L 5 KR 2632/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 3495/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2632/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.12.2009 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung bei der (seit 17.11.1999 zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassenen) Dipl.-Psychologin T.-D. ab dem 1.1.1999.

Der 1937 geborene Kläger ist seit 1.7.1993 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Am 30.6.1993 beantragte er (erstmals), die Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung bei der Dipl.-Psychologin T.-D. zu übernehmen; bei dieser war der Kläger schon zuvor (offenbar seit 1989) behandelt worden. Der Antrag wurde abgelehnt (Bescheid vom 22.7.1993, Widerspruchsbescheid vom 28.8.1997); ein deswegen geführter Rechtsstreit blieb erfolglos (zuletzt: LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 14.3.2002, - L 4 KR 3442/00 -).

Der Kläger beantragte in der Folgezeit, seit 1999 entstandene Kosten für psychotherapeutische Behandlungen bei der Dipl.-Psychologin T.-D. zu erstatten. Der Fortsetzung der Behandlung war ein Antragsverfahren nach Maßgabe der Psychotherapie-Richtlinien nicht vorausgegangen; ein entsprechendes Verfahren hatte im Jahr 1994 stattgefunden, wobei allerdings die Kostenübernahme nicht empfohlen worden war.

Mit Bescheiden vom 7.11.2003 und 15.12.2003 (vorausgegangen: Aufforderung an den Kläger zur Vorlage einer Begründung der Behandlungsnotwendigkeit im Rahmen der Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, SGB I - Schreiben vom 26.11.2003) lehnte die Beklagte den Antrag bzw. die Leistungsgewährung ab. Im Bescheid vom 7.11.2003 ist zur Begründung (u.a.) ausgeführt, mittlerweile hätten 530 Therapiesitzungen stattgefunden, weswegen die Höchstgrenzen einer bewilligungsfähigen Therapie überschritten sei und auch von einem Behandlungserfolg nicht die Rede sein könne. Der Kläger legte Widerspruch ein, worauf der Widerspruchsbescheid vom 1.6.2005 erging.

Mit Bescheid vom 16.6.2005 hob die Beklagte die genannten Bescheide (vom 7.11.2003, 26.11.2003, 15.12.2003, 1.6.2005) aus verfahrensrechtlichen Gründen wieder auf. Gleichzeitig forderte sie den Kläger unter Bezugnahme auf die in § 60 Abs. 1 SGB I geregelte Mitwirkungspflicht und die in § 66 SGB I festgelegten Folgen fehlender Mitwirkung (u.a.) auf, bis zum 4.7.2005 der Einholung notwendiger Auskünfte bei der Dipl.-Psychologin T.-D. zuzustimmen. Zur Begründung wurde ausgeführt, für die Prüfung seines Leistungsantrages sei eine entsprechende Antragstellung durch die Therapeutin mit Begründung der Notwendigkeit einer Therapiefortsetzung unter Vorlage eines Behandlungsplans erforderlich. Das sei nicht geschehen, weshalb man die Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) nicht durchführen könne.

Mit Schreiben vom 3.7.2005 lehnte der Kläger die Mitwirkung ab. Die Beklagte sei nicht berechtigt, von ihm oder seiner Therapeutin irgendwelche Auskünfte oder Nachweise zu verlangen. Seine Therapeutin müsse alle für zweckmäßig und erfolgversprechend erachteten Techniken oder Verfahren ungeachtet etwaiger Gesetze oder Richtlinien anwenden dürfen. Die Forderung der Beklagten sei therapiestörend. Eine Entbindung seiner Therapeutin von der Schweigepflicht komme nicht in Betracht.

Mit Bescheid vom 6.7.2005 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf § 66 Abs. 1 SGB I die Übernahme von Kosten für die Behandlung durch die Dipl.-Psychologin T.-D. bis zur Nachholung der Mitwirkungspflicht des Klägers ab; die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme seien nicht nachgewiesen. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2005 zurück. Ergänzend führte sie aus, nach Erfüllung der Mitwirkungspflichten werde über die Übernahme der Therapiekosten gesondert entschieden.

Bereits am 22.8.2005 hatte der Kläger (Untätigkeits-)Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben. Zur Begründung trug er vor, er erhebe Untätigkeits- und Leistungsklage auf Erstattung der Kosten für die Behandlung bei der Dipl.-Psychologin T.-D. seit 1.1.1999. Die Beklagte habe sich durch Vergleich (im Verfahren S 11 KR 3817/02) zum Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides bis Ende November 2003 verpflichtet. Er lehne es weiterhin ab, die behandelnde Therapeutin T.-D. von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden; es dürften keinerlei Behandler befragt werden. Die Hinzuziehung des MDK sei solange kontraproduktiv, als eine Unterwerfung der Therapeutin unter die Psychotherapie-Richtlinien verlangt werde.

Der Kläger legte in einem Antragsverfahren im Jahr 1994 erstellte Unterlagen - u.a. ein Gutachten der Dipl.-Psychologin T.-D. zur Therapienotwendigkeit - vor. Die Beklagte teilte mit, für die Jahre 2001 ff. lägen Kostenerstattungsanträge des Klägers nicht vor.

Eine vom Kläger beantragte Gutachtenserhebung gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erfolgte nicht, da sich die benannte Gutachterin zur Erstellung des Gutachtens nicht bereit erklärte (Schreiben der Dr. W.-B. vom 29.4.2009).

Mit Gerichtsbescheid vom 29.12.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Kostenübernahme im Wege der Leistungsklage begehre, sei die Klage nicht zulässig, da die Beklagte hierüber wegen fehlender Mitwirkung des Klägers im Verwaltungsverfahren noch nicht entschieden habe. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 6.7.2005 und 23.11.2005 sei eine Entscheidung über die beantragte Kostenübernahme lediglich bis zur Nachholung der Mitwirkung des Klägers gem. § 66 SGB I versagt worden. Gegen einen Versagungsbescheid dieser Art seit grundsätzlich nur die Anfechtungsklage zulässig (vgl. BSG, Urt. v. 1.7.2009, - B 4 AS 78/08 R -; Urt. v. 17.2.2004, - B 1 KR 4/02 R -). Die Untätigkeitsklage, mit der die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines Bescheids über die Erstattung der Therapiekosten ab 1.1.1999 begehrt werde, sei ebenfalls unzulässig. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 6.7.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2005 unter Beachtung des § 66 SGB I eine Entscheidung getroffen und damit der Untätigkeitsklage die Grundlage entzogen (vgl. BSGE 75, 56).

Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 6.7.2005 (Widerspruchsbescheid vom 23.11.2005) sei unbegründet. Gem. § 66 Abs. 1 SGB I könne der Leistungsträger eine beantragte Sozialleistung ohne weitere Ermittlungen ganz oder teilweise bis zur Nachholung von Mitwirkungshandlungen versagen, wenn der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkomme und er hierdurch oder absichtlich in anderer Weise die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwere. Die Versagung sei ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen unabhängig von der fehlenden Mitwirkung nachgewiesen seien; das sei hier nicht der Fall. Die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 SGB I seien erfüllt. Der Kläger habe entgegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I der Auskunftserteilung durch Dritte nicht zugestimmt, indem er sein Einverständnis zur Auskunftserteilung durch die Dipl.-Psychologin T.-D. verweigert habe. Dazu sei er nicht berechtigt (§ 65 SGB I). Die Beklagte habe sich innerhalb ihrer Ermittlungsbefugnisse bewegt (§ 20 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X; vgl. BSG, Urt. v. 17.2.2004, - B 1 KR 4/02 R -). Sie dürfe nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der Psychotherapie-Richtlinien die Zustimmung zur Auskunftserteilung durch die Dipl.-Psychologin T.-D. verlangen. Die Vorschriften über den Sozialdatenschutz begrenzten die Mitwirkungspflicht des Klägers insoweit nicht; die Behörde könne eine Leistung ohne Feststellung der Leistungsvoraussetzungen nicht bewilligen (BSG a.a.O.). Die Voraussetzungen der vom Kläger begehrten Leistung seien auch nicht anderweitig nachgewiesen. Die Anforderungen des § 66 Abs. 3 SGB I habe die Beklagte mit dem Hinweisschreiben vom 16.6.2005 gewahrt.

Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger ausweislich der hierüber angefertigten Postzustellungsurkunde am 5.1.2010 zugestellt. In der Postzustellungsurkunde ist die zutreffende Anschrift des Klägers vermerkt und festgehalten, dass der Postbedienstete versucht hat, das Schriftstück (Gerichtsbescheid) zu übergeben, dies in der Wohnung des Adressaten nicht möglich war und es deswegen um 16.20 Uhr in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt worden ist.

Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 18.1.2010 noch zur Sache vorgetragen hatte, teilte ihm das Sozialgericht mit Schreiben vom 20.1.2010 mit, das Verfahren sei mit Gerichtsbescheid vom 29.12.2009 abgeschlossen worden.

Am 27.4.2010 fand ein Telefongespräch des Klägers mit einem Bediensteten des Sozialgerichts statt. Nach dem hierüber angefertigten Aktenvermerk fragte der Kläger, wann er mit dem Gerichtsbescheid rechnen könne. Ihm wurde mitgeteilt, dass der Gerichtsbescheid bereits am 30.12.2009 zur Post gegeben worden sei. Nach einem weiteren Aktenvermerk vom 28.4.2010 wurde dem Kläger telefonisch mitgeteilt, dass die Zustellung des Gerichtsbescheids am 5.1.2010 per Postzustellungsurkunde erfolgt sei und ihm eine Abschrift erneut zugesandt werde.

Mit Schreiben vom 28.4.2010 wurde dem Kläger eine Abschrift des Gerichtsbescheids übersandt; in diesem Schreiben ist (erneut) festgehalten, dass eine Ausfertigung des Gerichtsbescheids bereits am 5.1.2010 per Postzustellungsurkunde zugestellt worden sei.

Am 27.5.2010 hat der Kläger Berufung eingelegt. Gleichzeitig hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung trägt er vor, weder er noch ein Familienmitglied habe am 5.1.2010 noch zu einem anderen Tag nach dem 29.12.2009 eine Zustellung des Sozialgerichts ausfindig machen können, weder im Hausbriefkasten noch sonst auf seinem Grundstück. Seine Ehefrau bestätige dies (durch eidesstattliche Versicherung). Auf das Schreiben des Sozialgerichts vom 20.1.2010 habe er vergeblich die Zustellung des Gerichtsbescheids erwartet und sodann am 28.4.2010 beim Sozialgericht telefonisch nachgefragt. Die Untätigkeitsklage sei geboten gewesen, weil die Beklagte bis zum 22.8.2005 untätig geblieben sei; der Widerspruchsbescheid vom 23.11.2005 sei verspätet. Seine Therapeutin habe eine Antragstellung unter Begründung der Therapienotwendigkeit und Vorlage eines Behandlungsplans am 10.7.1993 vorgenommen. Eine erneute Antragstellung hinsichtlich der Therapiefortsetzung ab 1.1.1999 sei ungeachtet der Ablehnung der Kostenerstattung für die Zeit von 1993 bis 1998 entbehrlich. Außerdem habe er seinerzeit dem (im Antragsverfahren eingeschalteten) Gutachter drei über ihn in den Jahren 1985 und 1992 angefertigte psychosomatisch-psychotherapeutische Gutachten vorgelegt. Dieser habe gleichwohl und zu Unrecht auf Zusatzinformationen beharrt und seiner Therapeutin mitgeteilt, mangels angemessener Reaktion sei eine sachgemäße Bearbeitung des Antrags nicht möglich, und schließlich eine Kostenübernahme nicht empfohlen. Er habe ausreichend an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt und die Leistungsvoraussetzungen nachgewiesen. Die Psychotherapie-Richtlinien enthielten keine Aussagen über erforderliche Methoden und die Therapiedauer besonders bei Ulcus-Kranken, wie ihm.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.12.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6.7.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2005 zu verurteilen, die Kosten der psychotherapeutischen Behandlung bei der Dipl.-Psychologin T.-D. ab dem 1.1.1999 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist unzulässig. Der Kläger hat die Berufungsfrist des § 151 SGG versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ist nicht zu gewähren. Die Berufung ist daher gem. § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Gem. § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift wird die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt wird.

Die einmonatige Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG ist maßgeblich. Der angefochtene Gerichtsbescheid war mit einer ordnungsgemäßen und vollständigen Rechtsmittelbelehrung versehen. Sie benannte das Gericht (Landessozialgericht Baden-Württemberg bzw. Sozialgericht Freiburg), bei dem die Berufung einzulegen ist, dessen Sitz und die einzuhaltende Frist (einen Monat). Sie entsprach damit den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 SGG.

Die Berufungsfrist begann gem. § 64 Abs. 1 SGG mit dem Tag nach der Zustellung des Gerichtsbescheids an den Kläger, bei erfolgter Zustellung am 5.1.2010 also am 6.1.2010. Maßgeblich ist die Zustellung einer Ausfertigung des Gerichtsbescheids i. S. d § 137 SGG; diese ersetzt bei den nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehenden Gerichtsbescheiden die Verkündung (§ 105 Satz 2 i. V. m. § 133 Satz 1 SGG). Mit der Übersendung einer Abschrift des Gerichtsbescheids durch Schreiben des Sozialgerichts vom 28.4.2010 ist die Berufungsfrist nicht erneut in Gang gesetzt worden. Dabei handelte es sich lediglich um eine formlose Unterrichtung des Klägers, nachdem dieser telefonisch mitgeteilt hatte, dass ihm der Gerichtsbescheid nicht vorliege. Im Schreiben vom 28.4.2010 ist demzufolge auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine Ausfertigung des Gerichtsbescheids bereits per Postzustellungsurkunde am 5.1.2010 zugestellt worden war. Als nach Monaten bestimmte Frist endete die Berufungsfrist mit Ablauf desjenigen Tags des letzten Monats, welcher nach der Zahl dem Tag der Zustellung entspricht, hier also am (Freitag, dem) 5.2.2010. Berufung ist erst am 27.5.2010 und damit verspätet eingelegt worden.

Ein Zustellungsmangel liegt nicht vor. Gem. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zugestellt. Da der Postbedienstete (Angestellter eines gem. § 33 Postgesetz mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteten Unternehmers) den Kläger in seiner Wohnung nicht angetroffen hat und eine Ersatzzustellung des Gerichtsbescheids nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (insbesondere) an einen erwachsenen Familienangehörigen nicht ausführbar war, durfte die Ersatzzustellung durch Einlegen in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten gem. § 180 Satz 1 ZPO erfolgen. Nach dem Inhalt der bei den Akten des Sozialgerichts befindlichen Zustellungsurkunde, die das zuzustellende Schriftstück (Gerichtsbescheid vom 29.12.2009 mit zugehörigem Aktenzeichen) bezeichnet, ist dies am 5.1.2010 um 16:20 geschehen. Der Tag der Zustellung ist auf dem Umschlag des Schriftstücks vermerkt worden (§ 180 Satz 3 ZPO). Mit der Einlegung in den Briefkasten gilt das Schriftstück gem. § 180 Satz 2 ZPO als zugestellt. Für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es nicht darauf an, ob und wann der Adressat das Schriftstück dem Briefkasten entnommen und ob er es tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (BSG, Beschl. v. 13.11.2008, - B 13 R 138/07 B -; LSG Bad.-Württ. Urt. v. 19.11.2010, - L 8 U 996/09 -).

Die zum Nachweis der Zustellung angefertigte Urkunde enthält die in § 182 Abs. 2 ZPO festgelegten Angaben. Sie bezeichnet den Kläger als Person, der zugestellt werden soll (Nr. 1), den Grund für die Einlegung des Schriftstücks in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten (Nr. 4), bemerkt, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt wurde (Nr. 5), benennt den Ort und das Datum der Zustellung (Nr. 7) und den Namen und Vornamen des Zustellers sowie das beauftragte Unternehmen (Nr. 8); die Urkunde ist auch vom Zusteller unterschrieben (Nr. 8).

Die Zustellungsurkunde ist gem. § 182 Satz 2 ZPO öffentliche Urkunde i. S. d. § 418 ZPO. Sie begründet daher den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der Beweis der Unrichtigkeit dieser Tatsachen ist zwar zulässig; eine dies ausschließende Vorschrift i. S. d. § 418 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Notwendig ist dann aber der volle Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Hierzu muss substantiiert vorgetragen werden. Die dargelegten Umstände müssen geeignet sein, ein Fehlverhalten des Postzustellers und damit eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde zu belegen (BSG, Beschl. v. 24.11.2009, - B 12 KR 27/09 B -; auch etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.8.2010, - OVG 1 M 73.10 - m. N. zur Rspr. des BVerwG; Bay VGH, Beschl. v. 31.1.2011, - 4 ZB 10.3088 -). Es muss zur Überzeugung des Gerichts jede Möglichkeit der Richtigkeit der beurkundeten Tatsache ausgeschlossen sein (OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.1.2010, - 3 Ws 21/10 -). Gefordert ist der volle Gegenbeweis in der Weise, dass die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr bezeugten Tatsache ausgeschlossen wird. Pauschales Bestreiten der Zustellung oder die bloße Behauptung, das Schriftstück nicht erhalten zu haben, genügt nicht, weil es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht darauf ankommt, ob und wann der Adressat das Schriftstück seinem Briefkasten entnommen oder ob er es tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (BSG, Beschl. v. 24.11.2009, - B 12 KR 27/09 B -; auch Beschl. v. 13.11.2008, - N 13 R 138/07 B -).

Den Gegenbeweis gegen die in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen, nämlich die Einlegung des zuzustellenden Schriftstücks (Gerichtsbescheid) in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten am 5.1.2010, hat der Kläger nicht geführt. Er hat schon nicht geltend gemacht, geschweige denn bewiesen, dass die Zustellungsurkunde nicht ordnungsgemäß erstellt worden sein könnte oder eine Falschbeurkundung oder ein anderes Fehlverhalten des Zustellers vorgelegen haben könnte (BSG, Beschl. v. 24.11.2009, - B 12 KR 27/09 B -); hierfür ist auch nichts ersichtlich. Der Kläger behauptet lediglich, weder er noch eines seiner Familienmitglieder habe am 5.1.2010 oder sonst einem Tag nach dem 29.12.2009 eine Zustellsendung des Sozialgerichts in seinem Briefkasten ausfindig machen können. Mit pauschalem Vorbringen dieser Art ist die durch ordnungsgemäße und formgerechte Zustellungsurkunde belegte Zustellung durch Einlegen des Schriftstücks in den zur Wohnung des Zustelladressaten gehörenden Briefkasten nicht zu widerlegen, zumal es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht darauf ankommt, ob und wann das Schriftstück dem Briefkasten tatsächlich entnommen worden ist. Davon abgesehen, haben den Kläger die Postsendungen des Sozialgerichts regelmäßig erreicht, u.a. auch die Mitteilung über das Ergehen des Gerichtsbescheids vom 20.01.2010.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ist nicht zu gewähren. Dies setzt gem. § 67 Abs. 1 SGG voraus, dass der Kläger an der Einhaltung der Berufungsfrist ohne Verschulden gehindert war. Hierfür hat der Kläger nichts vorgetragen. Er hat lediglich bestritten, dass die Zustellung des Gerichtsbescheids wie in der Zustellungsurkunde festgehalten stattgefunden hat. Damit kann er nach dem Gesagten freilich nicht durchdringen. Der Kläger hat demgegenüber keine Tatsachen geltend gemacht, die ihn bei wirksamer Zustellung des Gerichtsbescheids am 5.1.2010 daran gehindert haben könnten, fristgerecht Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts einzulegen.

II.

Da die Berufung als unzulässig zu verwerfen ist, ist über deren Begründetheit nicht zu entscheiden. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass dem Kläger nicht das Recht zusteht, auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Bindung an die einschlägigen Vorschriften, zu denen auch die Psychotherapie-Richtlinien gehören, und ohne jegliche Mitwirkung an den vorgeschriebenen Verfahrensschritten behandelt zu werden. Ein Antragsverfahren (vgl. jetzt Abschnitt F der Psychotherapie-Richtlinien i. d. F. v. 19.2.2009) hat ersichtlich lediglich im Jahr 1996 stattgefunden, ist aber nicht durch eine Empfehlung zur Übernahme der Therapiekosten abgeschlossen worden. Für die Übernahme (bzw. Erstattung) der Therapiekosten (seit 1.1.1999) besteht danach keine Grundlage.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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