L 3 AS 3303/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 4000/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3303/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung und Erstattung des dem Kläger gewährten Arbeitslosengeldes II (Alg II) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 24.04.2008 streitig.

Der am 25.04.1943 geborene Kläger wohnt mit seiner 1948 geborenen Lebenspartnerin zusammen. Vom 18.09.1999 bis 15.09.2001 bezog er Arbeitslosengeld und im Anschluss daran bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe.

Am 28.09.2004 beantragten er und seine Partnerin beim Beklagten die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Unter Ziffer VI des Antragsformulars werden die Einkommensverhältnisse der Antragsteller erfragt. Im Antragsformular wird hierzu ausgeführt: "Als Einkommen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen". Anzugeben waren Einnahmen aus Renten aus der Sozialversicherung, Betriebsrenten und Pensionen, Zinsen, Kapitalerträgen, Wohngeld sowie aus sonstigen laufenden oder einmaligen Einnahmen gleich welcher Art. Der Kläger und seine Partnerin gaben hierbei - wie in den Folgeanträgen - an, kein Einkommen zu erzielen. Sparbücher und/oder Sparkonten seien nicht vorhanden. Mit Bescheid vom 12.04.2004 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von monatlich 311,00 EUR sowie anteilige Unterkunftskosten für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2005. Auf die Folgeanträge, in denen der Kläger jeweils angegeben hatte, Änderungen seien nicht eingetreten, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 20.04.2005 für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005, mit Bescheid vom 27.10.2005 für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006, mit Bescheid vom 12.04.2006 für die Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006, mit Bescheid vom 15.09.2006 für die Zeit vom 01.11.2006 bis 30.04.2007, mit Bescheid vom 02.04.2007 für die Zeit vom 01.05.2007 bis 31.12.2007 und mit Bescheid vom 10.10.2007 für die Zeit vom 01.11.2007 bis 30.04.2008 Leistungen jeweils in Höhe von 90 v.H. der Regelleistung gem. § 20 Abs. 3 SGB II. Mit Bescheid vom 31.01.2008 änderte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für den Monat April 2008 ab und bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 01.04. bis 24.04.2008 Leistungen in Höhe von 249,60 EUR sowie anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung.

Seit dem 01.05.2008 bezieht der Kläger Regelaltersrente mit einem anfänglichen Zahlbetrag von 1.163,04 EUR.

Am 09.04.2008 teilte die Sozial- und Jugendbehörde der Stadt Karlsruhe dem Beklagten mit, anhand der vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge sei festgestellt worden, dass dieser von der Generali Lebensversicherung AG eine monatliche Rente in Höhe von 396,88 EUR erhalte. Nach Mitteilung der Versicherungsvertreterin des Klägers habe dieser einen größeren Betrag angelegt, der seit Juli 1999 als monatliche Rente ausgezahlt werde. Die monatliche Rentenzahlung laufe Ende Juni 2008 aus - die Gelder seien dann restlos verbraucht. Nachdem der Kläger aufgefordert worden war, Unterlagen über seine Rentenversicherung vorzulegen, legte er am 21.04.2008 ein Schreiben der Generali Lebensversicherung AG vom 16.04.2008 vor, in welchem diese dem Kläger bestätigte, dass er seit dem 01.08.1999 monatliche Rentenleistungen von jeweils 396,88 EUR erhalten habe. Die letzte Rente erhalte er im Juni 2008.

Nach Anhörung des Klägers hob der Beklagte mit Bescheid vom 30.03.2009 die Bewilligungsbescheide vom 14.12.2004, 20.04.2005, 27.10.2005, 12.04.2006, 15.09.2006, 02.04.2007 und 10.10.2007 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.04.2008 teilweise in Höhe von 7.287,19 EUR auf. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe eine monatliche Rentenleistung in Höhe von 396,88 EUR erhalten. Diese habe er in keinem Leistungsantrag angegeben. Die Rentenleistung sei als Einkommen zu bewerten und bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen. Der überzahlte Betrag sei gemäß § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erstatten.

Hiergegen legte der Kläger am 16.04.2009 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, entgegen dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung handele es sich nicht um eine Aufhebung nach § 48 SGB X, sondern um eine Rücknahme nach § 45 SGB X. Des weiteren sei die erste zurückzunehmende Entscheidung vom 16.12.2004 und nicht wie fälschlicherweise ausgewiesen vom 14.12.2004. An der Sachentscheidung ergebe sich hierdurch jedoch keine Änderung. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig die Rente nicht angegeben. Diese stelle Einkommen dar und sei deshalb als solches in der Weise zu berücksichtigen, dass nach Absetzung eines monatlichen Freibetrags von 30 EUR ein Gesamteinkommen von 366,88 EUR auf den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 10.09.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und vorgetragen, allein mit dem Arbeitslosengeld habe er seinen monatlichen Verpflichtungen nicht nachkommen können, weshalb er sich dafür entschieden habe, sein Vermögen in Form einer Sofortrente anzulegen. Dies sei so abgestimmt gewesen, dass er die Übergangszeit bis zum Bezug der gesetzlichen Altersrente zusammen mit dem Arbeitslosengeld habe überbrücken können. Versicherungsunterlagen habe er keine mehr. Der Kläger legte weiter ein Schreiben seiner Versicherungsvertreterin vom 25.02.2009 vor, in welchem diese ausführt, der Kläger habe 1999, nachdem ein Großteil seiner vom Arbeitgeber gewährten Abfindung aufgebraucht gewesen sei, das Restgeld aus der Abfindung als zeitlich befristete Sofortrente mit einer Befristung auf neun Jahre angelegt. Von August 1999 bis Juli 2008 seien monatlich 396,88 EUR auf das Konto des Klägers überwiesen worden. Da der Vertrag zwischenzeitlich storniert sei, könne ein Duplikat der Vertragsunterlagen nicht vorgelegt werden. Das Arbeitslosengeld des Klägers wäre alleine nicht ausreichend gewesen, um Miete, Nebenkosten und Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Privatrente habe also die öffentlichen Leistungsträger entlastet. Der Kläger hat weiter vorgetragen, die Beklagte habe die Freibeträge nicht beachtet. Der Grundfreibetrag habe bereits am 01.01.2005 31.720 EUR betragen.

Auf Hinweis des SG hat der Beklagte mit Schreiben vom 12.03.2008 den Erstattungsbetrag abgeändert und die Erstattungsforderung auf 7.284,31 EUR reduziert. Es sei bisher übersehen worden, dass der Kläger im April 2006 wegen Vollendung des 65. Lebensjahres nur anteilig Leistungen erhalten habe. Der Erstattungsbetrag sei deshalb um 2,88 EUR auf 7.284,31 EUR zu reduzieren. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ein entsprechendes "Teil-Anerkenntnis" des Beklagten angenommen.

Mit Urteil vom 27.05.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe zu Recht die Bewilligung des Alg II im streitgegenständlichen Zeitraum in zutreffender Höhe aufgehoben. Rechtsgrundlage sei § 45 SGB X. Die Bewilligungsbescheide seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Ein Anspruch habe nur bestanden, soweit Bedürftigkeit vorgelegen habe. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II sei bedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern könne und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhalte. Nach § 20 SGB II mindere das zu berücksichtigende Einkommen und das Vermögen zunächst die Geldleistungen der Agentur für Arbeit. Die aus der Sofortrente gezahlten Rentenleistungen an den Kläger seien dem Kläger im streitigen Zeitraum als Einkommen zugeflossen. Unter Einkommen in diesem Sinne seien alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten und Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leib sowie an Körper oder Gesundheit erbracht würden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II) abzusetzen. Die Rentenzahlungen der Generali Versicherung AG seien deshalb als Einkommen nach § 19 Satz 3 SGB II zu berücksichtigen. Hiervon sei gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) ein Pauschbetrag in Höhe von monatlich 30 EUR abzusetzen. Das danach zu berücksichtigende Gesamteinkommen von monatlich 366,80 EUR mindert je zur Hälfte die Bedürftigkeit des Klägers und seiner Partnerin, so dass monatlich ein Betrag von 184,44 EUR auf den Bedarf anzurechnen sei. Weitere Freibeträge, insbesondere die für das Vermögen geltenden Freibeträge, seien vorliegend nicht abzusetzen.

Der Kläger könne auch nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen. Denn dieser beruhe insoweit auf Angaben des Klägers, die dieser zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständig gemacht habe (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Dem Einwand des klägerischen Bevollmächtigten, der Kläger sei so einfach gestrickt, dass er nicht verstanden habe, Angaben über die Rentenversicherung machen zu müssen, folge das Gericht nicht. Denn er habe bereits bei seinem ersten Antrag auf Arbeitslosenhilfe einen Versicherungsschein über eine weitere Kapitalversicherung vorgelegt. Auch in der Widerspruchsbegründung vom 17.07.2009 habe er lediglich vorgetragen, die Einnahmen aus der Sofortrente "wohl damals vergessen" zu haben. Auch habe der Kläger das Modell einer zeitlich befristen Rente zusammen mit seiner Versicherungsvertreterin ausgewählt, um damit in Ergänzung zu den von der Beklagten bezogenen Sozialleistungen die Zeit bis zum Bezug der Altersrente überbrücken zu können.

