S 115 AS 10897/10 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
115
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 115 AS 10897/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 1091/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten der Antragsteller sind nicht erstattungsfähig.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Am 14. Juli 2009 meldeten sie sich nach Einreise in die Bundesrepublik unter der im Rubrum angegebenen Wohnadresse an, wo sie eine ca. 73 m² große 3-Zimmer-Wohnung bewohnen. Mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit Berlin Süd – vom 22. Oktober 2009 wurde der Antrag der Antragstellerin zu 2.) auf Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU abgelehnt. Am 26. Oktober 2009 beantragten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie gaben unter Vorlage einer Gewerbeanmeldung an, der Antragsteller zu 1.) sei in Abrissarbeiten, Trockenbau, Schleif- und Fliesenarbeiten selbständig tätig und werde hieraus im Bewilligungszeitraum ca. 3.600,- EUR erzielen. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2009 wurde für die Antragsteller zu 3.) bis 9.) von der Familienkasse Berlin Süd Kindergeld in Höhe von monatlich insgesamt 1.278,- EUR ab August 2009 festgesetzt. Mit Bescheid vom 07. Januar 2010 versagte die Antragsgegnerin den Antragstellern die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit der Begründung, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen seien eine Reihe von Unterlagen nicht vorgelegt bzw. Nachweisen nicht erbracht worden.

Am 30. März 2010 haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht (SG) Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Hierzu haben sie unter anderem Schreiben der Firma ". Bauleistungen" vom 01. Juli, 01. August, 01. September, 01. Oktober und 01. November 2009 vorgelegt, wonach der Antragsteller zu 1.) beauftragt wurde, in den jeweiligen Monaten "Abbrucharbeiten gemäß Vorarbeiteranweisungen durchzuführen". Weiterhin haben sie Rechnungen des Antragstellers zu 1.) gegenüber " ... Bauleistungen" vom 30. Juli, 30. August, 30. September, 30. Oktober und 30. November 2009 vorgelegt, wonach hierfür jeweils 400,- EUR in Rechnung gestellt und ausgezahlt wurden.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

Sie sieht keinen Anordnungsanspruch gegeben. Eine nennenswerte selbständige Tätigkeit sei nicht glaubhaft gemacht. Aktuelle Tätigkeiten seinen nicht nachgewiesen worden.

II. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 der Regelung vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, Satz 2 der Regelung. Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung erfordert die Zulässigkeit des Antrags (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 9. Auflage 2008, § 86 b Rn. 26 ff.) sowie hinsichtlich der Begründetheit das positive Ergebnis der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO –), wobei die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger sind, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG –, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war nicht stattzugeben, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab 01. Januar 2008 geltenden Fassung erhalten diejenigen Personen Leistungen nach dem SGB II, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Die Antragsteller sind in diesem Sinne nicht erwerbsfähig. Erwerbsfähig nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II können dabei nach § 8 Abs. 2 SGB II nur diejenigen sein, denen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 8 Abs. 2 SGB II sind Ausländer nur dann erwerbsfähig, wenn sie überhaupt erwerbstätig sein können, d. h. ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Dies aber ist bei den Antragstellern zu 1.) und 2.) nicht der Fall. Denn während Unionsbürger grundsätzlich privilegierten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt genießen und ihnen – wie sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU ergibt – die Aufnahme einer Beschäftigung generell erlaubt ist, gilt dies für die Antragsteller als rumänische Staatsangehörige nicht. Vielmehr bestimmt § 13 Freizügigkeitsgesetz/EU ausdrücklich, dass in den Fällen, in denen nach Maßgabe des Vertrages vom 25. April 2005 über den Beitritt u. a. Rumäniens abweichende Regelungen anwendbar sind, das Gesetz nur Anwendung findet, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 Abs. 1 SGB III genehmigt wurde. Im Gegensatz zu den Staatsangehörigen der alten Mitgliedstaaten können sich Neu-Unionsbürger mit Ausnahme der Staatsangehörigen Maltas und Zyperns derzeit noch nicht uneingeschränkt auf die europäische Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen. Nach den Beitrittsverträgen kann der Arbeitsmarktzugang von Neu-Unionsbürgern während einer dreiphasigen, insgesamt siebenjährigen Übergangsfrist weiterhin nach nationalem bzw. bilateralem Recht gesteuert werden. Gegenwärtig nimmt Deutschland u. a. gegenüber Rumänien in der 2. Phase (01. Januar 2009 – 31. Dezember 2011) diese Übergangsregelungen in Anspruch. Die notwendigen Mitteilungen hat die Bundesregierung der Europäischen Kommission vor Beginn der jeweiligen Phase übermittelt und im Bundesanzeiger veröffentlicht (BAnz. 2009, S. 1572 f.; BAnz. 2008, S. 4807 f.), vgl. Material zur Information: Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten, abrufbar unter www.bmas.de). D. h. vorliegend, dass den Antragstellern eine Arbeitsgenehmigung-EU durch die Bundesagentur für Arbeit nach § 284 Abs. 1 SGB III erteilt worden sein müsste (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts – LSG – Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2007, Az.: L 19 B 21/07 AS ER). Dies ist jedoch im Hinblick auf den Antragsteller zu 1.) offensichtlich nicht geschehen. Auch könnte ihm eine Arbeitserlaubnis-EU nach §§ 284 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB III i. V. m. § 39 Abs. 2 bis 4, 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthaltsG) nicht erteilt werden. Dies würde nämlich voraussetzen, dass ansonsten keine vermittlungsfähigen Arbeitnehmer zur Verfügung stehen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 lit. b AufenthaltsG), was bei Ungelernten (Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit in Rumänien hat der Antragsteller zu 1.) nicht gemacht) und einer hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland gerade bei den Geringqualifizierten auszuschließen ist, vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2007, Az.: L 5 B 2092/07 AS ER. Gegenüber der Antragstellerin zu 2.) ist mit offenbar bestandskräftigem Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 22. Oktober 2009 die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU abgelehnt. Nicht glaubhaft gemacht ist im Übrigen, soweit es darauf noch ankommt, dass der Antragsteller zu 1.) eine selbständige Tätigkeit zur Erbringung von Dienstleistungen ausübt. Vorgetragen und glaubhaft gemacht sind allein regelmäßige Arbeiten nach Weisung eines einzigen "Auftraggebers", was überwiegend für eine abhängige Beschäftigung spricht denn für eine selbständige Tätigkeit. Weitergehende Angaben dazu hat der Antragsteller zu 1.) trotz gerichtlicher Auflagen nicht gemacht. Nach alledem war die begehrte einstweilige Anordnung nicht zu treffen. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt die Erfolglosigkeit des Antrages. Gründe für eine anders lautende Kostenentscheidung waren nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved