S 71 KA 701/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
71
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 701/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale III/2006 und IV/2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2007 verpflichtet, über den Honoraranspruch der Klägerin für die Quartale III/2006 und IV/2006 insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, wie eine Anhebung des auf den Gemeinschaftspraxispartner Herrn Dr. L entfallenden Individualbudgets betroffen ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Klägerin und Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit von Honorarfestsetzungsbescheiden für die Quartale III/2006 bzw. IV/2006 vor dem Hintergrund einer von der Klägerin beantragten Anpassung ihres Individualbudgets.

Herr Dr. L und Frau Dr. S nehmen seit dem 1. Oktober 1993 (Herr Dr. L) bzw. seit dem 2. Januar 1991 (Frau Dr. S) als Fachärzte für Orthopädie im Verwaltungsbezirk N an der vertragsärztlichen Versorgung teil, seit dem Quartal IV/2004 in Gemeinschaftspraxis.

Fallzahlen und Punktzahlanforderungen stellten sich bei Dr. L und Dr. S im Bemessungszeitraum des Jahres 2002 sowie in den Quartalen III/2005 bis II/2007 wie folgt dar:

I/2002 II/2002 III/2002 IV/2002 Durchschnitt Fälle Dr. L 1.250,5 1.138,5 1.149 1.156,5 1.174 Punkte Dr. L 2.192.597 2.009.718 2.066.964,5 2.066.712,5 2.083.998 Fälle Dr. S 700 691 706 632 682 Punkte Dr. S 823.765 802.408 878.860 851.595 839.157 Fälle gesamt 1.950,5 1.829,5 1.855 1.788,5 1.856 Punkte gesamt 3.016.362 2.812.126 2.945.824,5 2.918.307,5 2.923.155

(bei Dr. L sind die Fälle arithmetisch geteilt unter Berücksichtigung weiterer Praxisteilnehmer)

III/2005 IV/2005 I/2006 II/2006 III/2006 IV/2006 I/2007 Fälle Dr.L/ Dr. S 2.041 1.999 2.097 2.071 1.989 2.081 2.119 Punkte Dr.L/ Dr. S 3.529.315 3.251.935 3.547.845 3.427.175 3.428.705 3.318.095 4.158.775

II/2007 Durchschnitt Fälle Dr. L/ Dr. S 2.002 2.047,75 Punkte L/ S 3.854.760 3.690.083,75

(bei den für das Quartal II/2007 angegebenen Werten ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte sie nur unter Vorbehalt angegeben hatte, da zum Zeitpunkt der Angaben der Honorarfestsetzungsbescheid für das Quartal II/2007 noch nicht ergangen war)

In den Quartalen IV/2001 bis II/2003 war Herr Dr. L mit Herrn Dr. W in einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis niedergelassen. Der Bemessung des gemeinsamen Individualbudgets in Höhe von ungewichtet 1.502.099 Punkten im Primär- und 899.245 Punkten im Ersatzkassenbereich wurden die Praxisumsätze des Jahres 2002 zugrunde gelegt. Nach Ausscheiden des Herrn Dr. W zum Ablauf des Quartals II/2003 wurde der Einzelpraxis Dr. L für das Quartal III/2003 zunächst ein Individualbudget in Höhe von 50% der aufgelösten Gemeinschaftspraxis Dr. L/Dr. W zugeteilt. Auf den Widerspruch des Herrn Dr. L hin gewährte die Beklagte ihm für das Quartal III/2003 ein Individualbudget in Höhe von 92% der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L/ Dr. W. Unter Berücksichtigung des Gewichtungsfaktors für das Quartal III/2003 ergaben sich daraus 1.309.794 Punkte im Primär- und 764.099 Punkte im Ersatzkassenbereich. In der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 30. Juni 2004 war Dr. L mit Herrn Sa ..., dem Nachfolger von Dr. W, in Gemeinschaftspraxis tätig. Für die Quartale IV/2003 bis II/2004 gewährte die Beklagte dieser Gemeinschaftspraxis – nach ihrem Vortrag irrtümlich, da auf das Budget der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L/Dr. W noch einmal jeweils der Fachgruppendurchschnitt aufgeschlagen wurde – ein Individualbudget von ungewichtet 2.015.147 Punkten im Primär- und 1.371.518 Punkten im Ersatzkassenbereich. Tatsächlich hätte der Gemeinschaftspraxis Dr. L/Sa nach dem Vortrag der Beklagten für diese drei Quartale lediglich ein Individualbudget von ungewichtet 1.502.099 Punkten im Primär- und 921.895 Punkten im Ersatzkassenbereich zugestanden, wobei jeweils die Hälfte des Punktzahlvolumens auf Dr. L und auf Herrn Sa zurückgingen und das Punktzahlvolumen des Herrn Sa im Ersatzkassenbereich auf den Fachgruppendurchschnitt angehoben wurde (dort lag das Punktzahlvolumen seines Vorgängers Dr. W unterhalb des Fachgruppendurchschnitts). Mit Ablauf des II. Quartal 2004 verließ Herr Sa den Zulassungsbezirk Berlin und Dr. L war bis 30. September 2004 in Einzelpraxis tätig. Die Beklagte ordnete der Einzelpraxis Dr. L zunächst 50% des Individualbudgets der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L/Dr. W zu. Hiergegen legte Dr. L erfolgreich Widerspruch ein mit der Begründung, die Praxis bis zum Einstieg des Nachfolgers von Herrn Sa übergangsweise alleine weiter zu führen. Die Widerspruchsstelle der Beklagten half diesem Widerspruch ab und ordnete Dr. L – ihrer Auffassung nach nur übergangsweise für den Zeitraum der Tätigkeit in Einzelpraxis – das volle Individualbudget der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L/Dr. W zu.

Vom 1. Oktober 2004 bis 31. Dezember 2004 führte Dr. L eine Gemeinschaftspraxis mit Frau Dr. S und dem Nachfolger von Dr. Sa , Dr. P. Als Nachfolger von Herrn Sa übernahm Dr. P dasjenige Punktzahlvolumen, das Herrn Sa zu Beginn der Gemeinschaftspraxis mit Dr. L ohne den aus Sicht der Beklagten gegebenen, oben dargestellten Irrtum hätte zugeordnet werden müssen. Dr. L bekam das halbe Punktzahlvolumen aus der Gemeinschaftspraxis mit Dr. W, das ihm im Rahmen der Gemeinschaftspraxis Dr. L/Sa ohne den aus Sicht der Beklagten gegebenen Irrtum zugestanden hätte. Frau Dr. S brachte in die Gemeinschaftspraxis das Punktzahlvolumen aus ihrer zuvor geführten Einzelpraxis ein. Dieses belief sich ungewichtet auf 200.244 Punkte im Primärkassen- und 309.052 Punkte im Ersatzkassenbereich. Gewichtet für das Quartal IV/2004 kamen für Frau Dr. S im Primärkassenbereich 215.042 Punkte und im Ersatzkassenbereich 328.986 Punkte hinzu.

Seit dem 1. Januar 2005 sind Herr Dr. L und Frau Dr. S in Gemeinschaftspraxis tätig. Herr Dr. P war zum Ende des Jahres 2004 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden und hatte das ihm zugeordnete Individualbudget mitgenommen. Für die Gemeinschaftspraxis des Herrn Dr. L und der Frau Dr. S ermittelte die Beklagte ein Individualbudget von 951.294 Punkten je Quartal im Primär- und 758.674 Punkten im Ersatzkassenbereich, bei doppelten Fachgruppengrenzwerten vom 1.012.602 Punkten (Primärkassen) bzw. 937.022 Punkten (Ersatzkassen). Bei Festsetzung der Individualbudgets wurde die Gemeinschaftspraxis von der Beklagten als "Altpraxis" eingestuft, da Herr Dr. L seit 1. Oktober 1993 und Frau Dr. S seit 2. Januar 1991 tätig und somit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelungen über die Individualbudgets mehr als 20 Quartale zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren.

Aufgrund von Widersprüchen gegen die Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale III/2005 bis II/2006 kam es zu einer Überprüfung des Individualbudgets. Die Beklagte stellte fest, dass das Individualbudget von Frau Dr. S unter 50% des Fachgruppendurchschnitts liege und die Voraussetzungen für die Gewährung von Zuwachsraten im Sinne des § 9 Absatz 8b Honorarverteilungsvertrag (HVM) im Primärkassenbereich erfüllt seien. Aufgrund dessen wurde der von Frau Dr. S in die Gemeinschaftspraxis eingebrachte Teil des Individualbudgets ab dem Quartal III/2005 im Primärkassenbereich auf 60% des Fachgruppendurchschnitts angehoben. Für diesen Bereich ergab sich daher eine Erhöhung des Individualbudgets der Gemeinschaftspraxis auf 1.058.878 ungewichtete Punkte je Quartal. Im Ersatzkassenbereich verblieb es bei 758.674 Punkten. In den Quartalen III und IV/2006 wurde das Individualbudget der Gemeinschaftspraxis Dr. L/Dr. S entsprechend erhöht bzw. von vorneherein auf Grundlage des ungewichteten Punktzahlvolumens von 1.058.878 Punkten im Primärkassen- und 758.674 Punkten im Ersatzkassenbereich gewichtet.

Mit Schreiben vom 14. März 2007 (Quartal III/2006) und 27. Juni 2007 (Quartal IV/2006) legte die Klägerin gegen die von der Beklagten erteilten Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale III/2006 und IV/2006 Widerspruch ein. Die Widersprüche begründete sie damit, dass das Individualbudget fehlerhaft und das Wachstum von Frau Dr. S nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Zudem sei Herr Dr. L zu Beginn der Einführung der Individualbudgets zum 1. Juli 2003 in Einzelpraxis niedergelassen gewesen. Gemäß § 9 Absatz 4a Honorarverteilungsmaßstab (HVM) berechne sich sein Individualbudget auf der Grundlage der Quartale I/2002 bis IV/2002, in denen er in Gemeinschaftspraxis niedergelassen gewesen sei und wozu die Beklagte mit Bescheid vom 23. August 2004 entschieden habe, ihm 92% des budgetrelevanten Umsatzes der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L/Dr. W zuzuordnen. Weder durch nachfolgende Zusammenschlüsse des Herrn Dr. L mit Herrn Sa , noch mit Herrn P sei dieses individuell Herrn Dr. L zuzuordnende Individualbudget verringert worden. Vielmehr sei nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis von Herrn Dr. L mit Herrn Dr. Sa das Individualbudget des zu diesem Zeitpunkt wieder in Einzelpraxis tätigen Dr. L mit Bescheid vom 4. Januar 2005 auf 100% des Individualbudgets der vormaligen Gemeinschaftspraxis festgesetzt worden. Gemäß § 9 Absatz 6 b HVM berechne sich das Individualbudget der Gemeinschaftspraxis aus der Summe der Individualbudgets von Herrn Dr. L und Frau Dr. S. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Individualbudget von Frau Dr. S weit unterdurchschnittlich sei und sie deshalb – auch im Rahmen der Gemeinschaftspraxis – die Möglichkeit haben müsse, mit ihrem Anteil des Individualbudgets der Gemeinschaftspraxis noch auf den Fachgruppendurchschnitt zu wachsen. Dieser Zuwachs sei in den Honorarbescheiden III/2006 und IV/2006 unberücksichtigt geblieben. Nach § 10 HVM werde ein Zuwachs im Sinne des § 9 Absatz 8b HVM unter der Voraussetzung gestattet, dass die Praxis ihren anerkannten Bedarf für dem Individualbudget unterliegende Leistungen gegenüber dem Bemessungszeitraum habe steigern können und die Steigerung des Leistungsbedarfs mit einem Fallzahlzuwachs verbunden sei. Der in § 10 HVM genannte Bemessungszeitraum meine nicht etwa das Vorjahr, sondern die Quartale I/2002 bis IV/2002. Es sei weiterhin nicht mit der Vorschrift des § 10 HVM zu vereinbaren, willkürlich einen Jahreszeitraum festzulegen. Vorliegend seien demnach die Fallzahlen und der Leistungsbedarf des Jahres 2002 mit denen des Jahres 2006 zu vergleichen, so dass sich auf dieser Grundlage eine deutliche Steigerung sowohl der Fallzahl als auch des Leistungsbedarfs ergebe.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid aufgrund ihrer Sitzung vom 23. Oktober 2007, ausgefertigt am 27. November 2007, zurück. Die Entscheidung ihres Vorstandes vom 22. Dezember 2004, nach der Herrn Dr. L 100% des Individualbudgets der vormaligen Gemeinschaftspraxis mit Herrn Sa zugestanden werde, beziehe sich nur auf das Quartal III/2004. Die Erhöhung sei auf dieses Quartal begrenzt worden, da Herr Dr. L ab dem IV. Quartal 2004 wieder in einer Gemeinschaftspraxis tätig gewesen und das Individualbudget des Herrn Sa,,, von einem Nachfolger – Herrn P - übernommen worden sei. Bei seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis zum 31. Dezember 2004 sei Herrn P der von Herrn Sa übernommene Anteil am Individualbudget zugewiesen worden. Das Individualbudget der ab dem 1. Januar 2005 bestehenden Gemeinschaftspraxis Dres. L und S sei mit Bescheid vom 21. Januar 2005 in Höhe des Individualbudgets der bis zum 31. Dezember 2004 bestehenden Gemeinschaftspraxis abzüglich des Budgetanteils von Herrn P festgesetzt worden. Ein Anspruch auf 100% des Individualbudgets der vormaligen Gemeinschaftspraxis L/S/P für die nunmehr bestehende Praxis L/S bestehe nicht. Die Budgeterhöhung für das III. Quartal 2004 zugunsten von Herrn Dr. L sei als Übergangslösung erfolgt, bis der Nachfolger von Herrn Sa tätig werden würde. Mit der Nachfolgezulassung habe Herr P das Individualbudget von Herrn Sa gemäß § 9 Absatz 4e HVM a. F. zum 1. Oktober 2004 übernommen. Der Umstand, dass Herr P erst ein Quartal nach dem Ausscheiden von Herrn Sa tätig geworden sei, ändere hieran nichts. Soweit beanstandet worden sei, dass das Wachstum der Frau Dr. S ungenügend berücksichtigt worden sei, könne dies den Widersprüchen nicht zum Erfolg verhelfen. Gemäß § 9 Absatz 8b HVM werde einer Altpraxis, die mit ihrem Individualbudget unterhalb des Fachgruppendurchschnitts liege, vorbehaltlich einer Steigerung der Fallzahlen und der Punktzahlanforderungen ein Zuwachs von jährlich 10% bezogen auf den Fachgruppendurchschnitt zugestanden, höchstens bis zum Erreichen des Fachgruppendurchschnitts. Praxen, deren Individualbudget unter 50% des Fachgruppendurchschnitts liege, werde beim erstmaligen erlaubten Zuwachs eine Anhebung des Individualbudgets auf bis zu 60% des Fachgruppendurchschnitts gewährt. Vorliegend fehle es jedoch an einem Wachstum für darüber hinaus gehende, weitere Erhöhungen. Vielmehr stellten sich die Fallzahlen gegenüber dem Vorjahreszeitraum als rückläufig dar, wobei die Punktzahlanforderungen gestiegen seien. Maßgebend für die Zubilligung höherer Wachstumsraten seien das Vorliegen eines Fallzahlwachstums und die Steigerung der budgetrelevanten Punktmenge. Es liege jedoch kein kontinuierlicher Zuwachs der Gesamtfallzahl gemäß § 9 Absatz 8 b in Verbindung mit § 10 HVM vor. Nur ein solcher – zusammen mit einem kontinuierlichen Anstieg der Punktzahlmenge - könne einen Anspruch auf regelmäßige Anhebungen des Individualbudgets bis zum Fachgruppendurchschnitt begründen. Zwar treffe es zu, dass Maßstab für die Anhebung des Individualbudgets zunächst ein Zuwachs gegenüber dem Bemessungsjahr 2002 im Sinne des § 10 HVM sei. Die Norm sei jedoch weiterhin so auszulegen, dass eine Erhöhung allein gegenüber dem Bemessungsjahr dann nicht mehr (erneut) berücksichtigt werden könne, wenn bereits in früheren Quartalen ein Zuwachs realisiert worden sei und die Abrechnungswerte nunmehr rückläufig seien. Würde man die Norm in dem Sinne auslegen, dass es nur auf das Jahr 2002 als Vergleichszeitraum ankäme, könnte dies dazu führen, dass einer Praxis bei kontinuierlich rückläufigen oder zumindest stagnierenden Abrechnungswerten, die allerdings insgesamt noch oberhalb der Werte des Jahres 2002 lägen, regelmäßig neue Zuwachsraten bis zum Fachgruppendurchschnitt zuerkannt werden müssten, obwohl dem kein Leistungsmengenzuwachs mehr gegenüberstünde. Dem Urteil des BSG vom 10. Dezember 2003, Aktenzeichen B 6 KA 54/02 R, lasse sich nicht entnehmen, dass bereits ein einmaliger, ggf. geringfügiger Anstieg der Fallzahlen einen über mehrere Jahre währenden Automatismus für die Zuordnung von Wachstumsraten bis zum Fachgruppendurchschnitt auslösen solle. Anderenfalls könnte eine Praxis schon mit einer einmaligen Fallzahlsteigerung von beispielsweise 10% stufenweise Erhöhungen des Individualbudgets erzielen, die im Endergebnis ein Vielfaches des Patientenzuwachses ausmachen würden. Die Zugrundelegung eines Vier-Quartals-Zeitraums für die Frage des Zuwachses sei auch dann nicht zu beanstanden, wenn eines oder mehrere der berücksichtigten Quartale zeitlich nach den streitbefangenen Quartalen liege. Die Zugrundelegung eines Zeitraums von vier Quartalen diene dem Zweck, zufällige quartalsweise Schwankungen auszuschließen und im Wege der Durchschnittsbildung zu ermitteln, ob es sich bei dem Fall- und Punktzahlzuwachs um eine grundsätzliche Entwicklung von gewisser Dauer handele. So sei auch das BSG in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2003 von einer Erhöhung der Patientenzahlen ausgegangen, die eine grundlegende Praxisentwicklung widerspiegele und nicht auf zufälligen und nur kurzfristig messbaren Schwankungen beruhe. Der vorliegend der Wachstumsprüfung zugrunde gelegte Zeitraum der Quartale III/2006 bis II/2007 sei daher nicht zu beanstanden.

Am 14. Dezember 2007 erhob die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Sie beanstande zum einen die fehlerhafte Berechnung des Individualbudgets. Das Herrn Dr. L nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis mit Dr. W individuell zugeordnete Individualbudget sei weder durch den Zusammenschluss mit Herrn Sa , noch durch den Zusammenschluss mit Herrn P verringert worden. Die Entscheidung der Beklagten, Dr. L 100% des Individualbudgets der vormaligen Gemeinschaftspraxis zuzuordnen, gelte nicht nur für das Quartal III/2003. Eine entsprechende Beschränkung sei dem Bescheid nicht zu entnehmen. Nach § 9 Absatz 1 Satz 7 HVM seien die vier Quartale des Jahres 2002 für die Ermittlung des Individualbudgets maßgeblich. Daraus ergebe sich, dass die Gründe, die zu einer Veränderung des Individualbudgets der Einzelpraxis Dr. L im Quartal III/2004 führten, auch für die Folgequartale gelten müssten, denn die Bemessungsgrundlage für die Folgequartale sei wiederum das Jahr 2002 und nicht nur ein einzelnes Quartal. Weiterhin sei das auf Frau Dr. S entfallende Wachstum durch die Beklagte nur unzureichend berücksichtigt worden. Im Vergleich zum Bemessungszeitraum des Jahres 2002 liege sowohl eine Steigerung des Leistungsbedarfs als auch eine solche der Fallzahlen vor. Die Fallzahlen und die Menge der angeforderten Punkte seien in den Quartalen I/2006 bis IV/2006 deutlich höher gewesen als in den Quartalen I/2002 bis IV/2002. Die durchschnittliche Quartalsfallzahl des Jahres 2006 im Vergleich zum Jahr 2002 sei – soweit man im Jahr 2002 Dr. L und Dr. S zusammenrechne – um 200 Fälle, die Menge der angeforderten Punkte um 257.618 Punkte gestiegen. Unbeachtlich sei, wie sich diese Zahlen im Vergleich zum Jahr 2005 entwickelt hätten. Der Vorjahreszeitraum werde im HVM der Beklagten nicht als Bezugszeitraum genannt, Bemessungszeitraum sei vielmehr das Jahr 2002.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale III/2006 und IV/2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2007 zu verpflichten, über ihren Honoraranspruch für die Quartale III/2006 und IV/2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie auf die angefochtenen Bescheide Bezug und führt diese insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 18. Februar 2008, 13. August 2008, 30. Dezember 2008, 22. Oktober 2010 und 5. Januar 2011auf die hier verwiesen wird, weiter aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Urteilstenor hervorgehenden Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Die angegriffenen Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale III und IV/2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2007 sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, wie eine weitere Anhebung des auf den Gemeinschaftspraxispartner Herrn Dr. L entfallenden Individualbudgets im Rahmen der Honorarfestsetzung für die beiden streitgegenständlichen Quartale abgelehnt wird. Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte war nicht verpflichtet, im Rahmen der streitgegenständlichen Honorarbescheide ein höheres auf Frau Dr. S entfallendes Individualbudget zu berücksichtigen.

Einem Anspruch auf Erhöhung des Individualbudgets bzw. auf Berücksichtigung eines höheren Individualbudgets im Rahmen der hier angefochtenen Honorarbescheide steht nicht entgegen, dass bereits das Regelungskonzept der Individualbudgets in den beiden hier streitgegenständlichen Quartal III/2006 und IV/2006 rechtswidrig gewesen wäre. Die Kammer hält das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. März 2010 in dem Verfahren B 6 KA 43/08 R, das zu den Honorarverteilungsregelungen des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung Nord-Württemberg ergangen ist, im Ergebnis nicht auf die in den hier streitbefangenen Quartalen geltenden Honorarverteilungsregelungen im Bezirk der Beklagten übertragbar. Die für diesen Zeitraum geltenden Honorarverteilungsregelungen der Beklagten verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.

Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für den Zeitraum der beiden Quartale III und IV/2006 vereinbart hatten, entsprachen zwar nicht den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach dieser Bestimmung sind in der Honorarverteilung "insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)". Kernpunkt dieser Bestimmung sind zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, - und gemäß § 85 Absatz 4 Satz 8 SGB V kommt hinzu, dass für die darüber hinaus gehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte vorzusehen sind.

Von den beiden Elementen "arztgruppenspezifische Grenzwerte" und "feste Punktwerte" wichen die in den beiden genannten Quartalen geltenden Honorarverteilungsregelungen der Beklagten ab.

Da es vor dem Hintergrund der Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 – wonach eine Rechtmäßigkeit der Honorarverteilungsregelungen trotz Abweichungen von den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V dann in Betracht kommt, wenn bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt werden, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar sind (vgl. dazu unten) – auf einen Vergleich der Bestimmungen des in diesen beiden Quartalen geltenden HVM mit den davor geltenden Honorarverteilungsregelungen ankommt, sind auch diese in eine Bewertung im Lichte der Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V miteinzubeziehen:

Zum 1. Juli 2003 erfolgte auf der Grundlage des HVM in der Fassung vom 19. Juni 2003 durch die Beklagte erstmalig die Honorarverteilung auf Grundlage sogenannter Individualbudgets. Das Individualbudget als maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen wurde aus den individuellen Umsätzen im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis IV/2002 getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Die ermittelten Umsätze wurden mit dem Faktor 10/0,511292 EUR multipliziert. Dieses Produkt wurde durch 4 dividiert. Daraus ergab sich das für ein Quartal geltende Individualbudget, das lediglich mit einem Gewichtungsfaktor an die Quartalsschwankungen angepasst wurde. Nach § 9 Absatz 2 HVM wurden Leistungen, die Ärzte über das ihnen zugeordnete maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen hinaus abrechneten, auf dieses Punktvolumen gekürzt. Die nach Kürzung verbleibenden maximal zulässigen punktzahlbewerteten Leistungen wurden mit einer Fachgruppenquote multipliziert. Die Fachgruppenquote ergab sich, indem die zur Verfügung stehende Honorarsumme der Fachgruppe durch das Produkt des maximal zulässigen Punktzahlvolumens der Fachgruppe mit 5,112929 Cent dividiert wurde. Das sich daraus ergebende individuelle Punktzahlvolumen des Arztes wurde mit 5,112929 Cent vergütet. Wurde dieses maximal abrechenbare Punktzahlvolumen im Abrechnungsquartal von einer Praxis unterschritten, trat die abgerechnete Leistungsmenge an die Stelle des maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens. Überschritt das abgerechnete Punktzahlvolumen eines Arztes das maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen, ergaben sich von 5,11929 Cent abweichende praxisindividuelle Punktwerte. Im Ergebnis bedeutet dies, dass für die Vergütung der Leistungen mit einem Punktwert von 5,112929 Cent nicht allein das nach § 9 Absatz 1 HVM ermittelte Punktzahlvolumen maßgeblich war. Eine Verminderung des nach § 9 Absatz 1 HVM ermittelten Punktzahlvolumens trat dann ein, wenn die Summe der auf der Grundlage der Umsätze des Jahres 2002 ermittelten Punktzahlen aller Ärzte der Fachgruppe größer war als die in Punkte umgerechnete zur Vergütung zur Verfügung stehende Honorarsumme der Fachgruppe und damit die Fachgruppenquote kleiner 1 war. Die Fachgruppenquote war in jedem Abrechnungsquartal verschieden und ergab sich erst nach Abschluss des Abrechnungsquartals, so dass vor dem jeweiligen Abrechnungsquartal dem Arzt nicht bekannt war, welche Punktmenge mit welchem Punktwert vergütet wird. Es gab also keine vorab dem Arzt bekannten festen Punktwerte. Mit Wirkung zum 1. Juli 2005 ist der ab dem 1. Juli 2003 geltende HVM durch einen neuen HVM ersetzt worden. Dieser neue HVM sah auch weiterhin eine Vergütung auf der Grundlage von Individualbudgets vor. Nach der Vorschrift des § 9 Absatz 1 HVM sollten die abgerechneten Leistungen bis zum Erreichen der Grenze des Individualbudgets mit einem festen Punktwert von 4,15 Cent vergütet werden. Die über die Grenzen des Individualbudgets hinaus abgerechneten Leistungen sollten mit einem Restpunktwert vergütet werden. Das Individualbudget wurde nach den Regelungen des § 9 Absatz 2 HVM ermittelt. Dazu wurden wiederum zunächst die individuellen Umsätze im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis IV/2002 getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Die ermittelten Umsätze wurden mit dem Faktor 10/0,511292 EUR multipliziert. Dieses Produkt wurde wiederum durch 4 dividiert. Daraus ergab sich das für ein Quartal geltende Individualbudget, das lediglich mit einem Gewichtungsfaktor an die Quartalsschwankungen angepasst wurde. Dieses Individualbudget wurde jedoch nicht der Vergütung im Abrechnungsquartal zugrunde gelegt. Vielmehr wurde das nach § 9 Absatz 2 HVM ermittelte Individualbudget mit der Fachgruppenquote multipliziert (§ 9 Absatz 5 HVM). Erst dieses Produkt ergab die Punktzahl, die dann im konkreten Abrechnungsquartal mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet wurde. Dieses Punktzahlvolumen war jedoch Schwankungen unterworfen, denn die Fachgruppenquote wurde in jedem Quartal neu berechnet. So wurden die jeweils zur Verfügung stehenden Honorarfonds zunächst um 3,9% bei den Hausärzten und 5% bei den Fachärzten gekürzt, um mit den aus der Kürzung resultierenden Beträgen den Restpunktwert zu finanzieren. Das verbleibende Honorar für eine Fachgruppe wurde durch 4,15 Cent dividiert, so dass sich daraus die Punktmenge der Fachgruppe ergab, die mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet wurde. Sodann wurde dieses Punktvolumen durch die Summe der für die Ärzte nach § 9 Absatz 2 HVM ermittelten Punktvolumen geteilt. Dieser Quotient war die Fachgruppenquote. Der Betrag der Fachgruppenquote war also von dem jeweils im Abrechnungsquartal zur Verfügung stehenden Honorar der Fachgruppe abhängig. Das tatsächlich mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütete Punktzahlvolumen war somit nur dann mit dem auf der Grundlage der Umsätze des Jahres 2002 ermittelten Punktzahlvolumen identisch, wenn die Fachgruppenquote gleich 1 war. War aber die Fachgruppenquote kleiner 1, wurde gemäß § 9 Absatz 5 lit. a) HVM das gemäß § 9 Absatz 2 ermittelte Punktzahlvolumen durch die Multiplikation mit dem Fachgruppenquotienten vermindert und damit weniger Punkte mit einem Punktwert von 4,15 Cent vergütet als die Berechnung nach § 9 Absatz 2 HVM ergab. Die übrigen Punkte wurden mit dem Restpunktwert vergütet. Da die Fachgruppenquote dem abrechnenden Arzt erst mit seinem Honorarbescheid bekannt wurde, wusste der Arzt bei seiner Leistungserbringung nicht, welche Punktmenge mit dem Punktwert von 4,15 Cent und welche Punktmenge mit dem Restpunktwert vergütet würde. Einen vorab feststehenden Punktwert gab es also auch nach dem ab dem 1. Juli 2005 geltenden HVM nicht. Auch in dem hier maßgeblichen Zeitraum der beiden Quartale III und IV/2006 galt ein HVM, der die Regelungen des ab dem 1. Juli 2005 geltenden HVM zur Vergütung auf Grundlage von Individualbudgets fortführte. Damit ergab sich der Punktwert für den einzelnen Arzt aus dem Honorarvolumen für die Arztgruppe dividiert durch die Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen. Somit hing die Höhe des Punktwertes davon ab, wie sich das Verhältnis zwischen dem Honorarvolumen für die Arztgruppe zu der Summe der den Ärzten der Gruppe zuerkannten Punktzahlen verhielt: Je nachdem, ob diese von den Ärzten abgerechnete Punktmenge größer oder kleiner war, errechnete sich ein geringerer oder höherer Punktwert. Somit war ein sogenannter floatender Punktwert nach Maßgabe des der Arztgruppe zugeordneten Honorarvolumens vorgegeben. Dieser stand in Widerspruch zu der Vorgabe fester Punktwerte in der Regelung des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V. Zudem fehlten in den Honorarverteilungsregelungen der Beklagten auch arztgruppenspezifische Festlegungen. Das Merkmal arztgruppenspezifischer Grenzwerte im Sinne des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB erfordert, dass in die Regelung jedenfalls auch ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließt. Hierfür reicht nicht aus, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent zugeordnet ist. Vielmehr müsste die Regelung zum Beispiel jedenfalls auf arztgruppeneinheitlichen Fallpunktzahlen aufbauen, und zwar dergestalt, dass eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgegeben wird und deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen dann zu praxisindividuellen Grenzwerten führt (vgl. BSG, andere Angaben oben, Randnummern 15 und 17 des bei Juris veröffentlichten Urteils). Bei der Bemessung des Individualbudgets auf der Grundlage der Honorarverteilungsregelungen der Beklagten war die Arztgruppenzugehörigkeit des jeweiligen Arztes jedoch unbeachtlich.

Ob die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten dieselben Ziele wie die Regelung in § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V verfolgen, ist nicht maßgeblich. Allein eine möglicherweise gleichwertige Zielsetzung kann nicht den Mangel ausgleichen, dass es an den nach dem Wortlaut des § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V erforderlichen Regelungen – feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte – fehlt.

Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für den Zeitraum der beiden Quartale III und IV/2006 vereinbart hatten, erfüllten jedoch die Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004. Diese Regelung ist auch – wie das BSG in dem vorgenannten Urteil vom 17. März 2010 entschieden hat (vgl. Randnummer 20-22 des bei Juris veröffentlichten Urteils) – von der Ermächtigung des § 85 Absatz 4a Satz 1 letzter Teilsatz in Verbindung mit Absatz 4 Satz 6 bis 8 SGB V gedeckt. Die in dieser Übergangsregelung festgelegte Voraussetzung, dass bisherige Steuerungsinstrumente fortgeführt werden müssen, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar sind, ist erfüllt: Die oben dargestellten Honorarverteilungsregelungen entfernen sich – chronologisch betrachtet – nicht von den Vorgaben fester Punktwerte und arztgruppenspezifischer Grenzwerte. Insoweit unterscheiden sie sich von dem HVM des KV-Bezirks Nord-Württemberg, den das oben genannte Urteil des BSG zum Gegenstand hatte. Die dort bis zum 31. März 2005 geltenden Honorarverteilungsbestimmungen enthielten keine Regelung über einen floatenden Punktwert und waren daher dem System, das in § 85 Absatz 4 Satz 7 SGB V angelegt ist, näher als die Bestimmungen des ab dem 1. April 2005 geltenden HVM (vgl. hierzu BSG, andere Angaben oben, Randnummer 16 und 24 des bei Juris veröffentlichten Urteils). Insofern führten die ab dem 1. April 2005 im Bezirk der KV Nord-Württemberg geltenden Bestimmungen von der Zielrichtung der Realisierung von Regelleistungsvolumina weg und waren deshalb nicht von der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses gedeckt. Vorhandene Steuerungsinstrumente wurden nicht "fortgeführt". Für die im Bezirk der Beklagten geltenden Honorarverteilungsregelungen gilt indes Folgendes: im Unterschied zu dem bis zum 30. Juni 2005 gültigen HVM sieht der ab dem 1. Juli 2005 gültige HVM zwar keinen festen Punktwert, wohl aber bereits einen Zielpunktwert in Höhe von 4,15 Cent vor (§ 9 Absatz 1 HVM). Dieser Zielpunktwert wurde im Folgenden relativ stabil erreicht und in einigen Quartalen sogar übertroffen. Annäherungsweise konnte somit Kalkulationssicherheit für die Ärzte bei der Verteilung des Honorars geschaffen werden, so dass die Einhaltung der gemäß § 85 Absatz 4 SGB V geforderten Steuerungswirkung im Wesentlichen – noch - möglich war.

Zum anderen wurden die Leistungen, die über das maximal abrechenbare Punktzahlvolumen abgerechnet worden sind, gemäß § 9 Absätze 1, 3 und 6 HVM zu einem abgestaffelten Punktwert – Restpunktwert – vergütet. Auch insoweit werden Vorgaben des § 85 Absatz 4 SGB V – und zwar diejenige aus Satz 8 der genannten Vorschrift – bereits teilweise umgesetzt. Auch in den beiden Quartalen III und IV/2006 galten die gleichen Vergütungsmodalitäten wie ab dem III. Quartal 2005, das heißt insbesondere Vergütung der abgerechneten Leistungen mit einem zwar nicht festen Punktwert, wohl aber mit einem Zielpunktwert hinsichtlich der innerhalb des Individualbudgets abgerechneten Leistungen und mit einem Restpunktwert hinsichtlich der das Individualbudget überschreitenden Leistungsmenge.

Vor diesem Hintergrund führten die von der Beklagten in den maßgeblichen Honorarverteilungsregelungen vorgenommenen Änderungen von den Vorgaben des in § 85 Absatz 4 Satz 6 bis 8 genannten Zielsetzungen nicht weg, sondern stellten eine schrittweise - und nach Auffassung der Kammer noch ausreichende - Annäherung an diese Vorgaben dar. Bei der Auslegung der Ermächtigung des § 85 Absatz 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V ist auch zu berücksichtigen, dass es unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Ärzte an einer Kontinuität des Honorierungsumfangs und aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität problematisch gewesen wäre, eine sofortige volle Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 85 SGB V erreichen zu wollen. Vielmehr ist es – wie auch das BSG in dem vorgenannten Urteil vom 17. März 2010 vertritt (vgl. Randnummer 21 des bei Juris veröffentlichten Urteils) – bei solchen Anpassungen sachgerecht, eine nur allmähliche Anpassung genügen zu lassen und übergangsweise Abweichungen zu tolerieren. Dass dies auch im Interesse der Vertragsärzte war, zeigt sich, wenn man bedenkt, dass – um sofort einen festen Punktwert garantieren zu können – die Höhe der Individualbudgets hätte signifikant abgesenkt werden müssen. Konsequenz wäre eine geringere Vergütung gewesen, als dies mit der Festlegung von Zielpunktwerten der Fall war.

Nicht hinnehmbar wäre es indes gewesen, dass sich eine Honorarverteilungsregelung gegenüber der bisherigen – sei es auch nur vorübergehend – weiter von den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Satz 6 bis 8 SGB V entfernt. Dies ist hier – wie oben dargelegt – nicht der Fall gewesen.

Auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vertritt im Ergebnis die Auffassung, dass das Regelungskonzept der Individualbudgets – jedenfalls insoweit, wie es in den bis zum Quartal IV/2006 geltenden Honorarverteilungsregelungen im Bezirk der Beklagten seinen Niederschlag gefunden hat – rechtmäßig ist. Das LSG geht davon aus, dass diese Regelungen zumindest wegen der unter III. 2. 2. des oben genannten Beschlusses des Bewertungsausschusses vorgesehenen Übergangsbestimmung nicht zu beanstanden sind und die Beklagte mit den Individualbudgets ein Steuerungselement verwendet hat, das in seinen Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Absatz 4 SGB V vergleichbar ist (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. November 2010, Az. L 7 KA 162/07).

Ist das Regelungskonzept der Individualbudgets in der Ausprägung, wie es der HVM der Beklagten vorgesehen hat, in dem Zeitraum der beiden Quartale III und IV/2006 gemessen an den Vorgaben des § 85 Absatz 4 Sätze 7 und 8 SGB V in Verbindung mit der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 als – noch – rechtmäßig anzusehen, so kann die klägerische Gemeinschaftspraxis aus diesem grundsätzlich auch einen Anspruch auf Berücksichtigung eines höheren Individualbudgets im Rahmen der streitgegenständlichen Honorarbescheide herleiten.

Die mit dem Honorarverteilungsmaßstab vom 6. Juni 2003 ab 1. Juli 2003 eingeführten individuellen Punktzahlvolumen für punktzahlbewertete Leistungen – Individualbudgets - sind mit dem seit dem Quartal III/2005 geltenden Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab zwischen der Beklagten und den Krankenkassenverbänden vom 20. Juni 2005 fortgeführt worden. Die Regelungen dazu finden sich in den §§ 9 und 10 des HVM. Für alle Fachgruppen gelten die Quartale I/2002 bis IV/2002 als Bemessungszeitraum. Das zu einem festen Punktwert zu vergütende individuelle Punktzahlvolumen wird aus den individuellen Umsätzen des Durchschnitts des Bemessungszeitraumes getrennt nach Primär- und Ersatzkassen ermittelt. Leistungen im Rahmen des Individualbudgets werden zu einem festen Punktwert vergütet; für den Fall der Überschreitung des Individualbudgets werden die überschreitenden Leistungen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet.

