L 13 R 144/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 800/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 144/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Verweisbarkeit eines Versicherten, der der Berufsgruppe der Angelernten (oberer Bereich) zuzuordnen ist, auf Tätigkeiten als Pförtner an der Nebenpforte und Registrator.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Augsburg vom 16. Januar 2009 wird zurück-
gewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1954 geborene Kläger hat von August 1970 bis Februar 1974 den Beruf des Landmaschinenmechanikers erlernt. Er war dann zunächst für einen Monat im erlernten Beruf, nach Absolvierung des Wehrdienstes von Juli 1975 bis Februar 1980 als Sanitär-/Heizungsmonteur, von März 1980 bis Januar 1992 als Baufacharbeiter/Maschinist und zuletzt von Januar 1992 bis Februar 2006 als Radialbohrer bei der Firma E.-Werke versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war er bis zu seiner Inhaftierung am 6. Juli 2006 arbeitslos.

Der Kläger begehrte erstmals mit Antrag vom 20. Oktober 2005 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. In seinem Antrag wies er auf eine Behandlung im Bezirkskrankenhaus K. vom März 2004 bis Januar 2005 aufgrund Depressionen und einer Alkoholabhängigkeit hin. Die Beklagte holte ein Gutachten des Facharztes für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. G. vom 10. Januar 2006 ein, der eine deutliche Schulterfunktionsstörung rechtsbetont bei Schädigung des Sehnensspiegels, eine vorbeschriebene Persönlichkeitsstörung mit verminderter Konfliktfähigkeit, vormals zusammenwirkend mit schädlichem Gebrauch von Alkohol, einen Bluthochdruck sowie Übergewicht feststellte. Der Kläger sei noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie als Metallfacharbeiter 6 Stunden täglich und mehr leistungsfähig. Die Durchführung von Maßnahmen der stationären Rehabilitation wurde empfohlen. Der Antrag wurde dann mit Bescheid vom 19. Januar 2006 abgelehnt.

Mit Antrag vom 29. Mai 2006 begehrte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Diese holte ein allgemeinmedizinisches Gutachten von Dr. L. ein. Dieser stellte eine mäßige Belastungs- und Kraftminderung an der rechten Schulter durch Schädigung der Schulterdrehmanschette rechts mit Zustand nach Dekompressionsoperation Mai 2005, geringe Schulterenge links, wiederkehrende Rücken-/Beinschmerzen links (Lumboischialgie) ohne Bewegungseinschränkung oder akute Nervenwurzelreizsymptomatik, eine vorbeschriebene Persönlichkeitsstörung mit verminderter Konfliktfähigkeit und Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen, einen unbehandelten Bluthochdruck sowie mäßiges Übergewicht fest. Auch er bescheinigte dem Kläger noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für Tätigkeiten als CNC-Fräser und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Beklagte holte eine Arbeitgeberauskunft der Firma E.-Werke vom 8. Juni 2006 ein. Daraus geht hervor, dass die vom Kläger verrichtete Tätigkeit als Radialbohrer im allgemeinen von Facharbeitern mit einer Ausbildungsdauer von 3,5 Jahren verrichtet würden. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit angefochtenem Bescheid vom 14. November 2006 ab. Der Kläger sei noch in der Lage, 6 Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte ein nervenärztliches Gutachten von Dr. H. vom 3. Mai 2007 ein. Dieser stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Chronische Alkoholabhängigkeit, gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung.
2. Undifferenzierte Somatisierungsstörung.
3. Lumbalsyndrom ohne schwerwiegende Funktionseinschränkung mit Verdacht auf diskrete Irritation der Wurzel L 5 links.
Der Kläger könne noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Fabrikarbeiter mehr als 6 Stunden täglich bis zu mittelschwere Arbeiten verrichten.
Der sozialmedizinische Dienst der Beklagte stellte daraufhin fest, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien noch über 6 Stunden täglich, als Radialbohrer allenfalls 3 bis unter 6 Stunden möglich.

Auf erneute Anfrage der Beklagten teilte die Firma G.-Werke mit, die Tätigkeit des Radialbohrers setze keine Ausbildung als Zerspanungs- oder Industriemechaniker voraus. Mechanische Kenntnisse, wie sie etwa durch eine Ausbildung als Landmaschinenmechaniker erworben würden, seien ausreichend. Der Abschluss als Landmaschinenmechaniker sei deshalb Grundlage für die Einstellung gewesen. Der Kläger sei in Lohngruppe 7 des Lohn- und Gehaltsrahmentarifs der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (Facharbeiter) eingestuft gewesen. Die Anlernzeit eines fachfremden Mitarbeiters hätte ca. sechs Monate gedauert. Von Januar 1992 bis 30. April 1995 sei der Kläger in die Lohngruppe 6 eingestuft gewesen.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2007 zurück. Der Kläger könne noch vollschichtig als Pförtner tätig sein.

Die hiergegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobene Klage wurde nicht begründet. Das SG hat Befundberichte des Orthopäden Dr. T. und des Allgemeinmediziners Dr. H. beigezogen sowie gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Beweis erhoben durch ein orthopädisches Gutachten von Dr. D. vom 18. August 2008. Dieser stellte beim Kläger folgende Diagnosen:
1. Belastungskraftverminderung beider Schultergelenke bei Schädigung der Schulterdrehmanschette beidseits.
2. Zustand nach Dekompressionsoperation Mai 2005.
3. Positives Impingement beide Schultergelenke.
4. Wiederkehrende Rücken- und Beinschmerzen links.
5. Lumboischialgie links ohne Bewegungseinschränkung oder akute Nervenwurzelreizsymptomatik.

Der Kläger könne noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als CNC-Radialfräser oder als Pförtner an einer Nebenpforte 6 Stunden und mehr täglich Arbeiten verrichten. Nicht mehr zumutbar seien schwere und mittelschwere Arbeiten, Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, häufiges Bücken, häufige Überkopfarbeiten, Einfluss von Zugluft, Nässe, Kälte und Temperaturschwankungen. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht.

In seiner Stellungnahme hierzu verwies der Kläger darauf, im Vordergrund seiner Beschwerden stünden die Wirbelsäulenprobleme. Im Frühjahr 1995 sei er vollständig bewegungsunfähig gewesen. Auch habe er Herzprobleme. So habe er am 7. November 2006 eine Herzattacke (Herzrasen, stechende Schmerzen) erlitten. Schließlich leide er unter einem Tinnitus auf beiden Ohren. Es liege auch eine Summierung von Leistungseinschränkungen vor. Der Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit sei die Beklagte nicht nachgekommen. Die Tätigkeit als Pförtner stehe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. Der Kläger genieße auch Berufsschutz als gelernter Landmaschinentechniker. Die Beschäftigung als CNC-Bohrer sei als Facharbeitertätigkeit einzustufen. Als solcher sei der Kläger auch entlohnt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2009 hat das SG die Klage unter Berufung auf das Gutachten von Dr. D. abgewiesen. Berufsschutz als Facharbeiter genieße der Kläger nicht. Der Arbeitgeber habe angegeben, die Tätigkeit eines Radialbohrers habe selbst für Ungelernte nur eine Anlernzeit von sechs Monaten erfordert. Tariflich sei er bei Beginn seiner Tätigkeit nur in Lohngruppe 6 des Metalltarifvertrages eingestuft gewesen. Es sei daher nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte den Kläger als Angelernten im oberen Bereich qualifiziere. Der Kläger könne damit auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, soweit diese nicht von ganz geringem qualitativen Wert seien. Eine Verweisung auf Pförtnertätigkeiten sei damit möglich. Diese Tätigkeit könne der Kläger noch verrichten. Es handele sich um leichte Tätigkeiten ohne schwere Hebe- und Tragebelastungen.

Mit der hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wurde vorgetragen, die psychischen Probleme seien zu wenig berücksichtigt worden. Die Verweisungstätigkeit des Pförtners sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr in nennenswertem Umfang vorhanden. Entsprechende Stellen würden vielmehr firmenintern besetzt.

Der Senat hat im Rahmen eines Erörterungstermins am 30. November 2009 den Personalleiter der Firma E.-Werke einvernommen. Der Zeuge erklärte, die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten entsprächen dem Beruf des Maschinen- und Anlageführers, der eine zweijährige Ausbildungsdauer umfasse. Bei völlig fehlenden einschlägigen Kenntnissen sei eine 24monatige Anlernzeit erforderlich. Über eine 3 1/2 jährige Ausbildung zum Zerspanungs- oder Industriemechaniker müsse man hierfür nicht verfügen. Der Kläger habe nicht an einer CNC-Maschine gearbeitet. Von der Tätigkeit her sei eine Einstufung in die Lohngruppe 6 gerechtfertigt gewesen. Da damals aber keine Möglichkeit bestanden habe, dem Kläger im Wege einer Zulage eine Gehaltserhöhung zukommen zu lassen, sei er in Lohngruppe 7 eingestuft worden.

Der Senat hat gemäß § 106 SGG weiter Beweis erhoben durch ein nervenärztliches Gutachten von Dr. D. vom 6. Dezember 2010. Dr. D. stellte beim Kläger keine wesentliche neurologische Erkrankung fest. Allenfalls bestehe ein Verdacht auf eine leichtgradige
Meralgia paraesthetica. In psychiatrischer Hinsicht bestünden beim Kläger eine paranoide Persönlichkeitsstörung sowie ein Alkoholmissbrauch unter Ausschluss einer wesentlichen hirnorganischen Symptomatik. Im Übrigen verwies der Sachverständige auf die von Dr. D. festgestellten orthopädischen Gesundheitsstörungen. Der Kläger sei unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses in der Lage, 6 Stunden und mehr täglich Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen sowie im Wechsel der Körperhaltung im Freien und in geschlossenen Räumen mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen zu verrichten. Tätigkeiten mit Publikumsverkehr seien aufgrund der Persönlichkeitsstörung nicht mehr zumutbar. Ebenfalls nicht mehr zumutbar seien Arbeiten mit besonderer nervlicher Belastung sowie besonderen Stresssituationen, mit besonderen Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein und die Gewissenhaftigkeit. Tätigkeiten als Bohrwerker an einer Radialbohrmaschine, so wie sie vom Vertreter der Firma G. Werke GmbH beschrieben worden seien, könne der Kläger ebenso wie Tätigkeiten als Tagespförtner an einer Nebenpforte mindestens 6 Stunden täglich verrichten.

Eine Stellungnahme des Klägers hierzu erfolgte nicht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Januar 2009 und des Bescheids der Beklagten vom 14. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2007 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 14. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2007 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 SGB VI zu.

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden verrichten kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt für die Beurteilung des "vergleichbaren Versicherten" ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf". Dieser ergibt sich in der Regel aus der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in Deutschland. Es ist die Berufstätigkeit zugrunde zu legen, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164). Dabei unterscheidet die Rechtsprechung nach dem sogenannten Vier-Stufen-Schema die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion (auch des besonders hochqualifizierten Facharbeiters), des Facharbeiters, des angelernten und des ungelernten Arbeiters. Die Gruppe der angelernten Arbeiter ist in einen unteren Bereich (Anlerndauer mehr als drei Monate bis zu einem Jahr) und in einen oberen Bereich (Anlerndauer mehr als ein Jahr bis zu zwei Jahren) zu unterteilen. Welcher Gruppe des Mehrstufenschemas eine bestimmte Tätigkeit zuzuordnen ist, richtet sich dabei nach der Qualität der verrichteten Arbeit. Kriterien dafür sind: Ausbildung, tarifliche Einstufung, Dauer der Berufsausübung, Höhe der Entlohnung und Anforderungen des Berufes.

Bisheriger Beruf des Klägers in diesem Sinne ist die bei der Firma G.-Werke verrichtete Tätigkeit als Radialbohrer. Der Kläger ist damit der Gruppe der angelernten Arbeiter (oberer Bereich) zuzuordnen. Dies steht für den Senat fest aufgrund der überzeugenden Einlassungen des Zeugen C. in dem Erörterungstermin am 30. November 2009. Die schriftlichen Aussagen des Arbeitgebers zu der Frage, welche Ausbildung bzw. Anlernzeit für die Tätigkeit als Radialbohrer notwendig ist, divergieren sehr stark. Auf der einen Seite wurde ausgeführt, eine sechsmonatige Anlernzeit sei selbst für ungelernte Kräfte ausreichend, auf der anderen Seite wurde eine Facharbeiterausbildung für notwendig erachtet. Der Zeuge C. hat für den Senat nachvollziehbar erklärt, dass die Tätigkeit des Klägers als Radialbohrer derjenigen eines Maschinen- und Anlageführers entspricht, für die eine zweijährige Ausbildungsdauer vorgesehen ist (vgl. insoweit § 2 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer vom 27. April 2004, BGBl. I S. 647 vom 30. April 2004). Eine Facharbeiterausbildung ist für die Bedienung komplizierter CNC-Maschinen erforderlich. Um eine solche hat es sich bei der Maschine, an der der Kläger gearbeitet habe, jedoch nicht gehandelt.

