L 23 SO 118/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 49 SO 5524/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 118/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrages auf Eingliederungshilfen wegen fehlender Mitwirkung.

Der 1955 geborene Kläger erhielt bis Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe und einmalige Beihil-fen aus der Sozialhilfe. Seit 1. Januar 2005 bezieht er Leistungen zur Sicherung des Lebensun-terhaltes nach dem SGB II.

Wegen seelischer Störungen, Hörbehinderung und Wirbelsäulenfehlhaltung mit zeitweiliger Reizsymptomatik stellte das Landesamt für Gesundheit und Soziales - Versorgungsamt - bei ihm seit Februar 1998 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 und mit Bescheid vom 7. Juni 2005 ab November 2002 wegen seelischer Störungen, Rosacea, Wirbelsäulenfehlhal-tung mit zeitweiliger Reizsymptomatik, Hörminderung beidseits und Tinnitus einen GdB von 50 fest.

Am 09. September 2004 beantragte der Kläger die "Kostenübernahme bzw. Zusicherung künf-tig anfallender Kosten für folgende Maßnahme der Eingliederungshilfe (nach BSHG) und sol-chen nach SGB IX (rückwirkend zum Tag der Antragstellung beim Versorgungsamt, dem 25.11.2002): 1. ambulante oder stationäre Behandlung oder sonstige ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen zur Verhütung, Beseitigung oder Milderung der Behinderung, 2. Versorgung mit orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln, 3. Hilfe zur Fortbildung im früheren oder einem diesem verwandten Beruf oder zur Um-schulung für einen angemessenen Beruf oder eine sonstige angemessene Tätigkeit bzw. Hilfe zum Aufstieg im Berufsleben unter Berücksichtigung des Einzelfalles, und / oder 4. Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben, 5. Hilfe bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung, die meinen besonderen Be-dürfnissen entspricht, 6. nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen oder ärztlich verord-neten Maßnahmen und zur Sicherung der Eingliederung des Behinderten in das Ar-beitsleben, 7. Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft."

Er begehre die Zusicherung, dass das Sozialamt die Kosten / Zuzahlungen für orthopädisch verordnete Therapien, Heil- und Hilfsmitteln, für Gesundheitsmatratze und für behinderungs-bedingten Wohnraum übernehme. Die Nr. 1 sei der Vollzähligkeit halber aufgeführt. Zur Nr. 7 könnten auch die Kosten für Beiträge zu den Vereinen SoVD und Mieterverein sowie für die Telekommunikation gehören. Die Bezifferung der Kosten Arbeitsstelle (Nr. 3, 4) sei ihm nicht möglich. Einen Antragsbogen werde er nicht ausfüllen, da dieser bereits 2002 eingereicht wor-den sei. Außerdem berechne der Beklagte seinen Bedarf fehlerhaft.

Im Rahmen der Beantwortung einer Petition des Klägers führte der Beklagte am 16. März 2005 aus: " Erschwerend kommt hinzu, dass, nach Meinung von Herrn M, er bereits im Jahre 2002 im Sachgebiet Soz auf seine Schwerbehinderung hingewiesen und seither An-sprüche auf Eingliederungshilfeleistungen habe. Seine entsprechenden Hinweise konn-ten nach Akteneinsicht der im Sachgebiet Soz zur Verfügung stehenden Aktenvorgän-ge und der Gerichtsvorgänge in der Rechtsstelle das Vorliegen einer wesentlichen Be-hinderung nicht begründen, weshalb von hier eine das Vorliegen einer Behinderung be-gründende Unterlage angefordert wurde. Entgegen der Meinung von Herrn M stellt ein Bescheid des Versorgungsamtes noch keine begründende Unterlage für das Vorliegen einer wesentlichen Behinderung im Sinne der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen dar, die Voraussetzung für Leistungsansprüche auf Eingliederungshilfeleistungen ist. Diese Zuordnung zum Per-sonenkreis der wesentlich behinderten Menschen ist eine verwaltungsrechtliche Ent-scheidung, welche ausschließlich auf Grundlage eines ärztlichen Gutachtens (Diagnose) getroffen werden kann. Aus diesem Grunde, und zwecks Prüfung der Notwendigkeit sämtlicher von Herrn M beantragter Leistungen des § 40 Abs. 1 BSHG, wurde der sozi-alpsychiatrische Dienst der Abt. Gesundheit mit der Bitte um Stellungnahme ange-schrieben Eine Beantwortung liegt bisher noch nicht vor. In diesem Zusammenhang sei hier darauf hingewiesen, dass eine Weigerung des Herrn M zu einer Untersuchung durch den sozialpsychiatrischen Dienst zu einer fehlenden Mitwirkung und der Versagung der beantragten Leistungen führen kann. "

Der vom Beklagten beauftragte Sozialpsychiatrische Dienst teilte am 16. März 2005 mit, der Kläger nehme die ihm mehrmals angebotenen Termine nicht wahr und bestätige in schriftlicher Form seine Ablehnung.

Mit Schreiben vom 21. März 2005 nahm der Beklagte Bezug auf den Antrag des Klägers auf Eingliederungshilfe gem. § 40 BSHG vom 9. September 2004 und führte aus,

"Nach § 60 ff. Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB 1) - sind Sie verpflichtet, bei der Klärung der Anspruchsvoraussetzungen mitzuwirken. Ich bitte Sie daher, zwecks Klärung einer bestehenden Behinderung sowie zur Feststel-lung der Notwendigkeit der beantragten Hilfen um Wahrnehmung eines Termins beim Sozialpsychiatrischen Dienst [ ]. Sollten Sie dieser Bitte nicht bis zum 13.04.2005 nachkommen, werde ich nach § 66 SGB I die beantragte Leistung ganz versagen. Ich weise darauf hin, dass die Erfüllung Ihrer Mitwirkungspflicht keinen Leistungsan-spruch begründet. Die Rechtsgrundlagen sind auf der Rückseite abgedruckt. "

Nachdem der Kläger auch einen am 5. April 2005 angebotenen Termin nicht wahrnahm, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. April 2005 den Antrag des Klägers aufgrund fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Vorliegens einer wesentlichen Behinderung sowie der Prüfung der Erforderlichkeit des beantragten Bedarfes ab. Die Termine zur notwendigen Un-tersuchung beim Gesundheitsamt seien vom Kläger wiederholt nicht wahrgenommen worden.

Am gleichen Tag teilte der Klägerbevollmächtigte dem Beklagten schriftlich mit, dass der Klä-ger nach umfassender Erörterung der Angelegenheit bereit sei, sich zwecks Durchführung einer Untersuchung zu dem sozialpsychiatrischen Dienst zu begeben. Zuvor werde jedoch gebeten, den Umfang der Begutachtung und des an das Bezirksamt weitergeleiteten Gutachtens zu bestimmen.

Gegen die Versagung der Gewährung von Eingliederungshilfen widersprach der Kläger am 10. Mai 2005. Er fordere eine vollständige Kopie der Gutachtenanforderung an den zuständi-gen Amtsarzt einschließlich der Begründung. Eine ärztliche Untersuchung bedürfe einer Ein-willigung, um die bislang noch nicht ersucht worden sei. Was solle an ihm wie untersucht wer-den? Er werde nicht einwilligen, dass der Amtsarzt medizinische Befundberichte / Unterlagen an den Beklagten weitergebe. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, aufgrund des Antrages des Klägers auf Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach dem BSHG sei es notwendig gewesen, zum Bestehen der Leistungsvoraussetzungen und des Um-fangs der benötigten Hilfe den sozial-psychiatrischen Dienst gutachterlich zu hören. Die Ein-schaltung des sozial-psychiatrischen Dienstes sei für die Feststellung, ob ein Leistungsan-spruch gegeben sei, erheblich gewesen. Die erforderlichen Kenntnisse hätten auch nicht auf andere Weise mit geringerem Aufwand beschafft werden können. Auf die Unterlagen des Ver-sorgungsamts im Rahmen der Feststellung des Vorliegens einer Schwerbehinderung hätte nicht zurückgegriffen werden können, weil die Untersuchung durch den sozial-psychiatrischen Dienst eine andere Zielrichtung habe. Sie diene der Feststellung des Vorliegens einer wesentli-chen Behinderung und des Umfangs benötigter Hilfe. Sie gebe Auskunft über das Vorliegen einer evtl. Ausgliederung aus der Gesellschaft.

Hiergegen hat der Kläger am 3. November 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben und zur Begründung ausgeführt, sein Klageantrag auf Erbringung von Leistungen zur Einglie-derung Behinderter und Hilfe in besonderen Lebenslagen von 1998 an betreffe: 1. für den Zeitraum September bis November 1998 die Zahlung des vollen Regelsatzes; 2. vom 16.2.1998 bis zum 14.7.1999 und vom 27.12.1999 bis zum 28.6.2000 die Bei-tragszahlung zur Rentenversicherung; 3. für den Zeitraum vom 1.6.1999 bis zum 14.7.1999 die Zahlung des vollen Regelsat-zes; 4. für die rechtswidrig erlangte Arbeitsleistung im Rahmen der gz-Arbeit beim Amtsge-richt Neukölln die Zahlung des Arbeitslohnes in Höhe von 4268 DM in Euro; 5. die Zahlung der vom 1.4. bis zum 30.6.2000 um 25% gekürzten Hilfe zum Lebensun-terhalt; 6. für die Zeit des Arbeitsverhältnisses vom 29.6.2000 bis zum 28.6.2001 die Zahlung des vollen Regelsatzes; 7. die Integration in den Beruf, hilfsweise die Erlangung eines geeigneten Arbeitsplat-zes und die Förderung des Aufstiegs vom 16.2.1998 an; 8. für den Zeitraum vom 16.2.1998 an, hilfsweise vom 25.11.2002 an, Erstattung der Kosten der Telekommunikation, einschließlich der Nutzung des Internets, und die Zu-sage der künftigen Übernahme; 9. die Erstattung der Kosten für Brillen aus den Jahren 2003 und 2005; 10. die Zusage der Kostenübernahme eine neue Wohnung samt Ausstattung, hilfsweise für die Wohnungsausstattung der bestehenden Wohnung allein; 11. die Erstattung der Kosten für das BVG-Ticket A, B für den Zeitraum vom 25.11.2002 an und die Zusage der künftigen Übernahme. Dem Sozialamt seien die Feststellungsbescheide des Versorgungsamtes bekannt. Auch die Bundesagentur für Arbeit habe ihn 2006 aufgrund von Gutachten für erwerbsunfähig erklärt. Hierzu verweist er auf die medizinischen Ermittlungen der Bundesagentur für Arbeit und des Versorgungsamtes. Aufgrund der Erwerbsunfähigkeitserklärung sei es geboten, bei den Klage-anträgen über den Zeitpunkt der Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft hinaus auf den der Feststellung der Behinderteneigenschaft zuzugreifen. Dass erst jetzt durch die ärztli-chen Gutachten die gravierende Feststellung der Erwerbsunfähigkeit vorgenommen worden sei, gehe zu Lasten des Amtes, denn eine ärztliche Untersuchung auf Veranlassung des Sozial-amtes habe nie stattgefunden. Das Sozialamt hätte bereits ab Kenntnis der Behinderung im Jahre 1998 Leistungen zur Eingliederung Behinderter, z. B. berufsfördernde Maßnahmen, in die Wege leiten müssen. Die Bewilligung von Eingliederungshilfe hätte zudem automatisch den Mehrbedarfszuschlag zur Folge gehabt. Sein Antrag beinhalte die Überprüfung aller Be-scheide nach dem 16. Februar 1998. Auch unter Berücksichtigung eines in seinem Fall fal-schen Vorwurfes der Verweigerung der Mitwirkung nach § 60 ff. SGB I müsse der Staat im Rahmen des Möglichen den Weg zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft ebnen. Er kün-dige eine Erweiterung der Klage zum Gesichtspunkt Datenschutz an, da die Beklagte offen-sichtlich Informationen verweigere. Er werde zu einer Untersuchung nicht erscheinen, weil der Beklagte ihn als Behinderten diskriminiere. Dem Beklagten komme es bei der ärztlichen Be-gutachtung nicht auf die Feststellung medizinischer Sachverhalte an, sondern er wolle die Ge-legenheit bei der Begutachtung dazu benutzen, die festgestellte Schwerbehinderung, also die Entscheidung des Versorgungsamtes überprüfen zu lassen. Die Erklärung einer Überprüfung in der Eingliederungshilfe sei lediglich vorgeschoben.

Das Sozialgericht entnahm dem Vorbringen des Klägers den sinngemäßen Antrag, den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 15. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2005 Eingliederungs-hilfe für Behinderte nach § 40 BSHG ab 1998 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat darauf hingewiesen, dass laut seinem an das hiesige Gesundheitsamt gerichteten Schrei-ben vom 26. November 2006 der Kläger erneut nicht zu einer Untersuchung bereit sei. Die Ausführungen des Klägers ließen eine ernsthafte Auseinandersetzung nicht zu. Soweit der Klä-ger die sozialhilferechtliche Berücksichtigung von Kosten für Telefonate und zur Beschaffung von Mobiliar begehre, gehöre dies nicht zu den hier streitbefangenen Hilfen zur Eingliederung Behinderter.

Der Kläger hat u.a. eine Entscheidung des Berliner Beauftragten für Datenschutz und lnforma-tionsfreiheit vom 10. November 2006 über seine Petition hinsichtlich der Anforderung von Gutachten einschließlich Diagnosen beim Sozialpsychiatrischen Dienst übersandt, wonach die Erhebung der ärztlichen Diagnosedaten durch das Bezirksamt - Abteilung Soziales sowie die damit einhergehende Übermittlung durch das Gesundheitsamt (Sozialpsychiatrischer Dienst) datenschutzrechtlich grundsätzlich unzulässig und nur im Ausnahmefall zulässig sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. April 2008 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Um festzustellen, ob der Kläger Anspruch auf Eingliede-rungshilfe habe, müsse, • die Art seiner Behinderung, • die daraus resultierenden Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und • welche Maßnahmen geeignet seien, um den Einschränkungen entgegenzuwirken, bekannt sein. Den vom Kläger vorgelegten Bescheiden des Versorgungsamtes lasse sich weder das Ausmaß noch die Art der Behinderung des Klägers entnehmen, so dass medizinische Er-mittlungen und Untersuchungen des Klägers zur Feststellung seiner Behinderung unabweisbar erforderlich seien. Auch die Heranziehung des Gutachtens der Bundesagentur für Arbeit sei nicht ausreichend, um feststellen zu können, welche Teilhabemaßnahmen für den Kläger not-wendig und erforderlich seien, denn die Begutachtung erfolge dort nur mit der Zielsetzung, die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers zu prüfen. Für die Feststellung der Art und Schwere der Behinderung des Klägers sei mindestens eine Untersuchung des Klägers durch den sozialpsy-chiatrischen Dienst erforderlich. Der Kläger habe sich jedoch sowohl während des Verwal-tungsverfahrens als auch während des Gerichtsverfahrens trotz mehrfacher Zusagen einer sol-chen Untersuchung verweigert. Ohne die Mitwirkung des Klägers könne nicht festgestellt wer-den, ob die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung erfüllt seien. Der Beklagte habe den Antrag des Klägers somit zu Recht wegen mangelnder Mitwirkung abgewiesen.

Gegen den ihm am 17. April 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. Mai 2008 Berufung erhoben. Zur Begründung führte er aus, das Gericht habe sich mit den Feststel-lungen des Berliner Datenschutzbeauftragten, der die Art und Weise des durchgeführten Ver-fahrens des Sozialamtes für unzulässig erklärte, nicht auseinandergesetzt. Das gesamte Verfah-ren sei unfair geführt worden, denn der Beklagte behaupte, dass er als seelisch Behinderter nicht einmal das Recht dazu habe, Leistungen zu beantragen und zu erklagen. Der Beklagte erwecke den Eindruck, er, der Kläger, sei nicht ganz zurechnungsfähig. Das Untersuchungsver-langen sei unzumutbar, eine Mitwirkungspflichtverletzung existiere nicht. Der Beklagte wolle ihn mit der initiierten Begutachtung nur schikanieren. Der Gerichtsbescheid sei widersprüch-lich, da er einerseits im Tatbestand die Existenz zweier Bescheide des Versorgungsamts bestä-tigt habe, andererseits er die Abweisung der Klage damit begründet habe, dass eine Untersu-chung des Klägers durch den sozialpsychiatrischen Dienst erforderlich wäre. Der Kammer ge-he es genauso wie der Behörde darum, die Bescheide des Versorgungsamtes auf ihre Richtig-keit hin zu überprüfen. Für das Verlangen einer Untersuchung / Begutachtung sei die Angabe von Tatsachen notwendig. Es sei unzulässig, sich diese Tatsachen auf diesem Wege zu be-schaffen, worauf auch der Datenschutzbeauftragte hingewiesen hat. Aus dem Gutachten der Amtsärztin der Bundesagentur für Arbeit über die Erwerbsunfähigkeit aufgrund der Leitbehin-derung, die seit dem 15. Februar 1998 feststehe, gehe das Vorliegen einer wesentlichen Behin-derung hervor, denn eine Behinderung, die Erwerbsunfähigkeit bedinge, sei eine wesentliche Behinderung. Die Feststellung der Bundesagentur unterstütze wesentlich den Klageantrag, Leistungen ab 1998 zu verlangen. Um Leistungen nach dem BSHG, dem SGB XII und dem SGB IX zu erhalten, sei eine Behinderung notwendig. Diese habe er nachgewiesen. Daraus folge die Notwendigkeit von Teilhabeleistungen im Sinne von § 1 SGB IX. Zur selbständigen und selbstbestimmten Lebensführung gehörten folgende wichtige Lebensbereiche: Lernen und Wissensanwendung, allgemeine Aufgaben und Anforderungen, Kommunikation, Mobilität, Selbstversorgung, häusliches Leben, interpersonelle Interaktionen und Beziehungen, Gemein-schafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben, auf die sich die Klageanträge beziehen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid vom 8. April 2008 sowie den Bescheid vom 15. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichts-akte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

1. Die Klage ist als reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ge-gen den Versagungs¬bescheid vom 15. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2005 zulässig.

Der Kläger kann auch ein Rechtschutzbedürfnis vorweisen. Die begehrten Leistungen nach §§ 53 ff SGB XII sind dem Kläger als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II nicht bereits dem Grunde nach über § 21 Satz 1 SGB XII und § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II versperrt, wovon zu Recht das Sozialgericht und die Beteiligten übereinstimmend auch ausgehen. Diese Vorschrift gilt nur für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel SGB XII, so dass grund-sätzlich Arbeitslosengeld II - Beziehern auch Leistungen nach dem Sechsten Kapitel SGB XII zustehen können.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Rechtsgrundlage für die Versagung der begehrten Ein-gliederungshilfe ist § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Danach kann der Leistungsträger eine Sozialleis-tung, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung bean-tragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62 SGB I nicht nachkommt und hier-durch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Die tatbestandlichen Voraus-setzungen dieser Vorschrift liegen vor.

a) Entgegen seiner Auffassung hatte der Kläger die ihm nach § 62 SGB I obliegende Mitwir-kungspflicht verletzt. Nach dieser Vorschrift soll derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind.

Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor. Wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, sind medizinische Ermittlungen des Beklagten • über die genaue Art der Behinderung des Klägers, • über die daraus resultierenden Einschränkungen, am gesellschaftlichen Leben teilzuha-ben und • zur Feststellung geeigneter Maßnahmen, um den Einschränkungen entgegenzuwirken, erforderlich. Von dem Ergebnis dieser Ermittlungen hängt es ab, ob und wenn ja, in welchem Umfang der Kläger Anspruch auf Eingliederungshilfe nach den Vorschriften des BSHG oder auch nach den insoweit gleichlautenden Vorschriften des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - SGB XII - hat.

An diesen Untersuchungsmaßnahmen hat der Kläger nicht mitgewirkt. Er hat zwar im Wider-spruchsverfahren und im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht seine Bereitschaft zur amts-ärztlichen Untersuchung erklärt. Dieser Ankündigung hat er jedoch keine Taten folgen lassen, sondern ist auch anschließend nicht beim Sozialpsychiatrischen Dienst des Beklagten erschie-nen. Mit Schreiben vom 27. November 2006 hat er seine Teilnahme definitiv verweigert.

b) Die Grenzen der Mitwirkungspflicht nach § 65 SGB I werden nicht überschritten. § 65 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB I regelt, dass eine Mitwirkungspflicht dann nicht besteht, wenn ihre Erfül-lung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder wenn der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsbe-rechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

Ein wichtiger Grund, nicht an der ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahme teilzunehmen, ist nicht erkennbar. Soweit der Kläger befürchtet, der Beklagte wolle mit der Untersuchung heimlich seine Schwerbehinderteneigenschaft überprüfen, sind für diese Unter-stellung keinerlei begründete Anhaltspunkte erkennbar. Die Feststellung eines Grades der Be-hinderung fällt ausschließlich in die Zuständigkeit des Versorgungsamtes und nicht des Sozial- oder Gesundheitsamtes. Vielmehr wurde die Untersuchung - wie bereits ausgeführt - nachvoll-ziehbar zur Ermittlung des Anspruches und Umfanges von Eingliederungshilfen angesetzt.

Auch soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Landesdatenschutzbe-auftragten datenschutzrechtliche Bedenken geltend macht, befreit ihn dies nicht von der erfor-derlichen Untersuchung. Die Ausführungen des Landesdatenschutzbeauftragten betreffen die Frage des Umfangs der Übermittlung des Ergebnisses der Untersuchung vom Gesundheits- an das Sozialamt im Rahmen des SGB X und setzen daher die Teilnahme an einer Untersuchung voraus. Es gibt keine Hinweise, dass sich die genannten Ämter des Beklagten nicht an den Da-tenschutz im Sinne des SGB X halten und nur das Ergebnis der Fragestellung an das Sozialamt übermitteln werden.

Der Beklagte kann sich auch nicht durch einen geringeren Aufwand die erforderlichen Kennt-nisse selbst beschaffen. Wie ebenfalls das Sozialgericht überzeugend ausgeführt hat, sind we-der die Bescheide des Versorgungsamtes noch die Gutachten für die Bundesagentur - deren Zielsetzung die Überprüfung der Erwerbsfähigkeit des Klägers ist - für die Feststellung geeig-net, welche Teilhabemaßnahmen für den Kläger notwendig und erforderlich sind.

c) Schließlich erging vorliegend ein hinreichender Hinweis des Beklagten an den Kläger auf die drohende Versagung bei fehlender Mitwirkung. Nach § 66 Abs. 3 SGB I dürfen Sozialleis-tungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht inner-halb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

In dem Schreiben des Beklagten vom 21. März 2005 bat der Beklagte den Kläger um Wahr-nehmung eines Termins beim Sozialpsychiatrischen Dienst zwecks Klärung einer bestehenden Behinderung sowie zur Feststellung der Notwendigkeit der beantragten Hilfen, setzte eine Frist bis zum 13. April 2005, bis der Kläger seine Pflicht habe nachholen können und wies auf die mögliche Versagung nach § 66 SGB I hin, wenn der Bitte nicht nachgekommen werde. Damit sind dem Kläger die möglichen Folgen mangelnder Mitwirkung hinreichend deutlich vor Au-gen geführt worden.

Die anschließend durch den angefochtenen Bescheid vom 15. April 2005 getroffene Versa-gungsentscheidung nach § 66 Abs. 1 SGB I hält sich innerhalb der in § 66 Abs. 3 SGB I for-mulierten formellen Anforderungen an die Vorbereitung einer solchen Entscheidung.

Der Kläger ist der ihm zumutbaren Mitwirkungspflicht nicht innerhalb der Frist nachgekom-men, so dass der angefochtene Bescheid des Beklagten und der Gerichtsbescheid des Sozialge-richts nicht zu beanstanden sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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