Gemäß § 9 Absatz 6 b HVM berechnet sich das Individualbudget einer Gemeinschaftspraxis, die nicht am 1. Juli 2003 und dem Bemessungszeitraum in der jetzigen Zusammensetzung am derzeitigen Tätigkeitsort bestanden hat, aus den Individualbudgets der Partner, das heißt vorliegend also aus der Summe der Individualbudgets von Herrn Dr. L und von Frau Dr. S.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf eine höhere Honorierung in den beiden streitgegenständlichen Quartalen III und IV/2006 vor dem Hintergrund eines der Frau Dr. S zuzuordnenden höheren Individualbudgets zu. Die Voraussetzungen für einen Zuwachs nach den §§ 9 Absatz 8 b und 10 HVM in der Fassung vom 20. Juni 2005 bzw. der insoweit gleich lautenden Fassung vom 6. April 2006 liegen nicht vor. Nach § 10 HVM wird ein erlaubter Zuwachs für sogenannte Altpraxen unter der Voraussetzung gestattet, dass die Praxis den anerkannten Leistungsbedarf für Leistungen, die dem Individualbudget unterliegen, gegenüber dem Leistungsbedarf des Bemessungszeitraums steigern konnte und diese Steigerung verbunden ist mit einem Fallzahlzuwachs.

Im Rahmen der Entscheidung über das Budgetwachstum von Altpraxen ist eine Ermessensentscheidung der Beklagten geboten, was sich im Wortlaut des HVM am Begriff des "erlaubten Zuwachs" festmacht, der "zugestanden" wird. In – gerichtlich nicht zu beanstandender - Ausübung dieses Ermessens gewährt die Beklagte Wachstum zum Fachgruppendurchschnitt nur dann, wenn der Leistungserbringer seine Fallzahl über eine 10%ige Erheblichkeitsschwelle hinaus gesteigert hat und auch in den anschließenden Quartalen ein kontinuierliches Wachstum vorweisen kann. Ein unter dem Fachgruppendurchschnitt liegender Leistungserbringer muss folglich seine Fallzahl gegenüber dem Bemessungszeitraum um mindestens 10% gesteigert und dieses Fallzahlniveau über einen gewissen Zeitraum gehalten haben. Eine entsprechende Ermessensausübung wird auch den Vorgaben gerecht, die das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 10. Dezember 2003 in dem Verfahren B 6 KA 54/02 R aufgestellt hat. Danach muss unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen lediglich die effektive Möglichkeit gegeben werden, durch eine Steigerung der Fallzahlen den Durchschnitt der Fachgruppe zu erreichen.

Vorliegend hat Frau Dr. S nach Auffassung der Kammer ihre Behandlungsfallzahlen in den beiden streitgegenständlichen Quartalen bzw. in einem Zeitraum, der neben diesen beiden Quartalen auch noch die zwei Folgequartale umfasst, bereits nicht zusammen mit ihrem Leistungsbedarf - über das bereits von der Beklagten gewährte Wachstum um 10% von 50% auf 60% des Fachgruppendurchschnitts hinaus - gesteigert. Für den Vergleichsmaßstab, der bei der Beantwortung der Frage heranzuziehen ist, ob einer Altpraxis ein Wachstum auf den Fachgruppendurchschnitt hin zuzugestehen ist, gilt nach Auffassung der Kammer Folgendes: Nach § 9 Absatz 2 Satz 7 HVM gelten die Quartale I/2002 bis IV/2002 zwar für alle Fachgruppen als Bemessungszeitraum. Die Definition des kalendarischen Jahres 2002 als Bemessungszeitraum bedeutet nach Auffassung der Kammer jedoch nicht, dass auch bei einem wiederholten Antrag auf Anhebung des Individualbudgets - nach bereits erfolgter Stattgabe für einen vorherigen Zeitraum - für eine erneute Ermittlung des abgerechneten Leistungsbedarfes und des Fallzahlzuwachses wiederum auf einen Vergleich mit diesem Bemessungszeitraum abzustellen wäre. Vielmehr muss, um eine doppelte – oder bei Folgeanträgen gar mehrfache – Berücksichtigung von Fallzahlen- und Leistungsmengensteigerungen gegenüber dem ursprünglichen Bemessungszeitraum auszuschließen, die wiederholte Wachstumsbetrachtung in dem Quartal ansetzen, das auf dasjenige Quartal folgt, welches das letzte der zeitlich vorangegangenen Wachstumsbetrachtung war. Beginnend mit diesem Quartal muss es der unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis gemäß den Vorgaben des Bundessozialgerichts aus seinem Urteil vom 10. Dezember 2003 – Az. B 6 KA 54/02 R - ermöglicht werden, in effektiver Weise den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Eine Erhöhung allein gegenüber dem Bemessungszeitraum des Jahres 2002 kann dann nicht mehr (erneut) berücksichtigt werden, wenn bereits in früheren Quartalen ein Zuwachs realisiert wurde und die Abrechnungswerte nun nicht mehr hinreichend signifikant ansteigen bzw. sogar rückläufig sind. Würde man nämlich die Norm in dem Sinne auslegen, dass es nur auf das Jahr 2002 als Vergleichszeitraum ankäme, könnte dies dazu führen, dass einer Praxis bei rückläufigen oder zumindest stagnierenden Abrechnungswerten, die allerdings insgesamt noch oberhalb der Werte des Jahres 2002 lägen, regelmäßig neue Zuwachsraten bis zum Fachgruppendurchschnitt zuerkannt werden müssten, obwohl dem kein Leistungsmengenzuwachs mehr gegenüberstünde. Dass wegen eines einmal gewährten Wachstums ein solches – im Hinblick auf den ursprünglichen Vergleichszeitraum - in den Folgejahren erneut zu gewähren wäre, lässt sich zum einen weder dem HVM der Beklagten entnehmen und wäre zum anderen auch widersinnig. Eine entsprechende Regelung würde nicht nur zu einer doppelten bzw. gar mehrfachen Berücksichtigung desselben Tatbestandes führen, sondern auch das mit der Einführung der Individualbudgets erklärtermaßen verfolgte Ziel, bloßen Leistungsmengenausweitungen ohne damit verbundenen Fallzahlsteigerungen entgegenzuwirken, konterkarieren. Zu einer Überprüfung des Individualbudgets der Klägerin kam es bereits aufgrund der Widersprüche gegen die Honorarfestsetzungsbescheide für die Quartale III/2005 bis II/2006. Die Beklagte stellte diesbezüglich fest, dass das Individualbudget von Frau Dr. S unter 50% des Fachgruppendurchschnitts liege und die Voraussetzungen für die Gewährung von Zuwachsraten im Sinne des § 9 Absatz 8 b HVM im Primärkassenbereich erfüllt seien. Aufgrund dessen wurde der von Frau Dr. S eingebrachte Teil des Individualbudgets ab dem Quartal III/2005 im Primärkassenbereich auf 60% des Fachgruppendurchschnitts angehoben. Ob im Rahmen dieser Anhebung auf den Bemessungszeitraum des Jahres 2002 abzustellen gewesen wäre oder ob die Voraussetzungen für ein Wachstum von Altpraxen bis zum Fachgruppendurchschnitt richtigerweise unter Betrachtung desjenigen Jahres festzustellen gewesen wären, das der Einführung von Individualbudgets zum Quartal III/2003 folgte, ist hier unerheblich. Maßgeblich ist vielmehr, dass dem Antrag auf Berücksichtigung eines höheren Individualbudgets für Frau Dr. S bereits eine Anhebung in Richtung des Fachgruppendurchschnitts vorangegangen war, die es zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden doppelten Berücksichtigung für den Folgeantrag erforderlich machte, die Vergleichsbetrachtung nunmehr an den vorangegangenen "Prüfzeitraum" anzuknüpfen. Eine andere Betrachtung kann auch nicht vor dem Hintergrund geboten sein, dass § 10 in Verbindung mit § 9 Absatz 8 b HVM das Jahr 2002 als Bemessungszeitraum definiert. Soweit sich jedenfalls eine Erststattgabe an diesem Bemessungszeitraum orientiert, verlangt es der Wortlaut der genannten Vorschriften nicht, auch die Prüfung weiterer Anträge an diesem Bemessungszeitraum zu orientieren. Dass eine entsprechende Sichtweise nach Auffassung der Kammer zu einer ungerechtfertigten, mehrfachen Berücksichtigung derselben Fallzahlsteigerung führen würde, wurde oben dargelegt. Es kommt damit im Ergebnis nicht auf die von der Klägerin vorgelegten Zahlen an, wonach sich die Gesamtfallzahl des Jahres 2002 pro Quartal auf durchschnittlich 1.856 Fälle belief und durchschnittlich 2.923.155 Punkte angefordert wurden, während in dem Jahreszeitraum des Quartals III/2005 bis II/2006 die Gesamtfallzahl im vierteljährlichen Durchschnitt 2.052 Fälle und die angeforderte Leistungsmenge 3.439.076,5 Punkte betrug. Denn im Durchschnitt der hier von der Beklagten zum Zwecke der Vergleichsbetrachtung herangezogenen Quartale III/2006 bis II/2007 war kein weiterer Anstieg der Behandlungsfallzahlen zu verzeichnen, sondern die klägerische Praxis konnte lediglich ihre Leistungsmengen weiter ausweiten. In dem Zeitraum der Quartale III/2006 bis II/2007 wurden in der Praxis der Klägerin pro Quartal durchschnittlich nur noch 2048 Patienten behandelt, bei einer Anforderung von durchschnittlich 3.690.084 Punkten pro Quartal. Dem standen 2052 Behandlungsfälle im Zeitraum der Quartale III/2005 bis II/2006 gegenüber. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte dem Vergleich einen Zeitraum von vier Quartalen zugrunde legt. Eine vergleichende Betrachtung über vier Quartale hinweg rechtfertigt sich durch die Erwägung, dass nur so etwa morbiditäts- und urlaubsbedingte Schwankungen im Jahresverlauf ausgeglichen werden können.

Eine weitere Anhebung des auf Frau Dr. S entfallenden Individualbudgets war auch nicht vor dem Hintergrund geboten, dass der Anstieg der Behandlungsfallzahlen aus der Summe der beiden Einzelpraxen Dr. S und Dr. L in den vier Quartalen des Jahres 2002 (durchschnittlich ergab sich hier für beide Einzelpraxen zusammen eine Behandlungsfallzahl von 1.856) um rund 200 Fälle unterhalb der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl pro Quartal in der Gemeinschaftspraxis Dres. L und S im Zeitraum der Quartale I/2006 bis IV/2006 lag. Die Kammer erachtet es nicht für dargelegt, dass dieses Wachstum von – bezogen auf die Gemeinschaftspraxis – 10% allein auf die Tätigkeit von Frau Dr. S zurückginge. Ebenso ist es denkbar, dass sich Frau Dr. S und Herr Dr. L – der als Einzelpraxis eine Behandlungsfallzahl auswies, die sich im Durchschnitt der orthopädischen Praxen bewegt – jeweils rund hälftig den Anstieg der Behandlungsfallzahlen zuschreiben können. Wegen der Fachgleichheit der Gemeinschaftspraxis und aufgrund des Umstandes, dass seinerzeit keine nach den Gemeinschaftspraxis-Partnern getrennte Kennzeichnung der Behandlungsfälle erfolgte, ist es der Kammer nicht möglich, den Anstieg der Behandlungsfallzahlen allein Frau Dr. S zuzuordnen. Fehlen – wie hier - konkrete Anhaltspunkte für eine Zuordnung des Anstiegs der Behandlungsfallzahlen, begegnet es nach Auffassung der Kammer keinen Bedenken, den Fallzahlanstieg beiden Gemeinschaftspraxis-Partnern hälftig oder auch anteilig im Verhältnis zu den Behandlungsfallzahlen aus dem Bemessungszeitraum zuzuordnen. Einer solchen Zuordnung trägt die von der Beklagten vorgenommene Anhebung des auf Frau Dr. S entfallenden Individualbudgets von 50% des Fachgruppendurchschnitts auf 60% des Fachgruppendurchschnitts Rechnung; denn der Anstieg der Behandlungsfallzahlen zwischen den Jahren 2002 und 2006 um rund 200 beläuft sich – die Summe der Behandlungsfallzahlen aus den beiden Einzelpraxen in 2002 in Bezug gesetzt zu den Behandlungsfallzahlen der Gemeinschaftspraxis in 2006 – auf lediglich rund 10%.

Die Beklagte hat jedoch zu Unrecht eine höhere Honorierung der Klägerin in den beiden streitgegenständlichen Quartalen III und IV/2006 vor dem Hintergrund eines Herrn Dr. L zuzuordnenden höheren Individualbudgets abgelehnt. Die Kammer vertritt die Auffassung, dass dasjenige Individualbudget, das Herrn Dr. L im Quartal III/2003 zur Verfügung gestellt wurde, nicht nur übergangsweise für dasjenige Quartal gewährt worden war, in dem Dr. W bereits aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden, sein Nachfolger Herr Sa aber noch nicht in diese eingetreten war. Entsprechendes ergibt sich nicht aus dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23. August 2004. Durch diesen wurde das Individualbudget des Herrn Dr. L für das Quartal III/2003 unter Berücksichtigung von 92% des budgetrelevanten Umsatzes der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L/Dr. W neu berechnet. Dass diese Neuberechnung ausschließlich und übergangsweise nur für das Quartal III/2003 gelten sollte, lässt sich dem Widerspruchsbescheid in keiner Weise entnehmen. Da eine nur übergangsweise Zuweisung des Individualbudgets jedenfalls unüblich ist, hätte es bei einem entsprechenden Vorgehen der Beklagten eines ausdrücklichen Ausspruchs im Tenor des Bescheides bedurft, zumindest aber eines unmissverständlichen Hinweises in den Gründen des Bescheides.

Das Individualbudget des Herrn Dr. L konnte auch nicht anlässlich des Ausscheidens von Herrn Sa aus der Gemeinschaftspraxis zum Quartal III/2004 sowie anlässlich des Ausscheidens von Herrn Dr. P zum Quartal I/2005 gekürzt werden, bzw. hat sich das Individualbudget der Gemeinschaftspraxis nach Ausscheiden von Herrn Sa und Herrn Dr. P nicht um mehr als die Herrn Dr. W zugeordneten 8% verringert.

Die Bestimmung der Individualbudgets bei bestehenden Gemeinschaftspraxen ergab sich aus § 9 Abs. 6 a) und b) HVM a. F. (das heißt HVM in der Fassung vom 12. Juni 2003) sowie bei Ausscheiden eines Partners aus Buchstabe c). Danach erhält der Ausscheidende aus einer Gemeinschaftspraxis bei Fortführung der ärztlichen Tätigkeit dasjenige Individualbudget, welches er in die Gemeinschaftspraxis eingebracht hat bzw. während der Zusammensetzung realisiert hat. Lässt sich danach ein maximal abrechenbares Punktzahlvolumen nicht einem Teilnehmer konkret zuordnen, erhält er den nach Köpfen bemessenen arithmetischen Durchschnittswert. Bei der Auflösung einer Gemeinschaftspraxis erhält also jeder der ehemaligen Gemeinschaftspraxis-Partner den von ihm realisierten Anteil am Individualbudget. Nur ausnahmsweise, wenn sich nicht ermitteln lässt, welche Anteile jeder einzelne Gemeinschaftspraxis-Partner realisiert hat, erfolgt eine Aufteilung des Individualbudgets nach Kopfteilen. Die tatsächlich realisierte Verteilung des Individualbudgets ist nach der Vorgabe des § 9 Absatz 6 c) Satz 4 HVM auf der Grundlage des Gemeinschaftspraxisvertrages zu ermitteln. Im Widerspruchsbescheid vom 23. August 2004 entschied die Beklagte deshalb auch noch, dass sich aus dem Gemeinschaftspraxisvertrag und den Vorgaben für die Aufteilung eines Individualbudgets im HVM nur ergeben kann, dass das Individualbudget der Gemeinschaftspraxis Dres. L/W im Verhältnis von 92 zu 8 aufzuteilen sei. Es ist indes nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die von der Beklagten hier im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgenommene Aufteilung des Individualbudgets in den folgenden Quartalen, in denen sowohl die gleichen Rechtsgrundlagen galten, als auch die gleichen Tatsachen vorlagen, zu einem anderen Ergebnis als der Aufteilung des Individualbudgets im Verhältnis von 92 zu 8 führen sollte. Es gibt keine Rechtsgrundlage für die Auffassung der Beklagten, dass mit Beginn der Gemeinschaftspraxis Dr. L/Sa oder in der Folgezeit die Höhe des Individualbudgets von Herrn Dr. L gemindert werden oder ein Teil des Individualbudgets von Herrn Dr. L auf andere Gemeinschaftspraxis-Partner "überspringen" konnte. Durch die Nachfolgezulassung von Herrn Sa ist dieser zwar in zulassungsrechtlicher Hinsicht an die Stelle von Herrn Dr. W getreten. Diese Nachfolgezulassung kann jedoch nicht dazu führen, dass Herr Sa ein Individualbudget erlangt hätte, das Herr Dr. W nicht mehr innehatte. Nur das von Herrn Dr. W zum Ende der Gemeinschaftspraxis mit Herrn Dr. L erlangte Individualbudget in Höhe von 8% des ursprünglichen Individualbudgets der Gemeinschaftspraxis konnte auch auf Herrn Sa mit seiner Zulassung übergehen. Dr. L brachte daher auch zum Quartal IV/2004 einen Anteil von 92% des Individualbudgets der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dres. L und W in die Gemeinschaftspraxis Dres. L, S und P ein. Als diese Gemeinschaftspraxis zum Ende des Quartals IV/2004 aufgelöst wurde, musste die Regelung in § 9 Absatz 6 c) HVM zur Anwendung gelangen, nach der bei der Auflösung einer Gemeinschaftspraxis das Individualbudget in dem Verhältnis aufgeteilt wird, in dem Individualbudgetanteile in die Gemeinschaftspraxis eingebracht wurden. Da Herr Dr. L 92% des Individualbudgets der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dres. L/W in die Gemeinschaftspraxis mit Dr. P und Dr. S einbrachte, muss er dieses Individualbudget auch bei der Auflösung dieser Gemeinschaftspraxis erhalten.

Keine Grundlage gibt es hingegen dafür, Herrn Dr. L über das Quartal III/2004 hinaus 100% des Individualbudgets der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dres. L/W zuzuordnen, weil ihm dieses im Quartal III/2004 – nach dem Ausscheiden von Herrn Sa und vor dem Eintritt von Herrn Dr. P in die Gemeinschaftspraxis – zugeordnet worden war. Die Beklagte hat nach Auffassung der Kammer eine entsprechende Anhebung des Individualbudgets nur übergangsweise für das Quartal III/2004 vorgenommen. In diesem Quartal blieb der Vertragsarztsitz von Herrn Sa unbesetzt. Im IV. Quartal 2004 ging sein Individualbudget von 8% des Individualbudgets der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dres. L/W dann an den Gemeinschaftspraxis-Partner Dr. P über. Diesen Anteil nahm Dr. P dann im Zuge seines Ausscheidens aus der Gemeinschaftspraxis zum Quartal I/2005 mit.

Die klägerische Gemeinschaftspraxis bzw. Dr. L konnten auch nicht davon ausgehen, dass das ihm für das Quartal III/2004 übertragene Individualbudget von Dr. Sa auf Dauer bei ihm verbleiben sollte. Die Beklagte hat hinreichend deutlich eine entsprechende Anhebung des Individualbudgets nur für das Quartal III/2004 vorgenommen. In dem an den Bevollmächtigten des Herrn Dr. L gerichteten Schreiben vom 4. Januar 2005 heißt es, der Vorstand der Beklagten habe in seiner Sitzung vom 22. Dezember 2004 "eine Entscheidung dahingehend getroffen, dass dem vorliegenden Widerspruch gegen die Neufestsetzung des Individualbudgets ( ) insoweit abzuhelfen (sei), als dass das Individualbudget für das III. Quartal 2004 auf der Basis des individuellen Punktzahlvolumens der Gemeinschaftspraxis ( ) im III. Quartal 2002 neu festgesetzt (werde)". Auch aus den übrigen Ausführungen in diesem Schreiben geht hervor, dass sich diese Neufestsetzung des Individualbudgets ausschließlich auf das III. Quartal 2004 beziehen sollte, in dem ein Nachfolger für den Praxissitz von Dr. Sa noch nicht tätig war. So setzt die Beklagte die Behandlungsfallzahlen aus dem III. Quartal 2004 lediglich in Bezug zu denjenigen aus dem III. Quartal des als Bemessungszeitraum geltenden Jahres 2002, stellt aber keinen quartalsübergreifenden Vergleich an, der für eine dauerhaft gültige Neufestsetzung des Individualbudgets erforderlich gewesen wäre. Zudem spricht gegen die Interpretation der Klägerin, dass das Schreiben der Beklagten vom 4. Januar 2005 ausschließlich Herrn Dr. L in Bezug nimmt, nicht aber die Gemeinschaftspraxis. Letzteres wäre jedoch zu erwarten gewesen, wenn sich die Neufestsetzung des Individualbudgets für das III. Quartal 2004 – die für jenes Quartal nur dem in diesem Zeitraum in Einzelpraxis tätigen Dr. L zu Gute kam – auch auf die erst wieder zum IV. Quartal 2004 bestehende Gemeinschaftspraxis hätte beziehen sollen.

Die Beklagte wird die Klägerin hinsichtlich des ihr für die Quartale III und IV/2006 zustehenden Honorars unter Beachtung der oben dargelegten Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheiden müssen, das heißt, unter Zugrundelegung eines Individualbudgets von Herrn Dr. L, das sich auf 92% des Individualbudgets der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dres. L/W beläuft.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass Herr Dr. L in Gemeinschaftspraxis mit Herrn Sa im Quartal IV/2003 ein Gesamtpunktzahlvolumen von rund 3,1 Millionen zur Verfügung stand, dieses sich aber in den beiden streitgegenständlichen Quartalen III/2006 und IV/2006 für die mit Frau Dr. S geführte Gemeinschaftspraxis auf nur noch rund 1,8 Millionen bzw. rund 2 Millionen Punkte belief, erklärt sich dies durch den folgenden Umstand: Die Beklagte hatte der Gemeinschaftspraxis Dr. L/Sa für die Quartale IV/2003 bis II/2004 ein wesentlich zu hohes Individualbudget von ungewichtet 2.015.147 Punkten im Primär- und 1.371.518 Punkten im Ersatzkassenbereich zugeordnet. Irrtümlich war auf das Budget der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L/Dr. W noch einmal der Fachgruppendurchschnitt von ungewichtet 513.048 Punkten im Primärkassen- und 472.273 Punkten im Ersatzkassenbereich aufgeschlagen worden. Die aus zwei Vertragsärzten bestehende Gemeinschaftspraxis hatte damit für drei Quartale ein Punktzahlvolumen von insgesamt 3.386.665 Punkten, was knapp dem vierfachen des Fachgruppendurchschnitts entspricht. Dieses Budget war indes nicht allein auf Praxisumsätze im Bemessungszeitraum zurückzuführen, sondern vielmehr im Wesentlichen auf einen fehlerhaften Eintrag im System der Beklagten, so dass der Gemeinschaftspraxis für einen Zeitraum von drei Quartalen zu viel Honorar ausgezahlt wurde. Auf dieses viel zu hohe Individualbudget sind auch die Individualbudget-Bögen zurückzuführen, die der Kläger in den Anlagen zur Klagebegründung vom 18. Dezember 2007 zu den Akten reichte. Anstatt des tatsächlich für die Honorarfestsetzung herangezogenen ungewichteten Individualbudgets von 2.015.147 Punkten im Primärkassen- und 1.371.518 Punkten im Ersatzkassenbereich hätte für die Gemeinschaftspraxis Dr. L/Sa seinerzeit ein ungewichtetes Individualbudget in Höhe von 1.502.099 Punkten im Primär- und 921.895 Punkten im Ersatzkassenbereich festgesetzt werden müssen. Über beide Kassenbereiche hätten der Gemeinschaftspraxis Dr. L/Sa damit 2.423.994 Punkte zugestanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Absatz 1 Satz 1, 2. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie trägt dem Umfang des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten Rechnung.
Rechtskraft
Aus
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