Schließlich sei die Rücknahme auch innerhalb eines Jahres seit Kenntnis des Beklagten von den Tatsachen erfolgt, welche die Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen rechtfertigten (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X).

Gegen das am 18.06.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.07.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Grundfreibetrag sei nicht beachtet worden. Dieser betrage für erwerbsfähige Alg II-Empfänger und deren Partner, die bis zum 01.01.1948 geboren seien, jeweils 520 EUR je vollendetem Lebensjahr, höchstens jeweils 33.800 EUR. Sein Grundfreibetrag habe deshalb 31.720 EUR betragen. Er habe darüber hinaus die Direktrente nicht zumindest grob fahrlässig nicht angegeben. Zum einen sei eine mündliche Belehrung oder explizite Nachfrage, ob beispielsweise eine Rente bezogen werde, zu keinem Zeitpunkt durch den Beklagten erfolgt. Er habe lediglich das Formblatt mit der Bitte um Ausfüllen und Zurücksenden erhalten. Es seien keine Hinweise oder insbesondere Informationen, wie das Formblatt auszufüllen sei, erteilt worden. Auch habe er dem Informationsblatt zum Alg II keine entsprechenden Hinweise entnehmen können. Die Frage nach Einkommen habe er so verstanden, dass nach Einkommen aus Erwerbstätigkeit gefragt werde. Da er keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, habe er zutreffend die Frage verneint.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Mai 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Generali Versicherungen hat unter Vorlage des Versicherungsscheins, wonach eine Einmalzahlung von 70.000,00 DM erfolgt ist, die Auskunft erteilt, eine Kündigung des Vertrages sei vertraglich nicht vorgesehen gewesen. Es hätte in der Zeit vom 01.07.1999 bis zum 01.08.2003 lediglich eine Kapitalisierung der Rentengarantiezeit vorgenommen werden können. Der Auszahlungsbetrag zum 01.01.2005 habe Null betragen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist, über die der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden die Bewilligung von Alg II - nach teilweiser Rücknahme des Aufhebungsbescheides in der mündlichen Verhandlung vor dem SG auch in zutreffender Höhe - zu Recht teilweise aufgehoben und die Erstattung der überzahlten Leistung festgesetzt. Hierzu wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Ergänzend ist folgendes auszuführen:

1. Der Beklagte hat die Aufhebung zutreffend auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 3 SGB III gestützt. Soweit danach ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Nach § 330 Abs. 2 SGB III, der gem. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II auch im Bereich des SGB II anzuwenden ist, ist der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen.

1. Die Bewilligungsbescheide waren von Anfang an rechtswidrig, da die dem Kläger gewährte Rente nicht berücksichtigt worden ist.

a) Die von der Generali Versicherung AG an den Kläger gezahlte Sofortrente ist als Einkommen und nicht als Vermögen zu berücksichtigen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Zuflusstheorie maßgeblich. Bei der Berechnung der Alg II-Leistungen ist danach als Einkommen grundsätzlich alles zu berücksichtigen, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält. Vermögen ist alles, was er vor Antragstellung bereits hatte (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 86/08 R - m.w.N.). So stellen z.B. Abfindungen aus arbeitsgerichtlichen Vergleichen Einkommen und nicht Vermögen dar, wenn sie nach Antragstellung im Bewilligungszeitraum ausgezahlt werden. Einkommen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die den Vermögensstand dessen vermehren, der diese Einnahmen erzielt. Vermögen ist ein Bestand von Sachen und Rechten in Geld oder Geldeswert, für die aufgrund wertender Betrachtung zu treffende Unterscheidung ist darauf abzustellen, ob eine Forderung aus bewusst angesparten vormaligen Einnahmen stammt - dann ist der Zufluss als Vermögen zu behandeln - oder ob der Grund der Förderung zunächst nicht realisierte Einnahmen waren - dann stellt der Zufluss Einkommen dar (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2007 - L 7 AS 5695/06).

In Anlegung dieser Maßstäbe sind die Zahlungen aus der Sofortrente als Einkommen zu berücksichtigen. Denn mit der Zahlung des Einmalbetrages an die Versicherung ist diese in deren Vermögen übergegangen. Dem Kläger stand lediglich ein Anspruch auf monatliche Zahlungen zu. Dementsprechend hat auch der Versicherungsgeber mitgeteilt, am 01.01.2005 habe der Kläger keinen Auszahlungsanspruch gehabt.

b) Dem Kläger haben deshalb auch nicht die für das Vermögen geltenden Freibeträge zugestanden, sondern lediglich die für Einkommen geltenden Freibeträge. Der Grundfreibetrag in Höhe von 200 EUR bzw. 520 EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ist nur vom Vermögen, nicht jedoch vom Einkommen abzusetzen. Die nach § 11 Abs. 2 SGB II bzw. der Alg II-V vom Einkommen abzusetzenden Beträge hat die Beklagte bei der Aufhebungsentscheidung in zutreffender Höhe berücksichtigt. Nach § 3 Nr. 1 Alg II-V in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (a.F.) bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung (n.F.) ist vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ein Betrag in Höhe von 30 EUR monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. bzw. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III n.F., die nach Grund und Höhe angemessen sind, als Pauschbetrag abzusetzen. Diesen Absetzungsbetrag hat der Beklagte berücksichtigt. Weitere vom Einkommen abzusetzende Beträge liegen nicht vor. Insbesondere ist kein Betrag nach § 30 SGB II abzusetzen, da der Kläger keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erzielt hat.

2. Die Bewilligungsentscheidungen haben auch jeweils auf Angaben beruht, die der Kläger zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig gemacht hatte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Definition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Vorausgesetzt wird, dass der Begünstigte auf Grund einfachster und (ganz) nahe liegender Überlegungen hätte erkennen können bzw. dass dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen (KassKomm-Steinwedel § 45 SGB X Rn.39), wobei auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen ist.

Das SG hat hierzu zutreffend ausgeführt, bereits bei seinem ersten Antrag auf Arbeitslosenhilfe im August 2001 habe der Kläger einen Versicherungsschein der Lloyd AG über eine Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall mit Rentenwahlrecht und Überschussbeteiligung vorgelegt, zu der Versicherung bei der Generali AG jedoch keine Angaben gemacht, und im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgetragen, die Einnahmen aus der Versicherung "wohl vergessen" zu haben. Dem Kläger war danach durchaus bewusst, dass bei den Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse Angaben über alle geldwerten Einkünfte und insbesondere über Lebens- bzw. Rentenversicherungen zu machen sind. Zudem ist im Merkblatt zum Arbeitslosengeld II/Sozialgeld, das der Kläger erhalten hat, ausdrücklich ausgeführt, zum Einkommen, das zu berücksichtigen sei, gehörten auch Renten. Schließlich hat der Kläger im Leistungsantrag die Frage, ob er Einnahmen erziele, ausdrücklich verneint. Soweit hierzu in der Berufungsbegründung vorgetragen worden ist, der Kläger habe unter Einkommen lediglich Einkommen im Sinne von Geld aus Erwerbstätigkeit verstanden, ist dem entgegenzuhalten, dass im Antragsformular die einzelnen Einkommensarten aufgeführt sind und danach gefragt wird, ob Einnahmen aus Renten oder sonstige laufende oder einmalige Einnahmen gleich welcher Art erzielt werden. darüber hinaus hat der Kläger auch die im Zusatzblatt 3 zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens gestellte Frage nach Kapitallebensversicherungen oder privaten Rentenversicherungen explizit verneint. Dem kann nicht entgegengehalten werden, das Formblatt sei für den Kläger schwer zu verstehen gewesen. Denn zum einen hat der Kläger die entsprechenden Angaben nicht etwa unterlassen, weil er nicht wusste, wie das Antragsformular auszufüllen sei, er hat vielmehr die entsprechenden - wahrheitswidrigen - Angaben gemacht. Zum anderen ist das Antragsformular bei der Antragsabgabe vom Antragsannehmer durchgegangen und auf Vollständigkeit kontrolliert worden, was den mit grüner Schrift erfolgten Eintragungen entnommen werden kann. Hierbei sind fehlende Angaben - wie z.B. zum Familienstand - ergänzt und die Angaben des Klägers zu Einkommen und Vermögen jeweils durch einen Haken abgezeichnet worden. Dies spricht dafür, dass die Angaben des Klägers im Antragsformular nochmals mit dem Antragsannehmer durchgesprochen und fehlende oder unklare Angaben ergänzt worden sind.

3. Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung mit Bescheid vom 30.03.2009 ist schließlich auch innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X erfolgt, nachdem der Beklagte erstmals am 09.04.2008 Kenntnis von dem Einkommen des Klägers erlangt hat.

Da die teilweise Aufhebung der Bewilligungsbescheide somit rechtmäßig ist, hat der Beklagte auch zu Recht die Erstattung des überzahlten Betrages gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X festgesetzt. Hierbei ist unbeachtlich, ob der Kläger aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse zur Erstattung in der Lage ist. Dies ist vielmehr erst im Vollstreckungsverfahren auf entsprechenden Antrag zu prüfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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