkundsbeamten errechnet und vom Sozialgericht bestätigt (226,10 EUR).
Es hat deshalb bei der Entscheidung des Sozialgerichts zu verbleiben.
Die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Die Beschwerde gegen diese Entscheidung findet nicht statt (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
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