Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 SO 54/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 149/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Bezieher von Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapi-tel SGB XII) die Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, einen Leistungsantrag auf Leistun-gen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) zu stellen.
Der 1950 geborene Kläger ist seit August 2003 überwiegend, seit April 2005 ununterbrochen arbeitsunfähig.
Im Anschluss an den Bezug von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz erhält der Klä-ger vom Beklagten seit dem 01. Januar 2005 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Ka-pitel des SGB XII.
Mit Schreiben vom 13. März 2007 teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Beklag-ten mit, dass der dort vom Kläger gestellte Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfä-higkeit abgelehnt worden sei, weil die Wartezeit bzw. die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Es sei nicht geprüft worden, welches Leistungsvermögen der Versicherte habe.
Der Beklagte bat darauf den Kläger mit Schreiben vom 18. April 2007, einen Formantrag auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auszufüllen und wies auf die Voraussetzungen für diese Leistung hin. Weiterhin führte der Beklagte aus, dass der Kläger zur Mitwirkung an der Aufklärung des für die Bearbeitung maßgeblichen Sachverhaltes ver-pflichtet sei und der Antrag wegen unzureichender Mitwirkung an der Aufklärung des Sach-verhaltes abgelehnt werden könne, falls die Unterlagen bis zum 2. Mai 2007 nicht eingegangen seien.
Mit Schreiben vom 10. Mai 2007 erinnerte der Beklagte den Kläger an die Übersendung des ausgefüllten Antrages auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Kläger sei verpflichtet, Ansprüche bei vorrangigen Leistungsträgern geltend zumachen.
Am 1. Juni 2007 fand hierzu eine persönliche Anhörung beim Beklagten statt. Mit Schreiben vom 22. Juni 2007 fasste der Beklagte das Ergebnis der Anhörung zusammen und stellte die Voraussetzungen, die Vorteile, das Antragserfordernis sowie die Vorrangigkeit der Grundsi-cherungsleistung dar. Erneut fügte er diesem Schreiben einen Antrag auf Grundsicherungsleis-tungen sowie das Formular zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht mit dem Hin-weis bei, die Unterlagen bis zum 23. Juli 2007 beim Sozialamt vollständig ausgefüllt einzurei-chen. Der Rentenversicherungsträger werde im Verfahren der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung sich direkt an den Kläger wenden.
Mit seiner Klage vom 12. Juli 2007 begehrt der Kläger die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Aufforderung und hat auf das laufende (Widerspruchs-)Verfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hingewiesen. Er hat im Klageverfahren umfangreiche verfahrens-rechtliche Einwände geltend gemacht.
Schriftsätzlich hat der Kläger die Feststellung beantragt
" , ob die Aufforderung des Landkreises Oberhavel vom 22.07.07, Poststempel 27.06.07, Bekanntgabe 29.06.07, mit Fristsetzung bis zum Ablauf des 23. Juli 2007 an mich, eine zwingende Obliegenheitspflicht darstellt, einen Antrag auf Grundsicherungs-leistungen nach § 19 Abs. 2 SGB XII, bis zum Ablauf des 23. Juli 2007 zu stellen, um vom 3. Kapitel in das 4. Kapitel SGB XII zu wechseln, obwohl ein Rentenantrag unter dem 16.06.2006 auf Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung Bund durch mich gestellt worden ist, um nach § 2 SGB XII, den Nachrang der SGB XII-Leistungen herzustellen. "
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er ausgeführt: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB XII) werde auf Antrag gewährt. Aufgrund der langandauernden Arbeitsunfähig-keit und der Ablehnung des Antrages des Klägers beim Rententräger sei er berechtigt gewesen, den Nachrang von Kapitel 3 gegenüber Kapitel 4 SGB XII herzustellen. Folglich sei auch die Aufforderung, einen Antrag zu stellen aus Sicht des Beklagten rechtens. Da der Kläger schon längere Zeit arbeitsunfähig gewesen sei, sei der Beklagte zunächst davon ausgegangen, dass Arbeitsunfähigkeit auch zukünftig für einen längeren Zeitraum vorliegen werde und habe daher nicht die Leistungsberechtigung nach dem SGB II prüfen lassen. Eine ärztliche Bescheinigung oder ein medizinisches Gutachten, welches ausweise, dass der Kläger auf absehbare Zeit für länger als 6 Monate arbeitsunfähig sei, gebe es bisher nicht bzw. liege dem Beklagten nicht vor. Dem Grunde nach hätte der Beklagte auch die Leistungen nach dem SGB XII einstellen und den Kläger auffordern können, Leistungen nach dem SGB II zu beantragen, da kein Nachweis über eine Erwerbsunfähigkeit bzw. über eine Krankheit, die über den Zeitraum von 6 Monaten andauere, vorliege.
