L 13 R 455/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 R 4257/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 455/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Augsburg vom 20. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1964 geborene Klägerin hat von September 1981 bis August 1983 den Beruf der Einzelhandelskauffrau erlernt. Sie war dann - unterbrochen von Zeiten der Kindererziehung - bis Februar 1996 im erlernten Beruf tätig. Nach Zeiten von Schwangerschaft/Mutter-schutz, geringfügiger Beschäftigung und Arbeitslosigkeit absolvierte die Klägerin berufliche Ausbildungen zur Büro-/IT-Fachkraft (Januar bis Oktober 2000) sowie zur Lohnbuchhalterin (Oktober 2001 bis Juli 2002). Zuletzt war sie von August 2002 bis Juni 2003 als Lohnbuchhalterin versicherungspflichtig beschäftigt.

Die Klägerin begehrte mit Antrag vom 18. Mai 2005 Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Diese holte ein neuropsychiatrisches Gutachten von Dr. D. und ein internistisches Gutachten von Dr. B. ein. Dr. D. diagnostizierte bei der Klägerin einen Verdacht auf Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose) sowie eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom. Die Klägerin könne noch als Lohnbuchhalterin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr Arbeiten verrichten. Dr. B. stellte einen Verdacht auf eine entzündliche ZNS- Erkrankung, einen Verdacht auf eine somatoforme Störung sowie eine pulmonale Obstruktion fest. Bezüglich der derzeitigen Leistungsfähigkeit sei eine deutliche Leistungsminderung gegeben. Ob diese organisch oder nur somatoformer Art sei, könne der Gutachter nicht entscheiden. Es könnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur leichte körperliche Tätigkeiten maximal 3 bis unter 6 Stunden durchgeführt werden, unter Umständen auch mit zusätzlichen Pausen.

Die Beklagte lehnte den Antrag daraufhin nach Auswertung der Gutachten durch ihren sozialmedizinischen Dienst, der keine konkrete leistungsmindernde internistische Erkrankung aus dem Gutachten von Dr. B. entnehmen konnte, mit angefochtenem Bescheid vom 25. August 2005 ab. Die Klägerin könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen noch mindestens 6 Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wurde auf das Gutachten von Dr. B. verwiesen, der nur noch ein Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden festgestellt habe. Es bestünden Konzentrationsstörungen mit Vergesslichkeit, ständige Kopfschmerzen und Schwindelanfälle mit Übelkeit, Gelenkschmerzen mit Bewegungseinschränkungen. Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Orthopäden und Sportmediziner Dr. S. vom 4. Mai 2006 ein. Dieser stellte folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. muskuläres Zervikalsyndrom ohne neurologische Ausfälle
2. Arthralgie beider Handgelenke sowie Fingergelenke ohne klinisches oder röntgenologisches Substrat
3. Supraspinatussyndrom beider Schultern ohne Bewegungsbehinderung
4. BWS-Syndrom bei Fehlstatik und diskreter Spondylose
5. LWS-Syndrom ohne Bewegungseinschränkung und ohne neurologische Ausfälle
6. beginnende Femuropatellararthrose beider Kniegelenke
7. Somatisierungsstörung
Die Klägerin könne aus orthopädischer Sicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte bis mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr täglich verrichten. Ergänzend werde auf das Gutachten von Dr. D. verwiesen.

Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2006 zurückgewiesen.

Zur Begründung der hiergegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage wurde erneut auf das Gutachten von Dr. B. hingewiesen. Die Klägerin leide unter Schwin-delanfällen, Konzentrationsstörungen, ständigen Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, einem Erschöpfungssyndrom, Kraftlosigkeit an den Fingern beider Hände, Wirbelsäulenbeschwerden, Magen- und Darmbeschwerden.

Das SG zog die Schwerbehindertenakten beim ZBFS Region Schwaben sowie diverse Befundberichte bei. Es erhob gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Beweis durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. E., eines internistischen Gutachtens von Dr. S. vom 19. Juli 2007 sowie gemäß § 109 SGG durch ein weiteres internistisches Gutachten von Dr. B ...

Dr. E. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 18. Mai 2007 bei der Klägerin als wesentliche Gesundheitsstörung eine somatoforme Schmerzstörung. Der bisherige klinische Verlauf sowie der jetzige Untersuchungsbefund spreche klar gegen das Vorliegen einer Encephalomyelitis disseminata. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 6 Stunden und mehr leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Schicht- und Zeitdruckarbeiten. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.

Dr. S. führte in seinem Gutachten vom 19. Juli 2007 aus, dass die gastrointestinalen Beschwerden, die unklaren Beschwerden und die vielgestalteten Missempfindungen bei nicht sicher nachweisbaren organischen Ursachen mit hoher Sicherheit auf eine somatoforme Störung bei Verdacht auf Depression zurückzuführen seien. Der Verdacht auf eine leichte pulmonale Obstruktion bestehe weiterhin. Auch er bescheinigt der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte Arbeiten unverändert seit Antragstellung. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht.

Dr. B. stellte bei der Klägerin in seinem Gutachten vom 7. Juli 2008 eine chronische Lyme-Borreliose, eine chronische Lyme-Neuroborreliose, eine Autoimmun-Tyreoeditis (M. Hashimoto), einen Verdacht auf Diabetes insibitus, eine Skoliose der Wirbelsäule (Beckenschiefstand, Beinverkürzung) sowie eine leichte Hypercholesterinämie fest. Die Klägerin könne seit Antragstellung nur noch unter 3 Stunden täglich Arbeiten verrichten. Wegstrecken seien nur noch bis zu 200 m zumutbar.

Dr. S. und Dr. E. haben in ihren ergänzenden Stellungnahmen zum Gutachten von Dr. B. an ihrer jeweiligen Leistungsbeurteilung festgehalten.

Nach Beiziehung eines weiteren Befundberichts von Dr. S. wies das SG die Klage mit Urteil vom 20. Mai 2009 unter Berufung auf die Gutachten von Dr. E. und Dr. S. ab. Das Gutachten von Dr. B. sei nicht überzeugend. Dieser stütze die vollständige Erwerbsunfähigkeit der Klägerin allein auf die Diagnose einer Lymeborreliose, ohne einzelfallbezogen die geklagten Gesundheitsbeschwerden nach Art und Umfang sowie in ihrer Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit medizinisch zu beurteilen und zu bewerten.

Mit der hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie leide seit einem Zeckenbiss etwa im Jahr 1980 an Kopfschmerzen, Gesichtsschmerzen, Gelenk- und Wirbelsäulenbeschwerden sowie einer ausgeprägten Müdigkeit und Beschwerden im Magen-Darm-Trakt. Das Gutachten von Dr. B. sei überzeugend. Auch der derzeit behandelnde Internist Dr. S. bescheinigte der Klägerin, aufgrund einer Multisystemerkrankung bei gestörter Energieproduktion nicht arbeitsfähig zu sein.

Der Senat hat die Schwerbehindertenakten beim Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Schwaben (Grad der Behinderung - GdB - 30) sowie Befundberichte des Universitätsklinikums E-Stadt, der Internisten Dr. E. und Dr. D. beigezogen. Er hat gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch ein internistisches, sozialmedizinisch-rheumatologisches und psychotherapeutisches Gutachten vom 1. Oktober 2010 von Professor Dr. C ... Professor Dr. C. stellte bei der Klägerin folgende Diagnosen:
1. undifferenzierte Somatisierungsstörung bei histrionischer Persönlichkeitsentwicklung ohne Anhalt auf signifikante psychoaffektive Störung, verbunden mit multiplen, wechselnd führenden körperbezogenen Beschwerden und Funktionseinschränkungen unter Einschluss von u.a. einem Reizdarmsyndrom, rezidivierender Opstipation im Wechsel mit Diarrhöen, multimodalen Schwindelbeschwerden, wechselnden Schwellungsgefühlen unterschiedlicher Lokalisierung ohne Hinweis auf fremddiagnostisch erwogene Organerkrankungen im Sinne einer chronischen Borreliose und Neuroborreliose, einer Epstein-Barr-Virus-Infektion oder einer Multiplen Sklerose
2. Arthralgien und Dorsalgie bei myodegenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit leichter rechts-linkskonvexer skoliostischer Verbiegung sowie kernspintomographisch nachgewiesenen Bandscheibenschäden im HWS-Bereich bei fehlenden Hinweisen auf nervale Kompression
3. chronische Bronchitis bei jahrzehntelangem Zigarettenrauchen
4. vermutlich familiäre Hypercholesterinämie, anamnestisch Blutzuckerschwankungen und intermittierende Hyperurikämie sowie eigenanamnestisch Blutdruckregulationsstörung, außerdem intermittierend erhöhte Aktivität der leberspezifischen Enzyme bei aktenkundigen Hinweisen auf nutritiv-toxische Genese und hochnormalem Körpergewicht
5. fremddiagnostisch multiple Poliposis coli und Hämorrhoidalleiden mit Notwendigkeit engmaschiger coloskopischer Kontrollen
6.
Autoimmunthyreoiditis mit klinischer Euthyreose und zumeist laborchemisch unauffälligen peripheren Hormonparametern im Sinne der Euthyreose, bei allerdings wiederholt erhöhtem TSH im Sinne einer latenten Hyperthyreose unter Hormonsubstitution und kontinuierlicher endokrinologischer Kontrolle
7. eigenanamnestisch vermutlich solitäre Leber- und Nierenzysten
8. seit Jahren vermutlich stationäre Netzröte der Bauchhaut bei laborchemischem sowie histologischem Ausschluss einer Vaskulitis bzw. Autoimmunopathie
9. Siccasymptomatik ohne Hinweis auf Systemerkrankung bzw. Autoimmunopathie bzw. Sjögrensyndrom.

Die Klägerin könne seit Rentenantragstellung noch durchgängig leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit den arbeitsüblichen Unterbrechungen im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen in geschlossenen Räumen 6 Stunden täglich verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Arbeiten unter Zeitdruck (Akkord, eng getaktete Arbeiten, Fließbandarbeiten), Arbeiten mit besonderen Anforderungen an den Gleichgewichtssinn, Nacht- und Wechselschichttätigkeiten, Zwangshaltungen, Arbeiten im länger andauernden Bücken und Hocken oder Knien, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten bei Kälte, Nässe und Hitze sowie starken Temperaturschwankungen oder in Zugluft. Die Exposition gegenüber Gasen, Dämpfen und Rauch sei ebenfalls zu meiden. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor. Die Klägerin könne auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen.

In ihrer ausführlichen Stellungnahme hierzu hat die Klägerin sich mit zahlreichen Details des Gutachtens von Professor Dr. C. auseinandergesetzt sowie Befundberichte des Internisten Dr. R. vom 27. September 2010 sowie weitere Befundberichte aus den Jahren 2007 bis 2009 übersandt.

In der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2011 wurde von Seiten der Klägerin ein Befundbericht des Radiologen W. vom 19. Januar 2011 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 20. Mai 2009 und des Bescheids der Beklagten vom 25. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2006 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 25. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2006 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI oder Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI zu. Ein Anspruch wegen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet von vornherein aus, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Gem. § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (ab 1. Januar 2008: bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze) Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach den überzeugenden Gutachten von Professor Dr. C., Dr. E. und Dr. S. steht für den erkennenden Senat fest, dass bei der Klägerin weder eine quantitative noch eine rentenrelevante qualitative Leistungsminderung vorliegt. Die Klägerin ist nach wie vor in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Der abweichenden Einschätzung von Dr. B. folgt der Senat nicht.

Bei der Untersuchung der Klägerin durch den erfahrenen Gerichtssachverständigen Professor Dr. C. war die Klägerin in einem guten Allgemeinzustand ohne Ikterus, Zyanose oder Blässe bei normalem Ernährungszustand. Die Untersuchung der Schleimhäute und der Lymphknoten ergab keine Auffälligkeiten, insbesondere zeigten sich keine Ödeme. Zwar machte die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 16. Dezember 2010 unter Bezugnahme auf einen Befundbericht von Dr. R. vom 27. September 2010 nach wie vor geltend, bei ihr lägen immer wieder Ödeme vor, sie hätten auch zum Untersuchungszeitpunkt vorgelegen. Der Senat hat aber keinerlei Anlass, an den gutachterlichen Feststellungen von Professor Dr. C. zu zweifeln. Gestützt wird dies auch durch den Befundbericht des Internisten und Nephrologen Dr. R. vom 27. September 2010. Aus dem geht zwar hervor, dass sich die Klägerin wegen rezidivierender Ödeme an Beinen und im Gesicht vorgestellt hat. Dr. R. konnte im deutlichen Gegensatz zu dem Anlass der Klägerin zur Vorstellung bei Dr. R. und in Übereinstimmung mit den Feststellungen von Professor Dr. C. jedoch weder Ödeme noch Lymphknotenschwellungen feststellen.

Bei der Untersuchung von Kopf und Hals der Klägerin fand Prof. Dr. C. allein eine endgradige Bewegungsschmerzhaftigkeit des Kopfes in allen Ebenen, im übrigen war der Status unauffällig. Bei der Untersuchung von Herz und Kreislauf ergaben sich keine Auffälligkeiten. Die Herzaktionen waren normfrequent und regelmäßig, die Herztöne rein ohne Herzgeräusche. Auch die Atmung war normfrequent bei beidseits gleichstehenden und normal verschieblichen Lungengrenzen.

Die Wirbelsäule der Klägerin ist leicht rechts - linkskonvex verbogen bei Beckengeradstand. Die Halswirbelsäule zeigte eine unauffällige Lordose bei nur endgradiger konzentrischer Bewegungseinschränkung. An der Brustwirbelsäule zeigte sich keine vermehrte Kyphose, der paravertebrale Muskeltonus war allenfalls grenzwertig erhöht. Hinweise auf segmentale Störungen zeigten sich nicht. Die Lendenwirbelsäule war ebenfalls nur endgradig konzentrisch bewegungseingeschränkt bei unauffälliger Lordose. Muskelathropien oder -hypoplasien liegen bei der Klägerin nicht vor.

Die Beweglichkeit der Schultergelenke waren hinsichtlich Abduktion, Adduktion und Rotation nicht eingeschränkt bei normalem Muskelrelief beidseits ohne Hinweis auf Atrophien. Ein schmerzhafter Bogen trat nicht auf. Der Klägerin gelangen auch wiederholt und zügig die Funktionsgriffe (Nacken-/Schürzengriff).

Die Hand- und Ellbogengelenke der Klägerin waren beidseits frei beweglich. Die Handfunktion war unauffällig mit kompletter Handöffnung und -spreizung, Erhaltung der Grifffunktionen und beidseits seitengleicher, nur leicht eingeschränkter Kraftentfaltung.

Die Hüftgelenke der Klägerin waren beidseits endgradig in der Innenrotation schmerzhaft, im übrigen jedoch unauffällig, insbesondere bewegungsfrei. Auch an den Kniegelenken zeigten sich keine eingeschränkte Flexion. Die Seiten- und die Kreuzbänder waren nicht gelockert, der Muskelapparat unauffällig. Auch die oberen und unteren Sprunggelenke waren funktionell ohne Auffälligkeiten, die Abrollfunktion war ungestört. Das Gangbild der Klägerin weist dementsprechend auch keine Auffälligkeiten auf. Die Klägerin bedarf keiner Gehhilfen, eine Gangunsicherheit liegt nicht vor.

Die neurologische Befunderhebung erbrachte, abgesehen von einer grenzgradigen Hervorgehobenheit der Muskeleigenreflexe beidseits im Bereich der Beine keine Auffälligkeiten. Der Spitz-Stumpf-Diskriminationstest war unauffällig, ebenso das Temperatur- und Vibrationsempfinden beidseits.

In psychischer Hinsicht war die Klägerin bewusstseinsklar bei normaler Orientierung zu Person, Ort und Zeit. Störungen der Aufmerksamkeit, Konzentration, Auffassung oder Intelligenzleistung konnten von Professor Dr. C. nicht positiviert werden. Formale oder inhaltliche Denkstörungen, Zwänge, Phobien oder objektfreie Ängste liegen nicht vor. Der Antrieb war ungestört bei unauffälliger Psychomotorik. Auch eine Störung von Stimmung und Affekten konnte Professor Dr. C. nicht feststellen. Psychomental fielen dem erfahrenen Sachverständigen vielmehr eine eher überdurchschnittliche Durchhaltefähigkeit und eine ausgeprägte Fähigkeit zur wachen Kommunikation auf.

Die noch im Verwaltungsverfahren stark in den Vordergrund gerückte Verdachtsdiagnose einer Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose) wurde bis heute nicht erhärtet. Grund für nach wie vor diesbezüglich bestehende Unsicherheit ist, dass die Klägerin die zu einer Bestätigung dieser Erkrankung unabdingbare Liquorpunktion ablehnt. Nach den Ausführungen von Professor Dr. C., die mit denen der Vorgutachter im sozialgerichtlichen Verfahren übereinstimmen, ist das Vorliegen einer Encephalomyelitis disseminata mittlerweile jedoch als ganz unwahrscheinlich anzusehen. Weitere kernspintomographische Untersuchungen des Gehirns der Klägerin haben einen meist unveränderten bzw. nicht progredienten Befund gezeigt. Auch die Klägerin geht davon aus, nicht unter dieser Erkrankung zu leiden.

Auch aus der chronischen Lyme-Neuroborreliose lässt sich nach Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit Professor Dr. C. und Dr. E. keine quantitative Leistungsminderung bei der Klägerin für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ableiten. Die insoweit abweichende Auffassung von Dr. B., der die Notwendigkeit einer Berentung der Klägerin schwerpunktmäßig auf das Vorliegen einer als gesichert anzunehmenden Lyme-Borreliose stützt, ist nicht überzeugend. Insoweit ist zunächst darauf zu verweisen, dass eine Neuroborreliose bisher nicht mit der notwendigen Sicherheit nachgewiesen ist. Die Klägerin hat bereits mehrfach die risikoarme Liquorpunktion abgelehnt, mit der - bei Auftreten eines positiven Befunds - eine Neuroborreliose nachgewiesen werden könnte. Zwar ist Dr. B. zuzugestehen, dass eine Neuroborreliose in ca. 30 % der Fälle auch dann vorliegen kann, wenn sich bei dieser Untersuchung ein negativer Befund ergibt. Angesichts der diffusen klinischen Ausgangssituation könnte nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Professor Dr. C. ein eventueller Negativbefund jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diese Erkrankung ausschließen. Klassische Manifestationen einer chronischen Borreliose wie etwa Arthritiden liegen bei der Klägerin nicht vor. Es gibt allein einige, eher gering ausgeprägte, positive serologische Befunde, die wegen ihrer Grenzwertigkeit und wechselnder Positivität keine Aussage über die Aktivität oder Nichtaktivität einer manifesten Borreliose geben können. Auch die intracerebralen "Herdchen", auf die sich Dr. B. ebenfalls beruft, sind nach den Feststellungen der radiologischen Befundersteller unspezifisch und weder ein sicherer Beleg für eine Multiple Sklerose noch für eine Neuroborreliose. Solche Herde können nach den Feststellungen von Dr. E. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 6. Februar 2009 auch bei gesunden Personen auftreten. Eine ausgeprägte Fatique-Symptomatik, die die Klägerin fundamental und vital beeinträchtigen würde, konnte Professor Dr. C. ebenfalls nicht feststellen. Sicher belegt ist nach den Feststellungen von Professor Dr. C. allein, dass ein Kontakt mit Borrelien stattgefunden hat.

Das Gutachten von Dr. B. leidet also, wie bereits Dr. E. hervorgehoben hat, vor allem darunter, dass er den Nachweis einer Neuroborreliose mangels Durchführung einer Liquorpunktion und ohne nähere Auseinanderaussetzung mit dem Umstand, dass bei der von ihm veranlassten Blutuntersuchung die Borrelienserologie negativ war, im Ergebnis allein auf die Beschwerdeschilderungen der Klägerin stützt, die er allesamt ohne jegliche Differenzierung als Beweis für eine chronische Lyme-Borreliose interpretiert. Aus der so gewonnenen Diagnose leitet er dann eine Minderung des Leistungsvermögens auf unter drei Stunden ab. Eine genaue Feststellung der bei der Klägerin tatsächlich vorliegenden Funktionsstörungen, die über die Wiedergabe der von der Klägerin vorgetragenenen Beschwerden hinausgeht, bleibt Dr. B. im wesentlichen schuldig. Die von ihm angeführten Fußheber- und Fußbeugerschwächen, die weder von Dr. E. noch von Prof. C. beobachtet werden konnten, können, selbst wenn man ihr dauerhaftes Vorliegen trotz der entgegenstehenden Feststellungen von Dr. E. und Dr. C. unterstellen sollte, eine Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin auf unter drei Stunden nicht rechtfertigen.

Das insbesondere durch den behandelnden Rheumatologen Dr. E. in den Raum gestellte Sjögren-Syndrom liegt bei der Klägerin nicht vor. Hierbei handelt es sich um eine autoimmunologische Erkrankung, bei der eine "Siccasymptomatik" (Trockenheit der Schleimhäute speziell im Mund, im Nasenraum und in den Augen infolge einer verminderten Produktion von Speichel und Tränen) auftritt und die durch den Nachweis von SSA- und SSB-Antikörpern gekennzeichnet ist. Die Kläger leidet zwar nach ihren nicht objektivierbaren Angaben - Tests hinsichtlich der Produktivität der Speichel- bzw. Tränendrüsen waren negativ - unter einer Siccasymptomatik. Ein Nachweis für ein Sjögren-Syndrom, das im weiteren Verlauf zu Komplikationen und Beeinträchtigung innerer Organe führen kann, liegt jedoch nach den Feststellungen von Professor Dr. C. nicht vor.

Als wesentliche Erkrankung verbleibt damit bei der Klägerin eine Vielzahl unterschiedlicher somatoformer Störungen, die sich insbesondere in Bauch- und multiplen Gelenkbeschwerden äußern. Der von Professor Dr. C. erhobene Psychostatus und die von ihm durchgeführte Anamnese belegen nach seinen Angaben jedoch nicht bedrohliche, zu einer starken Einengung des Verhaltens und Erlebens führende Auswirkungen dieser Störungen. Zudem sind die Auswirkungen dieser Störung bei entsprechender Motivation nach den Feststellungen von Dr. E. besserbar. Danach kann die Klägerin auch ihre seelische Hemmungen gegenüber der Verrichtung von Arbeitsleistungen mit ärztlicher Hilfe überwinden.

Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 16.12.2010 übermittelten Einwendungen gegen das Gutachten von Prof. Dr. C. hat der Senat zu Kenntnis genommen, sie können ihn jedoch nicht davon überzeugen, dass die von Prof. Dr. C. vorgenommene sozialmedizinische Bewertung unzutreffend wäre. Die beigefügten Befundberichte sind überwiegend älteren Datums und lagen Professor Dr. C. bereits vor. Aus dem aktuellen Befundbericht von Dr. R. vom 27. September 2010 ergibt sich nur, dass bei der Klägerin eine altersentsprechend regelrechte Nierenfunktion vorliegt. Hinweise auf eine Mikrohämaturie oder eine Mikroalbuminurie fanden sich nicht. Der Senat hat auch keinen Anlass zu Zweifeln, dass Professor Dr. C. die von ihm im einzelnen aufgeführten zahlreichen Befundberichte zur Kenntnis genommen und ausgewertet hat. Die von der Klägerin angeführten zahllosen nicht geklärten Gesundheitsstörungen (z.B. marmorierte Haut, ständige Opstipationen, Elektrolytverluste, Eisenverlust) wurden von Prof. Dr. C., soweit sie nachweislich vorliegen und tatsächlich funktionelle Auswirkungen haben, bei seiner gutachterlichen Bewertung berücksichtigt. Aus dem in der mündlichen Verhandlung nachgereichten Befundbericht des Radiologen Dr. W. ergeben sich ebenfalls keine neuen Befunde. Dr. W. bestätigt vielmehr nur das Vorliegen der von Prof. Dr. C. bereits gutachterlich gewürdigten Schilddrüsenerkrankung.

Eine rentenrelevante qualitative Leistungseinschränkung ergibt sich weder aus den vorliegenden Gutachten noch aus den Befundberichten, insbesondere hat Prof. Dr. C. keine Hinweise für Beschränkungen der Klägerin hinsichtlich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte finden können. Angesichts des von Prof. Dr. C. beschriebenen Gangbilds und dem Fehlens jeglicher Gehhilfen kann sich der Senat auch insoweit nicht der Auffassung von Dr. B. anschließen, wonach der Anmarschweg der Klägerin auf 200 m beschränkt sein soll.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin in der Lage war und ist, mindestens 6 Stunden täglich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung kommt damit nicht in Betracht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved