L 3 U 515/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 189/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 515/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein posttraumatisches Belastungssyndrom ist nicht gegeben, wenn der Fahrer eines Busses von behinderten Kindern anfänglich glaubt, ein Kind sei im Rahmen eines von ihm verursachten Verkehrsunfalls schwer verletzt, möglicherweise sogar getötet worden, sich aber nach kurzer Zeit ergibt, dass das Kind "nur" einen Schlüsselbeinbruch hat hinnehmen müssen. Der gesetzlich unfallversicherte Fahrer hat in diesem Fall keinen Anspruch auf eine eigene Verletztenrente.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.10.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Der Kläger begehrt die Bewilligung einer Verletztenrente gemäß § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) aufgrund des Unfalles vom 17.02.2006.

Der 1958 geborene Kläger ist als Schulbusfahrer am 17.02.2006 gegen 7.30 Uhr auf der Staatsstraße 2027 zwischen A. und U. verunfallt. Aufgrund von Blitzeis hat er die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und ist in den Straßengraben geschlittert. Entsprechend dem Durchgangsarztbericht des Dr. S. vom selben Tag hat er sich hierbei eine Kopfplatzwunde sowie eine Prellung der Lendenwirbelsäule und des Beckens zugezogen. Vorbestehend ist ein Zustand nach Rippenserienfraktur links sowie ein Zustand nach Schädelfraktur links temporal beschrieben worden.

Der behandelnde Allgemeinarzt Dr. W. hat mit Arztbrief vom 20.03.2006 eine Kopfplatzwunde, eine schwere Schädelprellung, eine Prellung der LWS und des Beckens, eine Thoraxprellung mit Fraktur der 9. Rippe sowie eine fragliche Fraktur des 5. MHK rechts diagnostiziert sowie einen Pleuraerguss ausgeschlossen. Die vorgelegten Schädelaufnahmen des Krankenhauses W. würden eine alte konsolidierte Schädelfraktur zeigen; Zeichen einer frischen Fraktur würden sich nicht finden. Der Kläger leide noch an starken Kopfschmerzen. Der Chirurg und Unfallchirurg M. hat mit Zwischenbericht vom 17.03.2006 mitgeteilt, er habe den Kläger wegen zunehmender Beschwerden an den Neurologen Dr. R. überwiesen. Dieser habe keine neurologischen Auffälligkeiten festgestellt und mit Arztbrief vom 06.03.2006 das Vorliegen von zentral-nervösen Unfallfolgen klinisch-neurologisch ausgeschlossen. Die Nervenärztin Dr. W. hat mit Arztbrief vom 23.03.2006 eine posttraumatische Belastungsstörung sowie einen Zustand nach Verkehrsunfall mit Schädelprellung und chronischen Kopfschmerzen diagnostiziert. Der Kläger sehe immer wieder das Bild von dem Unfall und denke an den Jungen, der sich bei dem Unfall eine Schlüsselbeinfraktur zugezogen habe. Er wisse nicht, ob er die Fahrten mit den behinderten Kindern noch mal machen könne.

Nach Beiziehung weiterer Unterlagen auch des Neurozentrums der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. hat die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. M. eingeholt. Dieser hat mit unfallchirurgischem Gutachten vom 16.04.2007 zusammenfassend ausgeführt, dass sich als Folge des Unfalls eine reizlose Narbe am linken Hinterhaupt feststellen lasse. Die Kernspintomographie des Schädels habe keine Residuen eines evtl. stattgehabten Schädel-Hirn-Traumas ergeben. Mit Sicherheit dürften Kopfschmerzen bis zu einem Jahr nach dem Unfall als unfallabhängig gewertet werden. Die darüber hinaus geklagten Beschwerden (posttraumatisches Belastungssyndrom) seien nur indirekt unfallabhängig. Die MdE betrage vom 18.02.2006 bis 18.05.2006 100 v.H., vom 19.05.2006 bis 19.08.2006 30 v.H., danach unter 20 v.H.

Der weiterhin gehörte nervenfachärztliche Sachverständige Dr. B. hat sich mit Gutachten vom 01.10.2007 damit auseinandergesetzt, dass der Kläger nach dem Unfall den schräg unter ihm liegenden Jugendlichen im gekippten Bus gefunden hat, dessen Kopf blutüberströmt gewesen ist und der augenblicklich nicht reagiert hat. Deswegen hat der Kläger befürchtet, dieser Jugendliche sei verstorben oder sei im Begriff zu versterben. Dennoch habe eine Behandlungsbedürftigkeit und eine Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 30.08.2006 bestanden. Unfallbedingt bestehe eine MdE von 0 v.H., da definitionsgemäß ein Ereignis nicht vorgelegen habe, das geeignet gewesen sei, eine posttraumatische Belastungsstörung auszulösen.