Mit Urteil vom 20. Mai 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Es bestehe die Obliegenheit des Klägers, an der Sachverhaltsermittlung des Umfangs seiner Erwerbsfähigkeit mitzuwirken. Die diesbe-züglich ausgesprochene Verhaltsaufforderung sei daher rechtmäßig; die vom Kläger begehrte Feststellung durch das Gericht daher nicht zu treffen. Der Umfang der bestehenden oder nicht bestehenden Erwerbsfähigkeit sei für den Bezug der Hilfe zum Lebensunterhalt eine An-spruchsvoraussetzung, die der Beklagte im Wege der Amtsermittlung zu prüfen habe. Die Leis-tungsträger seien verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Derjenige, der Sozialleistungen beziehe, habe eine erhebliche Erschwerung der Sachverhaltsaufklärung zu unterlassen. Die erforderliche Sachverhaltsaufklärung, den Umfang der Erwerbsfähigkeit festzustellen, werde von dem Kläger durch seine Weigerung vereitelt, einen Antrag zu stellen. Dadurch sei es bis-lang nicht möglich gewesen, durch medizinische Ermittlungen, so auch nicht durch eine ärztli-che oder psychologische Untersuchungsmaßnahme, die Erwerbsfähigkeit zu überprüfen. Durch die zahlreichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen werde keine Erwerbsminderung nachge-wiesen.
Gegen das ihm am 3. Juni 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Juli 2008 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Vor Anforderung vom Sozialgericht Neuruppin solle ihm dort die bisher nicht mögliche Akteneinsicht gewährt werden.
Hinsichtlich seines Antrages auf Akteneinsicht hat ihn der Senat darauf hingewiesen, dass die Gerichtsakte an das Sozialgericht zurückgesandt werden könne, sofern sich das Aktenein-sichtsgesuch auf die Gerichtsakte beziehe. Der Inhalt der Gerichtsakte dürfte jedoch bekannt sein, da diese die Schriftsätze der Beteiligten enthalte und er von den Schriftsätzen des Beklag-ten jeweils Durchschriften erhalten habe. Es werde einer Klarstellung entgegengesehen, ob sich das Akteneinsichtsgesuch gegebenenfalls auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten beziehe. Eine Reaktion hierauf oder eine Begründung der Berufung erfolgte trotz entsprechender Auf-forderung und Erinnerung nicht.
Der Senat entnimmt dem schriftlichen Vorbringen des Klägers den sinngemäßen Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 20. Mai 2008 aufzuheben und festzustel-len, dass er nicht verpflichtet ist, einen Leistungsantrag auf Leistungen zur Grundsiche-rung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) zu stellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhand-lung wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorge-legen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
1. Der Senat hält – im Gegensatz zum Sozialgericht – die vom Kläger erhobene Feststellungs-klage bereits für nicht statthaft.
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Vorliegend begehrt der Kläger schon nicht das Be-stehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, sondern die Klärung einer Handlungs-pflicht innerhalb seines Rechtsverhältnisses zum Beklagten. Zwar umfasst unter Umständen § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auch die Feststellung einzelner Beziehungen oder Berechtigungen aus dem oder innerhalb eines Rechtsverhältnisses (BSG vom 19. Februar 2009 – Az: B 4 AS 10/08 R – Juris, m.w.Nw.). Voraussetzung ist jedoch ein hinreichendes Feststellungsinteresse, also ein nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse rechtlicher Natur und ferner, dass keine Verweisbarkeit auf einen vorrangigen Rechtschutz besteht. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor:
a) Ein berechtigtes Feststellungsinteresse wird weder geltend gemacht noch ist dies ersichtlich. Darunter ist jedes nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse zu verstehen, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann (vgl. bereits BSG SozR Nr. 8 zu § 131 SGG). Ein materielles oder wirtschaftliches Interesse ist nicht erkennbar, da Grundsiche-rungsleistungen genau so hoch sind wie Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit den genannten Schreiben, worin der Kläger zur Stellung eines Leistungsantrages auf Grundsiche-rungsleistungen aufgefordert wurde, hat der Beklagte keine Sanktionen für den Fall der Weige-rung verbunden. Auch in dem Schreiben vom 18. April 2007 drohte der Beklagte für den Fall der unzureichenden Mitwirkung lediglich die Ablehnung des Antrages – womit nur der noch nicht gestellte Antrag auf Grundsicherungsleistungen gemeint sein kann – an. Weitere Sanktio-nen, insbesondere die Einstellung der bisher bezogenen Leistungen wurden nicht angekündigt. Auch ein rechtliches Interesse ist nicht erkennbar, da der Leistungsempfänger im Falle der Grundsicherung eine gefestigtere Rechtsposition inne hat als der Bezieher von Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt, worauf der Beklagte im Schreiben vom 22. Juni 2007 zutreffend hinwies (z.B. rentenähnliche Leistung, die nicht täglich neu regelungsbedürftig ist, Heranzie-hung eines Unterhaltsverpflichteten erst bei Einkommen über 100.000 EUR pro Jahr). Im Gegen-satz zum Sachverhalt der Entscheidung des BSG vom 19. Februar 2009 – Az: B 4 AS 10/08 R, Juris – besteht vorliegend auch keine Wiederholungsgefahr. Bei der Stellung eines Antrages auf Leistungen nach §§ 47 ff SGB XII handelt es sich um eine einmalige Handlung.
b) Der Feststellungsklage steht des Weiteren der Grundsatz der Subsidiarität dieser Klageart gegenüber Gestaltungs- und Leistungsklagen bzw. ihren Sonderformen, den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen entgegen. Obwohl § 55 SGG anders als § 43 Abs. 2 der Verwaltungsge-richtsordnung und § 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ein Nachrangverhältnis zwischen den Klagearten nicht ausdrücklich festlegt, ist auch für das sozialgerichtliche Verfahren aner-kannt, dass der Kläger eine gerichtliche Feststellung nicht verlangen kann, soweit er die Mög-lichkeit hat, seine Rechte mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verfolgen. Ein Fest-stellungsinteresse ist regelmäßig zu verneinen, wenn bereits im Rahmen der genannten anderen Klagearten über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zu Grunde liegen (Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2007 – Az: L 13 AS 4282/07 – Juris unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialge-richts).
Auch wenn dem Kläger bei weiterer Weigerung, den Antrag auf Leistungen nach den §§ 41 ff SGB XII zu stellen, Sanktionen, insbesondere die Einstellung der bisher bezogenen Leistun-gen, angedroht werden, wäre es für den Kläger zumutbar, die Sanktionsentscheidung abzuwar-ten und die dann hiergegen möglichen, der Feststellungsklage vorrangigen Rechtsschutzmög-lichkeiten (Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage, ggf. einstweiliger Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 oder 2 SGG) anzuwenden.
2. Selbst wenn man – wie das Sozialgericht – die Zulässigkeit der Feststellungsklage im vor-liegenden Fall bejahen würde, hätte die Berufung keine Aussicht auf Erfolg, da die Feststel-lungsklage aus den zutreffenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung, denen der Senat folgt (§ 153 Abs. 2 SGG), unbegründet ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Bezieher von Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapi-tel SGB XII) die Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, einen Leistungsantrag auf Leistun-gen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) zu stellen.