Eine - in der Regel bindende - abstrakte Einstufung der Tätigkeiten eines Radialbohrers, d.h. eine von den Tarifvertragsparteien vorgenommene tarifvertragliche Einstufung dieser Tätigkeitsart durch Aufführung im Tarifvertrag und Zuordnung zu einer Lohngruppe, existiert nicht. Die einschlägigen Lohngruppen des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrags der Metall- und Elektroindustrie in Bayern weisen den Beruf des Radialbohrers nicht gesondert aus. Die konkrete Einstufung eines Versicherten durch den Arbeitgeber in eine bestimmte Lohngruppe ist hingegen nicht bindend (Kass-Komm, § 240 SGB VI Rn. 57). Einer derartigen konkreten Einstufung kommt zwar eine gewisse Indizwirkung für die Wertigkeit der verrichteten Tätigkeit zu, diese Indizwirkung kann jedoch widerlegt werden. Zwar handelt sich bei der Lohngruppe 7, in die der Kläger zuletzt eingestuft war, um eine Lohngruppe, in die Facharbeiter einzustufen sind, die eine ihrem Fach entsprechende abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können und in diesem Fach beschäftigt werden. Der Zeuge C. hat aber nachvollziehbar erklärt, dass die Höherstufung des Klägers von der ursprünglich für ihn geltenden Lohngruppe 6 in die Lohngruppe 7 allein aus dem Wunsch zu Stande kam, dem Kläger eine Gehaltserhöhung zukommen zu lassen. Von der Qualität der Arbeit her wäre eine Einstufung in Lohngruppe 6, in die der Kläger ursprünglich eingestuft war, nach wie vor zutreffend gewesen. Hierbei handelt es sich um eine Lohngruppe, in die qualifizierte angelernte Arbeitnehmer einzustufen sind, die Spezialarbeiten von besonderer Qualität und Schwierigkeit verrichten. Die Höhergruppierung in die Lohngruppe 7 erfolgte also nicht deshalb, weil der Kläger ab diesem Zeitpunkt höherwertigere Tätigkeiten verrichtet hätte. Damit kann aus der Tatsache, dass der Kläger einen Facharbeiterlohn bezogen hat, nicht geschlossen werden, er habe auch tatsächlich Arbeiten auf Facharbeiterniveau verrichtet. Der Kläger hat vielmehr Arbeiten verrichtet, für die eine zweijährige Ausbildung erforderlich ist. Damit ist der Kläger als Angelernter im oberen Bereich anzusehen.

Als Angelernter im oberen Bereich kann der Kläger nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht generell auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Für ihn sind vielmehr Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen, die sich durch Qualitätsmerkmale, wie etwa das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143).

Mit dem von den gerichtlichen Sachverständigen festgestellten Leistungsvermögen ist der Kläger noch in der Lage, die in diesem Sinne sozial zumutbare Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte auszuüben. Zumutbar sind nach Einschätzung des Senats auch Tätigkeiten als Registrator.

Nach den überzeugenden Feststellungen der erfahrenen Gerichtssachverständigen Dr. D. und Dr. D. ist der Kläger noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest leichte Arbeiten mit bestimmten qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Im Vordergrund stehen beim Kläger die Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule und an den Schultern sowie die paranoide Persönlichkeitsstörung bei stattgehabtem Alkoholmissbrauch. Bei der Untersuchung des Achsorgans des Klägers ergab sich eine flache Lendenlordose. Es traten Druckdolenzen im Bereich der cervikalen und lumbalen Paravertebralmuskulatur auf. Die Wirbelsäule ist jedoch normal aufgebaut, die Muskulatur des Rumpfes normal entwickelt. Schultergürtel und Beckenkämme standen gleich hoch. Eine Klopf- oder Stauchempfindlichkeit der Wirbelsäule war nicht festzustellen. Nervenwurzelreizerscheinungen treten beim Kläger nicht auf. Wesentliche Funktionsstörungen von Seiten der Wirbelsäule konnte Dr. D. nicht objektivieren. Im Bereich der Schultern bestehen Defekte der Schulterdrehmanschette. Dies führt zu Beschwerden beim Heben der Arme über die Horizontale. Dr. D. hat hieraus nachvollziehbar abgeleitet, dass dem Kläger häufige Überkopfarbeiten nicht zuzumuten sind. Eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten resultiert hieraus jedoch nicht.

Diese Leistungsbeurteilung wird auch von Dr. D. geteilt. Dieser konnte ebenfalls keine fassbare Schädigung eines peripheren Nerven feststellen. In neurologischer Hinsicht war der Kläger im Wesentlichen unauffällig. In psychiatrischer Hinsicht konnte der erfahrene Gerichtssachverständige keine depressive Störung beim Kläger feststellen. Die bei ihm vorliegende Persönlichkeitsstörung begründet ebenfalls keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens. Der Kläger war in der Vergangenheit trotz der bei ihm schon lange vorliegenden Persönlichkeitsstörung durchaus in der Lage, sich in einem sozialen Umfeld zu integrieren. Dr. D. konnte keinen Grund ausmachen, warum dies in Zukunft nicht ebenfalls möglich sein sollte. Er hat sogar darauf hingewiesen, dass die Eingliederung an einem Arbeitsplatz eher der Stabilisierung als der Verschlechterung dieser Störung dienen würde.

Mit dem von den Gerichtssachverständigen festgestellten Leistungsvermögen ist der Kläger noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich Tätigkeiten als Pförtner an der Nebenpforte zu verrichten. Diese Tätigkeit besteht hauptsächlich darin, überwiegend für den Verkehr der Betriebsangehörigen bei Bedarf von der Pförtnerloge aus Einlass zum Beispiel durch Öffnen einer Schranke oder Pforte mittels Knopfdruck zu gewähren. Der Arbeitsplatz ist in der Regel mit einem Schreibtisch und häufig mit Monitorwänden zur Videoüberwachung des Betriebsgeländes ausgestattet. Schwerpunktmäßig wird eine sitzende Tätigkeit verbunden mit stehenden und gehenden Anteilen ausgeübt. Die Tätigkeit ist nicht mit dem Heben und Tragen von Lasten verbunden. An die Funktionstätigkeit der Arme und Beine werden keine besonderen Anforderungen gestellt. Schließlich sind Pförtner an der Nebenpforte auch keinen besonderen Anforderungen an das Kommunikationsvermögen ausgesetzt, da nur gelegentlich Kontakt mit Mitarbeitern und nur ausnahmsweise mit Publikum stattfindet. Die Tätigkeit finden überwiegend in geschlossenen Räumen statt, nur gelegentlich muss der Pförtner die Pförtnerloge verlassen, um ein Geschehen in der näheren Umgebung zu kontrollieren (vgl. zum ganzen Urteil des Landessozialgericht Sachsen-Anhalt vom 27. Mai 2010, Az. L 3 R 510/06, und vom 15. Januar 2009, Az. L 3 R 108/07, unter Hinweis auf eine eingeholte berufskundliche Stellungnahme, beide Entscheidungen in juris).

Den von den gerichtlichen Sachverständigen festgestellten gesundheitlichen Leistungseinschränkungen des Klägers wird damit Rechnung getragen. Zwar haben Dr. D. und Dr. D. den Einfluss von Kälte, Nässe und Zugluft sowie Publikumsverkehr für nicht mehr zumutbar erachtet. Sie haben jedoch beide in Kenntnis der Anforderungen an die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte diese für zumutbar erachtet. Diese Einschätzung ist für den Senat nachvollziehbar, da der Kläger bei der Tätigkeit als Nebenpförtner nicht ständig den negativen Einflüssen von Kälte, Zugluft und Nässe ausgesetzt ist. Dies ist vielmehr nur bei gelegentlichen Kontrollgängen der Fall. Nachdem dem Kläger auch Anmarschwege zur Arbeitsstätte von über 500 m viermal täglich zuzumuten sind, ist nicht ersichtlich, warum nicht auch gelegentliche Kontrollgänge möglich sein sollten. Publikumsverkehr ist bei Tätigkeiten als Pförtner an der Nebenpforte schließlich nur die Ausnahme. Hierbei handelt es sich nicht um typische Arbeitsabläufe und Belastungssituationen, die dem Abgleich von Anforderungen des Verweisungsberufs und gesundheitlichem Leistungsvermögen des Versicherten zu Grunde zu legen sind (vgl. insoweit KassKomm-Niesel, § 240 SGB VI Rdn. 87).

Nach der vom LSG Sachsen-Anhalt im Rahmen des oben zitierten Verfahrens eingeholten berufskundlichen Stellungnahme sind bundesweit im Bereich der Wach- und Sicherheitsunternehmen noch mehrere 100 Arbeitsplätze der Pförtner an der Nebenpforte verfügbar. Auf Tätigkeiten als Pförtner an der Nebenpforte können - wie das BSG bereits entschieden hat (Urteil vom 12. Februar 2004, B 13 RJ 49/03 R, in juris) Angelernte im oberen Bereich wie der Kläger auch sozial zumutbar verwiesen werden.

Dem Kläger sind nach Auffassung des Senats darüber hinaus auch noch mindestens 6 Stunden täglich Tätigkeiten als Registrator zumutbar. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 6. Oktober 2010, Az. L 13 R 596/09, in juris, dargelegt hat, ist die Tätigkeit eines Registrators als körperlich leichte Tätigkeit zu qualifizieren, welche bereits aus arbeitsorganisatorischen Gründen im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichtet wird. Schweres Heben und Tragen wird nicht gefordert, da in den Registraturen die erforderlichen Hilfsmittel (Registraturwagen, Ablagemöglichkeiten etc.) in der Regel vorhanden sind. Unerheblich ist, dass in Einzelfällen das Heben und Tragen von Lasten bis zu 5 kg anfallen, Arbeiten auf Stehleitern und Zwangshaltungen wie Überkopfarbeiten anfallen könnten. Dr. D. hat nur das Heben und Tragen von schweren Lasten und damit von Lasten zumindest über 5 Kilogramm sowie häufige Überkopfarbeiten ausgeschlossen. Im übrigen hängen die körperlichen Belastungen weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsplatzorganisation ab; folglich sind das Handhaben schwere Aktenvorgänge, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern nicht generell mit der Tätigkeit eine Registraturkraft verbunden.

Der Senat hat auch keinen Zweifel, dass sich der Kläger auf Tätigkeiten als Registrator innerhalb von drei Monaten einarbeiten kann. Dies entspricht der Einarbeitungszeit für eine Registraturkraft, wobei Vorkenntnisse weitgehend ohne Bedeutung sind. An die geistigen Anforderungen einer Tätigkeit als Registraturkraft werden keine über das normal übliche Maß hinausgehende Ansprüche gestellt. Soweit der Arbeitsplatz mit einem vernetzten PC ausgestattet ist (wie zum Beispiel bei der Bundesagentur für Arbeit), können sich auch Beschäftigte ohne Vorkenntnisse bzw. bisher nicht in der Bedienung einer Tastatur geübte Beschäftigte die erforderlichen grundlegenden Kenntnisse innerhalb der Einarbeitungszeit aneignen (vgl. BayLSG, a.a.O.).

Bei Arbeitsplätzen in der Registratur handelt es sich auch nicht um typische Schonarbeitsplätze, für die der Arbeitsmarkt als verschlossen anzusehen wäre; solche Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden und auch zu besetzen (vgl. BayLSG, a.a.O.).

Schließlich ist darauf zu verweisen, dass der Kläger nach den Feststellungen der Gerichtssachverständigen Dr. D. und Dr. D. sogar noch in der Lage ist, seine zuletzt verrichtete Tätigkeit als Radialbohrer, so wie sie von seinem Arbeitgeber beschrieben worden ist, mindestens 6 Stunden täglich auszuüben.

Der Kläger hat nach alledem damit keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 240 Abs. 1, 2 i.V.m. § 43 Abs. 1 SGB VI. Da der Kläger die oben genannten Verweisungsberufe mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, scheidet damit ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI erst recht aus.

Ein Rentenanspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes keine Tätigkeit finden würde. Denn bei ihm liegen weder ein nur eine Teilzeit erlaubendes Erwerbsvermögen noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, durch die für ihn der Arbeitsmarkt verschlossen ist. Insbesondere besteht keine Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers.

Die Berufung war damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§§ 183,193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved