Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 SB 235/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 218/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) und die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G streitig.
Mit Bescheid vom 17.07.2003 stellte das Versorgungsamt S. bei dem am 14.04.1952 geborenen Kläger einen GdB von 40 seit 19.02.2003 fest. Dieser Entscheidung lag vor allem der Kurentlassungsbericht der Orthopädisch-Rheumatologischen Fachklinik B. S. vom 27.03.2003 zugrunde, in dem im Wesentlichen ein Schienbeinbruch links (08.02.2003), eine post-operative Unterschenkelvenenthrombose links, Lumboischialgien links und ein rezidivierendes Schwindelgefühl und Synkopen unklarer Genese diagnostiziert wurden.
Am 12.08.2005 beantragte der Kläger beim Landratsamt E. (LRA) die Erhöhung des GdB und begründete dies unter Vorlage des Berichts der Radiologischen Gemeinschaftspraxis M. Dres. H./B./B. vom 26.04.2005 über die Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule vom 05.04.2005, von Teilen der Ambulanzkarteneinträge von Prof. Dr. H., Chefarzt des Klinikum H., vom 16.06. und 20.06.2005 und des Berichts des Augenarztes Dr. A. vom 26.07.2005 damit, sein Gesundheitszustand habe sich seit dem Jahre 2000 wieder verschlechtert. Aktuell gehe der befragte Arzt von einem GdB von offensichtlich 80 bis 90 aus. Da er kaum länger als 5 Minuten stehen und gehen könne, benötige er zur selbständigen Erledigung der täglichen Besorgungen einen Parkausweis, um auf Behindertenparkplätzen parken zu können.
In der vom LRA eingeholten gutachterlichen Stellungnahme wurden folgende Funktionsstörungen berücksichtigt:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelgleiten, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen GdB 30 2. Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks GdB 30 3. postthrombotisches Syndrom linksseitig GdB 10 4. Sehbehinderung GdB 20.
Insgesamt liege ein GdB von 50 vor. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung von Nachteilsausgleichen, insbesondere der Nachteilsausgleiche G und aG, lägen nicht vor. Der Kläger könne ortübliche Wegstrecken zurücklegen. Mit Bescheid vom 16.09.2005 hob das LRA den Bescheid vom 17.07.2003 auf und stellte einen GdB von 50 seit 12.08.2005 fest. Die Feststellung der Nachteilsausgleiche G und aG wurde hingegen abgelehnt.
Dagegen legte der Kläger am 16.10.2005 Widerspruch ein und machte insbesondere einen höheren GdB geltend. Er brachte vor, offensichtlich seien nicht alle Funktionsstörungen aus dem vorigen Bescheid übernommen worden. Zwischenzeitlich habe er einen weiteren Bandscheibenvorfall im Segment L4/L5 erlitten. Die hiervon rührenden Beschwerden strahlten permanent in das rechte Bein aus. Er könne nur sehr kurz stehen und auch nur noch zwischen 20 bis 60 m gehen, da die Schmerzen unerträglich würden. Er legte den Untersuchungsbericht der Ärztin für Neurologie Dr. S.-G. vom 26.09.2005 vor. Dr. S. vom Ärztlichen Dienst des LRA gelangte in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 22.11.2005 zu dem Ergebnis, die Funktionseinschränkungen seitens des Stütz- und Bewegungsapparates seien nach den im Untersuchungsbericht vom 26.09.2005 beschriebenen Befunden geringfügig. Die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G seien nicht erfüllt. Die Funktionsstörung Schwindel sei im Rahmen der Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule mitberücksichtigt und müsse nicht gesondert tenoriert werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers zurück. Die Auswirkungen der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen begründeten keinen höheren GdB als 50. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf den Nachteilsausgleich G.
Am 12.01.2006 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er einen höheren GdB als 50 und den Nachteilsausgleich G geltend machte. Er brachte vor, dass bei ihm Beeinträchtigungen in drei Wirbelsäulenabschnitten vorlägen. Ferner sei infolge des Schienbeinbruchs die Geh- und Standfestigkeit erheblich eingeschränkt. Er könne nur noch kurze Strecken gehen und unter erheblichen Schmerzen stehen. Ihm stehe daher der Nachteilsausgleich G zu. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er ständig Doppelbilder sehe und unter Schwindel ungeklärter Ursache leide.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und hielt die Voraussetzungen für einen höheren GdB als 50 und die Feststellung des Nachteilsausgleiches G nicht für erfüllt. Er legte hierzu die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. K. vom 02.11.2006 vor.
Das SG hörte Dr. A., den Orthopäden Dr. B., den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. sowie die Orthopäden Dr. B., Dr. V. und Dr. H. (als Vertreter von Dr. M.) schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. A. teilte mit, die letzte Untersuchung am 05.07.2005 habe eine korrigierte Sehschärfe von 100 % beidseits ergeben. Die nach Angaben des Klägers "schon immer" bestehenden Doppelbilder nach rechts könne er - so der Kläger - gut ausgleichen (Aussage vom 17.07.2006). Dr. B. berichtete unter dem 14.07.2006 über den Behandlungsverlauf vom 13.07.2000 bis 28.06.2005. Er bezeichnete die von ihm diagnostizierten Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet als mittelschwer und gab an, die üblichen Wegstrecken könnten vom Kläger nach den bis 28.06.2005 erhobenen Befunden zurückgelegt werden. Dr. B. legte den Kurentlassungsbericht der T.klinik B. K. vom 26.09.2005 vor. In seinem Bericht vom 19.07.2006 schilderte Dr. Z., der die ihm vorliegenden weiteren ärztlichen Unterlagen übersandte, den Krankheitsverlauf seit August 2005 und gab an, er habe den Kläger in diesem Zeitraum nicht untersucht. Sein Lendenwirbelsäulenleiden schätze er als mittelgradig ein. Der Orthopäde und Badearzt Dr. B. äußerte sich mit Schreiben vom 25.07.2006 unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen (einschließlich der Ambulanzkarteneinträge von Prof. Dr. H. vom 04.07.2003, 16.06.2005 und 20.06.2005) zu den Behandlungen des Klägers seit Juli 2000 und teilte mit, mangels Befunderhebung könne er sich zu den weiteren Beweisfragen nicht äußern. Dr. V. berichtete am 25.07.2006 - ebenfalls unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen - über die Behandlung des Rückenleidens des Klägers am 29.03.2006 und gelangte zu der Einschätzung, es läge eine Erkrankung im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule vor, die vom Beklagten zutreffend bewertet worden sei. Dr. H., Vertreter des Orthopäden Dr. M., äußerte sich unter dem 24.07.2006 zur Behandlung der orthopädischen Gesundheitsstörungen des Klägers seit 29.10.2004 und gab an, beim Kläger lägen jeweils mittelgradige Funktionsstörungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und im Bereich des linken Kniegelenks (bei Zustand nach Tibiakopffraktur und Metallentfernung mit noch bestehendem Streckdefizit von 10° und mäßigen Beugedefizit sowie Oberschenkelmuskelatrophie) vor, die jeweils mit einem GdB von 30 einzustufen seien. Insgesamt liege ein GdB von unter 50 vor. Die Gehfähigkeit des Klägers sei eingeschränkt; die Bewältigung von 2 km in einer halben Stunde sei insofern nicht gewährleistet.
Anschließend holte das SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Prof. Dr. H. ein orthopädisches Gutachten ein. Dieser diagnostizierte in seinem schriftlichen Gutachten vom 08.05.2007 im Wesentlichen eine fixierte Fehlhaltung der Brustwirbelsäule mit nachfolgender Fehlstatik (GdB 10), eine Instabilität der Lendenwirbelsäule im Bereich L5/S1 (GdB 30) und Einschränkungen im Bereich beider Kniegelenke (streng GdB 20, großzügig GdB 30). Der Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, bei großzügiger Bewertung der Funktionsstörungen des Klägers sei ein GdB von 50 und bei sehr strenger Beurteilung (nur) ein GdB von 40 anzunehmen. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr liege nicht vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2007 wies das SG die Klage ab. Es hielt - gestützt auf die aktenkundigen ärztlichen Unterlagen - einen GdB von mehr als 50 nicht für angemessen und verneinte auch die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G.
Dagegen hat der Kläger am 11.01.2008 Berufung eingelegt, mit der er einen GdB von 60 und den Nachteilsausgleich G geltend macht. Er bringt vor, seine orthopädischerseits vorliegenden Beschwerden hätten zugenommen. Er legt den Untersuchungsbericht von Dr. H. vom 13.10.2008 vor. Ferner sei er psychisch beeinträchtigt, was ebenfalls bei der Bemessung des GdB berücksichtigt werden müsse.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2007 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 16. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 60 und den Nachteilsausgleich G ab 12. August 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Voraussetzungen für die Bewertung der Funktionsstörungen des Klägers mit einem GdB von 60 und den Nachteilsausgleich G seien nicht erfüllt. Hierzu legt er die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 08.07.2010 vor.
Der Senat hat Dr. A., den Orthopäden Dr. S., Dr. B. und den Nervenarzt Dr. L. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. A. hat im Februar 2009 angegeben, der Kläger habe sich seit Dezember 2006 nicht mehr bei ihm vorgestellt. Dr. S. hat sich mit Schreiben vom 21.09.2009 über die Behandlung des Klägers seit November 2007 geäußert und angegeben, der Kläger habe über Rückenbeschwerden und Beschwerden im Bereich des linken Knies geklagt. Im Februar 2008 habe allenfalls eine leichte Beugebeeinträchtigung im linken Knie (0/0/130°) bestanden. Schwerwiegende funktionelle Beeinträchtigungen seien nicht festgestellt worden. Die vom Beklagten erfolgten Bewertungen der Funktionsstörungen auf orthopädischem Gebiet seien als relativ hoch anzusehen. Beim Kläger lägen keine erheblichen Bewegungseinschränkungen der Bewegungsorgane vor, so dass solche auch nicht im Bereich des Straßenverkehrs vorlägen. Dr. B. hat unter dem 08.04.2010 über die Behandlungen des Klägers am 28.10.2008 und 23.11.2009 berichtet. Unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen hat er die am 23.11.2009 erhobenen Befunde mitgeteilt. Dr. L. hat am 12.07.2010 angegeben, der Kläger habe sich bei ihm einmalig am 19.03.2010 vorgestellt. Es habe auf dem Boden eines chronifizierten Schmerzsyndroms und nach beruflichem Kränkungserlebnis bei entsprechender Persönlichkeitsstruktur eine mittelgradige depressive Episode bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 60 und auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 16.09.2005 (Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005), mit dem der Beklagte wegen wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers den GdB von bisher 40 auf 50 erhöht, eine weitergehende Erhöhung und die Feststellung des Nachteilsausgleichs G aber abgelehnt hat. Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass eine Erhöhung des GdB auf 60 gerechtfertigt sei und er auch Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G habe.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist in der angefochtenen Entscheidung unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschiften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers ab 12.08.2005 keinen höheren GdB als 50 bedingen und der Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G zu Recht verneint hat. Der Senat kommt unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ergebnisse der im Berufungsverfahren erfolgten weiteren medizinischen Sachaufklärung zum selben Ergebnis. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers rechtfertigen keinen höheren GdB als 50. Ferner liegt bei ihm keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vor. Diese Beurteilungen gründen sich im Wesentlichen auf die Angaben der vom SG gehörten behandelnden Ärzte des Klägers, das vom SG nach § 109 SGG eingeholte orthopädische Gutachten von Prof. Dr. H., die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte sowie die vom Senat im Berufungsverfahren gehörten behandelnden Ärzte des Klägers.
Eine Würdigung der umfangreichen aktenkundigen ärztlichen Unterlagen ergibt, dass der Kläger in erster Linie durch seine auf orthopädischem Gebiet liegenden Leiden einschließlich der damit verbundenen Schmerzen beeinträchtigt ist. Hinzu kommen noch - in geringerer Ausprägung - eine Sehbehinderung, ein postthrombotisches Syndrom links, ein Schwindel und eine psychische Störung.
Die beim Kläger vorliegende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule einschließlich Wirbelgleiten, Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen bedingt keinen höheren GdB als 30. Diese Bewertung setzt bereits Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) voraus. Erst Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten sind mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten (Teil B 18.9 der VG). Dabei kann ein GdB von 40 erst angenommen werden, wenn schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Davon kann hier nicht die Rede sein. Beim Kläger bestehen zwar Funktionsstörungen sowohl im Bereich der Brust- als auch im Bereich der Lendenwirbelsäule. Schwere funktionelle Auswirkungen liegen jedoch nicht vor. Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG vom SG gehörte Sachverständige Prof. Dr. H. diagnostizierte insoweit im Wesentlichen eine fixierte Fehlhaltung der Brustwirbelsäule mit nachfolgender Fehlstatik (mit Teil-GdB 10) und eine Instabilität der Lendenwirbelsäule im Bereich L 5/S1 und nahm hierfür einen GdB von 30 an. Die vom SG gehörten Ärzte Dr. B., Dr. Z. und Dr. H. bezeichneten die auf orthopädischem Gebiet bestehenden Funktionsstörungen bzw. sein Lendenwirbelsäulenleiden als mittelschwer bzw. mittelgradig und Dr. V. äußerte sich dahingehend, beim Kläger läge eine Erkrankung im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule vor, die vom Beklagten zutreffend bewertet worden sei. Schließlich teilte Dr. S. mit, der den Kläger seit November 2007 behandelt, dass er keine schwerwiegenden funktionellen Beeinträchtigungen festgestellt habe und die vom Beklagten erfolgten Bewertungen der orthopädischen Funktionsstörungen als relativ hoch anzusehen seien. Diese Beurteilungen und Einschätzungen bieten keinen Anhalt dafür, dass der Kläger an einem schweren - einen GdB von 40 bedingendem - Wirbelsäulenleiden erkrankt ist.
Das weitere, das orthopädische Gebiet betreffende Leiden des Klägers, die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, ist nach Auffassung des Senats mit einem GdB von 20 zutreffend bewertet. Eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (Streckung/Beugung bis 0/0/90) bedingt bei einseitiger Beeinträchtigung nach Teil B 18.14 der VG einen GdB von 0 bis 10. Erst bei einer Bewegungseinschränkung mittleren Grades (Streckung/Beugung 0/10/90) ist ein GdB von 20 anzusetzen. Nachdem keiner der den Kläger behandelnden Orthopäden Bewegungsmaße mitgeteilt hat, die auf eine stärkere Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk (z. B. Streckung/Beugung 0-30-90) schließen lassen, und der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 08.05.2007 insoweit nur ein Beuge- und Streckdefizit im Bereich des linken Kniegelenks von 0-15-120 beschrieben hat, ist allenfalls von einer Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk mittleren Grades auszugehen, die auch unter Berücksichtigung der damit üblicherweise verbundenen Schmerzen (vgl. Teil A 2 j) der VG) - außergewöhnliche Schmerzen sind nicht belegt - mit einem GdB von 20 zu bewerten ist. Wenn Prof. Dr. H. diese Funktionsstörung mit einem GdB von 20 bis 30 bewertet, ist deshalb gleichwohl nach seinem Befund unter den normativen Vorgaben der VG ein GdB 30 nicht zu begründen.
Die Sehbehinderung des Klägers ist - entsprechend Teil B 4 der VG - ebenfalls nicht zu niedrig bewertet. Bei einer korrigierten Sehschärfe von 100 % bds. (Angaben Dr. A. vom 17.07.2006) ergibt sich kein GdB. Da der Kläger aber glaubhaft angegeben hat, dass er immer wieder Doppelbilder sehe, ergibt sich (nur) hierdurch ein GdB. Der Senat nimmt insoweit in Übereinstimmung mit dem SG, das sich auf die Bewertung von Dr. A. gestützt hat, ebenfalls einen - sicherlich wohlwollend bemessenen - GdB von 20 an.
Hinzu kommt noch das mit einem GdB von 10 zu bewertende postthrombotische Syndrom linksseitig sowie ein Schwindel. Diese Funktionsstörungen bedingen jeweils nur einen GdB von 10. Im Erstbescheid vom 17.07.2003 wurde ein - versorgungsärztlicherseits mit einem GdB von 10 bewerterter - Schwindel berücksichtigt, der weiterhin vorliegt und deshalb auch weiter (mit einem GdB von 10) zu berücksichtigen ist.
Ferner leidet der Kläger an leichteren psychischen Störungen, die keinen höheren GdB als 10 bedingen. Nach Teil B 3.7 der VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0-20 zu bewerten Erst stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bedingen danach einen GdB von 30 bis 40. Der Nervenarzt Dr. L., bei dem sich der Kläger lediglich einmalig am 19.03.2010 vorgestellt hat, diagnostizierte auf dem Boden eines chronifizierten Schmerzsyndroms und nach beruflichem Kränkungserlebnis bei entsprechender Persönlichkeitsstruktur eine mittelgradige depressive Episode. Dass die psychische Störung des Klägers zu diesem Zeitpunkt möglicherweise stärker ausgeprägt war als in der Zeit davor und danach, rechtfertigt - auf Dauer gesehen - keinen höheren GdB als 10, da es sich um einen lediglich vorübergehend stärkeren depressiven Verstimmungszustand gehandelt hat, der angesichts dieser Schwankungen unterliegenden Erkrankung nicht als Maßstab für das durchschnittliche Ausmaß der Funktionsstörung herangezogen werden kann. Hinzu kommt, dass sich der Kläger offenbar zu keiner Zeit in laufender nervenärztlicher Behandlung befunden hat, was ohnehin gegen eine mehr als leichte psychische Störung spricht (vgl. Urteil des Senats vom 17.12.2010 - 11 8 SB 1549/10 - veröffentlicht in Juris, Sozialgerichtsbarkeit.de). Ein höherer GdB als 10 würde den dauerhaften Auswirkungen dieser leichten psychischen Beeinträchtigung des Klägers nicht gerecht. Das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergab keine Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung. Wegen geltend gemachter Schmerzen wurde der Kläger bereits in der Vergangenheit mehrfach in neurologischen bzw. neurologisch-psychiatrischen Praxen konsiliarisch untersucht (vgl. u.a. Arztbriefe der Neurologin Dr. S.-G. vom 26.09.2005 (Bl. 119 der SG-Akte) und neurologisch-psychiatrische Gemeinschaftspraxis Dr. C./Dr. R.-A. vom 10.12.2008 ( Bl. 59 der LSG-Akte), insbesondere Entlassungsbericht der T.klinik B. K. vom 26.09.2005), was keinen Anhalt für eine psychiatrisch relevante Diagnosestellung ergab. Eine hiervon abweichende eigene Befunderhebung hat Dr. L. in seiner Aussage vom 12.07.2010 nicht mitgeteilt. Soweit er von "anamnestischen schizoid impulsiven Persönlichkeitszügen" des Klägers mit möglicherweise Einbrechen des Selbstwertes durch eine berufliche Kränkung und Rücknahme einer schon bewilligten Berufsunfähigkeitsrente ausgeht, handelt es sich allenfalls um eine Verdachtsdiagnose. Woraus anamnestisch schizoide Persönlichkeitszüge abgeleitet werden, ist nach der bisherigen insoweit unauffälligen Arztdokumentation nicht nachvollziehbar.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 50. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung - hier dem Wirbelsäulenleiden bzw. der Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (GdB jeweils 30) - auszugehen. Hinzu kommt die Sehbehinderung mit einem GdB von 20. Diese für das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigungen maßgebenden Funktionsstörungen - das linksseitige postthrombotische Syndrom, der Schwindel und die leichte psychische Störung wirken sich im Hinblick auf Teil A 3 d) ee)) der VG hierauf nicht aus - rechtfertigen keinen GdB von mehr als 50. Ein GdB von 60 - wie vom Kläger geltend gemacht - liegt nicht vor. Ein solcher GdB wäre überhöht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G.
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Die AHP besaßen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten. Sie waren vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3-3870 a.a.O.).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G nicht auf die VG berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich G sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 - vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröff. in juris und www.Sozialgerichtsbarkeit.de). Rechtsgrundlage sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung zulässig anzuwendenden Verwaltungsvorschriften.
Hiervon ausgehend steht für den Senat fest, dass beim Kläger keine erhebliche Beeinträchtigung seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des § 146 Abs 1 Satz 1 SGB IX vorliegt. Die hierfür in erster Linie in Betracht zu ziehenden Funktionsstörungen des Klägers (Wirbelsäulenleiden, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks), reichen sowohl jeweils für sich genommen auch in ihrem Zusammenwirken nicht aus, um die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G als erfüllt ansehen zu können.
Das einen GdB von 30 bedingende Wirbelsäulenleiden des Klägers hat nicht das für den Nachteilsausgleich G erforderliche Ausmaß. Es ist nur mittelschwerer bzw. mittelgradiger Natur (so Dr. Z., Dr. H. und der Sachverständige Prof. Dr. H. übereinstimmend). Berücksichtigt man zusätzlich, dass die Bewertung des Wirbelsäulenleidens des Klägers mit einem GdB von 30 nicht nur aus der Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule resultiert, sondern auch die Beeinträchtigung der Brustwirbelsäule (fixierte Fehlhaltung mit nachfolgender Fehlstatik) berücksichtigt, spricht vieles dafür, dass mit dem Lendenwirbelsäulenleiden allein - nur dieses wirkt sich auf das Gehvermögen aus und ist daher in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen - ein GdB von 30 nicht einmal erreicht werden würde. Auch die beim Kläger vorliegende Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des linken Kniegelenks, die allenfalls mit einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung verbunden ist, rechtfertigt den Nachteilsausgleich G nicht. Auch in ihrem Zusammenwirken bewirken die Funktionsstörungen des Klägers auf orthopädischem Gebiet keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Zu dieser Beurteilung sind auch ganz überwiegend die behandelnden Ärzte des Klägers sowie der Sachverständige Prof. Dr. H. gelangt. Diese haben (soweit sie sich hierzu geäußert haben) die gesundheitlichen Voraussetzungen dieses Nachteilsausgleichs verneint (Angaben Dr. B. vom 14.07.2006; Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 08.05.2007; Dr. S. gegenüber dem Senat am 21.09.2009). Soweit Dr. H. am 24.07.2006 zu der Einschätzung gelangt ist, die Gehfähigkeit des Klägers sei wegen der Restbeschwerden am linken Knie eingeschränkt und die Bewältigung von 2 km in einer halben Stunde sei insofern nicht gewährleistet, rechtfertigt dies den Nachteilsausgleich G nicht. Dass die Gehfähigkeit des Klägers eingeschränkt ist, soll nicht in Abrede gestellt werden. Erforderlich ist aber nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, dass die gesundheitlich bedingte Einschränkung des Gehvermögens dazu führt, dass die Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten bewältigt werden können. Erhebliche Schwierigkeiten bei der Bewältigung dieser Gehstrecke sind aber nach Überzeugung des Senats beim Kläger nicht gegeben. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. H., der zwar Beeinträchtigungen für kniegelenksbelastende Bewegungsmuster wie z.B. Hocken, Bücken, Arbeiten auf unebenem Gelände, bejaht, aber eine Einschränkung der Gehfähigkeit unter normalen Bedingungen (stabiles Schuhwerk, stabiler Untergrund) in den Vorgaben der Wegezeit für 2 km nicht für gegeben erachtet. Die von Dr. H. zur Bekräftigung der funktionellen Einschränkung am linken Knie und der hieraus abgeleiteten Gehbehinderung mitgeteilte Muskelatrophie von 2,5 cm des linken Oberschenkels im Vergleich zum rechten bestand zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Prof. Dr. H. nicht mehr bzw. nicht in diesem Ausmaß, was für eine gegebenenfalls auch schwankende Beeinträchtigung des Gehvermögens sprechen könnte. Dass die Bewältigung von einer Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde nicht immer gewährleistet ist, reicht nicht aus. Vielmehr muss feststehen, dass der Kläger eine solche Wegstrecke auf Dauer nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten zurücklegen kann. Liegt ein schwankender Krankheitsverlauf und damit ein wechselndes Ausmaß der Einschränkung des Gehvermögens vor, kann nicht die nur zeitweise bestehende stärkere Einschränkung des Gehvermögens als Maßstab herangezogen werden. Vielmehr ist auf die durchschnittliche Beeinträchtigung des Gehvermögens abzustellen, die vorliegend das für das Merkzeichen "G" erforderliche Ausmaß nicht erreicht.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) und die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G streitig.
Mit Bescheid vom 17.07.2003 stellte das Versorgungsamt S. bei dem am 14.04.1952 geborenen Kläger einen GdB von 40 seit 19.02.2003 fest. Dieser Entscheidung lag vor allem der Kurentlassungsbericht der Orthopädisch-Rheumatologischen Fachklinik B. S. vom 27.03.2003 zugrunde, in dem im Wesentlichen ein Schienbeinbruch links (08.02.2003), eine post-operative Unterschenkelvenenthrombose links, Lumboischialgien links und ein rezidivierendes Schwindelgefühl und Synkopen unklarer Genese diagnostiziert wurden.
Am 12.08.2005 beantragte der Kläger beim Landratsamt E. (LRA) die Erhöhung des GdB und begründete dies unter Vorlage des Berichts der Radiologischen Gemeinschaftspraxis M. Dres. H./B./B. vom 26.04.2005 über die Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule vom 05.04.2005, von Teilen der Ambulanzkarteneinträge von Prof. Dr. H., Chefarzt des Klinikum H., vom 16.06. und 20.06.2005 und des Berichts des Augenarztes Dr. A. vom 26.07.2005 damit, sein Gesundheitszustand habe sich seit dem Jahre 2000 wieder verschlechtert. Aktuell gehe der befragte Arzt von einem GdB von offensichtlich 80 bis 90 aus. Da er kaum länger als 5 Minuten stehen und gehen könne, benötige er zur selbständigen Erledigung der täglichen Besorgungen einen Parkausweis, um auf Behindertenparkplätzen parken zu können.
In der vom LRA eingeholten gutachterlichen Stellungnahme wurden folgende Funktionsstörungen berücksichtigt:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelgleiten, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen GdB 30 2. Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks GdB 30 3. postthrombotisches Syndrom linksseitig GdB 10 4. Sehbehinderung GdB 20.
Insgesamt liege ein GdB von 50 vor. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung von Nachteilsausgleichen, insbesondere der Nachteilsausgleiche G und aG, lägen nicht vor. Der Kläger könne ortübliche Wegstrecken zurücklegen. Mit Bescheid vom 16.09.2005 hob das LRA den Bescheid vom 17.07.2003 auf und stellte einen GdB von 50 seit 12.08.2005 fest. Die Feststellung der Nachteilsausgleiche G und aG wurde hingegen abgelehnt.
Dagegen legte der Kläger am 16.10.2005 Widerspruch ein und machte insbesondere einen höheren GdB geltend. Er brachte vor, offensichtlich seien nicht alle Funktionsstörungen aus dem vorigen Bescheid übernommen worden. Zwischenzeitlich habe er einen weiteren Bandscheibenvorfall im Segment L4/L5 erlitten. Die hiervon rührenden Beschwerden strahlten permanent in das rechte Bein aus. Er könne nur sehr kurz stehen und auch nur noch zwischen 20 bis 60 m gehen, da die Schmerzen unerträglich würden. Er legte den Untersuchungsbericht der Ärztin für Neurologie Dr. S.-G. vom 26.09.2005 vor. Dr. S. vom Ärztlichen Dienst des LRA gelangte in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 22.11.2005 zu dem Ergebnis, die Funktionseinschränkungen seitens des Stütz- und Bewegungsapparates seien nach den im Untersuchungsbericht vom 26.09.2005 beschriebenen Befunden geringfügig. Die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G seien nicht erfüllt. Die Funktionsstörung Schwindel sei im Rahmen der Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule mitberücksichtigt und müsse nicht gesondert tenoriert werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers zurück. Die Auswirkungen der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen begründeten keinen höheren GdB als 50. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf den Nachteilsausgleich G.
Am 12.01.2006 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er einen höheren GdB als 50 und den Nachteilsausgleich G geltend machte. Er brachte vor, dass bei ihm Beeinträchtigungen in drei Wirbelsäulenabschnitten vorlägen. Ferner sei infolge des Schienbeinbruchs die Geh- und Standfestigkeit erheblich eingeschränkt. Er könne nur noch kurze Strecken gehen und unter erheblichen Schmerzen stehen. Ihm stehe daher der Nachteilsausgleich G zu. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er ständig Doppelbilder sehe und unter Schwindel ungeklärter Ursache leide.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und hielt die Voraussetzungen für einen höheren GdB als 50 und die Feststellung des Nachteilsausgleiches G nicht für erfüllt. Er legte hierzu die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. K. vom 02.11.2006 vor.
Das SG hörte Dr. A., den Orthopäden Dr. B., den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. sowie die Orthopäden Dr. B., Dr. V. und Dr. H. (als Vertreter von Dr. M.) schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. A. teilte mit, die letzte Untersuchung am 05.07.2005 habe eine korrigierte Sehschärfe von 100 % beidseits ergeben. Die nach Angaben des Klägers "schon immer" bestehenden Doppelbilder nach rechts könne er - so der Kläger - gut ausgleichen (Aussage vom 17.07.2006). Dr. B. berichtete unter dem 14.07.2006 über den Behandlungsverlauf vom 13.07.2000 bis 28.06.2005. Er bezeichnete die von ihm diagnostizierten Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet als mittelschwer und gab an, die üblichen Wegstrecken könnten vom Kläger nach den bis 28.06.2005 erhobenen Befunden zurückgelegt werden. Dr. B. legte den Kurentlassungsbericht der T.klinik B. K. vom 26.09.2005 vor. In seinem Bericht vom 19.07.2006 schilderte Dr. Z., der die ihm vorliegenden weiteren ärztlichen Unterlagen übersandte, den Krankheitsverlauf seit August 2005 und gab an, er habe den Kläger in diesem Zeitraum nicht untersucht. Sein Lendenwirbelsäulenleiden schätze er als mittelgradig ein. Der Orthopäde und Badearzt Dr. B. äußerte sich mit Schreiben vom 25.07.2006 unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen (einschließlich der Ambulanzkarteneinträge von Prof. Dr. H. vom 04.07.2003, 16.06.2005 und 20.06.2005) zu den Behandlungen des Klägers seit Juli 2000 und teilte mit, mangels Befunderhebung könne er sich zu den weiteren Beweisfragen nicht äußern. Dr. V. berichtete am 25.07.2006 - ebenfalls unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen - über die Behandlung des Rückenleidens des Klägers am 29.03.2006 und gelangte zu der Einschätzung, es läge eine Erkrankung im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule vor, die vom Beklagten zutreffend bewertet worden sei. Dr. H., Vertreter des Orthopäden Dr. M., äußerte sich unter dem 24.07.2006 zur Behandlung der orthopädischen Gesundheitsstörungen des Klägers seit 29.10.2004 und gab an, beim Kläger lägen jeweils mittelgradige Funktionsstörungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und im Bereich des linken Kniegelenks (bei Zustand nach Tibiakopffraktur und Metallentfernung mit noch bestehendem Streckdefizit von 10° und mäßigen Beugedefizit sowie Oberschenkelmuskelatrophie) vor, die jeweils mit einem GdB von 30 einzustufen seien. Insgesamt liege ein GdB von unter 50 vor. Die Gehfähigkeit des Klägers sei eingeschränkt; die Bewältigung von 2 km in einer halben Stunde sei insofern nicht gewährleistet.
Anschließend holte das SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Prof. Dr. H. ein orthopädisches Gutachten ein. Dieser diagnostizierte in seinem schriftlichen Gutachten vom 08.05.2007 im Wesentlichen eine fixierte Fehlhaltung der Brustwirbelsäule mit nachfolgender Fehlstatik (GdB 10), eine Instabilität der Lendenwirbelsäule im Bereich L5/S1 (GdB 30) und Einschränkungen im Bereich beider Kniegelenke (streng GdB 20, großzügig GdB 30). Der Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, bei großzügiger Bewertung der Funktionsstörungen des Klägers sei ein GdB von 50 und bei sehr strenger Beurteilung (nur) ein GdB von 40 anzunehmen. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr liege nicht vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2007 wies das SG die Klage ab. Es hielt - gestützt auf die aktenkundigen ärztlichen Unterlagen - einen GdB von mehr als 50 nicht für angemessen und verneinte auch die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G.
Dagegen hat der Kläger am 11.01.2008 Berufung eingelegt, mit der er einen GdB von 60 und den Nachteilsausgleich G geltend macht. Er bringt vor, seine orthopädischerseits vorliegenden Beschwerden hätten zugenommen. Er legt den Untersuchungsbericht von Dr. H. vom 13.10.2008 vor. Ferner sei er psychisch beeinträchtigt, was ebenfalls bei der Bemessung des GdB berücksichtigt werden müsse.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2007 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 16. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 60 und den Nachteilsausgleich G ab 12. August 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Voraussetzungen für die Bewertung der Funktionsstörungen des Klägers mit einem GdB von 60 und den Nachteilsausgleich G seien nicht erfüllt. Hierzu legt er die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 08.07.2010 vor.
Der Senat hat Dr. A., den Orthopäden Dr. S., Dr. B. und den Nervenarzt Dr. L. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. A. hat im Februar 2009 angegeben, der Kläger habe sich seit Dezember 2006 nicht mehr bei ihm vorgestellt. Dr. S. hat sich mit Schreiben vom 21.09.2009 über die Behandlung des Klägers seit November 2007 geäußert und angegeben, der Kläger habe über Rückenbeschwerden und Beschwerden im Bereich des linken Knies geklagt. Im Februar 2008 habe allenfalls eine leichte Beugebeeinträchtigung im linken Knie (0/0/130°) bestanden. Schwerwiegende funktionelle Beeinträchtigungen seien nicht festgestellt worden. Die vom Beklagten erfolgten Bewertungen der Funktionsstörungen auf orthopädischem Gebiet seien als relativ hoch anzusehen. Beim Kläger lägen keine erheblichen Bewegungseinschränkungen der Bewegungsorgane vor, so dass solche auch nicht im Bereich des Straßenverkehrs vorlägen. Dr. B. hat unter dem 08.04.2010 über die Behandlungen des Klägers am 28.10.2008 und 23.11.2009 berichtet. Unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen hat er die am 23.11.2009 erhobenen Befunde mitgeteilt. Dr. L. hat am 12.07.2010 angegeben, der Kläger habe sich bei ihm einmalig am 19.03.2010 vorgestellt. Es habe auf dem Boden eines chronifizierten Schmerzsyndroms und nach beruflichem Kränkungserlebnis bei entsprechender Persönlichkeitsstruktur eine mittelgradige depressive Episode bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 60 und auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 16.09.2005 (Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005), mit dem der Beklagte wegen wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers den GdB von bisher 40 auf 50 erhöht, eine weitergehende Erhöhung und die Feststellung des Nachteilsausgleichs G aber abgelehnt hat. Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass eine Erhöhung des GdB auf 60 gerechtfertigt sei und er auch Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G habe.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist in der angefochtenen Entscheidung unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschiften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers ab 12.08.2005 keinen höheren GdB als 50 bedingen und der Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G zu Recht verneint hat. Der Senat kommt unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ergebnisse der im Berufungsverfahren erfolgten weiteren medizinischen Sachaufklärung zum selben Ergebnis. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers rechtfertigen keinen höheren GdB als 50. Ferner liegt bei ihm keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vor. Diese Beurteilungen gründen sich im Wesentlichen auf die Angaben der vom SG gehörten behandelnden Ärzte des Klägers, das vom SG nach § 109 SGG eingeholte orthopädische Gutachten von Prof. Dr. H., die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte sowie die vom Senat im Berufungsverfahren gehörten behandelnden Ärzte des Klägers.
Eine Würdigung der umfangreichen aktenkundigen ärztlichen Unterlagen ergibt, dass der Kläger in erster Linie durch seine auf orthopädischem Gebiet liegenden Leiden einschließlich der damit verbundenen Schmerzen beeinträchtigt ist. Hinzu kommen noch - in geringerer Ausprägung - eine Sehbehinderung, ein postthrombotisches Syndrom links, ein Schwindel und eine psychische Störung.
Die beim Kläger vorliegende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule einschließlich Wirbelgleiten, Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen bedingt keinen höheren GdB als 30. Diese Bewertung setzt bereits Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) voraus. Erst Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten sind mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten (Teil B 18.9 der VG). Dabei kann ein GdB von 40 erst angenommen werden, wenn schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Davon kann hier nicht die Rede sein. Beim Kläger bestehen zwar Funktionsstörungen sowohl im Bereich der Brust- als auch im Bereich der Lendenwirbelsäule. Schwere funktionelle Auswirkungen liegen jedoch nicht vor. Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG vom SG gehörte Sachverständige Prof. Dr. H. diagnostizierte insoweit im Wesentlichen eine fixierte Fehlhaltung der Brustwirbelsäule mit nachfolgender Fehlstatik (mit Teil-GdB 10) und eine Instabilität der Lendenwirbelsäule im Bereich L 5/S1 und nahm hierfür einen GdB von 30 an. Die vom SG gehörten Ärzte Dr. B., Dr. Z. und Dr. H. bezeichneten die auf orthopädischem Gebiet bestehenden Funktionsstörungen bzw. sein Lendenwirbelsäulenleiden als mittelschwer bzw. mittelgradig und Dr. V. äußerte sich dahingehend, beim Kläger läge eine Erkrankung im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule vor, die vom Beklagten zutreffend bewertet worden sei. Schließlich teilte Dr. S. mit, der den Kläger seit November 2007 behandelt, dass er keine schwerwiegenden funktionellen Beeinträchtigungen festgestellt habe und die vom Beklagten erfolgten Bewertungen der orthopädischen Funktionsstörungen als relativ hoch anzusehen seien. Diese Beurteilungen und Einschätzungen bieten keinen Anhalt dafür, dass der Kläger an einem schweren - einen GdB von 40 bedingendem - Wirbelsäulenleiden erkrankt ist.
Das weitere, das orthopädische Gebiet betreffende Leiden des Klägers, die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, ist nach Auffassung des Senats mit einem GdB von 20 zutreffend bewertet. Eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (Streckung/Beugung bis 0/0/90) bedingt bei einseitiger Beeinträchtigung nach Teil B 18.14 der VG einen GdB von 0 bis 10. Erst bei einer Bewegungseinschränkung mittleren Grades (Streckung/Beugung 0/10/90) ist ein GdB von 20 anzusetzen. Nachdem keiner der den Kläger behandelnden Orthopäden Bewegungsmaße mitgeteilt hat, die auf eine stärkere Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk (z. B. Streckung/Beugung 0-30-90) schließen lassen, und der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 08.05.2007 insoweit nur ein Beuge- und Streckdefizit im Bereich des linken Kniegelenks von 0-15-120 beschrieben hat, ist allenfalls von einer Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk mittleren Grades auszugehen, die auch unter Berücksichtigung der damit üblicherweise verbundenen Schmerzen (vgl. Teil A 2 j) der VG) - außergewöhnliche Schmerzen sind nicht belegt - mit einem GdB von 20 zu bewerten ist. Wenn Prof. Dr. H. diese Funktionsstörung mit einem GdB von 20 bis 30 bewertet, ist deshalb gleichwohl nach seinem Befund unter den normativen Vorgaben der VG ein GdB 30 nicht zu begründen.
Die Sehbehinderung des Klägers ist - entsprechend Teil B 4 der VG - ebenfalls nicht zu niedrig bewertet. Bei einer korrigierten Sehschärfe von 100 % bds. (Angaben Dr. A. vom 17.07.2006) ergibt sich kein GdB. Da der Kläger aber glaubhaft angegeben hat, dass er immer wieder Doppelbilder sehe, ergibt sich (nur) hierdurch ein GdB. Der Senat nimmt insoweit in Übereinstimmung mit dem SG, das sich auf die Bewertung von Dr. A. gestützt hat, ebenfalls einen - sicherlich wohlwollend bemessenen - GdB von 20 an.
Hinzu kommt noch das mit einem GdB von 10 zu bewertende postthrombotische Syndrom linksseitig sowie ein Schwindel. Diese Funktionsstörungen bedingen jeweils nur einen GdB von 10. Im Erstbescheid vom 17.07.2003 wurde ein - versorgungsärztlicherseits mit einem GdB von 10 bewerterter - Schwindel berücksichtigt, der weiterhin vorliegt und deshalb auch weiter (mit einem GdB von 10) zu berücksichtigen ist.
Ferner leidet der Kläger an leichteren psychischen Störungen, die keinen höheren GdB als 10 bedingen. Nach Teil B 3.7 der VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0-20 zu bewerten Erst stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bedingen danach einen GdB von 30 bis 40. Der Nervenarzt Dr. L., bei dem sich der Kläger lediglich einmalig am 19.03.2010 vorgestellt hat, diagnostizierte auf dem Boden eines chronifizierten Schmerzsyndroms und nach beruflichem Kränkungserlebnis bei entsprechender Persönlichkeitsstruktur eine mittelgradige depressive Episode. Dass die psychische Störung des Klägers zu diesem Zeitpunkt möglicherweise stärker ausgeprägt war als in der Zeit davor und danach, rechtfertigt - auf Dauer gesehen - keinen höheren GdB als 10, da es sich um einen lediglich vorübergehend stärkeren depressiven Verstimmungszustand gehandelt hat, der angesichts dieser Schwankungen unterliegenden Erkrankung nicht als Maßstab für das durchschnittliche Ausmaß der Funktionsstörung herangezogen werden kann. Hinzu kommt, dass sich der Kläger offenbar zu keiner Zeit in laufender nervenärztlicher Behandlung befunden hat, was ohnehin gegen eine mehr als leichte psychische Störung spricht (vgl. Urteil des Senats vom 17.12.2010 - 11 8 SB 1549/10 - veröffentlicht in Juris, Sozialgerichtsbarkeit.de). Ein höherer GdB als 10 würde den dauerhaften Auswirkungen dieser leichten psychischen Beeinträchtigung des Klägers nicht gerecht. Das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergab keine Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung. Wegen geltend gemachter Schmerzen wurde der Kläger bereits in der Vergangenheit mehrfach in neurologischen bzw. neurologisch-psychiatrischen Praxen konsiliarisch untersucht (vgl. u.a. Arztbriefe der Neurologin Dr. S.-G. vom 26.09.2005 (Bl. 119 der SG-Akte) und neurologisch-psychiatrische Gemeinschaftspraxis Dr. C./Dr. R.-A. vom 10.12.2008 ( Bl. 59 der LSG-Akte), insbesondere Entlassungsbericht der T.klinik B. K. vom 26.09.2005), was keinen Anhalt für eine psychiatrisch relevante Diagnosestellung ergab. Eine hiervon abweichende eigene Befunderhebung hat Dr. L. in seiner Aussage vom 12.07.2010 nicht mitgeteilt. Soweit er von "anamnestischen schizoid impulsiven Persönlichkeitszügen" des Klägers mit möglicherweise Einbrechen des Selbstwertes durch eine berufliche Kränkung und Rücknahme einer schon bewilligten Berufsunfähigkeitsrente ausgeht, handelt es sich allenfalls um eine Verdachtsdiagnose. Woraus anamnestisch schizoide Persönlichkeitszüge abgeleitet werden, ist nach der bisherigen insoweit unauffälligen Arztdokumentation nicht nachvollziehbar.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 50. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung - hier dem Wirbelsäulenleiden bzw. der Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks (GdB jeweils 30) - auszugehen. Hinzu kommt die Sehbehinderung mit einem GdB von 20. Diese für das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigungen maßgebenden Funktionsstörungen - das linksseitige postthrombotische Syndrom, der Schwindel und die leichte psychische Störung wirken sich im Hinblick auf Teil A 3 d) ee)) der VG hierauf nicht aus - rechtfertigen keinen GdB von mehr als 50. Ein GdB von 60 - wie vom Kläger geltend gemacht - liegt nicht vor. Ein solcher GdB wäre überhöht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G.
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Die AHP besaßen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten. Sie waren vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3-3870 a.a.O.).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G nicht auf die VG berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich G sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 - vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröff. in juris und www.Sozialgerichtsbarkeit.de). Rechtsgrundlage sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung zulässig anzuwendenden Verwaltungsvorschriften.
Hiervon ausgehend steht für den Senat fest, dass beim Kläger keine erhebliche Beeinträchtigung seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des § 146 Abs 1 Satz 1 SGB IX vorliegt. Die hierfür in erster Linie in Betracht zu ziehenden Funktionsstörungen des Klägers (Wirbelsäulenleiden, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks), reichen sowohl jeweils für sich genommen auch in ihrem Zusammenwirken nicht aus, um die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G als erfüllt ansehen zu können.
Das einen GdB von 30 bedingende Wirbelsäulenleiden des Klägers hat nicht das für den Nachteilsausgleich G erforderliche Ausmaß. Es ist nur mittelschwerer bzw. mittelgradiger Natur (so Dr. Z., Dr. H. und der Sachverständige Prof. Dr. H. übereinstimmend). Berücksichtigt man zusätzlich, dass die Bewertung des Wirbelsäulenleidens des Klägers mit einem GdB von 30 nicht nur aus der Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule resultiert, sondern auch die Beeinträchtigung der Brustwirbelsäule (fixierte Fehlhaltung mit nachfolgender Fehlstatik) berücksichtigt, spricht vieles dafür, dass mit dem Lendenwirbelsäulenleiden allein - nur dieses wirkt sich auf das Gehvermögen aus und ist daher in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen - ein GdB von 30 nicht einmal erreicht werden würde. Auch die beim Kläger vorliegende Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des linken Kniegelenks, die allenfalls mit einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung verbunden ist, rechtfertigt den Nachteilsausgleich G nicht. Auch in ihrem Zusammenwirken bewirken die Funktionsstörungen des Klägers auf orthopädischem Gebiet keine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Zu dieser Beurteilung sind auch ganz überwiegend die behandelnden Ärzte des Klägers sowie der Sachverständige Prof. Dr. H. gelangt. Diese haben (soweit sie sich hierzu geäußert haben) die gesundheitlichen Voraussetzungen dieses Nachteilsausgleichs verneint (Angaben Dr. B. vom 14.07.2006; Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 08.05.2007; Dr. S. gegenüber dem Senat am 21.09.2009). Soweit Dr. H. am 24.07.2006 zu der Einschätzung gelangt ist, die Gehfähigkeit des Klägers sei wegen der Restbeschwerden am linken Knie eingeschränkt und die Bewältigung von 2 km in einer halben Stunde sei insofern nicht gewährleistet, rechtfertigt dies den Nachteilsausgleich G nicht. Dass die Gehfähigkeit des Klägers eingeschränkt ist, soll nicht in Abrede gestellt werden. Erforderlich ist aber nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, dass die gesundheitlich bedingte Einschränkung des Gehvermögens dazu führt, dass die Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten bewältigt werden können. Erhebliche Schwierigkeiten bei der Bewältigung dieser Gehstrecke sind aber nach Überzeugung des Senats beim Kläger nicht gegeben. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. H., der zwar Beeinträchtigungen für kniegelenksbelastende Bewegungsmuster wie z.B. Hocken, Bücken, Arbeiten auf unebenem Gelände, bejaht, aber eine Einschränkung der Gehfähigkeit unter normalen Bedingungen (stabiles Schuhwerk, stabiler Untergrund) in den Vorgaben der Wegezeit für 2 km nicht für gegeben erachtet. Die von Dr. H. zur Bekräftigung der funktionellen Einschränkung am linken Knie und der hieraus abgeleiteten Gehbehinderung mitgeteilte Muskelatrophie von 2,5 cm des linken Oberschenkels im Vergleich zum rechten bestand zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Prof. Dr. H. nicht mehr bzw. nicht in diesem Ausmaß, was für eine gegebenenfalls auch schwankende Beeinträchtigung des Gehvermögens sprechen könnte. Dass die Bewältigung von einer Wegstrecke von 2 km in einer halben Stunde nicht immer gewährleistet ist, reicht nicht aus. Vielmehr muss feststehen, dass der Kläger eine solche Wegstrecke auf Dauer nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten zurücklegen kann. Liegt ein schwankender Krankheitsverlauf und damit ein wechselndes Ausmaß der Einschränkung des Gehvermögens vor, kann nicht die nur zeitweise bestehende stärkere Einschränkung des Gehvermögens als Maßstab herangezogen werden. Vielmehr ist auf die durchschnittliche Beeinträchtigung des Gehvermögens abzustellen, die vorliegend das für das Merkzeichen "G" erforderliche Ausmaß nicht erreicht.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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