Dr. S. hat mit psychiatrischem Zusatzgutachten vom 26.11.2007 ergänzend ausgeführt, dass die aktuelle mäßiggradig morossubdepressive Beschwerdesymptomatik im Rahmen der emotional labilen Persönlichkeit des Klägers mit Wahrscheinlichkeit auch ohne äußere Einwirkungen aufgetreten wäre. Es finde sich eine Persönlichkeitsakzentuierung mit Neigung zu emotionaler Labilität, weshalb der Kläger bereits in der Jugend zwei Jahre in einem Erziehungsheim verbracht habe. Auch der spätere abrupte Umzug von Westfahlen nach Bayern mit Abbruch seiner gesamten bisherigen Lebensbezüge verweise auf eine Neigung zur Inkonstanz sowie emotionalen Labilität.

Die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 08.01.2008 als Folgen des Arbeitsunfalles vom 17.02.2006 anerkannt: "Folgenlos ausgeheilte Schädelprellung, Bruch der 9. Rippe links, Lendenwirbelsäulen- und Beckenprellung". Deshalb habe eine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 30.08.2006 bestanden. Eine Verletztenrente stehe jedoch nicht zu.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Widerspruchsbegründung vom 31.03.2008 darauf hingewiesen, dass der Kläger vor dem Unfall nie Kopfschmerzen gehabt habe und seit dem Unfall ohne Schmerztabletten nicht mehr leben könne.

Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2008 zurückgewiesen.

Nach form- und fristgerechter Klageerhebung haben die Bevollmächtigten des Klägers mit Klagebegründung vom 01.12.2008 hervorgehoben, dass der Kläger seit dem streitigen Arbeitsunfall an unerträglichen Kopfschmerzen leide. Er habe sich zwar vor vielen Jahren einmal einen Schädelbruch zugezogen; dieser sei aber ohne chronische Beschwerden verheilt. Die Kopfschmerzen hätten nun zu einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt. Vor dem Unfall habe keine psychische Erkrankung bestanden.

Das Sozialgericht Augsburg hat die Akten der Beklagten beigezogen und Befundberichte von dem Allgemeinarzt Dr. W., dem Nervenarzt Dr. A. und dem Psychotherapeuten Dr. W. eingeholt. Der gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestellte Sachverständige Dr. P. hat mit neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 14.07.2009 ausgeführt, der Kläger fahre seit September 2006 wieder regelmäßig mit seinem Pkw. Er habe keine Probleme, über den Unfall zu berichten, keine typischen Flash-Backs und keine sich unausweichlich aufdrängenden Erinnerungen. Neurologisch sei keine Einschränkung der Merk- oder Konzentrationsfähigkeit zu erkennen, auch gebe es keine Hinweise für kognitive Einbußen. Der Kläger habe über den Unfall ohne wesentliche Widerstände berichten können. Eine Bewusstlosigkeit nach dem Unfall könne nicht definitiv ausgeschlossen werden, auch eine Gehirnerschütterung sei in Betracht zu ziehen. Ein darüber hinaus gehendes Schädel-Hirn-Trauma liege allerdings definitiv nicht vor, bestätigt durch die differenzierte bildgebende Diagnostik. Die Biographie des Klägers sei zum Teil erheblich belastet, insbesondere durch den Alkoholismus des Vaters und einen Heimaufenthalt des Klägers als Jugendlicher. Persistierende posttraumatische Kopfschmerzen könnten durchaus in unterschiedlicher Ausprägung auftreten, wobei aber ein Lokalisationsbezug zur Verletzung charakteristisch sei. In dieser Hinsicht seien die hier genannten Kopfschmerzen uncharakteristisch. Im psychischen Befund habe sich eine leichte depressive Störung im Sinne chronischer dysthymer Störungen gefunden. Es habe sich auch der Eindruck ergeben, dass wesentlich biographisch bedingte Störungen sich durch den Unfall rationalisiert hätten. Insgesamt sei von einer passageren psychischen Reaktion im Sinne von Anpassungsstörungen auszugehen, die nach einigen Monaten abklinge. Nach dem Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit am 28.07.2006 lägen keine Unfallfolgen auf nervenfachärztlichem Gebiet mehr vor.

Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage mit Urteil vom 23.10.2009 abgewiesen und sich hierbei im Wesentlichen auf die übereinstimmenden Ausführungen von Dr. S. und Dr. P. gestützt. Der Unfall habe nur zu einer vorübergehenden psychischen Reaktion im Sinne einer Anpassungsstörung geführt, die nach einigen Monaten abgeklungen sei.

Hiergegen erhoben die Bevollmächtigten des Klägers mit Telefax vom 30.11.2009 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG). Von Seiten des Senats wurden die Unfall-Akten der Beklagten und die erstinstanzlichen Streitakten beigezogen.

Die Bevollmächtigten des Klägers hoben mit Berufungsbegründung vom 11.03.2010 hervor, dass der Kläger trotz seiner biographischen Daten vor dem Unfall vollschichtig gearbeitet und keinerlei Kopfschmerzen gehabt habe. Seit dem Unfall sei es nachgewiesenermaßen zu einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen. Der Kläger sei aufgrund seiner Kopfschmerzen nicht mehr zu einer Berufstätigkeit in der Lage.

Der Senat bestellte Dr. C. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG zur ärztlichen Sachverständigen. Diese kam mit nervenfachärztlichem Gutachten vom 15.06.2010 in Übereinstimmung mit den Vorgutachten zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger durch den Unfall vom 17.02.2006 allein eine Schädelprellung mit Kopfplatzwunde und möglicherweise eine Commotio verursacht worden sei. Deren Folgen seien bis zum 17.08.2006 im Wesentlichen ausgeheilt gewesen. Die seitdem glaubhaft weiterbestehenden Beschwerden seien auf unfallfremde Faktoren zurückzuführen. Hierbei verwies die gerichtlich bestellte Sachverständige auf das biopsychosoziale Entstehungsgefüge: Die Mutter des Klägers habe immer wieder mit Selbstmord gedroht und auch zwei Selbstmordversuche verübt; der Vater sei mit 51 Jahren vermutlich im Rahmen eines Suizids verstorben, sei vorher alkoholabhängig gewesen und habe vor allem den Kläger als schwarzes Schaaf in der Familie (fünftes von neun Kindern) wiederholt verprügelt. Der Kläger habe nach vier Jahren Regelschule zwei Jahre die Sonderschule besuchen müssen, anschließend für zweimal zwei Jahre die Sonderschule im Rahmen eines Erziehungsheimes. Er habe die Bäckerlehre mehrfach abgebrochen und auch nicht im Rahmen des letzten Heimaufenthaltes zu Ende bringen können. In der Folge sei der Kläger wechselnden Beschäftigungen nachgegangen. 1976 habe der Kläger beim Fußballspielen einen Unfall erlitten, verbunden mit einer sechstägigen Krankenhausbehandlung nach Bewusstlosigkeit und Commotio. In den 80iger Jahren sei der Kläger an verschiedenen Stellen tätig gewesen, in dieser Zeit auch zeitweilig überhöhter Alkoholkonsum sowie zeitweilig Cannabis-Konsum. 1989 machte sich der Kläger mit dem Rad auf dem Weg nach Indien, lernte hierbei seine italienische Frau kennen und kehrte mit dieser nach Europa zurück. Seit 1991 lebte der Kläger zusammen mit seiner Frau in Deutschland, und war hier nach einigen Gelegenheitsjobs bis Ende 2005 als Küchenmonteur tätig. 1991, 1993 und 2003 kamen die gemeinsam geplanten Kinder auf die Welt (Heirat 2002). Der Kläger berichtete, dass er mehrfach erwischt worden sei, als er ohne vorhandenen Führerschein unter Alkoholeinfluss Auto gefahren sei und deshalb eine Strafe habe zahlen müssen. Im Jahr 2002 habe er dann offiziell den Führerschein gemacht. Im Januar 2006 habe er die Tätigkeit als Fahrer für behinderte Kinder aufgenommen. Anfang Februar 2006 habe allerdings die Begleitperson eines Kindes festgestellt, dass der Kläger morgens nach Alkohol gerochen habe. Der Kläger begründete dies damit, dass er am Vorabend mit einem Freund drei Bier getrunken habe. Eine unmittelbar im Anschluss durchgeführte Untersuchung bei dem Allgemeinarzt Dr. W. habe nach seinen Angaben jedoch keine Auffälligkeiten ergeben. Die erhöhten Leberwerte würden auf eine chronisch persistierende Hepatitis-C zurückgeführt, die ca. 2002 diagnostiziert worden sei. In diesen Wochen habe es allerdings eine weitere Diskussion mit dem Arbeitgeber gegeben, weil man ihm ursprünglich zugesagt habe, in den Ferien seiner Monteurstätigkeit nachgehen zu können, ihn für die im Februar 2006 anstehenden Faschingsferien aber als Vertretung des Hausmeisters habe einsetzen wollen. In dieser Situation sei es dann zu dem Unfall vom 17.02.2006 gekommen, durch den mit Sicherheit eine Schädelprellung und eine Kopfplatzwunde verursacht worden sei. Die seitdem fraglos persistierenden Kopfschmerzen seien jedoch nicht mehr wesentlich auf den Unfall, sondern auf die psychosoziale Belastungssituation zurückzuführen.

Die Bevollmächtigten des Klägers rügten mit Schriftsatz vom 28.07.2010, dass dem Gutachten der Dr. C. nicht gefolgt werden könne. Dies betreffe z. B. die Vita des Klägers, der einige der Positionen aufgeklärt und korrigiert haben möchte, z. B. dass er seine Bäckerlehre nicht wiederholt, sondern nur einmal abgebrochen habe, oder dass er vor seinem Aufbruch nach Indien nicht nur kürzere Beziehungen, sondern zwei mehrjährige Beziehungen gehabt habe. Der Kläger sei auch nicht im Oktober 1991 nach A-Stadt gezogen, sondern im Oktober 1990. Zum Unfall vom 17.02.2006: Der verletzte Junge habe keinen Rollstuhl gehabt. Der Kläger sei während seiner Bewusstlosigkeit im Sicherheitsgurt über dem blutüberströmten behinderten Jungen gehangen und nicht auf ihm gelegen. Dr. A. habe eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 30.04.2008 attestiert. Es sei Tatsache, dass der Kläger trotz seiner Kopfverletzung aus dem Jahr 1976 vor dem Unfall keinerlei Kopfschmerzen und keinerlei psychische Probleme gehabt habe. Der Kläger sei ein unbescholtener Familienvater. Eine belastete Biographie könne vorliegend nicht erkannt werden. - Entgegen dem Hinweis des Senats vom 20.08.2010 würden sich die vorgetragenen Rügen nicht nur auf Nebenpunkte beschränken.

In der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2011 beantragt die Bevollmächtigte des Klägers entsprechend ihrem Schriftsatz vom 30.11.2009,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.10.2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 08.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2008 insoweit abzuändern, als die Beklagte zu verurteilen ist, unter Berücksichtigung weiterer unfallbedingter persistierender Kopfschmerzen dem Kläger ab dem 01.08.2006 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. zu bewilligen.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt entsprechend dem Schriftsatz vom 17.12.2009,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.10.2009 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i. V. m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs. 2 SGG auf die Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage gegen den Bescheid vom 08.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.05.2008 mit Urteil vom 23.10.2009 zutreffend abgewiesen. Bei dem Kläger sind persistierende Kopfschmerzen nicht als weitere Unfallfolgen festzustellen. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Bewilligung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. (§ 56 Abs. 1 SGB VII).

Gesundheits- oder Körperschäden sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Dabei müssen die Gesundheits- und Körperschäden "voll", d. h. mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang i. S. der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie zwischen dem Unfall und der maßgebenden Erkrankung. Nach dem in der Unfallversicherung geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige Behinderung als ursächlich für einen Unfall anzusehen, die im Verhältnis zu anderen Umständen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf den Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, d. h. nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSGE 32, 203, 209; 45, 285, 286).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass den übereinstimmenden gutachtlichen Voten des Dr. P. mit neurologisch-psychiatrischem Gutachten vom 14.07.2009, des Dr. S. mit psychiatrischem Zusatzgutachten vom 26.11.2007 und der Dr. C. mit nervenärztlichem Gutachten vom 15.06.2010 zu folgen ist. Danach ist die bei dem Kläger bestehende Schädelprellung folgenlos ausgeheilt, und dies unabhängig davon, ob der Kläger bei dem Unfall vom 17.02.2006 kurzfristig bewusstlos gewesen ist oder nicht. Die Kopfplatzwunde hat lediglich eine unbedeutende Narbe hinterlassen.

Weiterhin liegt bei dem Kläger definitionsgemäß keine posttraumatische Belastungsstörung vor. Die ICD-10 spricht insoweit von einer verzögert oder protrahiert auftretenden "Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz oder lang anhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde". - Aktenkundig ist der Kläger in der Lage gewesen, nach dem Unfall vom 17.02.2006 den behinderten Jungen aufzusuchen, der letztendlich "nur" einen Schlüsselbeinbruch hat hinnehmen müssen. Dies belegt für den erkennenden Senat, dass der Kläger die Unfallsituation im Nachhinein im Wesentlichen bewältigt hat. Außerdem erfordert das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung spezielle Symptome, die im vorliegenden Fall nicht vorliegen. Typischerweise treten angstbesetzte und unausweislich auftretende Nachhallerinnerungen oder sog. Flash-Backs auf, die hier von Seiten der beteiligten Gutachter nicht feststellbar gewesen sind. Ebenso besteht bei dem Kläger kein Vermeidungsverhalten; aktenkundig fährt er wieder mit dem Pkw. Außerdem ist er in der Lage, ohne erkennbare Probleme über den Unfall zu berichten, was bei typischen posttraumatischen Belastungsstörungen gerade nicht möglich ist. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass bei dem Kläger nur eine passagere psychische Reaktion im Sinne einer Anpassungsstörung aufgetreten ist, die jedoch nach einigen Monaten abgeklungen ist.

Die bei dem Kläger glaubhaft bestehenden persistierenden Kopfschmerzen, die nach dem Unfall vom 17.02.2006 aufgetreten sind, können diesem nicht mehr ursächlich angelastet werden. Bereits Dr. P. hat mit Gutachten vom 14.07.2009 bestätigt, es habe sich auch hier der Eindruck ergeben, dass wesentlich biographisch bedingte Störungen sich durch den Unfall rationalisiert haben. Dr. C. hat mit nervenärztlichem Gutachten vom 15.06.2010 in Übereinstimmung hiermit ausgeführt, der Unfall vom 17.02.2006 hat jedenfalls nur zu der erwähnten Schädelprellung mit Kopfplatzwunde und möglicherweise einer Commotio geführt. Eine solche Verletzung kann, wie geschildert, über einige Wochen bis maximal wenige Monate vegetative Beschwerden und auch Kopfschmerzen mit sich bringen, die dann aber allmählich abklingen. Wenn über den genannten Erfahrungszeitraum hinaus Kopfschmerzen persistieren, sind erfahrungsgemäß und auch eindeutig im Falle des Klägers andere Faktoren vorrangig, die die Beschwerden aufrecht erhalten. Bei dem Kläger ist das die geschilderte soziale Problematik auf im Hintergrund seiner erheblich belasteten Biographie. - Aus der Sicht des erkennenden Senats kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der Kläger gegenüber der gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. C. seine Vita im Detail in allen Punkten zutreffend geschildert hat (z. B. Zahl und Dauer seiner Beziehungen vor dem Antritt der Reise nach Indien) oder ob das Datum des Umzuges nach A-Stadt zutreffend wiedergegeben worden ist (Oktober 1990 oder Oktober 1991). Entscheidend ist vielmehr, dass alle am Verfahren beteiligten Sachverständigen einen im Wesentlichen übereinstimmenden Lebenslauf des Klägers als belastend beschrieben und gewürdigt haben.

Retrospektiv kann auch nicht mehr geklärt werden und ist auch nicht mehr klärungsbedürftig, ob eine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nur bis zum 28.07.2006 bestanden hat (so Dr. P. in Berücksichtigung des Entlassungsberichts der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. vom 28.07.2006) oder bis zum 30.08.2006 (so der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08.01.2008). Denn die darüber hinaus bestehende Arbeitsunfähigkeit, wie von Dr. A. bis 30.04.2008 attestiert, ist nicht mehr den Unfallfolgen vom 17.02.2006 anzulasten.

Nachdem die unfallbedingten Gesundheitsstörungen "folgenlos ausgeheilte Schädelprellung, Bruch der 9. Rippe links, Lendenwirbelsäulen- und Beckenprellung" auf Dauer die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht einschränken, steht dem Kläger auch keine Verletztenrente zu. Denn gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB VII wird der Begriff der MdE entsprechend der Rechtsprechung im Sinne einer abstrakten Schadensbemessung definiert. Positiv ausgedrückt wird mit dem Begriff der MdE eine auf die Tätigkeiten im Erwerbsleben allgemein bezogene Funktionsbeurteilung vorgenommen (Kranig in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung, Rdz. 1 zu § 56 SGB VII). - Wenn die Bevollmächtigten des Klägers in diesem Zusammenhang wiederholt hervorgehoben haben, dass erst seit dem Unfall des Klägers vom 17.02.2006 aufgrund der persistierenden Kopfschmerzen bei dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeit besteht und dieser zuvor nicht an entsprechenden Beschwerden gelitten habe, stützt dies das Klagebegehren nicht. Denn allein ein zeitlicher Zusammenhang im Sinne eines auslösenden Moments, wie von Dr. P. und Dr. C. übereinstimmend dargelegt, stellt noch nicht eine wesentliche Ursache im unfallrechtlichen Sinne dar.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.10.2009 zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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