Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 198/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 65/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.09.2007 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten für das Quartal I/2002 vor dem Hintergrund einer Änderung des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) zum 01.01.2002.
1. Gemäß § 10 HVM in der zuletzt durch die Beschlüsse der Vertreterversammlung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung am 17.04.1999, 07.08.1999, 27.11.1999, 13.05.2000 und 25.11.2000 geänderten Fassung vom 30.11.1996 (Rhein. Ärzteblatt 1/2001 S. 116 ff.), überschrieben mit "Wegegelder und Wegepauschale für Versicherte der Primärkrankenkassen inkl. der landwirtschaftlichen Krankenkassen", war für die Zeit bis 31.12.2001 folgendes geregelt:
1) Für jeden Besuch erhalten die Ärzte - soweit in Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist - eine Wegepauschale von DM 1,95 bei Tag und DM 3,90 bei Nacht.
2) Anstelle der Wegepauschale gemäß Abs.1 erhalten die Ärzte für Besuche ein Wegegeld, wenn die Entfernung von der Wohnung des Patienten zum Arztsitz mehr als 2 km beträgt. Es kann jedoch höchstens die doppelte Entfernung zum nächsten Praxissitz eines anderen Arztes mit derselben Gebietsbezeichnung zu Grunde gelegt werden. Für die Ermittlung der Kilometerzahl ist der kürzeste befahrbare Weg maßgebend. Bruchteile unter 0,5 km bleiben unberücksichtigt; Bruchteile von 0,5 km und darüber werden auf volle Kilometer aufgerundet.
...
5) Als Wegegeld wird je Doppelkilometer gezahlt:
a)
Bei Besuchen/Visiten nach den Nrn. 26, 29 oder 50 EBM sowie bei Besuchen nach den Nrn. 25 + 5 oder 150 + 5 EBM DM 2,90
b)
bei Besuchen/Visiten nach den Nr. 25N, 26N, 29N oder 50N EBM, ggf. im Zusammenhang mit einer Leistungserbringung nach Nr. 5 EBM DM 4,80
c)
bei Besuchen nach den Nrn. 25 und 150 EBM - ohne anteilige Berechnung - DM 2,30
6) Abweichend von Abs. 1), 2) und 5) erhalten zugelassene oder ermächtigte Ärzte für Anästhesie anstelle eines Wegegeldes Fahrkostenerstattung. Als Fahrkostenerstattung wird der Betrag in Höhe des jeweils bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges steuerlich berücksichtigungsfähigen Satzes (z.Z. DM 1,40 je Doppelkilometer) gezahlt. Diese Erstattung wird nur gezahlt, wenn die Entfernung zwischen der Praxisstelle des zugezogenen Anaesthesisten zum Behandlungsort des Patienten mehr als 5 km beträgt, wobei die ersten 5 km nicht erstattungsfähig sind. Es wird Fahrkostenersatz für höchstens 50 km geleistet.
Für die Berechnung des Fahrkostenersatzes bleiben Bruchteile unter 0,5 km unberücksichtigt; Bruchteile von 0,5 km und darüber werden auf volle Kilometer aufgerundet. Werden mehrere Patienten im Rahmen einer Besuchsfahrt an demselben Besuchsort behandelt, kann die Fahrkostenerstattung nur einmal abgerechnet werden. Hiervon abweichende Regelungen mit einzelnen (Krankenkassen-) Verbänden bleiben von der vorstehenden Bestimmung unberührt.
Der HVM wurde am 05.05.2001 mit Wirkung zum 01.07.2001 (Rhein. Ärzteblatt 6/2001 S. 93 ff.) in mehrfacher Hinsicht geändert; u.a. entfiel § 10 Abs. 6 HVM in der vorhergehenden Fassung. Überdies wurden infolge Währungsumstellung zum 01.01.2001 die DM-Beträge in Euro-Beträge umgerechnet.
2.
Die beiden Mitglieder der klagenden Gemeinschaftspraxis sind als Fachärzte für Anästhesiologie in E niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie üben ihre Tätigkeit in den Praxen anderer Ärzte unterschiedlicher Fachgebiete aus, von denen sie bei Bedarf herangezogen werden.
Mit Bescheid vom 26.06.2002 über sachlich-rechnerische Berichtigungen für das Quartal I/2002 teilte die Beklagte der Klägerin u.a. mit, aufgrund der Änderung des HVM - Entfallen des § 10 Abs. 6 - zum 01.07.2001 erhielten zugelassene Ärzte für Anästhesiologie anstelle der Fahrtkostenerstattung ein Wegegeld. Die von der Klägerin angesetzten "DKM von 30, 40, 45, 50, 100, 110, 120 und 150" seien abgesetzt worden, da gemäß § 10 Abs. 2 HVM in der Fassung vom 01.07.2001 höchstens die doppelte Entfernung zum nächsten Praxissitz eines anderen Arztes mit derselben Gebietsbezeichnung zu Grunde gelegt werden könne. Hierfür werde die entsprechende Wegepauschale gemäß § 10 Abs. 1 HVM zu Grunde gelegt.
Diesem Bescheid widersprach die Klägerin. Sie habe einen Anspruch auf Anerkennung und Erstattung der ihr entstandenen und von ihr nachgewiesenen Fahrtkosten. § 10 Abs. 2 HVM sei eine Kappungsregelung, die die Höhe der Fahrtkostenerstattung willkürlich begrenze, obwohl weder das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) noch eine nachgeordnete Rechtsvorschrift zu einer solchen Kappung berechtige. Hinzu komme, dass § 10 Abs. 2 Satz 2 HVM praktisch nicht umsetzbar sei. Die Anwendung dieser Vorschrift setze voraus, dass der abrechnende Arzt die Praxissitze aller Ärzte mit derselben Gebietsbezeichnung kenne. Der hiermit verbundene Aufwand sei für den abrechnenden Arzt nicht nur unzumutbar hoch und stehe außer Verhältnis zur Höhe der ermittelten Erstattungen; auch die Beklagte selbst sei nicht imstande, verlässliche Auskünfte über die Praxissitze von Anästhesisten in der Umgebung operierender Ärzte zu geben. Ein Erstattungsanspruch ergebe sich überdies aus § 13 SGB V.
Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage am 20.01.2003 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2003 den Widerspruch zurück.
Im unter dem gleichen Aktenzeichen fortgesetzten Klageverfahren hat die Klägerin diesen Bescheid sodann unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrages aus dem Verwaltungsverfahren angefochten und weiterhin Fahrtkostenerstattung für das Quartal I/2002 geltend gemacht. Da die Beklagte sie nicht in den Stand setze, den Anspruch gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 HVM zu errechnen, verbleibe die noch geringere Wegepauschale gemäß § 10 Abs. 1 HVM. Sie erhalte somit nur noch wenige Prozent des ihr früher erstatteten Betrages. Soweit mit gerichtlichen Hinweisschreiben vom 03.01.2006 und 07.06.2006, wegen derer Einzelheiten auf Blatt 42 und 52 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, zur Ermittlung der niedergelassenen Anästhesisten auf die Homepage der Beklagten verwiesen werde, reiche dies nicht aus. Die dort bereit gestellten Informationen seien vornehmlich für Patienten bestimmt. Sie befähigten nicht, den Praxissitz des/der zu den OP-Orten der Klägerin nächst niedergelassenen Anästhesisten, die auswärtige Anästhesien erbrächten, verlässlich zu ermitteln.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2003 insoweit, als anstelle einer Fahrtkostenerstattung ein Wegegeld festgesetzt wird, zu verpflichten, die Fahrtkostenerstattung zugunsten der Klägerin für das 1. Quartal 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu festzusetzen, hilfsweise, ein Wegegeld zugunsten der Klägerin für das 1. Quartal 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes festzusetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig erachtet. Die Ausgestaltung der Regelungen zur Fahrtkosten- bzw. Wegegelderstattung bei Anästhesisten obliege ihr und entspreche ihrem Gestaltungsspielraum gemessen an den Grundsätzen der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Ob die Homepage der Beklagten Entfernungsangaben ermögliche, sei nicht entscheidend. Es liege zudem in der Natur der Sache, dass sich bei aktueller Recherche ggf. Abweichungen ergeben könnten, weil Praxen zwischenzeitlich verlegt oder geschlossen worden seien.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Beklagte mit Urteil vom 12.09.2007 unter Abänderung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, zugunsten der Klägerin ein Wegegeld für das Quartal I/2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes festzusetzen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Änderung des HVM begegne keinen rechtlichen Bedenken. § 10 Abs. 6 HVM sei eine Ausnahmeregelung gewesen, deren eng auszulegender Tatbestand nur dann eingegriffen habe, wenn ein Arzt für Anästhesie Anästhesien/Narkosen bei operativen Eingriffen gemäß Kapitel D II des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) erbracht habe. Eine Rechtsgrundlage dafür, diese Ausnahmeregelung fortzuführen, bestehe nicht. Mit der Änderung des HVM, der die normativen Vorgaben des EBM authentisch abbilde, sei kein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit oder gar gegen das Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit verbunden. Die Klägerin habe jedoch einen Anspruch auf Zahlung von Wegegeld. Die Reduzierung auf die Wegepauschale sei rechtswidrig. Zwar müsse grundsätzlich der Arzt darlegen und beweisen, dass er eine vertragsärztliche Leistung erbracht habe. Indes sei eine solche Beweisführung nach der Konzeption des § 10 Abs. 2 HVM für den Arzt unzumutbar und unverhältnismäßig, was in diesen Fällen zu einer Beweislastumkehr führe, so dass die Beklagte - soweit nach den eingereichten Abrechnungsunterlagen möglich - die Namen und Praxissitze derjenigen Anästhesisten zu ermitteln habe, die den jeweiligen OP-Praxen am nächsten gelegen seien. Alsdann werde sie die jeweilige Entfernung zu ermitteln und höchstens zu verdoppeln haben, wobei sie nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung ihre Erstattungspraxis in vergleichbaren Fällen zu Grunde zu legen habe. Schließlich habe sie der Klägerin die Differenz zu der bereits gezahlten Wegepauschale nach zu vergüten.
Wegen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das SG die Berufung zugelassen.
Gegen das ihr am 22.10.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.11.2007 Berufung eingelegt, mit der sie unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag weiterhin Fahrtkostenerstattung begehrt und die Beklagte für nicht ermächtigt hält, durch HVM-Regelungen einen gesetzlichen Kostenerstattungsanspruch zu beschneiden. Die Beklagte habe ihren Regelungsspielraum und ihre Bewertungskompetenz überschritten bzw. missbräuchlich ausgeübt, da sie die ärztliche Minderheitsgruppe der Anästhesisten bei der Honorierung bewusst benachteiligt habe. Sie - die Klägerin - leite ihren Anspruch unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG) ab. Soweit das SG den Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit als gewahrt ansehe, weil die Beklagte eine Pauschalerstattung festgelegt habe und dies im Entscheidungsspielraum der Beklagten liege, so widerspreche dies dem angefochtenen Urteil selbst. Denn das SG habe die Festlegung der Pauschale durch die Beklagte als fehlerhaft und rechtswidrig eingestuft. Noch gravierender sei, dass das SG einerseits klargestellt habe, der Erstattungsbetrag dürfe gemessen am Aufwand typischer Fälle nicht missbräuchlich niedrig sein, andererseits aber das Missverhältnis zwischen Fahrtaufwand der Klägerin und Höhe der von der Beklagten bewilligter Erstattung übergehe. Die Abrechnungen belegten, dass der Fahrtaufwand ihrer beiden Gesellschafter zum Wegegeld in zahlreichen Fällen vollkommen außer Verhältnis stehe. So habe sie - die Klägerin - dargelegt, dass ihre Gesellschafter zu einzelnen OP-Orten bis zu 100 km (einfache Strecke) zurücklegten, ohne eine Erstattung zu erhalten. Das SG habe zudem ihren Vortrag rechtsfehlerhaft gewürdigt, indem es einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit und einen Eingriff in den Schutzbereich des Art.12 GG pauschal verneint habe. Das SG habe nicht die besondere Bedeutung der Fahrleistung für die Ausübung des Berufs der Anästhesisten als permanent reisende Ärzte berücksichtigt. Die Wegegelder seien "missbräuchlich niedrig" und führten zu "eine(r) ruinösen Kürzung ihrer Erlöse". Wie die Beklagte habe auch das SG fehlerhaft die Besonderheiten des anästhesiologischen Arbeitsablaufs ignoriert. Dabei habe das SG auch übergangen, dass die von der Beklagten eingeführte Formel eine die Berufsausübung regelnde Tendenz habe. In der mündlichen Verhandlung sei en passant zum Ausdruck gekommen, dass die Beklagte die Reisetätigkeit der Anästhesisten einschränken und so Kosten reduzieren wolle. Dieses Anliegen sei gesundheitspolitisch sogar zu begrüßen, denn es sei wünschenswert, den Mitteleinsatz stärker auf den Kernbereich ärztlicher Versorgung zu lenken. Die Beklagte wolle den Markt umschichten und Anästhesisten dazu bringen, im engeren Umkreis ihres Praxissitzes zu arbeiten. Die Einführung solcher die Berufsausübung regelnder Bestimmungen liege indessen nicht in der Kompetenz der Beklagten. Die Regulierung von Angebot und Kosten anästhesiologischer Versorgung dürfe nach der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht über einen, wie den hier von der Beklagten eingeschlagenen, indirekten Weg erfolgen. Solche Regelungen seien dem Gesetzgeber vorbehalten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.09.2007 zu verurteilen, ihr unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2003 Fahrtkosten für das 1. Quartal 2002 zu erstatten und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.09.2007 abzuändern und die Klage unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abzuweisen.
Die Beklagte hat am 21.11.2007 gegen das ihr am 24.10.2007 zugestellte Urteil des SG ebenfalls Berufung eingelegt. Das SG habe mit dem vorbezeichneten Urteil zunächst zutreffend festgestellt, dass eine Rechtsgrundlage dafür, die Ausnahmeregelung für Anästhesisten bezüglich der Fahrtkostenerstattung gemäß § 10 Abs. 6 HVM in der bis zum 30.06.2001 gültigen Fassung fortzuführen, nicht bestehe und die Regelungen des § 10 Abs. 1 und 2 HVM rechtmäßig seien. Soweit das SG zu der Auffassung gelange, dass den Arzt zwar die Beweislast für die angegebenen Doppelkilometer treffe, die Beweisführung jedoch unzumutbar und unverhältnismäßig sei, könne dies nicht nachvollzogen werden. Gerade Anästhesisten arbeiteten in der Regel lediglich mit einigen Operateuren zusammen; in dem hier streitigen Quartal handele es sich insoweit um fünf Operateure, die eine entsprechende Überweisung zur Anästhesie ausgestellt hätten. Eine Überprüfung der ihr vorliegenden Unterlagen habe ergeben, dass die Klägerin in den Quartalen I/2002 bis einschließlich III/2006 maximal mit acht Operateuren und in diesem Zeitraum insgesamt mit ca. 18 Überweisern zusammengearbeitet habe. Es sei nicht erkennbar, aus welchem Grund die Ermittlung der Entfernung zwischen dem Operationsort und der nächstgelegenen Praxis eines Anästhesisten zu unverhältnismäßig aufwändigen Recherchen durch den Arzt führe. Würde der Auffassung des SG gefolgt, müsste die Beklagte - unzumutbar und entgegen der Beweislast - nicht nur für alle Anästhesisten, sondern für alle Ärzte, die Besuche durchführen, diese Entfernungen ermitteln; dies könnte allerdings nicht - wie vom SG für erforderlich gehalten - am Tag der Leistungserbringung erfolgen, da der Beklagten die erforderlichen Einzelheiten naturgemäß erst mit Abgabe der Abrechnung zur Kenntnis gebracht würden. Sofern die Klägerin für sich die Erstattung eines Wegegeldes begehre, habe sie die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen im Rahmen der ihr obliegenden Beweisführungspflicht darzulegen. Dies korrespondiere mit ihrer Pflicht zu einer ordnungsgemäßen und vollständigen Abrechnung. Der insoweit von ihr zu leistende Aufwand beschwere die Ärzte entgegen den Ausführungen des SG in keinster Weise unzumutbar und unverhältnismäßig. Nach dem angefochtenen Urteil könne man den Eindruck gewinnen, als bestünde zwischen den Operateuren und Anästhesisten nicht ein von gegenseitigem Vertrauen geprägtes enges Leistungserbringerverhältnis. Grundsätzlich werde dies dadurch gekennzeichnet, dass die Hinzuziehung "standardmäßig" zwischen denselben Leistungserbringern erfolge. Anästhesist bzw. Operateur arbeiteten nicht wöchentlich wechselnd mit diversen Operateuren bzw. Anästhesisten zusammen, was im Übrigen die Abrechnungsunterlagen der Klägerin belegten. Die Lage und Umgebung der OP-Standorte, als auch die Entfernungen seien bekannt bzw. leicht recherchierbar, insbesondere da das Internet mit seinen Möglichkeiten eine mittlerweile völlig gebräuchliche Art der Information biete. Es sei auch nicht damit zu rechnen, dass häufig Anpassungen in den Entfernungsberechnungen vorzunehmen seien, da Anästhesisten gerade wegen der typischen Art der Leistungserbringung Praxissitzverlegungen eher selten beantragten. Daran änderten auch Einzelfälle nichts, auf die im angefochtenen Urteil verwiesen werde. In jedem Fall sei der Aufwand für die Beklagte bei über 16.000 Leistungserbringern ungleich höher und würde zwangsläufig Auswirkungen auf den Verwaltungskostensatz nach sich ziehen.
Ergänzend hat die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 15.12.2010 vorgetragen: Im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung sei aufgefallen (Anfang 2009), dass die Klägerin in den Jahren 2006/2007 Fahrtkosten mehrfach ohne Kennzeichnung abgerechnet habe. Soweit es den streitbefangenen Zeitraum anlange, habe es zwar noch keine Kennzeichnungspflicht gegeben, eine Überprüfung habe aber ergeben, dass in der Praxis B. am 16.01., 13.02. und 19.02., sowie in der Praxis D. am 22.02. (von Mitgliedern der Klägerin) mehrere Patienten behandelt worden seien, für die jeweils in voller Höhe Kilometer angesetzt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass sie keinen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung hat. Soweit das SG weitergehend die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt hat, ist das Urteil auf die zulässige Berufung der Beklagten abzuändern. Der Bescheid der Beklagten vom 26.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2003 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die Beklagte war zur sachlich-rechnerischen Berichtigung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Ärzte-Ersatzkassenvertrag (EKV-Ä) befugt. Nach diesen im Wesentlichen übereinstimmenden Vorschriften berichtigt die Beklagte die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Zu der Honorarforderung gehören auch die Nebenkosten, die der Sicherstellung der der vertragsärztlichen Versorgung dienen und mit den vertragsärztlichen (Haupt-)Leistungen abgerechnet werden. Die Pflicht der Vertragsärzte zur ordnungsgemäßen Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen erfasst auch die geltend gemachten Nebenkosten.
Die Beklagte hat im Rahmen dieses formell rechtmäßig durchgeführten Verfahrens zu Recht die von der Klägerin abgerechneten Fahrtkosten nachträglich, d.h. im Anschluss an die EDV-technische Honorarabrechnung für das Quartal I/2002 mit dem angefochtenen Bescheid berichtigend aus der Abrechnung gestrichen. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung noch auf Wegegeld. Sie kann einen darauf gerichteten Anspruch weder aus (1) gesetzlichen noch aus (2) vertraglichen Regelungen noch aus (3) Verfassungrecht herleiten.
(1) Soweit die Klägerin ihren Anspruch im Verwaltungsverfahren auf § 13 SGB V gestützt hat, ist dies bereits deshalb ausgeschlossen, da diese Norm, wie schon aus dem Wortlaut und der Überschrift des 3. Kapitels "Leistungen der Krankenversicherung" hervorgeht, ausschließlich das versicherungsrechtliche Leistungsverhältnis zwischen Versichertem und seiner Krankenkasse betrifft und insofern das krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsprinzip konkretisiert. So regelt auch § 60 SGB V ("Fahrtkosten") ausschließlich einen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten des Versicherten gegen die Krankenkasse. Auch das 4. Kapitel, das u.a. die Beziehungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Leistungserbringern, wie hier zwischen den Beteiligten, regelt, enthält keine Anspruchsgrundlage, die die Klägerin berechtigt, eine Fahrtkostenerstattung bzw. die Gewährung von Wegegeld/Wegepauschalen geltend zu machen.
(2) Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf die nach Maßgabe des § 87 SGB V beschlossenen vertraglichen Regelungen des EBM, der Bestandteil des Bundesmantelvertrages (BMV-Ä) ist und hier in der Fassung vom 01.01.2001 zur Anwendung kommen, stützen. Einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung sehen der EBM ebenso wie BMV-Ä bzw. EKV-Ä nicht vor. Gemäß den Allgemeinen Bestimmungen des Leistungsverzeichnisses des EBM Kapitel B (Grundleistungen pp.) Nr. 7 erhält der Arzt für jeden "Besuch" Wegegeld oder eine Wegepauschale (Satz 1). Näheres ist vertraglich zu regeln (Satz 2). Dies ist vorliegend in § 10 HVM erfolgt, der unabhängig von inhaltlichen Änderungen ebenfalls an das Tatbestandsmerkmal "Besuch" anknüpft.
Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers selbst ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des Bewertungsmaßstabs als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Nur soweit der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, ist Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt ebenfalls nur bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen in Betracht und kann nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 10.12.2008 - B 6 KA 45/07 R -, vom 07.02.2007 - B 6 KA 32/05 R - und vom 16.05.2001 - B 6 KA 20/00 R - jeweils m.w.N.)
Unter einem "Besuch" ist im Allgemeinen das Aufsuchen einer Person (hier des Versicherten) an dessen Wohnsitz zu verstehen, der - wie aus der Einbindung der Nr. 7 in den EBM folgt - zur vertragsärztlichen Behandlung erfolgt. Sucht der Arzt hingegen einen Patienten in einem Krankenhaus auf, in dem er ambulante Operationen durchführt, handelt es sich um einen Weg zu einer Arbeitsstätte, nicht aber um einen abrechenbaren Besuch (vgl. Wezel/Liebold, Handkommentar BMÄ, E-GO und GOÄ, Stand 01.01.2003, Nr. 25 EBM, Anm. a zu Nr. 25). Gleiches gilt regelmäßig, wenn ein Vertragsarzt einen Patienten in der Praxis eines anderen Arztes aufsucht, um dort seine vertragsärztliche Leistungen (hier im Zusammenhang mit einer ambulanten Operation) zu erbringen. Auch dann handelt es sich nicht um einen "Besuch" eines Kranken (vgl. Landessozialgericht (LSG) Sachsen, Urteil vom 19.05.2010 - L 1 KA 14/09 - zum EBM 2000plus sowie Schleppers/Weißauer, Anästhesiekommentar zur GOÄ, 3. Auflage, 2009, Vorbemerkung zu §§ 7 bis 9 Anm. 4 zur GOÄ). So bezeichnet auch der Bewertungsausschuss in Kapitel B.III. Nr. 50 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM das "Aufsuchen eines Kranken" in der Praxis eines anderen Arztes ( ...) zur Durchführung von Anästhesien/Narkosen nach Kapitel D ( ...), für das zur gezielten Förderung des ambulanten Operierens eine Anrechnung von 150 Punkten vorgesehen ist, nicht als "Besuch". Deswegen hat der Bewertungsausschuss auch in seiner Anmerkung zu Nr. 50 vorgesehen: "Wenn das Aufsuchen des Kranken in den benannten Fällen in der Zeit zwischen 20 und 8 Uhr erfolgt" kann zusätzlich eine Gebühr nach Nr. 5 (Gebühr für eine Inanspruchnahme des Arztes durch einen Patienten zwischen 20 und 8 Uhr pp.) und die entsprechende Wegepauschale bzw. das Wegegeld berechnet werden. Dieser Anmerkung zu Nr. 50 hätte es nicht bedurft, wenn der Bewertungsauschuss davon ausgegangen wäre, dass (u.a.) der Anästhesist, der seine vertragsärztlichen Leistungen in der Praxis eines niedergelassenen Operateurs erbringt, den dortigen Kranken "besucht", so dass ohnehin (unabhängig von der Uhrzeit) Anspruch auf Wegegeld bzw. -pauschale bestanden hätte.
Als Anspruchsgrundlage kommt auch nicht der im Zuständigkeitsbereich der Beklagten geltende § 10 HVM in der ab 01.07.2001 geltenden Fassung in Betracht, da dieser ebenso wie der EBM an das Tatbestandsmerkmal "Besuch" anknüpft, der im oben dargestellten Sinn auszulegen ist. Die Auffassung des Senats, dass das Aufsuchen der Arbeitsstätte - sei es in der eigenen Praxis, in der Praxis eines anderen Arztes oder eines Krankenhauses - kein Besuch eines Kranken ist, wird bestätigt durch den weiteren Wortlaut. So heißt es in Abs. 2 Satz 1: Anstelle der Wegepauschale gemäß Abs. 1 erhalten die Ärzte für Besuche ein Wegegeld, wenn die Entfernung "von der Wohnung des Patienten zum Arztsitz mehr als 2 km beträgt".
Unabhängig davon, dass § 10 Abs. 6 HVM in dem streitbefangenem Quartal I/2002 nicht mehr galt, bedarf es schon deshalb keiner Auseinandersetzung mit der Auffassung der Klägerin, dass die Beklagte zur Änderung nicht berechtigt gewesen sei, weil sie auch unter Geltung dieses Absatzes keinen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung gehabt hätte. Denn die Regelung sah vor, dass abweichend von Abs. 1, 2 und 5 zugelassene oder ermächtigte Ärzte für Anästhesie unter bestimmten, näher ausgeführten Voraussetzungen "anstelle eines Wegegeldes Fahrtkostenerstattung" erhielten. Die Norm knüpfte mithin an den Tatbestand der Absätze 1, 2 und 5 an, die ebenfalls als zentrales Tatbestandsmerkmal einen "Besuch" voraussetzen, an und setzte lediglich als Sonderregelung für Anästhesisten eine andere Rechtsfolge - anstelle eines Wegegeldes eine Fahrtkostenerstattung - fest.
(3) Soweit die Klägerin ihren Anspruch aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 und 2 GG ableitet, vermag auch dies ihrem Begehren nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten. Auch auf Freiheitsrechte wie Art. 2 Abs. 1 GG (Handlungsfreiheit) lässt sich ein derartiger Anspruch nicht stützen. Grundsätzlich lassen sich aus den Freiheitsrechten keine Ansprüche auf staatliche Zuwendungen herleiten, es sei denn, dass im (seltenen) Ausnahmefall sich der Leistungsanspruch zur Realisierung des Freiheitsrechts als unabdingbar darstellt (vgl. Sachs, GG, 2009, vor Art. 1 Rdn. 47 m.w.N.). Dies ist weder vorgetragen noch erschließt sich dies auch nur ansatzweise. Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit und zurück entstehen dem ganz überwiegenden Teil der arbeitenden Bevölkerung, ohne dass dieser mangels Erstattung (von der steuerrechtlichen Behandlung abgesehen) an der Ausübung des Berufes gehindert wäre. Das wird selbst von der Klägerin nicht vorgetragen. Damit geht zugleich der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 GG ins Leere, da die der Klägerin angehörigen Ärzte insoweit nicht anders behandelt werden als andere Berufstätige.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten für das Quartal I/2002 vor dem Hintergrund einer Änderung des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) zum 01.01.2002.
1. Gemäß § 10 HVM in der zuletzt durch die Beschlüsse der Vertreterversammlung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung am 17.04.1999, 07.08.1999, 27.11.1999, 13.05.2000 und 25.11.2000 geänderten Fassung vom 30.11.1996 (Rhein. Ärzteblatt 1/2001 S. 116 ff.), überschrieben mit "Wegegelder und Wegepauschale für Versicherte der Primärkrankenkassen inkl. der landwirtschaftlichen Krankenkassen", war für die Zeit bis 31.12.2001 folgendes geregelt:
1) Für jeden Besuch erhalten die Ärzte - soweit in Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist - eine Wegepauschale von DM 1,95 bei Tag und DM 3,90 bei Nacht.
2) Anstelle der Wegepauschale gemäß Abs.1 erhalten die Ärzte für Besuche ein Wegegeld, wenn die Entfernung von der Wohnung des Patienten zum Arztsitz mehr als 2 km beträgt. Es kann jedoch höchstens die doppelte Entfernung zum nächsten Praxissitz eines anderen Arztes mit derselben Gebietsbezeichnung zu Grunde gelegt werden. Für die Ermittlung der Kilometerzahl ist der kürzeste befahrbare Weg maßgebend. Bruchteile unter 0,5 km bleiben unberücksichtigt; Bruchteile von 0,5 km und darüber werden auf volle Kilometer aufgerundet.
...
5) Als Wegegeld wird je Doppelkilometer gezahlt:
a)
Bei Besuchen/Visiten nach den Nrn. 26, 29 oder 50 EBM sowie bei Besuchen nach den Nrn. 25 + 5 oder 150 + 5 EBM DM 2,90
b)
bei Besuchen/Visiten nach den Nr. 25N, 26N, 29N oder 50N EBM, ggf. im Zusammenhang mit einer Leistungserbringung nach Nr. 5 EBM DM 4,80
c)
bei Besuchen nach den Nrn. 25 und 150 EBM - ohne anteilige Berechnung - DM 2,30
6) Abweichend von Abs. 1), 2) und 5) erhalten zugelassene oder ermächtigte Ärzte für Anästhesie anstelle eines Wegegeldes Fahrkostenerstattung. Als Fahrkostenerstattung wird der Betrag in Höhe des jeweils bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges steuerlich berücksichtigungsfähigen Satzes (z.Z. DM 1,40 je Doppelkilometer) gezahlt. Diese Erstattung wird nur gezahlt, wenn die Entfernung zwischen der Praxisstelle des zugezogenen Anaesthesisten zum Behandlungsort des Patienten mehr als 5 km beträgt, wobei die ersten 5 km nicht erstattungsfähig sind. Es wird Fahrkostenersatz für höchstens 50 km geleistet.
Für die Berechnung des Fahrkostenersatzes bleiben Bruchteile unter 0,5 km unberücksichtigt; Bruchteile von 0,5 km und darüber werden auf volle Kilometer aufgerundet. Werden mehrere Patienten im Rahmen einer Besuchsfahrt an demselben Besuchsort behandelt, kann die Fahrkostenerstattung nur einmal abgerechnet werden. Hiervon abweichende Regelungen mit einzelnen (Krankenkassen-) Verbänden bleiben von der vorstehenden Bestimmung unberührt.
Der HVM wurde am 05.05.2001 mit Wirkung zum 01.07.2001 (Rhein. Ärzteblatt 6/2001 S. 93 ff.) in mehrfacher Hinsicht geändert; u.a. entfiel § 10 Abs. 6 HVM in der vorhergehenden Fassung. Überdies wurden infolge Währungsumstellung zum 01.01.2001 die DM-Beträge in Euro-Beträge umgerechnet.
2.
Die beiden Mitglieder der klagenden Gemeinschaftspraxis sind als Fachärzte für Anästhesiologie in E niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie üben ihre Tätigkeit in den Praxen anderer Ärzte unterschiedlicher Fachgebiete aus, von denen sie bei Bedarf herangezogen werden.
Mit Bescheid vom 26.06.2002 über sachlich-rechnerische Berichtigungen für das Quartal I/2002 teilte die Beklagte der Klägerin u.a. mit, aufgrund der Änderung des HVM - Entfallen des § 10 Abs. 6 - zum 01.07.2001 erhielten zugelassene Ärzte für Anästhesiologie anstelle der Fahrtkostenerstattung ein Wegegeld. Die von der Klägerin angesetzten "DKM von 30, 40, 45, 50, 100, 110, 120 und 150" seien abgesetzt worden, da gemäß § 10 Abs. 2 HVM in der Fassung vom 01.07.2001 höchstens die doppelte Entfernung zum nächsten Praxissitz eines anderen Arztes mit derselben Gebietsbezeichnung zu Grunde gelegt werden könne. Hierfür werde die entsprechende Wegepauschale gemäß § 10 Abs. 1 HVM zu Grunde gelegt.
Diesem Bescheid widersprach die Klägerin. Sie habe einen Anspruch auf Anerkennung und Erstattung der ihr entstandenen und von ihr nachgewiesenen Fahrtkosten. § 10 Abs. 2 HVM sei eine Kappungsregelung, die die Höhe der Fahrtkostenerstattung willkürlich begrenze, obwohl weder das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) noch eine nachgeordnete Rechtsvorschrift zu einer solchen Kappung berechtige. Hinzu komme, dass § 10 Abs. 2 Satz 2 HVM praktisch nicht umsetzbar sei. Die Anwendung dieser Vorschrift setze voraus, dass der abrechnende Arzt die Praxissitze aller Ärzte mit derselben Gebietsbezeichnung kenne. Der hiermit verbundene Aufwand sei für den abrechnenden Arzt nicht nur unzumutbar hoch und stehe außer Verhältnis zur Höhe der ermittelten Erstattungen; auch die Beklagte selbst sei nicht imstande, verlässliche Auskünfte über die Praxissitze von Anästhesisten in der Umgebung operierender Ärzte zu geben. Ein Erstattungsanspruch ergebe sich überdies aus § 13 SGB V.
Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage am 20.01.2003 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2003 den Widerspruch zurück.
Im unter dem gleichen Aktenzeichen fortgesetzten Klageverfahren hat die Klägerin diesen Bescheid sodann unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrages aus dem Verwaltungsverfahren angefochten und weiterhin Fahrtkostenerstattung für das Quartal I/2002 geltend gemacht. Da die Beklagte sie nicht in den Stand setze, den Anspruch gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 HVM zu errechnen, verbleibe die noch geringere Wegepauschale gemäß § 10 Abs. 1 HVM. Sie erhalte somit nur noch wenige Prozent des ihr früher erstatteten Betrages. Soweit mit gerichtlichen Hinweisschreiben vom 03.01.2006 und 07.06.2006, wegen derer Einzelheiten auf Blatt 42 und 52 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, zur Ermittlung der niedergelassenen Anästhesisten auf die Homepage der Beklagten verwiesen werde, reiche dies nicht aus. Die dort bereit gestellten Informationen seien vornehmlich für Patienten bestimmt. Sie befähigten nicht, den Praxissitz des/der zu den OP-Orten der Klägerin nächst niedergelassenen Anästhesisten, die auswärtige Anästhesien erbrächten, verlässlich zu ermitteln.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2003 insoweit, als anstelle einer Fahrtkostenerstattung ein Wegegeld festgesetzt wird, zu verpflichten, die Fahrtkostenerstattung zugunsten der Klägerin für das 1. Quartal 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu festzusetzen, hilfsweise, ein Wegegeld zugunsten der Klägerin für das 1. Quartal 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes festzusetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig erachtet. Die Ausgestaltung der Regelungen zur Fahrtkosten- bzw. Wegegelderstattung bei Anästhesisten obliege ihr und entspreche ihrem Gestaltungsspielraum gemessen an den Grundsätzen der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Ob die Homepage der Beklagten Entfernungsangaben ermögliche, sei nicht entscheidend. Es liege zudem in der Natur der Sache, dass sich bei aktueller Recherche ggf. Abweichungen ergeben könnten, weil Praxen zwischenzeitlich verlegt oder geschlossen worden seien.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Beklagte mit Urteil vom 12.09.2007 unter Abänderung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, zugunsten der Klägerin ein Wegegeld für das Quartal I/2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes festzusetzen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Änderung des HVM begegne keinen rechtlichen Bedenken. § 10 Abs. 6 HVM sei eine Ausnahmeregelung gewesen, deren eng auszulegender Tatbestand nur dann eingegriffen habe, wenn ein Arzt für Anästhesie Anästhesien/Narkosen bei operativen Eingriffen gemäß Kapitel D II des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) erbracht habe. Eine Rechtsgrundlage dafür, diese Ausnahmeregelung fortzuführen, bestehe nicht. Mit der Änderung des HVM, der die normativen Vorgaben des EBM authentisch abbilde, sei kein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit oder gar gegen das Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit verbunden. Die Klägerin habe jedoch einen Anspruch auf Zahlung von Wegegeld. Die Reduzierung auf die Wegepauschale sei rechtswidrig. Zwar müsse grundsätzlich der Arzt darlegen und beweisen, dass er eine vertragsärztliche Leistung erbracht habe. Indes sei eine solche Beweisführung nach der Konzeption des § 10 Abs. 2 HVM für den Arzt unzumutbar und unverhältnismäßig, was in diesen Fällen zu einer Beweislastumkehr führe, so dass die Beklagte - soweit nach den eingereichten Abrechnungsunterlagen möglich - die Namen und Praxissitze derjenigen Anästhesisten zu ermitteln habe, die den jeweiligen OP-Praxen am nächsten gelegen seien. Alsdann werde sie die jeweilige Entfernung zu ermitteln und höchstens zu verdoppeln haben, wobei sie nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung ihre Erstattungspraxis in vergleichbaren Fällen zu Grunde zu legen habe. Schließlich habe sie der Klägerin die Differenz zu der bereits gezahlten Wegepauschale nach zu vergüten.
Wegen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das SG die Berufung zugelassen.
Gegen das ihr am 22.10.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.11.2007 Berufung eingelegt, mit der sie unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag weiterhin Fahrtkostenerstattung begehrt und die Beklagte für nicht ermächtigt hält, durch HVM-Regelungen einen gesetzlichen Kostenerstattungsanspruch zu beschneiden. Die Beklagte habe ihren Regelungsspielraum und ihre Bewertungskompetenz überschritten bzw. missbräuchlich ausgeübt, da sie die ärztliche Minderheitsgruppe der Anästhesisten bei der Honorierung bewusst benachteiligt habe. Sie - die Klägerin - leite ihren Anspruch unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG) ab. Soweit das SG den Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit als gewahrt ansehe, weil die Beklagte eine Pauschalerstattung festgelegt habe und dies im Entscheidungsspielraum der Beklagten liege, so widerspreche dies dem angefochtenen Urteil selbst. Denn das SG habe die Festlegung der Pauschale durch die Beklagte als fehlerhaft und rechtswidrig eingestuft. Noch gravierender sei, dass das SG einerseits klargestellt habe, der Erstattungsbetrag dürfe gemessen am Aufwand typischer Fälle nicht missbräuchlich niedrig sein, andererseits aber das Missverhältnis zwischen Fahrtaufwand der Klägerin und Höhe der von der Beklagten bewilligter Erstattung übergehe. Die Abrechnungen belegten, dass der Fahrtaufwand ihrer beiden Gesellschafter zum Wegegeld in zahlreichen Fällen vollkommen außer Verhältnis stehe. So habe sie - die Klägerin - dargelegt, dass ihre Gesellschafter zu einzelnen OP-Orten bis zu 100 km (einfache Strecke) zurücklegten, ohne eine Erstattung zu erhalten. Das SG habe zudem ihren Vortrag rechtsfehlerhaft gewürdigt, indem es einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit und einen Eingriff in den Schutzbereich des Art.12 GG pauschal verneint habe. Das SG habe nicht die besondere Bedeutung der Fahrleistung für die Ausübung des Berufs der Anästhesisten als permanent reisende Ärzte berücksichtigt. Die Wegegelder seien "missbräuchlich niedrig" und führten zu "eine(r) ruinösen Kürzung ihrer Erlöse". Wie die Beklagte habe auch das SG fehlerhaft die Besonderheiten des anästhesiologischen Arbeitsablaufs ignoriert. Dabei habe das SG auch übergangen, dass die von der Beklagten eingeführte Formel eine die Berufsausübung regelnde Tendenz habe. In der mündlichen Verhandlung sei en passant zum Ausdruck gekommen, dass die Beklagte die Reisetätigkeit der Anästhesisten einschränken und so Kosten reduzieren wolle. Dieses Anliegen sei gesundheitspolitisch sogar zu begrüßen, denn es sei wünschenswert, den Mitteleinsatz stärker auf den Kernbereich ärztlicher Versorgung zu lenken. Die Beklagte wolle den Markt umschichten und Anästhesisten dazu bringen, im engeren Umkreis ihres Praxissitzes zu arbeiten. Die Einführung solcher die Berufsausübung regelnder Bestimmungen liege indessen nicht in der Kompetenz der Beklagten. Die Regulierung von Angebot und Kosten anästhesiologischer Versorgung dürfe nach der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht über einen, wie den hier von der Beklagten eingeschlagenen, indirekten Weg erfolgen. Solche Regelungen seien dem Gesetzgeber vorbehalten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.09.2007 zu verurteilen, ihr unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2003 Fahrtkosten für das 1. Quartal 2002 zu erstatten und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.09.2007 abzuändern und die Klage unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abzuweisen.
Die Beklagte hat am 21.11.2007 gegen das ihr am 24.10.2007 zugestellte Urteil des SG ebenfalls Berufung eingelegt. Das SG habe mit dem vorbezeichneten Urteil zunächst zutreffend festgestellt, dass eine Rechtsgrundlage dafür, die Ausnahmeregelung für Anästhesisten bezüglich der Fahrtkostenerstattung gemäß § 10 Abs. 6 HVM in der bis zum 30.06.2001 gültigen Fassung fortzuführen, nicht bestehe und die Regelungen des § 10 Abs. 1 und 2 HVM rechtmäßig seien. Soweit das SG zu der Auffassung gelange, dass den Arzt zwar die Beweislast für die angegebenen Doppelkilometer treffe, die Beweisführung jedoch unzumutbar und unverhältnismäßig sei, könne dies nicht nachvollzogen werden. Gerade Anästhesisten arbeiteten in der Regel lediglich mit einigen Operateuren zusammen; in dem hier streitigen Quartal handele es sich insoweit um fünf Operateure, die eine entsprechende Überweisung zur Anästhesie ausgestellt hätten. Eine Überprüfung der ihr vorliegenden Unterlagen habe ergeben, dass die Klägerin in den Quartalen I/2002 bis einschließlich III/2006 maximal mit acht Operateuren und in diesem Zeitraum insgesamt mit ca. 18 Überweisern zusammengearbeitet habe. Es sei nicht erkennbar, aus welchem Grund die Ermittlung der Entfernung zwischen dem Operationsort und der nächstgelegenen Praxis eines Anästhesisten zu unverhältnismäßig aufwändigen Recherchen durch den Arzt führe. Würde der Auffassung des SG gefolgt, müsste die Beklagte - unzumutbar und entgegen der Beweislast - nicht nur für alle Anästhesisten, sondern für alle Ärzte, die Besuche durchführen, diese Entfernungen ermitteln; dies könnte allerdings nicht - wie vom SG für erforderlich gehalten - am Tag der Leistungserbringung erfolgen, da der Beklagten die erforderlichen Einzelheiten naturgemäß erst mit Abgabe der Abrechnung zur Kenntnis gebracht würden. Sofern die Klägerin für sich die Erstattung eines Wegegeldes begehre, habe sie die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen im Rahmen der ihr obliegenden Beweisführungspflicht darzulegen. Dies korrespondiere mit ihrer Pflicht zu einer ordnungsgemäßen und vollständigen Abrechnung. Der insoweit von ihr zu leistende Aufwand beschwere die Ärzte entgegen den Ausführungen des SG in keinster Weise unzumutbar und unverhältnismäßig. Nach dem angefochtenen Urteil könne man den Eindruck gewinnen, als bestünde zwischen den Operateuren und Anästhesisten nicht ein von gegenseitigem Vertrauen geprägtes enges Leistungserbringerverhältnis. Grundsätzlich werde dies dadurch gekennzeichnet, dass die Hinzuziehung "standardmäßig" zwischen denselben Leistungserbringern erfolge. Anästhesist bzw. Operateur arbeiteten nicht wöchentlich wechselnd mit diversen Operateuren bzw. Anästhesisten zusammen, was im Übrigen die Abrechnungsunterlagen der Klägerin belegten. Die Lage und Umgebung der OP-Standorte, als auch die Entfernungen seien bekannt bzw. leicht recherchierbar, insbesondere da das Internet mit seinen Möglichkeiten eine mittlerweile völlig gebräuchliche Art der Information biete. Es sei auch nicht damit zu rechnen, dass häufig Anpassungen in den Entfernungsberechnungen vorzunehmen seien, da Anästhesisten gerade wegen der typischen Art der Leistungserbringung Praxissitzverlegungen eher selten beantragten. Daran änderten auch Einzelfälle nichts, auf die im angefochtenen Urteil verwiesen werde. In jedem Fall sei der Aufwand für die Beklagte bei über 16.000 Leistungserbringern ungleich höher und würde zwangsläufig Auswirkungen auf den Verwaltungskostensatz nach sich ziehen.
Ergänzend hat die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 15.12.2010 vorgetragen: Im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung sei aufgefallen (Anfang 2009), dass die Klägerin in den Jahren 2006/2007 Fahrtkosten mehrfach ohne Kennzeichnung abgerechnet habe. Soweit es den streitbefangenen Zeitraum anlange, habe es zwar noch keine Kennzeichnungspflicht gegeben, eine Überprüfung habe aber ergeben, dass in der Praxis B. am 16.01., 13.02. und 19.02., sowie in der Praxis D. am 22.02. (von Mitgliedern der Klägerin) mehrere Patienten behandelt worden seien, für die jeweils in voller Höhe Kilometer angesetzt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass sie keinen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung hat. Soweit das SG weitergehend die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt hat, ist das Urteil auf die zulässige Berufung der Beklagten abzuändern. Der Bescheid der Beklagten vom 26.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2003 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die Beklagte war zur sachlich-rechnerischen Berichtigung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Ärzte-Ersatzkassenvertrag (EKV-Ä) befugt. Nach diesen im Wesentlichen übereinstimmenden Vorschriften berichtigt die Beklagte die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Zu der Honorarforderung gehören auch die Nebenkosten, die der Sicherstellung der der vertragsärztlichen Versorgung dienen und mit den vertragsärztlichen (Haupt-)Leistungen abgerechnet werden. Die Pflicht der Vertragsärzte zur ordnungsgemäßen Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen erfasst auch die geltend gemachten Nebenkosten.
Die Beklagte hat im Rahmen dieses formell rechtmäßig durchgeführten Verfahrens zu Recht die von der Klägerin abgerechneten Fahrtkosten nachträglich, d.h. im Anschluss an die EDV-technische Honorarabrechnung für das Quartal I/2002 mit dem angefochtenen Bescheid berichtigend aus der Abrechnung gestrichen. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung noch auf Wegegeld. Sie kann einen darauf gerichteten Anspruch weder aus (1) gesetzlichen noch aus (2) vertraglichen Regelungen noch aus (3) Verfassungrecht herleiten.
(1) Soweit die Klägerin ihren Anspruch im Verwaltungsverfahren auf § 13 SGB V gestützt hat, ist dies bereits deshalb ausgeschlossen, da diese Norm, wie schon aus dem Wortlaut und der Überschrift des 3. Kapitels "Leistungen der Krankenversicherung" hervorgeht, ausschließlich das versicherungsrechtliche Leistungsverhältnis zwischen Versichertem und seiner Krankenkasse betrifft und insofern das krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsprinzip konkretisiert. So regelt auch § 60 SGB V ("Fahrtkosten") ausschließlich einen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten des Versicherten gegen die Krankenkasse. Auch das 4. Kapitel, das u.a. die Beziehungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Leistungserbringern, wie hier zwischen den Beteiligten, regelt, enthält keine Anspruchsgrundlage, die die Klägerin berechtigt, eine Fahrtkostenerstattung bzw. die Gewährung von Wegegeld/Wegepauschalen geltend zu machen.
(2) Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf die nach Maßgabe des § 87 SGB V beschlossenen vertraglichen Regelungen des EBM, der Bestandteil des Bundesmantelvertrages (BMV-Ä) ist und hier in der Fassung vom 01.01.2001 zur Anwendung kommen, stützen. Einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung sehen der EBM ebenso wie BMV-Ä bzw. EKV-Ä nicht vor. Gemäß den Allgemeinen Bestimmungen des Leistungsverzeichnisses des EBM Kapitel B (Grundleistungen pp.) Nr. 7 erhält der Arzt für jeden "Besuch" Wegegeld oder eine Wegepauschale (Satz 1). Näheres ist vertraglich zu regeln (Satz 2). Dies ist vorliegend in § 10 HVM erfolgt, der unabhängig von inhaltlichen Änderungen ebenfalls an das Tatbestandsmerkmal "Besuch" anknüpft.
Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers selbst ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des Bewertungsmaßstabs als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Nur soweit der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, ist Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt ebenfalls nur bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen in Betracht und kann nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 10.12.2008 - B 6 KA 45/07 R -, vom 07.02.2007 - B 6 KA 32/05 R - und vom 16.05.2001 - B 6 KA 20/00 R - jeweils m.w.N.)
Unter einem "Besuch" ist im Allgemeinen das Aufsuchen einer Person (hier des Versicherten) an dessen Wohnsitz zu verstehen, der - wie aus der Einbindung der Nr. 7 in den EBM folgt - zur vertragsärztlichen Behandlung erfolgt. Sucht der Arzt hingegen einen Patienten in einem Krankenhaus auf, in dem er ambulante Operationen durchführt, handelt es sich um einen Weg zu einer Arbeitsstätte, nicht aber um einen abrechenbaren Besuch (vgl. Wezel/Liebold, Handkommentar BMÄ, E-GO und GOÄ, Stand 01.01.2003, Nr. 25 EBM, Anm. a zu Nr. 25). Gleiches gilt regelmäßig, wenn ein Vertragsarzt einen Patienten in der Praxis eines anderen Arztes aufsucht, um dort seine vertragsärztliche Leistungen (hier im Zusammenhang mit einer ambulanten Operation) zu erbringen. Auch dann handelt es sich nicht um einen "Besuch" eines Kranken (vgl. Landessozialgericht (LSG) Sachsen, Urteil vom 19.05.2010 - L 1 KA 14/09 - zum EBM 2000plus sowie Schleppers/Weißauer, Anästhesiekommentar zur GOÄ, 3. Auflage, 2009, Vorbemerkung zu §§ 7 bis 9 Anm. 4 zur GOÄ). So bezeichnet auch der Bewertungsausschuss in Kapitel B.III. Nr. 50 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM das "Aufsuchen eines Kranken" in der Praxis eines anderen Arztes ( ...) zur Durchführung von Anästhesien/Narkosen nach Kapitel D ( ...), für das zur gezielten Förderung des ambulanten Operierens eine Anrechnung von 150 Punkten vorgesehen ist, nicht als "Besuch". Deswegen hat der Bewertungsausschuss auch in seiner Anmerkung zu Nr. 50 vorgesehen: "Wenn das Aufsuchen des Kranken in den benannten Fällen in der Zeit zwischen 20 und 8 Uhr erfolgt" kann zusätzlich eine Gebühr nach Nr. 5 (Gebühr für eine Inanspruchnahme des Arztes durch einen Patienten zwischen 20 und 8 Uhr pp.) und die entsprechende Wegepauschale bzw. das Wegegeld berechnet werden. Dieser Anmerkung zu Nr. 50 hätte es nicht bedurft, wenn der Bewertungsauschuss davon ausgegangen wäre, dass (u.a.) der Anästhesist, der seine vertragsärztlichen Leistungen in der Praxis eines niedergelassenen Operateurs erbringt, den dortigen Kranken "besucht", so dass ohnehin (unabhängig von der Uhrzeit) Anspruch auf Wegegeld bzw. -pauschale bestanden hätte.
Als Anspruchsgrundlage kommt auch nicht der im Zuständigkeitsbereich der Beklagten geltende § 10 HVM in der ab 01.07.2001 geltenden Fassung in Betracht, da dieser ebenso wie der EBM an das Tatbestandsmerkmal "Besuch" anknüpft, der im oben dargestellten Sinn auszulegen ist. Die Auffassung des Senats, dass das Aufsuchen der Arbeitsstätte - sei es in der eigenen Praxis, in der Praxis eines anderen Arztes oder eines Krankenhauses - kein Besuch eines Kranken ist, wird bestätigt durch den weiteren Wortlaut. So heißt es in Abs. 2 Satz 1: Anstelle der Wegepauschale gemäß Abs. 1 erhalten die Ärzte für Besuche ein Wegegeld, wenn die Entfernung "von der Wohnung des Patienten zum Arztsitz mehr als 2 km beträgt".
Unabhängig davon, dass § 10 Abs. 6 HVM in dem streitbefangenem Quartal I/2002 nicht mehr galt, bedarf es schon deshalb keiner Auseinandersetzung mit der Auffassung der Klägerin, dass die Beklagte zur Änderung nicht berechtigt gewesen sei, weil sie auch unter Geltung dieses Absatzes keinen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung gehabt hätte. Denn die Regelung sah vor, dass abweichend von Abs. 1, 2 und 5 zugelassene oder ermächtigte Ärzte für Anästhesie unter bestimmten, näher ausgeführten Voraussetzungen "anstelle eines Wegegeldes Fahrtkostenerstattung" erhielten. Die Norm knüpfte mithin an den Tatbestand der Absätze 1, 2 und 5 an, die ebenfalls als zentrales Tatbestandsmerkmal einen "Besuch" voraussetzen, an und setzte lediglich als Sonderregelung für Anästhesisten eine andere Rechtsfolge - anstelle eines Wegegeldes eine Fahrtkostenerstattung - fest.
(3) Soweit die Klägerin ihren Anspruch aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 und 2 GG ableitet, vermag auch dies ihrem Begehren nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten. Auch auf Freiheitsrechte wie Art. 2 Abs. 1 GG (Handlungsfreiheit) lässt sich ein derartiger Anspruch nicht stützen. Grundsätzlich lassen sich aus den Freiheitsrechten keine Ansprüche auf staatliche Zuwendungen herleiten, es sei denn, dass im (seltenen) Ausnahmefall sich der Leistungsanspruch zur Realisierung des Freiheitsrechts als unabdingbar darstellt (vgl. Sachs, GG, 2009, vor Art. 1 Rdn. 47 m.w.N.). Dies ist weder vorgetragen noch erschließt sich dies auch nur ansatzweise. Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit und zurück entstehen dem ganz überwiegenden Teil der arbeitenden Bevölkerung, ohne dass dieser mangels Erstattung (von der steuerrechtlichen Behandlung abgesehen) an der Ausübung des Berufes gehindert wäre. Das wird selbst von der Klägerin nicht vorgetragen. Damit geht zugleich der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 GG ins Leere, da die der Klägerin angehörigen Ärzte insoweit nicht anders behandelt werden als andere Berufstätige.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved