Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 508/09
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 1025/10 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Etwaige sachliche Mängel eines Gutachtens können die Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom
8. November 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. S. besteht.
Der 1960 geborene Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden Bf) begehrt im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (Az.: S 6 R 508/09) die Gewährung einer Rente aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 50 % in Folge eines Unfalls vom September 2006. Die Beklagte hatte dies mit Bescheid vom 26.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2009 abgelehnt.
Mit Beweisanordnung vom 05.03.2010 hat das Sozialgericht den Arzt für Chirurgie
Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 12.04.2010 nach Untersuchung zum Ergebnis gekommen, dass das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich betrage. Gegenüber dem Gutachten von Mai und Juni 2006 sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Mit Schreiben vom 30.04.2010 übersandte das Sozialgericht das Gutachten dem Klägerbevollmächtigten zur Kenntnis und Stellungnahme bis 25.05.2010, ob die Klage zurückgenommen werde. Mit Schreiben vom 20.05.2010 teilte dieser mit, aufgrund der nicht vertretbar kurzen Untersuchungszeit müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Gutachter zumindest weitaus überwiegend von den Vorgutachten habe bestimmen lassen. Es bestehe daher die Besorgnis der Befangenheit dieses Gutachters. Es werde beantragt, den Gutachter wegen dieser Besorgnis abzulehnen und einen anderen Gutachter außerhalb der Einflusssphäre der Beklagten zu bestellen. Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 08.06.2010 dahingehend geäußert, dass aus ihrer Sicht keine Besorgnis der Befangenheit bestehe.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 08.11.2010 das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Dieses sei insoweit verspätet, als der Bf die kurze Untersuchungszeit am 12.04.2010 rüge. Soweit der Bf die Besorgnis der Befangenheit damit begründe, dass sich der Gutachter zumindest weitaus überwiegend von den Vorgutachten habe bestimmen lassen, sei sein Vortrag unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. Der Gutachter habe sich dazu zu äußern, ob eine Verschlechterung oder Besserung eingetreten sei.
Deshalb habe er sich mit den von anderen Stellen früher eingeholten Gutachten auseinanderzusetzen.
Hiergegen hat der Bf am 06.12.2010 Beschwerde eingelegt. Der Sachverständige habe sowohl im Rentenverfahren wie im Parallelverfahren gegen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft erkennbar ausschließlich die Gutachten mitberücksichtigt, die von der jeweiligen Beklagten selbst oder in deren Auftrag erstattet worden seien. Das Gutachten des privaten Unfallversicherers, das auf eine Schädigung von 50 % hinweise, sei überhaupt nicht erwähnt worden. Bei den bekannten Unfallschäden sei die Erstellung zweier Gutachten vom 12.04.2010 Anlass, an der Sorgfalt des Gutachters begründete Zweifel zu haben.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG) ist unbegründet.
Nach § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach
§§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (Thomas Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rn. 9).
Der Bf begründet die Beschwerde damit, dass der Sachverständige die im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten aus dem Vorverfahren berücksichtigt habe, während das Gutachten des privaten Unfallversicherers nicht erwähnt worden sei. Des Weiteren habe der Sachverständige nicht sorgfältig arbeiten können, da die Zeit zwischen Beginn der Untersuchung des Bf und Erstattung des Gutachtens im mündlichen Verhandlungstermin vom 12.04.2010 zu kurz gewesen sei. Ein Ablehnungsgrund ist hieraus nicht ersichtlich.
Konkrete Anhaltspunkte für eine Verstrickung zwischen dem Sachverständigen und der Beklagen bestehen nicht. Laut Beweisanordnung vom 05.03.2010 hatte der Sachverständige ein Gutachten nach Aktenlage zu erstatten. Hierbei hatte er die aus eigener Untersu-chung am 12.04.2010 gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten. Gemäß § 106 Abs. 2 SGG hat der Vorsitzende bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Gemäß Abs. 3 Nr. 4 dieser Vorschrift kann er insbesondere Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen und gemäß Nr. 5 die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen. § 106 SGG regelt die Aufklärungspflicht des Vorsitzenden vor der mündlichen Verhandlung. Die in allen Verfahren geltende Konzentrationsmaxime gebietet im Interesse der Beschleunigung der Verfahren die Verhandlung so vorzubereiten, dass der Rechtsstreit möglichst in einem Termin erledigt werden kann. Zweck der Regelung ist eine sachgemäße Führung und umfassende sowie schnelle Erledigung des Rechtsstreits. Es steht im Ermessen des Vorsitzenden, ein Gutachten nach Aktenlage oder nach ambulanter Untersuchung anzuordnen. Da der Bf bereits in einem anderen Verfahren zeitnah untersucht wurde, diente es der nach § 106 SGG gewollten Beschleunigung des Verfahrens, im Rentenverfahren auf diese Untersuchungsergebnisse zurückzugreifen und den Sachverständigen mit einem Gutachten nach Aktenlage zu beauftragen.
Im Übrigen würden sachliche Mängel eines Gutachtens, wie sie vom Bf vorgebracht werden, eine Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Eventuelle Unzulänglichkeiten treffen beide Parteien und können lediglich dazu führen, die Rechte des Prozessrechts in Anspruch zu nehmen, insbesondere ein neues Gutachten einzuholen (vgl. § 412 ZPO). Derartige Mängel eines Gutachtens können allenfalls ein Gutachten entwerten. Die inhaltliche Bewertung des Gutachtens obliegt dem entscheidenden Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1
Satz 1 SGG) und kann nicht in ein Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit vorgezogen werden.
Dies gilt auch für den Einwand, dass der Sachverständige das für die private Versicherung erstellte Gutachten nicht erwähnt habe. Dies spricht gerade für die Qualität des Gutachtens, da die Beurteilungsgrundsätze in der privaten Versicherung völlig andere sind, als in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die sonstigen bereits erstellten Gutachten waren nach seinem ausdrücklichen Auftrag in die Begutachtung mit ein zu beziehen.
Das Sozialgericht hat damit zutreffend den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. S. zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
8. November 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. S. besteht.
Der 1960 geborene Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden Bf) begehrt im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (Az.: S 6 R 508/09) die Gewährung einer Rente aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 50 % in Folge eines Unfalls vom September 2006. Die Beklagte hatte dies mit Bescheid vom 26.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2009 abgelehnt.
Mit Beweisanordnung vom 05.03.2010 hat das Sozialgericht den Arzt für Chirurgie
Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 12.04.2010 nach Untersuchung zum Ergebnis gekommen, dass das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich betrage. Gegenüber dem Gutachten von Mai und Juni 2006 sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Mit Schreiben vom 30.04.2010 übersandte das Sozialgericht das Gutachten dem Klägerbevollmächtigten zur Kenntnis und Stellungnahme bis 25.05.2010, ob die Klage zurückgenommen werde. Mit Schreiben vom 20.05.2010 teilte dieser mit, aufgrund der nicht vertretbar kurzen Untersuchungszeit müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Gutachter zumindest weitaus überwiegend von den Vorgutachten habe bestimmen lassen. Es bestehe daher die Besorgnis der Befangenheit dieses Gutachters. Es werde beantragt, den Gutachter wegen dieser Besorgnis abzulehnen und einen anderen Gutachter außerhalb der Einflusssphäre der Beklagten zu bestellen. Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 08.06.2010 dahingehend geäußert, dass aus ihrer Sicht keine Besorgnis der Befangenheit bestehe.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 08.11.2010 das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Dieses sei insoweit verspätet, als der Bf die kurze Untersuchungszeit am 12.04.2010 rüge. Soweit der Bf die Besorgnis der Befangenheit damit begründe, dass sich der Gutachter zumindest weitaus überwiegend von den Vorgutachten habe bestimmen lassen, sei sein Vortrag unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. Der Gutachter habe sich dazu zu äußern, ob eine Verschlechterung oder Besserung eingetreten sei.
Deshalb habe er sich mit den von anderen Stellen früher eingeholten Gutachten auseinanderzusetzen.
Hiergegen hat der Bf am 06.12.2010 Beschwerde eingelegt. Der Sachverständige habe sowohl im Rentenverfahren wie im Parallelverfahren gegen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft erkennbar ausschließlich die Gutachten mitberücksichtigt, die von der jeweiligen Beklagten selbst oder in deren Auftrag erstattet worden seien. Das Gutachten des privaten Unfallversicherers, das auf eine Schädigung von 50 % hinweise, sei überhaupt nicht erwähnt worden. Bei den bekannten Unfallschäden sei die Erstellung zweier Gutachten vom 12.04.2010 Anlass, an der Sorgfalt des Gutachters begründete Zweifel zu haben.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG) ist unbegründet.
Nach § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach
§§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (Thomas Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rn. 9).
Der Bf begründet die Beschwerde damit, dass der Sachverständige die im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten aus dem Vorverfahren berücksichtigt habe, während das Gutachten des privaten Unfallversicherers nicht erwähnt worden sei. Des Weiteren habe der Sachverständige nicht sorgfältig arbeiten können, da die Zeit zwischen Beginn der Untersuchung des Bf und Erstattung des Gutachtens im mündlichen Verhandlungstermin vom 12.04.2010 zu kurz gewesen sei. Ein Ablehnungsgrund ist hieraus nicht ersichtlich.
Konkrete Anhaltspunkte für eine Verstrickung zwischen dem Sachverständigen und der Beklagen bestehen nicht. Laut Beweisanordnung vom 05.03.2010 hatte der Sachverständige ein Gutachten nach Aktenlage zu erstatten. Hierbei hatte er die aus eigener Untersu-chung am 12.04.2010 gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten. Gemäß § 106 Abs. 2 SGG hat der Vorsitzende bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Gemäß Abs. 3 Nr. 4 dieser Vorschrift kann er insbesondere Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen und gemäß Nr. 5 die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen. § 106 SGG regelt die Aufklärungspflicht des Vorsitzenden vor der mündlichen Verhandlung. Die in allen Verfahren geltende Konzentrationsmaxime gebietet im Interesse der Beschleunigung der Verfahren die Verhandlung so vorzubereiten, dass der Rechtsstreit möglichst in einem Termin erledigt werden kann. Zweck der Regelung ist eine sachgemäße Führung und umfassende sowie schnelle Erledigung des Rechtsstreits. Es steht im Ermessen des Vorsitzenden, ein Gutachten nach Aktenlage oder nach ambulanter Untersuchung anzuordnen. Da der Bf bereits in einem anderen Verfahren zeitnah untersucht wurde, diente es der nach § 106 SGG gewollten Beschleunigung des Verfahrens, im Rentenverfahren auf diese Untersuchungsergebnisse zurückzugreifen und den Sachverständigen mit einem Gutachten nach Aktenlage zu beauftragen.
Im Übrigen würden sachliche Mängel eines Gutachtens, wie sie vom Bf vorgebracht werden, eine Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen. Eventuelle Unzulänglichkeiten treffen beide Parteien und können lediglich dazu führen, die Rechte des Prozessrechts in Anspruch zu nehmen, insbesondere ein neues Gutachten einzuholen (vgl. § 412 ZPO). Derartige Mängel eines Gutachtens können allenfalls ein Gutachten entwerten. Die inhaltliche Bewertung des Gutachtens obliegt dem entscheidenden Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1
Satz 1 SGG) und kann nicht in ein Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit vorgezogen werden.
Dies gilt auch für den Einwand, dass der Sachverständige das für die private Versicherung erstellte Gutachten nicht erwähnt habe. Dies spricht gerade für die Qualität des Gutachtens, da die Beurteilungsgrundsätze in der privaten Versicherung völlig andere sind, als in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die sonstigen bereits erstellten Gutachten waren nach seinem ausdrücklichen Auftrag in die Begutachtung mit ein zu beziehen.
Das Sozialgericht hat damit zutreffend den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. S. zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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