Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 518/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1958/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.2.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1969 geborene Klägerin absolvierte von 1985 bis 1988 eine Ausbildung zur Friseurin, die sie am 23.11.1988 mit der Gesellenprüfung abschloss. In diesem Beruf arbeitete sie von 1993 bis 1999 (in Teilzeit). Von 1999 bis 2000 war die Klägerin Hausfrau und sodann von 2000 bis 2002 als Paket- und Briefzustellerin sowie von 2002 bis 2004 als Bäckereiverkäuferin (in Teilzeit) versicherungspflichtig beschäftigt. Im Versicherungsverlauf der Klägerin sind rentenrechtliche Zeiten seit dem 14.7.2006 nicht mehr ausgewiesen.
Unter dem 6.12.2006 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Zuvor hatte sie vom 4.12. bis 25.12.2001 und vom 23.3. bis 4.5.2005 stationäre Rehabilitationsbehandlungen in der M.-Klinik, Bad B., bzw. der Klinik K., G., absolviert.
Im Entlassungsbericht der M.-Klinik vom 27.12.2001 sind die Diagnosen diffus lokalisierte Schmerzen im Bereich der HWS und BWS, keine degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sowie eine bekannte Depression, medikamentös behandelt, festgehalten. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit als Friseurin seinerzeit wegen schlechter Bezahlung aufgegeben. Seit drei Jahren bestehe eine depressive Entwicklung, die fachärztlich behandelt werde. Die Depressionen seien nach der Trennung von ihrem Ehemann aufgetreten; seit einem Jahr lebten die Eheleute wieder zusammen. Klinische Zeichen für eine Fibromyalgie gebe es nicht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) sechs Stunden täglich und mehr zumutbar.
Im Entlassungsbericht der Klinik K. vom 9.5.2005 sind die Diagnosen mittelgradige depressive Episode sowie Fibromyalgie aufgeführt. Die Klägerin könne als Verkäuferin sechs Stunden täglich und mehr arbeiten und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) ebenfalls sechs Stunden täglich und mehr verrichten. Auf Grund der Symptomatik sei sie gegenwärtig psychisch nicht sehr belastbar. Das Umstellungs- und Anpassungsvermögen sei eingeschränkt.
Die Beklagte zog Arztunterlagen bei und erhob das Gutachten des Nervenarztes Dr. F. vom 11.2.2007. Darin ist ausgeführt, die Klägerin habe angegeben, seit Februar 2006 sei sie nicht mehr in psychotherapeutischer und seit Sommer 2006 nicht mehr in nervenärztlicher Behandlung. Ihr Verhalten sei situationsgemäß, beschwerdefixiert, jedoch nicht demonstrativ gewesen. Bei übersteigerten Schmerzreaktionen entstehe der Eindruck einer vermehrten Schmerzbereitschaft. Nach eigenen Angaben habe sich die Klägerin im Jahr 2004 nach vorübergehenden Krankenhausaufenthalten und Beendigung ihres letzten Arbeitsverhältnisses entschlossen, nicht mehr zu arbeiten. Der Gutachter diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei Verdacht auf histrionische Persönlichkeitsstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig verrichten.
Mit Bescheid vom 28.2.2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin ein Attest der Allgemeinärztin Dipl. med. B. vom 12.6.2007 (regelmäßige ambulante psychotherapeutische Behandlung und das Erlernen von Entspannungstechniken sowie leichtes sportliches Training seien durchaus erfolgversprechend zur Verringerung der quälenden gesundheitlichen Probleme) sowie einen Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 16.5.2007 (Verwaltungsakte S. 94: Klinik und Untersuchungsbefund sprächen für eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine mittelgradige Depression) vor.
Die Beklagte erhob das Gutachten des Internisten, Rheumatologen und Sozialmediziners Dr. L. vom 2.10.2007. Dieser diagnostizierte ein Fibromyalgiesyndrom sowie eine reaktive depressive Störung mit Somatisierungstendenz. Die Kriterien zur Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms seien eindeutig in ihrer Mehrheit erfüllt. Die funktionellen Prüfungen des Bewegungsapparats seien aber durchweg schmerzfrei gewesen, so dass weder höhergradige degenerative, geschweige denn entzündliche Veränderungen anzunehmen seien. Die Klägerin könne als Bäckereiverkäuferin sechs Stunden täglich und mehr arbeiten und leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) ebenfalls sechs Stunden täglich und mehr verrichten (Verwaltungsakte S. 157).
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.1.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 4.2.2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhob. Zur Begründung trug sie vor, ihre Erkrankungen und Funktionseinschränkungen seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Insbesondere wegen ihrer Schmerzen könne sie nicht mehr als drei bis sechs Stunden täglich arbeiten.
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob das Gutachten des Internisten, Neurologen und Psychiaters Dr. Sch. vom 2.10.2008.
Die Allgemeinärztin Dipl. med. B. gab unter dem 3.6.2008 an, die Klägerin sei vom 27.6.2006 bis 11.3.2008 behandelt worden; man habe die Behandlung mangels jeder Bereitschaft zur Kooperation und Eigeninitiative beendet. Am 16.5.2006 habe die Klägerin einen demonstrativen Suizidversuch mit Einnahme weniger Tabletten unternommen. Zu keinem Zeitpunkt habe es beweisende Hinweise dafür gegeben, dass sie sich einer regelmäßigen Tätigkeit nicht unterziehen könnte. Die Frage, ob die Klägerin in der Lage sei, eine körperlich leichte Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, werde mit einem "fröhlichen" Ja beantwortet; nur bittere Not werde sie allerdings dorthin bringen. Der Internist Dr. R., der die Klägerin bis Mai 2004 (mit Akupunktur) und sodann wieder ab 8.4.2008 (hausärztlich) behandelt hatte, vertrat die Auffassung, die Klägerin sei derzeit nicht in der Lage, sechs Stunden täglich zu arbeiten. Bei der Klägerin habe sich ein psychosomatisches Krankheitsbild mit Schwäche, Verzweiflung, vermehrter Schmerzwahrnehmung und erheblicher Kränkung durch Nichtanerkennung ihres Leidensdrucks entwickelt, was einer regelmäßigen Arbeit entgegenstehe; allerdings werde der körperliche Zustand nicht als hinderlich angesehen (Bericht vom 1.6.2008). Der Neurologe und Psychiater Dr. H. teilte mit, die Klägerin habe sich dreimal vorgestellt (18.2.2005, 16.5.2007, 15.4.2008); eine Teilzeitarbeit mit körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeiten sei für vier bis sechs Stunden täglich zumutbar (Bericht vom 9.6. 2008). Die Rheumatologin B., die die Klägerin einmal (3.5.2007) untersucht hatte (Diagnose Fibromyalgiesyndrom), konnte keine Leistungseinschätzung abgeben (Bericht vom 24.6.2008).
Dr. Sch. führte in seinem Gutachten aus, bei der körperlichen Untersuchung habe ein Verdeutlichungsverhalten bestanden. Der Antrieb sei adäquat, die Grundstimmung habe subdepressiv, unterschwellig leicht gereizt, fordernd, innerlich vermehrt unruhig und vermehrt klagsam gewirkt. Der Gutachter diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie einen histrionischen Persönlichkeitsstil. Die Klägerin verfüge über eine Unterarmgehstütze; in der Begutachtungssituation sei nicht ersichtlich gewesen, warum diese benötigt werden sollte. Das Gangbild sei auch ohne Unterarmgehstütze recht zügig ohne Unsicherheiten gewesen. Aktuell habe sich eine Diskrepanz zwischen der Angabe einer Schmerzintensität von acht und den Schmerzäußerungen bzw. entsprechenden mimischen Regungen bei der Anamneseerhebung und auch den offensichtlichen körperlichen Beeinträchtigungen bei der körperlichen Untersuchung ergeben. Ein allenfalls leichtgradig ausgeprägtes depressives Syndrom werde im Rahmen der somatoformen Schmerzstörung gesehen. Für eine eigenständige affektive Erkrankung habe sich kein ausreichender Hinweis ergeben; die Klägerin nehme ein Antidepressivum in nur sedierender, aber nicht antidepressiv wirkender Dosierung ein. Die Klägerin könne leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig verrichten. Sie sei auch wegefähig. Es sei davon auszugehen, dass die angegebenen Schmerzen im Rentenverfahren instrumentalisiert würden; dies habe sich bei der jetzigen Untersuchung gezeigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.2.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Klägerin stehe Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) nicht zu, da sie in der Lage sei, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das ergebe sich (insbesondere) aus den Gutachten der Dres. Sch., F. und L. und den Entlassungsberichten über die in den Jahren 2001 und 2005 durchgeführten Rehabilitationsbehandlungen. Die abweichenden Auffassungen einzelner behandelnder Ärzte könnten demgegenüber nicht überzeugen. Im Hinblick auf das Krankheitsbild der Fibromyalgie seien für die Rentengewährung nicht Diagnosen, sondern Funktionseinschränkungen maßgeblich. Eine rentenberechtigende Minderung der Leistungsfähigkeit sei jedoch nicht festgestellt worden. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) komme nicht in Betracht, da die Klägerin 1969 geboren sei. Der Gerichtsbescheid wurde zunächst am 10.3.2009 dem (nicht bevollmächtigten) Praxisnachfolger des am 21.1.2009 verstorbenen Rechtsbeistands der Klägerin und sodann am 28.3.2009 der Klägerin selbst zugestellt.
Am 28.4.2009 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Gutachter hätten ihr eine Tätigkeit, die sie noch verrichten könne, nicht konkret benannt. Die Auffassung des Sozialgerichts stehe in erheblichem Widerspruch zu ihrem Alltag. Wegen ihrer Beschwerden könne sie diesen nicht strukturieren und schmerzbedingt auch leichte Hausarbeiten nicht mehr bzw. nicht ohne Pausen erledigen. Seit dem Jahr 2000 werde sie wegen Depressionen psychiatrisch behandelt. Man habe eine somatoforme Schmerzstörung und Fibromyalgie diagnostiziert. Ihr behandelnder Arzt Dr. H. (Attest vom 8.1.2009: Diagnose Fibromyalgie, reaktive Depression) nehme ein auf unter drei Stunden täglich abgesunkenes Leistungsvermögen an.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.2.2009 sowie den Bescheid vom 28.2.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1.1.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. H. vom 6.1.2011 erhoben.
Der Gutachter hat ausgeführt, nach Angaben der Klägerin hätten die Beschwerden im Nacken-Schulterbereich begonnen und schließlich in den Arm bis in die Fingerspitzen beidseits ausgestrahlt. Seinerzeit habe sie noch als Brief- und Paketzustellerin bei der D. P. gearbeitet. Während ihrer beruflichen Tätigkeit hätten sich die Schmerzen verstärkt. Sie sei mit Krankengymnastik und Spritzen behandelt worden, außerdem habe sie Medikamente verschrieben bekommen. Psychisch sei es ihr immer schlechter gegangen, sie habe noch Depressionen dazu bekommen. Sie habe das Gefühl gehabt, von den Ärzten nicht mehr ernst genommen zu werden; man habe sie sogar als Simulantin bezeichnet. Sie sei häufiger in Krankenhäusern und Rehakliniken sowie einer psychosomatischen Klinik behandelt worden. Dort sei es ihr etwas besser gegangen. Derzeit befinde sie sich nicht in nervenärztlicher Behandlung; sie misstraue allen Ärzten aufgrund ihrer Erfahrung in Baden Württemberg. Man glaube ihr die Schmerzen und die Fibromyalgieerkrankung nicht. Ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik sei nicht erfolgt.
Prof. Dr. H. hat Konzentrationsstörungen nicht sicher beobachten können und eine stark gedrückte Stimmung sowie einen deutlich reduzierten Antrieb gefunden. In der Psychomotorik sei die Klägerin deutlich eingeschränkt. Inwieweit über die depressive Symptomatik hinaus ein Fibromyalgie-Syndrom vorliege, sei für die Leistungsbeurteilung zweitrangig, da man die geklagte Schmerz-Symptomatik auch häufig in einer chronisch verlaufenden Depression finde und das Fibromyalgie-Syndrom als nosologische Einheit ohnehin zunehmend umstritten sei. Das jetzt vorgefundene psychopathologische Bild sei als ausgeprägtes Vollbild eines depressiven Syndroms zu bezeichnen. Die Mitteilung des Dr. R. vom 1.6.2008 an das Sozialgericht Karlsruhe sei die für die Verlaufsbeurteilung deswegen von besonderer Bedeutung weil er die Klägerin zwischen Mai 2004 und 2008 nicht gesehen habe. Im Hinblick darauf müsse im Zusammenhang mit dem jetzt festzustellenden Krankheitsbild von einer Verschlimmerung der Erkrankung zumindest zwischen 2004 und 2008 ausgegangen werden. Es werde vorgeschlagen, die Erwerbsunfähigkeit auf zwei Jahre zu begrenzen. In dieser Zeit solle eine intensive Psychotherapie in Kombination mit psychopharmakologischen Maßnahmen auch im Hinblick auf den Missbrauch von Analgetika stattfinden. Danach käme eine neuerliche Begutachtung in Betracht.
Der Gutachter hat eine mittelschwere bis schwere depressive Episode; Arzneimittelmissbrauch (Tilidin) und einen Verdacht auf Fibromyalgie diagnostiziert. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten höchstens zwei Stunden täglich verrichten. Unter besonderer Berücksichtigung des Berichts des Dr. Ungemach vom 24.5.2006 sei die jetzt festgestellte Leistungseinschränkung seit Mai 2006 anzunehmen.
Die Beklagte hat ihren beratungsärztlichen Dienst konsultiert und abschließend ausgeführt, Prof. Dr. H. habe zu den vorangegangenen nervenärztlichen Gutachten nicht Stellung genommen. Dr. F. habe im Februar 2007 lediglich eine leichtgradig ausgeprägte depressive Episode feststellen können. Der behandelnde Nervenarzt habe zwar im Juni 2007 eine mittelgradig ausgeprägte depressive Episode mitgeteilt, allerdings habe Dr. Sch. im Oktober 2008 eine depressive Störung nicht feststellen können. Seinerzeit habe die Klägerin ein Antidepressivum in sehr niedriger Dosierung bekommen, weswegen - so Dr. Sch. - eine antidepressive Wirkung gar nicht habe eintreten können; vielmehr habe das Medikament nur sedierend gewirkt. Bei Vorliegen einer mittel- bis schwergradig ausgeprägten depressiven Episode wäre aber eine intensivere Behandlung erfolgt. Auch der damals erhobene Tagesablauf habe eine relevante Antriebsstörung, die bei einer mittel- bis schwergradig ausgeprägten depressiven Episode vorliege, nicht erkennen lassen. Die Berufungsklägerin sei in der Lage gewesen, ihren Tagesablauf zu strukturieren. Ein soziales Rückzugsverhalten sei nicht beschrieben worden.
Gegenüber dem psychopathologischen Befund im Gutachten des Dr. Sch. sei nunmehr eine deutliche Verschlechterung zu konstatieren. So habe Prof. Dr. H. eine stark gedrückte Stimmungslage, eine erhebliche Antriebsstörung und eine deutliche Einschränkung der Psychomotorik festgestellt. Eine Verschlechterung zwischen 2004 und 2008 könnte im Hinblick auf die vorangegangenen nervenärztlichen Gutachten allerdings nicht angenommen werden. Auch aus den Berichten des behandelnden Nervenarztes gehe das Vorliegen einer schwergradig ausgeprägten depressiven Episode nicht hervor. Zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. Sch. sei die Klägerin auch noch in der Lage gewesen, den Haushalt zu versorgen und sich um den Hund und um die Familie zu kümmern. Als Leistungsfall käme somit der Zeitpunkt der dokumentierten Verschlechterung mit ambulanter Untersuchung am 25.6.2010 in Frage. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung nicht erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren; sie hat darauf keinen Anspruch.
Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden täglich abgesunken ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Davon ausgehend steht der Klägerin Erwerbsminderungsrente nicht zu. Bis zur Begutachtung durch Prof. Dr. H. während des Berufungsverfahrens lag Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nicht vor, da die Klägerin (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich verrichten konnte (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht aus den im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren erhobenen Gutachten und Arztberichten hervor. Ob mittlerweile – seit der Begutachtung durch Prof. Dr. H. am 25.6.2010 – Erwerbsminderung besteht, kann der Senat offen lassen, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erfüllt sind.
Aus den im Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren erhobenen Gutachten geht zur Überzeugung des Senats hervor, dass rentenberechtigende Leistungseinschränkungen seinerzeit nicht vorlagen. Der Nervenarzt Dr. F. befand die Klägerin im Gutachten vom 11.2.2007 hinsichtlich leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) für vollschichtig leistungsfähig. Eine höhergradige Erkrankung des depressiven Formenkreises bzw. eine darauf zurückgehende rentenberechtigende (quantitative) Leistungseinschränkung konnte er nicht feststellen. Seine Einschätzung steht in Einklang mit der Auffassung der Ärzte der Klinik K., die die Klägerin im Bericht vom 9.5.2005 ebenfalls für fähig erachteten, leichte (bis mittelschwere) Tätigkeiten sechs Stunden täglich und mehr zu verrichten; auch die Ärzte der M.-Klinik hatten unter Berücksichtigung einer bekannten Depression im Entlassungsbericht vom 27.12.2001 eine entsprechende Leistungseinschätzung abgegeben. Die Begutachtung im Widerspruchsverfahren durch Dr. L., der im Gutachten vom 2.10.2007 einen durchweg schmerzfreien Bewegungsapparat feststellte, ergab wiederum vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin.
Die Begutachtung im sozialgerichtlichen Verfahren bestätigte die Einschätzung der Verwaltungsgutachter. Dr. Sch. konstatierte im Gutachten vom 2.10.2008 ein Verdeutlichungsverhalten der Klägerin und vertrat darauf gestützt schlüssig die Auffassung, dass die Schmerzangaben instrumentalisiert werden, um eine Rente zu erwirken. Das wird bestätigt durch die Erkenntnisse der Allgemeinärztin B., die im Bericht vom 3.6.2008 mitteilte, dass die Klägerin zu keinerlei Kooperation und Eigeninitiative bei der Behandlung der vorgebrachten Beschwerden bereit war und nur durch "bittere Not" zu einer –vollschichtig möglichen – Berufstätigkeit bewegt werden könnte. In psychopharmakologischer Hinsicht konnte Dr. Sch. nur die Anwendung eines Antidepressivums in niedriger Dosierung und deswegen ohne antidepressive Wirkung feststellen. Bei dem Neurologen und Psychiater Dr. H. hatte sich die Klägerin nur dreimal (über die Jahre 2005 bis 2008 verteilt) vorgestellt; dieser befand sie demzufolge ebenfalls für fähig (vier bis) sechs Stunden täglich zu arbeiten (Bericht vom 9.6.2008). Das Fehlen einer adäquaten (psychotherapeutischen und psychiatrischen bzw. psychopharmakologischen) Therapie spricht aber gegen das Vorliegen einer höhergradigen Depressionserkrankung mit entsprechendem Leidensdruck und daraus folgenden Leistungseinschränkungen; das gilt in gleicher Weise für eine Schmerzerkrankung. Die Auffassung des Internisten Dr. R., der die Klägerin für nicht vollschichtig leistungsfähig erachtete (Bericht vom 1.6.2008), kann angesichts dessen nicht überzeugen.
Dem im Berufungsverfahren auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten des Prof. Dr. H. vom 6.1.2011 ist eine rentenberechtigende Leistungsminderung für die Zeit vor dem 25.6.2010 (Untersuchung durch Prof. Dr. H.) nicht zu entnehmen. Die Beklagte hat dies – gestützt auf ihren beratungsärztlichen Dienst – zu Recht angenommen. Die Klägerin befindet sich nach wie vor nicht in ambulanter nervenärztlicher Behandlung; stationäre Behandlungen in einer psychiatrischen Klinik haben ebenfalls nicht stattgefunden. Im Hinblick darauf bestehen schon an der Diagnose des Prof. Dr. H., der das ausgeprägte Vollbild eines depressiven Syndroms bzw. eine mittelschwere bis schwere depressive Episode gefunden haben will, erhebliche Zweifel. Jedenfalls kann das Postulat des Gutachters, das Leistungsvermögen der Klägerin sei deswegen (bereits) seit Mai 2006 auf höchstens zwei Stunden täglich abgesunken, nicht überzeugen. Diese Annahme steht in klarem Widerspruch zu den Erkenntnissen der Vorgutachter Dres. F., L. und Sch., die die Klägerin in den Gutachten vom 11.2.2007, 2.10.2007 und 2.10.2008 jeweils für vollschichtig leistungsfähig befunden haben, und zu den Einschätzungen der behandelnden Allgemeinärztin B. (Bericht vom 3.6.2008) und des behandelnden Nervenarztes Dr. H. (Bericht vom 9.6.2008); auch Dr. H. war von einem (jedenfalls) vier bis sechsstündigen Leistungsvermögen ausgegangen. Mit den Auffassungen dieser begutachtenden und behandelnden Ärzte hat sich Prof. Dr. H. nicht auseinandergesetzt. Weswegen es zwischen 2004 und 2008 zu einer Verschlimmerung des Krankheitsbildes gekommen sein soll, ist daher weder nachvollziehbar noch schlüssig, zumal sich Prof. Dr. H. hierfür darauf stützt, dass die Klägerin Dr. R. nach dessen Bericht vom 1.6.2008 in dieser Zeit nicht konsultiert hatte. Das Fehlen einer adäquaten Therapie spricht nach dem Gesagten aber nicht für, sondern gegen eine Leidensverschlechterung.
Der Senat kann offen lassen, ob mit dem Gutachten des Prof. Dr. H. der Nachweis des (aktuellen) Vorliegens einer rentenberechtigenden Leistungsminderung geführt werden könnte. Nach dem Gesagten käme als Leistungsfall allenfalls der Zeitpunkt der Untersuchung der Klägerin durch den Gutachter (am 25.6.2010) in Frage. Zu diesem Zeitpunkt sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung aber nicht mehr erfüllt, da die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht aufzuweisen hätte. Das geht aus dem Versicherungsverlauf der Klägerin hervor, der rentenrechtliche Zeiten seit 14.7.2006 nicht ausweist und ist unter den Beteiligten auch nicht streitig.
Der Klägerin muss eine ihr noch mindestens sechs Stunden täglich mögliche Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht benannt werden. Ein Fall einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung liegt nicht vor. Vom erlernten Beruf der Friseurin hat sie sich schon 1999 nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern wegen schlechter Bezahlung (Verwaltungsakte S. 108) gelöst und sodann nach einer Zwischenzeit als Hausfrau (1999 bis 2000) ungelernte Tätigkeiten (als Zustellerin bzw. Bäckereiverkäuferin) verrichtet. Im Übrigen kommt Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht, da die Klägerin im Jahr 1969 und damit nicht vor dem 2.1.1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1969 geborene Klägerin absolvierte von 1985 bis 1988 eine Ausbildung zur Friseurin, die sie am 23.11.1988 mit der Gesellenprüfung abschloss. In diesem Beruf arbeitete sie von 1993 bis 1999 (in Teilzeit). Von 1999 bis 2000 war die Klägerin Hausfrau und sodann von 2000 bis 2002 als Paket- und Briefzustellerin sowie von 2002 bis 2004 als Bäckereiverkäuferin (in Teilzeit) versicherungspflichtig beschäftigt. Im Versicherungsverlauf der Klägerin sind rentenrechtliche Zeiten seit dem 14.7.2006 nicht mehr ausgewiesen.
Unter dem 6.12.2006 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Zuvor hatte sie vom 4.12. bis 25.12.2001 und vom 23.3. bis 4.5.2005 stationäre Rehabilitationsbehandlungen in der M.-Klinik, Bad B., bzw. der Klinik K., G., absolviert.
Im Entlassungsbericht der M.-Klinik vom 27.12.2001 sind die Diagnosen diffus lokalisierte Schmerzen im Bereich der HWS und BWS, keine degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sowie eine bekannte Depression, medikamentös behandelt, festgehalten. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit als Friseurin seinerzeit wegen schlechter Bezahlung aufgegeben. Seit drei Jahren bestehe eine depressive Entwicklung, die fachärztlich behandelt werde. Die Depressionen seien nach der Trennung von ihrem Ehemann aufgetreten; seit einem Jahr lebten die Eheleute wieder zusammen. Klinische Zeichen für eine Fibromyalgie gebe es nicht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) sechs Stunden täglich und mehr zumutbar.
Im Entlassungsbericht der Klinik K. vom 9.5.2005 sind die Diagnosen mittelgradige depressive Episode sowie Fibromyalgie aufgeführt. Die Klägerin könne als Verkäuferin sechs Stunden täglich und mehr arbeiten und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) ebenfalls sechs Stunden täglich und mehr verrichten. Auf Grund der Symptomatik sei sie gegenwärtig psychisch nicht sehr belastbar. Das Umstellungs- und Anpassungsvermögen sei eingeschränkt.
Die Beklagte zog Arztunterlagen bei und erhob das Gutachten des Nervenarztes Dr. F. vom 11.2.2007. Darin ist ausgeführt, die Klägerin habe angegeben, seit Februar 2006 sei sie nicht mehr in psychotherapeutischer und seit Sommer 2006 nicht mehr in nervenärztlicher Behandlung. Ihr Verhalten sei situationsgemäß, beschwerdefixiert, jedoch nicht demonstrativ gewesen. Bei übersteigerten Schmerzreaktionen entstehe der Eindruck einer vermehrten Schmerzbereitschaft. Nach eigenen Angaben habe sich die Klägerin im Jahr 2004 nach vorübergehenden Krankenhausaufenthalten und Beendigung ihres letzten Arbeitsverhältnisses entschlossen, nicht mehr zu arbeiten. Der Gutachter diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei Verdacht auf histrionische Persönlichkeitsstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig verrichten.
Mit Bescheid vom 28.2.2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin ein Attest der Allgemeinärztin Dipl. med. B. vom 12.6.2007 (regelmäßige ambulante psychotherapeutische Behandlung und das Erlernen von Entspannungstechniken sowie leichtes sportliches Training seien durchaus erfolgversprechend zur Verringerung der quälenden gesundheitlichen Probleme) sowie einen Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 16.5.2007 (Verwaltungsakte S. 94: Klinik und Untersuchungsbefund sprächen für eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine mittelgradige Depression) vor.
Die Beklagte erhob das Gutachten des Internisten, Rheumatologen und Sozialmediziners Dr. L. vom 2.10.2007. Dieser diagnostizierte ein Fibromyalgiesyndrom sowie eine reaktive depressive Störung mit Somatisierungstendenz. Die Kriterien zur Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms seien eindeutig in ihrer Mehrheit erfüllt. Die funktionellen Prüfungen des Bewegungsapparats seien aber durchweg schmerzfrei gewesen, so dass weder höhergradige degenerative, geschweige denn entzündliche Veränderungen anzunehmen seien. Die Klägerin könne als Bäckereiverkäuferin sechs Stunden täglich und mehr arbeiten und leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) ebenfalls sechs Stunden täglich und mehr verrichten (Verwaltungsakte S. 157).
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.1.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 4.2.2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhob. Zur Begründung trug sie vor, ihre Erkrankungen und Funktionseinschränkungen seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Insbesondere wegen ihrer Schmerzen könne sie nicht mehr als drei bis sechs Stunden täglich arbeiten.
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob das Gutachten des Internisten, Neurologen und Psychiaters Dr. Sch. vom 2.10.2008.
Die Allgemeinärztin Dipl. med. B. gab unter dem 3.6.2008 an, die Klägerin sei vom 27.6.2006 bis 11.3.2008 behandelt worden; man habe die Behandlung mangels jeder Bereitschaft zur Kooperation und Eigeninitiative beendet. Am 16.5.2006 habe die Klägerin einen demonstrativen Suizidversuch mit Einnahme weniger Tabletten unternommen. Zu keinem Zeitpunkt habe es beweisende Hinweise dafür gegeben, dass sie sich einer regelmäßigen Tätigkeit nicht unterziehen könnte. Die Frage, ob die Klägerin in der Lage sei, eine körperlich leichte Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, werde mit einem "fröhlichen" Ja beantwortet; nur bittere Not werde sie allerdings dorthin bringen. Der Internist Dr. R., der die Klägerin bis Mai 2004 (mit Akupunktur) und sodann wieder ab 8.4.2008 (hausärztlich) behandelt hatte, vertrat die Auffassung, die Klägerin sei derzeit nicht in der Lage, sechs Stunden täglich zu arbeiten. Bei der Klägerin habe sich ein psychosomatisches Krankheitsbild mit Schwäche, Verzweiflung, vermehrter Schmerzwahrnehmung und erheblicher Kränkung durch Nichtanerkennung ihres Leidensdrucks entwickelt, was einer regelmäßigen Arbeit entgegenstehe; allerdings werde der körperliche Zustand nicht als hinderlich angesehen (Bericht vom 1.6.2008). Der Neurologe und Psychiater Dr. H. teilte mit, die Klägerin habe sich dreimal vorgestellt (18.2.2005, 16.5.2007, 15.4.2008); eine Teilzeitarbeit mit körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeiten sei für vier bis sechs Stunden täglich zumutbar (Bericht vom 9.6. 2008). Die Rheumatologin B., die die Klägerin einmal (3.5.2007) untersucht hatte (Diagnose Fibromyalgiesyndrom), konnte keine Leistungseinschätzung abgeben (Bericht vom 24.6.2008).
Dr. Sch. führte in seinem Gutachten aus, bei der körperlichen Untersuchung habe ein Verdeutlichungsverhalten bestanden. Der Antrieb sei adäquat, die Grundstimmung habe subdepressiv, unterschwellig leicht gereizt, fordernd, innerlich vermehrt unruhig und vermehrt klagsam gewirkt. Der Gutachter diagnostizierte eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie einen histrionischen Persönlichkeitsstil. Die Klägerin verfüge über eine Unterarmgehstütze; in der Begutachtungssituation sei nicht ersichtlich gewesen, warum diese benötigt werden sollte. Das Gangbild sei auch ohne Unterarmgehstütze recht zügig ohne Unsicherheiten gewesen. Aktuell habe sich eine Diskrepanz zwischen der Angabe einer Schmerzintensität von acht und den Schmerzäußerungen bzw. entsprechenden mimischen Regungen bei der Anamneseerhebung und auch den offensichtlichen körperlichen Beeinträchtigungen bei der körperlichen Untersuchung ergeben. Ein allenfalls leichtgradig ausgeprägtes depressives Syndrom werde im Rahmen der somatoformen Schmerzstörung gesehen. Für eine eigenständige affektive Erkrankung habe sich kein ausreichender Hinweis ergeben; die Klägerin nehme ein Antidepressivum in nur sedierender, aber nicht antidepressiv wirkender Dosierung ein. Die Klägerin könne leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig verrichten. Sie sei auch wegefähig. Es sei davon auszugehen, dass die angegebenen Schmerzen im Rentenverfahren instrumentalisiert würden; dies habe sich bei der jetzigen Untersuchung gezeigt.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.2.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Klägerin stehe Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) nicht zu, da sie in der Lage sei, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das ergebe sich (insbesondere) aus den Gutachten der Dres. Sch., F. und L. und den Entlassungsberichten über die in den Jahren 2001 und 2005 durchgeführten Rehabilitationsbehandlungen. Die abweichenden Auffassungen einzelner behandelnder Ärzte könnten demgegenüber nicht überzeugen. Im Hinblick auf das Krankheitsbild der Fibromyalgie seien für die Rentengewährung nicht Diagnosen, sondern Funktionseinschränkungen maßgeblich. Eine rentenberechtigende Minderung der Leistungsfähigkeit sei jedoch nicht festgestellt worden. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) komme nicht in Betracht, da die Klägerin 1969 geboren sei. Der Gerichtsbescheid wurde zunächst am 10.3.2009 dem (nicht bevollmächtigten) Praxisnachfolger des am 21.1.2009 verstorbenen Rechtsbeistands der Klägerin und sodann am 28.3.2009 der Klägerin selbst zugestellt.
Am 28.4.2009 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Gutachter hätten ihr eine Tätigkeit, die sie noch verrichten könne, nicht konkret benannt. Die Auffassung des Sozialgerichts stehe in erheblichem Widerspruch zu ihrem Alltag. Wegen ihrer Beschwerden könne sie diesen nicht strukturieren und schmerzbedingt auch leichte Hausarbeiten nicht mehr bzw. nicht ohne Pausen erledigen. Seit dem Jahr 2000 werde sie wegen Depressionen psychiatrisch behandelt. Man habe eine somatoforme Schmerzstörung und Fibromyalgie diagnostiziert. Ihr behandelnder Arzt Dr. H. (Attest vom 8.1.2009: Diagnose Fibromyalgie, reaktive Depression) nehme ein auf unter drei Stunden täglich abgesunkenes Leistungsvermögen an.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.2.2009 sowie den Bescheid vom 28.2.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1.1.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. H. vom 6.1.2011 erhoben.
Der Gutachter hat ausgeführt, nach Angaben der Klägerin hätten die Beschwerden im Nacken-Schulterbereich begonnen und schließlich in den Arm bis in die Fingerspitzen beidseits ausgestrahlt. Seinerzeit habe sie noch als Brief- und Paketzustellerin bei der D. P. gearbeitet. Während ihrer beruflichen Tätigkeit hätten sich die Schmerzen verstärkt. Sie sei mit Krankengymnastik und Spritzen behandelt worden, außerdem habe sie Medikamente verschrieben bekommen. Psychisch sei es ihr immer schlechter gegangen, sie habe noch Depressionen dazu bekommen. Sie habe das Gefühl gehabt, von den Ärzten nicht mehr ernst genommen zu werden; man habe sie sogar als Simulantin bezeichnet. Sie sei häufiger in Krankenhäusern und Rehakliniken sowie einer psychosomatischen Klinik behandelt worden. Dort sei es ihr etwas besser gegangen. Derzeit befinde sie sich nicht in nervenärztlicher Behandlung; sie misstraue allen Ärzten aufgrund ihrer Erfahrung in Baden Württemberg. Man glaube ihr die Schmerzen und die Fibromyalgieerkrankung nicht. Ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik sei nicht erfolgt.
Prof. Dr. H. hat Konzentrationsstörungen nicht sicher beobachten können und eine stark gedrückte Stimmung sowie einen deutlich reduzierten Antrieb gefunden. In der Psychomotorik sei die Klägerin deutlich eingeschränkt. Inwieweit über die depressive Symptomatik hinaus ein Fibromyalgie-Syndrom vorliege, sei für die Leistungsbeurteilung zweitrangig, da man die geklagte Schmerz-Symptomatik auch häufig in einer chronisch verlaufenden Depression finde und das Fibromyalgie-Syndrom als nosologische Einheit ohnehin zunehmend umstritten sei. Das jetzt vorgefundene psychopathologische Bild sei als ausgeprägtes Vollbild eines depressiven Syndroms zu bezeichnen. Die Mitteilung des Dr. R. vom 1.6.2008 an das Sozialgericht Karlsruhe sei die für die Verlaufsbeurteilung deswegen von besonderer Bedeutung weil er die Klägerin zwischen Mai 2004 und 2008 nicht gesehen habe. Im Hinblick darauf müsse im Zusammenhang mit dem jetzt festzustellenden Krankheitsbild von einer Verschlimmerung der Erkrankung zumindest zwischen 2004 und 2008 ausgegangen werden. Es werde vorgeschlagen, die Erwerbsunfähigkeit auf zwei Jahre zu begrenzen. In dieser Zeit solle eine intensive Psychotherapie in Kombination mit psychopharmakologischen Maßnahmen auch im Hinblick auf den Missbrauch von Analgetika stattfinden. Danach käme eine neuerliche Begutachtung in Betracht.
Der Gutachter hat eine mittelschwere bis schwere depressive Episode; Arzneimittelmissbrauch (Tilidin) und einen Verdacht auf Fibromyalgie diagnostiziert. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten höchstens zwei Stunden täglich verrichten. Unter besonderer Berücksichtigung des Berichts des Dr. Ungemach vom 24.5.2006 sei die jetzt festgestellte Leistungseinschränkung seit Mai 2006 anzunehmen.
Die Beklagte hat ihren beratungsärztlichen Dienst konsultiert und abschließend ausgeführt, Prof. Dr. H. habe zu den vorangegangenen nervenärztlichen Gutachten nicht Stellung genommen. Dr. F. habe im Februar 2007 lediglich eine leichtgradig ausgeprägte depressive Episode feststellen können. Der behandelnde Nervenarzt habe zwar im Juni 2007 eine mittelgradig ausgeprägte depressive Episode mitgeteilt, allerdings habe Dr. Sch. im Oktober 2008 eine depressive Störung nicht feststellen können. Seinerzeit habe die Klägerin ein Antidepressivum in sehr niedriger Dosierung bekommen, weswegen - so Dr. Sch. - eine antidepressive Wirkung gar nicht habe eintreten können; vielmehr habe das Medikament nur sedierend gewirkt. Bei Vorliegen einer mittel- bis schwergradig ausgeprägten depressiven Episode wäre aber eine intensivere Behandlung erfolgt. Auch der damals erhobene Tagesablauf habe eine relevante Antriebsstörung, die bei einer mittel- bis schwergradig ausgeprägten depressiven Episode vorliege, nicht erkennen lassen. Die Berufungsklägerin sei in der Lage gewesen, ihren Tagesablauf zu strukturieren. Ein soziales Rückzugsverhalten sei nicht beschrieben worden.
Gegenüber dem psychopathologischen Befund im Gutachten des Dr. Sch. sei nunmehr eine deutliche Verschlechterung zu konstatieren. So habe Prof. Dr. H. eine stark gedrückte Stimmungslage, eine erhebliche Antriebsstörung und eine deutliche Einschränkung der Psychomotorik festgestellt. Eine Verschlechterung zwischen 2004 und 2008 könnte im Hinblick auf die vorangegangenen nervenärztlichen Gutachten allerdings nicht angenommen werden. Auch aus den Berichten des behandelnden Nervenarztes gehe das Vorliegen einer schwergradig ausgeprägten depressiven Episode nicht hervor. Zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. Sch. sei die Klägerin auch noch in der Lage gewesen, den Haushalt zu versorgen und sich um den Hund und um die Familie zu kümmern. Als Leistungsfall käme somit der Zeitpunkt der dokumentierten Verschlechterung mit ambulanter Untersuchung am 25.6.2010 in Frage. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung nicht erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren; sie hat darauf keinen Anspruch.
Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden täglich abgesunken ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Davon ausgehend steht der Klägerin Erwerbsminderungsrente nicht zu. Bis zur Begutachtung durch Prof. Dr. H. während des Berufungsverfahrens lag Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI nicht vor, da die Klägerin (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich verrichten konnte (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht aus den im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren erhobenen Gutachten und Arztberichten hervor. Ob mittlerweile – seit der Begutachtung durch Prof. Dr. H. am 25.6.2010 – Erwerbsminderung besteht, kann der Senat offen lassen, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erfüllt sind.
Aus den im Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren erhobenen Gutachten geht zur Überzeugung des Senats hervor, dass rentenberechtigende Leistungseinschränkungen seinerzeit nicht vorlagen. Der Nervenarzt Dr. F. befand die Klägerin im Gutachten vom 11.2.2007 hinsichtlich leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) für vollschichtig leistungsfähig. Eine höhergradige Erkrankung des depressiven Formenkreises bzw. eine darauf zurückgehende rentenberechtigende (quantitative) Leistungseinschränkung konnte er nicht feststellen. Seine Einschätzung steht in Einklang mit der Auffassung der Ärzte der Klinik K., die die Klägerin im Bericht vom 9.5.2005 ebenfalls für fähig erachteten, leichte (bis mittelschwere) Tätigkeiten sechs Stunden täglich und mehr zu verrichten; auch die Ärzte der M.-Klinik hatten unter Berücksichtigung einer bekannten Depression im Entlassungsbericht vom 27.12.2001 eine entsprechende Leistungseinschätzung abgegeben. Die Begutachtung im Widerspruchsverfahren durch Dr. L., der im Gutachten vom 2.10.2007 einen durchweg schmerzfreien Bewegungsapparat feststellte, ergab wiederum vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin.
Die Begutachtung im sozialgerichtlichen Verfahren bestätigte die Einschätzung der Verwaltungsgutachter. Dr. Sch. konstatierte im Gutachten vom 2.10.2008 ein Verdeutlichungsverhalten der Klägerin und vertrat darauf gestützt schlüssig die Auffassung, dass die Schmerzangaben instrumentalisiert werden, um eine Rente zu erwirken. Das wird bestätigt durch die Erkenntnisse der Allgemeinärztin B., die im Bericht vom 3.6.2008 mitteilte, dass die Klägerin zu keinerlei Kooperation und Eigeninitiative bei der Behandlung der vorgebrachten Beschwerden bereit war und nur durch "bittere Not" zu einer –vollschichtig möglichen – Berufstätigkeit bewegt werden könnte. In psychopharmakologischer Hinsicht konnte Dr. Sch. nur die Anwendung eines Antidepressivums in niedriger Dosierung und deswegen ohne antidepressive Wirkung feststellen. Bei dem Neurologen und Psychiater Dr. H. hatte sich die Klägerin nur dreimal (über die Jahre 2005 bis 2008 verteilt) vorgestellt; dieser befand sie demzufolge ebenfalls für fähig (vier bis) sechs Stunden täglich zu arbeiten (Bericht vom 9.6.2008). Das Fehlen einer adäquaten (psychotherapeutischen und psychiatrischen bzw. psychopharmakologischen) Therapie spricht aber gegen das Vorliegen einer höhergradigen Depressionserkrankung mit entsprechendem Leidensdruck und daraus folgenden Leistungseinschränkungen; das gilt in gleicher Weise für eine Schmerzerkrankung. Die Auffassung des Internisten Dr. R., der die Klägerin für nicht vollschichtig leistungsfähig erachtete (Bericht vom 1.6.2008), kann angesichts dessen nicht überzeugen.
Dem im Berufungsverfahren auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten des Prof. Dr. H. vom 6.1.2011 ist eine rentenberechtigende Leistungsminderung für die Zeit vor dem 25.6.2010 (Untersuchung durch Prof. Dr. H.) nicht zu entnehmen. Die Beklagte hat dies – gestützt auf ihren beratungsärztlichen Dienst – zu Recht angenommen. Die Klägerin befindet sich nach wie vor nicht in ambulanter nervenärztlicher Behandlung; stationäre Behandlungen in einer psychiatrischen Klinik haben ebenfalls nicht stattgefunden. Im Hinblick darauf bestehen schon an der Diagnose des Prof. Dr. H., der das ausgeprägte Vollbild eines depressiven Syndroms bzw. eine mittelschwere bis schwere depressive Episode gefunden haben will, erhebliche Zweifel. Jedenfalls kann das Postulat des Gutachters, das Leistungsvermögen der Klägerin sei deswegen (bereits) seit Mai 2006 auf höchstens zwei Stunden täglich abgesunken, nicht überzeugen. Diese Annahme steht in klarem Widerspruch zu den Erkenntnissen der Vorgutachter Dres. F., L. und Sch., die die Klägerin in den Gutachten vom 11.2.2007, 2.10.2007 und 2.10.2008 jeweils für vollschichtig leistungsfähig befunden haben, und zu den Einschätzungen der behandelnden Allgemeinärztin B. (Bericht vom 3.6.2008) und des behandelnden Nervenarztes Dr. H. (Bericht vom 9.6.2008); auch Dr. H. war von einem (jedenfalls) vier bis sechsstündigen Leistungsvermögen ausgegangen. Mit den Auffassungen dieser begutachtenden und behandelnden Ärzte hat sich Prof. Dr. H. nicht auseinandergesetzt. Weswegen es zwischen 2004 und 2008 zu einer Verschlimmerung des Krankheitsbildes gekommen sein soll, ist daher weder nachvollziehbar noch schlüssig, zumal sich Prof. Dr. H. hierfür darauf stützt, dass die Klägerin Dr. R. nach dessen Bericht vom 1.6.2008 in dieser Zeit nicht konsultiert hatte. Das Fehlen einer adäquaten Therapie spricht nach dem Gesagten aber nicht für, sondern gegen eine Leidensverschlechterung.
Der Senat kann offen lassen, ob mit dem Gutachten des Prof. Dr. H. der Nachweis des (aktuellen) Vorliegens einer rentenberechtigenden Leistungsminderung geführt werden könnte. Nach dem Gesagten käme als Leistungsfall allenfalls der Zeitpunkt der Untersuchung der Klägerin durch den Gutachter (am 25.6.2010) in Frage. Zu diesem Zeitpunkt sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung aber nicht mehr erfüllt, da die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht aufzuweisen hätte. Das geht aus dem Versicherungsverlauf der Klägerin hervor, der rentenrechtliche Zeiten seit 14.7.2006 nicht ausweist und ist unter den Beteiligten auch nicht streitig.
Der Klägerin muss eine ihr noch mindestens sechs Stunden täglich mögliche Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht benannt werden. Ein Fall einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung liegt nicht vor. Vom erlernten Beruf der Friseurin hat sie sich schon 1999 nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern wegen schlechter Bezahlung (Verwaltungsakte S. 108) gelöst und sodann nach einer Zwischenzeit als Hausfrau (1999 bis 2000) ungelernte Tätigkeiten (als Zustellerin bzw. Bäckereiverkäuferin) verrichtet. Im Übrigen kommt Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht, da die Klägerin im Jahr 1969 und damit nicht vor dem 2.1.1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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