Der 1950 geborene Kläger ist seit August 2003 überwiegend, seit April 2005 ununterbrochen arbeitsunfähig.
Im Anschluss an den Bezug von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz erhält der Klä-ger vom Beklagten seit dem 01. Januar 2005 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Ka-pitel des SGB XII.
Mit Schreiben vom 13. März 2007 teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Beklag-ten mit, dass der dort vom Kläger gestellte Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfä-higkeit abgelehnt worden sei, weil die Wartezeit bzw. die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Es sei nicht geprüft worden, welches Leistungsvermögen der Versicherte habe.
Der Beklagte bat darauf den Kläger mit Schreiben vom 18. April 2007, einen Formantrag auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auszufüllen und wies auf die Voraussetzungen für diese Leistung hin. Weiterhin führte der Beklagte aus, dass der Kläger zur Mitwirkung an der Aufklärung des für die Bearbeitung maßgeblichen Sachverhaltes ver-pflichtet sei und der Antrag wegen unzureichender Mitwirkung an der Aufklärung des Sach-verhaltes abgelehnt werden könne, falls die Unterlagen bis zum 2. Mai 2007 nicht eingegangen seien.
Mit Schreiben vom 10. Mai 2007 erinnerte der Beklagte den Kläger an die Übersendung des ausgefüllten Antrages auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Kläger sei verpflichtet, Ansprüche bei vorrangigen Leistungsträgern geltend zumachen.
Am 1. Juni 2007 fand hierzu eine persönliche Anhörung beim Beklagten statt. Mit Schreiben vom 22. Juni 2007 fasste der Beklagte das Ergebnis der Anhörung zusammen und stellte die Voraussetzungen, die Vorteile, das Antragserfordernis sowie die Vorrangigkeit der Grundsi-cherungsleistung dar. Erneut fügte er diesem Schreiben einen Antrag auf Grundsicherungsleis-tungen sowie das Formular zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht mit dem Hin-weis bei, die Unterlagen bis zum 23. Juli 2007 beim Sozialamt vollständig ausgefüllt einzurei-chen. Der Rentenversicherungsträger werde im Verfahren der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung sich direkt an den Kläger wenden.
Mit seiner Klage vom 12. Juli 2007 begehrt der Kläger die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Aufforderung und hat auf das laufende (Widerspruchs-)Verfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hingewiesen. Er hat im Klageverfahren umfangreiche verfahrens-rechtliche Einwände geltend gemacht.
Schriftsätzlich hat der Kläger die Feststellung beantragt
" , ob die Aufforderung des Landkreises Oberhavel vom 22.07.07, Poststempel 27.06.07, Bekanntgabe 29.06.07, mit Fristsetzung bis zum Ablauf des 23. Juli 2007 an mich, eine zwingende Obliegenheitspflicht darstellt, einen Antrag auf Grundsicherungs-leistungen nach § 19 Abs. 2 SGB XII, bis zum Ablauf des 23. Juli 2007 zu stellen, um vom 3. Kapitel in das 4. Kapitel SGB XII zu wechseln, obwohl ein Rentenantrag unter dem 16.06.2006 auf Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung Bund durch mich gestellt worden ist, um nach § 2 SGB XII, den Nachrang der SGB XII-Leistungen herzustellen. "
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er ausgeführt: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (4. Kapitel SGB XII) werde auf Antrag gewährt. Aufgrund der langandauernden Arbeitsunfähig-keit und der Ablehnung des Antrages des Klägers beim Rententräger sei er berechtigt gewesen, den Nachrang von Kapitel 3 gegenüber Kapitel 4 SGB XII herzustellen. Folglich sei auch die Aufforderung, einen Antrag zu stellen aus Sicht des Beklagten rechtens. Da der Kläger schon längere Zeit arbeitsunfähig gewesen sei, sei der Beklagte zunächst davon ausgegangen, dass Arbeitsunfähigkeit auch zukünftig für einen längeren Zeitraum vorliegen werde und habe daher nicht die Leistungsberechtigung nach dem SGB II prüfen lassen. Eine ärztliche Bescheinigung oder ein medizinisches Gutachten, welches ausweise, dass der Kläger auf absehbare Zeit für länger als 6 Monate arbeitsunfähig sei, gebe es bisher nicht bzw. liege dem Beklagten nicht vor. Dem Grunde nach hätte der Beklagte auch die Leistungen nach dem SGB XII einstellen und den Kläger auffordern können, Leistungen nach dem SGB II zu beantragen, da kein Nachweis über eine Erwerbsunfähigkeit bzw. über eine Krankheit, die über den Zeitraum von 6 Monaten andauere, vorliege.
Mit Urteil vom 20. Mai 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Es bestehe die Obliegenheit des Klägers, an der Sachverhaltsermittlung des Umfangs seiner Erwerbsfähigkeit mitzuwirken. Die diesbe-züglich ausgesprochene Verhaltsaufforderung sei daher rechtmäßig; die vom Kläger begehrte Feststellung durch das Gericht daher nicht zu treffen. Der Umfang der bestehenden oder nicht bestehenden Erwerbsfähigkeit sei für den Bezug der Hilfe zum Lebensunterhalt eine An-spruchsvoraussetzung, die der Beklagte im Wege der Amtsermittlung zu prüfen habe. Die Leis-tungsträger seien verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Derjenige, der Sozialleistungen beziehe, habe eine erhebliche Erschwerung der Sachverhaltsaufklärung zu unterlassen. Die erforderliche Sachverhaltsaufklärung, den Umfang der Erwerbsfähigkeit festzustellen, werde von dem Kläger durch seine Weigerung vereitelt, einen Antrag zu stellen. Dadurch sei es bis-lang nicht möglich gewesen, durch medizinische Ermittlungen, so auch nicht durch eine ärztli-che oder psychologische Untersuchungsmaßnahme, die Erwerbsfähigkeit zu überprüfen. Durch die zahlreichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen werde keine Erwerbsminderung nachge-wiesen.
Gegen das ihm am 3. Juni 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Juli 2008 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Vor Anforderung vom Sozialgericht Neuruppin solle ihm dort die bisher nicht mögliche Akteneinsicht gewährt werden.
Hinsichtlich seines Antrages auf Akteneinsicht hat ihn der Senat darauf hingewiesen, dass die Gerichtsakte an das Sozialgericht zurückgesandt werden könne, sofern sich das Aktenein-sichtsgesuch auf die Gerichtsakte beziehe. Der Inhalt der Gerichtsakte dürfte jedoch bekannt sein, da diese die Schriftsätze der Beteiligten enthalte und er von den Schriftsätzen des Beklag-ten jeweils Durchschriften erhalten habe. Es werde einer Klarstellung entgegengesehen, ob sich das Akteneinsichtsgesuch gegebenenfalls auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten beziehe. Eine Reaktion hierauf oder eine Begründung der Berufung erfolgte trotz entsprechender Auf-forderung und Erinnerung nicht.
Der Senat entnimmt dem schriftlichen Vorbringen des Klägers den sinngemäßen Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 20. Mai 2008 aufzuheben und festzustel-len, dass er nicht verpflichtet ist, einen Leistungsantrag auf Leistungen zur Grundsiche-rung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) zu stellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhand-lung wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorge-legen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
1. Der Senat hält – im Gegensatz zum Sozialgericht – die vom Kläger erhobene Feststellungs-klage bereits für nicht statthaft.
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Vorliegend begehrt der Kläger schon nicht das Be-stehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, sondern die Klärung einer Handlungs-pflicht innerhalb seines Rechtsverhältnisses zum Beklagten. Zwar umfasst unter Umständen § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auch die Feststellung einzelner Beziehungen oder Berechtigungen aus dem oder innerhalb eines Rechtsverhältnisses (BSG vom 19. Februar 2009 – Az: B 4 AS 10/08 R – Juris, m.w.Nw.). Voraussetzung ist jedoch ein hinreichendes Feststellungsinteresse, also ein nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse rechtlicher Natur und ferner, dass keine Verweisbarkeit auf einen vorrangigen Rechtschutz besteht. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor:
a) Ein berechtigtes Feststellungsinteresse wird weder geltend gemacht noch ist dies ersichtlich. Darunter ist jedes nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse zu verstehen, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann (vgl. bereits BSG SozR Nr. 8 zu § 131 SGG). Ein materielles oder wirtschaftliches Interesse ist nicht erkennbar, da Grundsiche-rungsleistungen genau so hoch sind wie Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit den genannten Schreiben, worin der Kläger zur Stellung eines Leistungsantrages auf Grundsiche-rungsleistungen aufgefordert wurde, hat der Beklagte keine Sanktionen für den Fall der Weige-rung verbunden. Auch in dem Schreiben vom 18. April 2007 drohte der Beklagte für den Fall der unzureichenden Mitwirkung lediglich die Ablehnung des Antrages – womit nur der noch nicht gestellte Antrag auf Grundsicherungsleistungen gemeint sein kann – an. Weitere Sanktio-nen, insbesondere die Einstellung der bisher bezogenen Leistungen wurden nicht angekündigt. Auch ein rechtliches Interesse ist nicht erkennbar, da der Leistungsempfänger im Falle der Grundsicherung eine gefestigtere Rechtsposition inne hat als der Bezieher von Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt, worauf der Beklagte im Schreiben vom 22. Juni 2007 zutreffend hinwies (z.B. rentenähnliche Leistung, die nicht täglich neu regelungsbedürftig ist, Heranzie-hung eines Unterhaltsverpflichteten erst bei Einkommen über 100.000 EUR pro Jahr). Im Gegen-satz zum Sachverhalt der Entscheidung des BSG vom 19. Februar 2009 – Az: B 4 AS 10/08 R, Juris – besteht vorliegend auch keine Wiederholungsgefahr. Bei der Stellung eines Antrages auf Leistungen nach §§ 47 ff SGB XII handelt es sich um eine einmalige Handlung.
b) Der Feststellungsklage steht des Weiteren der Grundsatz der Subsidiarität dieser Klageart gegenüber Gestaltungs- und Leistungsklagen bzw. ihren Sonderformen, den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen entgegen. Obwohl § 55 SGG anders als § 43 Abs. 2 der Verwaltungsge-richtsordnung und § 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ein Nachrangverhältnis zwischen den Klagearten nicht ausdrücklich festlegt, ist auch für das sozialgerichtliche Verfahren aner-kannt, dass der Kläger eine gerichtliche Feststellung nicht verlangen kann, soweit er die Mög-lichkeit hat, seine Rechte mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verfolgen. Ein Fest-stellungsinteresse ist regelmäßig zu verneinen, wenn bereits im Rahmen der genannten anderen Klagearten über die Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden ist, die der begehrten Feststellung zu Grunde liegen (Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2007 – Az: L 13 AS 4282/07 – Juris unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialge-richts).
Auch wenn dem Kläger bei weiterer Weigerung, den Antrag auf Leistungen nach den §§ 41 ff SGB XII zu stellen, Sanktionen, insbesondere die Einstellung der bisher bezogenen Leistun-gen, angedroht werden, wäre es für den Kläger zumutbar, die Sanktionsentscheidung abzuwar-ten und die dann hiergegen möglichen, der Feststellungsklage vorrangigen Rechtsschutzmög-lichkeiten (Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage, ggf. einstweiliger Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 oder 2 SGG) anzuwenden.
2. Selbst wenn man – wie das Sozialgericht – die Zulässigkeit der Feststellungsklage im vor-liegenden Fall bejahen würde, hätte die Berufung keine Aussicht auf Erfolg, da die Feststel-lungsklage aus den zutreffenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung, denen der Senat folgt (§ 153 Abs. 2 SGG), unbegründet ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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