Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 1835/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2762/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Der Klägerin werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,- EUR auferlegt. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Die 1951 geborene Klägerin stellte erstmals am 11.02.2003 einen Antrag auf Anerkennung einer Behinderung. Nach Beiziehung des Reha-Entlassungsberichts der Schloss-Klinik B. B. vom 20.11.2002 und weiterer Arztunterlagen stellte das Versorgungsamt R. (VA) mit Bescheid vom 04.03.2003 den GdB mit 30 seit 11.02.2003 fest. Es wurde festgestellt, dass bei der Klägerin folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, chronische Schmerzsyndrom, seelische Störung (Teil-GdB 30), Bluthochdruck (Teil-GdB 10).
Die Verschlimmerungsanträge der Klägerin vom 14.10.2004 und vom 31.01.2006 wurden jeweils abgelehnt.
Am 31.01.2008 stellte die Klägerin beim Landratsamt B. - Versorgungsamt - F. (VA) einen weiteren Verschlimmerungsantrag. Nach Auswertung der eingereichten Arztunterlagen lehnte das VA mit Bescheid vom 04.03.2008 den Antrag der Klägerin ab, da eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei.
Der dagegen erhobene Widerspruch, mit dem der CT-Befund vom 14.02.2008 vorgelegt wurde und den der Beklagte vom Ärztlichen Dienst mit Stellungnahme vom 16.04.2008 auswerten ließ, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2008 zurückgewiesen.
Dagegen erhob die Klägerin am 23.06.2008 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) mit dem Begehren, den Beklagten zur Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung zu verurteilen.
Auf Antrag der Klägerin zog das SG das Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. M. vom Gesundheitsamt des Landratsamtes B. vom 10.09.2008 bei. Hierzu legte der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 29.12.2008 vor. Darin wurde ausgeführt, bisher sei zusammenfassend für eine Funktionsminderung der Wirbelsäule und ein chronisches Schmerzsyndrom bei seelischer Störung ein Teil-GdB von 30 zuerkannt worden. Im Gutachten von Frau Dr. M. werde eine eingeschränkte Drehung der Halswirbelsäule angegeben ohne detaillierte Funktionswerte, die Lendenwirbelsäule werde in diesem Gutachten als endgradig eingeschränkt beweglich beschrieben. Im Gutachten von Dr. R. vom 20.08.2008, das dieser für die Deutsche Rentenversicherung erstattet habe, werde dagegen ausgeführt, dass die HWS nahezu frei beweglich sei, ebenso die Rotation und die Seitwärtsneigung der übrigen Wirbelsäule bei einem hoch normalen Ott`schen Zeichen von 30/33 cm (Maß für die Entfaltung der BWS) sowie einem ebenfalls hoch normalen Schober-Zeichen von 10/16 cm (Maß für die Entfaltbarkeit der LWS). Allein von Seiten der Wirbelsäule ergebe sich somit für sich allein betrachtet maximal ein Teil-GdB von 10. Die großen Gelenke der oberen und unteren Gliedmaßen seien sowohl laut dem Gutachten von Frau Dr. M. als auch dem Gutachten von Herrn Dr. R. frei beweglich. Gehe man also davon aus, dass die objektiv fassbaren Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates allenfalls diskret seien, so könne sich der bisherige Teil-GdB von 30 in vollem Umfang auf psychische Folgeerscheinungen bestehender Schmerzen beziehen, wobei dieser GdB bereits einer stärker behindernden seelischen Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entspreche. Wie sich den beiden Gutachten von Dr. M. und von Dr. R. ebenfalls entnehmen lasse, seien die psychischen Funktionseinschränkungen aber ebenfalls nur geringgradig ausgeprägt. Insgesamt müsse somit die bisherige GdB-Bewertung als sehr weitreichend angesehen werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.02.2009 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des der Klägerin am 25.02.2009 zugestellten Gerichtsbescheides wird Bezug genommen.
Dagegen hat die Klägerin am 05.03.2009 Berufung eingelegt (L 8 SB 1037/09). Anschließend wurde Dr. H ... - Arzt für Neurologie und Psychiatrie - als sachverständiger Zeuge gehört (Auskunft vom 06.07.2009, auf die verwiesen wird). Da das Rentenverfahren (S 9 R 3873/08 beim SG) noch nicht beendet war, wurde mit dem Einverständnis der Beteiligten mit Beschluss vom 10.08.2009 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Nach Beendigung des Rentenverfahrens rief der Bevollmächtigte der Klägerin am 09.06.2010 das ruhende Berufungsverfahren wieder an (L 8 SB 2762/10) und beantragte, den die Klägerin behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. als sachverständigen Zeugen zu hören.
Dem kam der Senat nach und holte die schriftliche Aussage des Dr. H. vom 14.10.2010 ein, dem die Arztberichte des Orthopäden Dr. J. vom 25.10.2010, des Dr. R. - Facharzt für Neurologie, Psychiatrie/Psychotherapie - vom 20.05.2009, des Dr. S. - Facharzt für Diagnostische Radiologie - vom 09.06.2009, der Dr. E. - Ärztin für Innere Medizin - vom 31.07.2007, des Internisten/Nephrologen Dr. P. vom 18.06.2008 und des Internisten/Kardiologen Dr. L. vom 09.09.2010 beigefügt waren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Februar 2009 sowie den Bescheid vom 04. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von mehr als 30 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und trägt ergänzend vor, zunächst werde auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 29.12.2008 verwiesen, die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt worden sei, wonach der bislang festgestellte Gesamt-GdB mit 30 als sehr weitreichend anzusehen sei, nachdem die objektiv fassbaren Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates allenfalls diskret seien. Dies werde auch bestätigt durch die im Rahmen des Berufungsverfahrens eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. habe am 06.07.2007 mitgeteilt, dass sich organneurologisch ein völlig unauffälliger Befund ergeben habe. Bekannt seien degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke, die vom Lebensalter her zu erwarten seien, ohne schwerwiegende Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik. Eine eigentliche seelische Erkrankung liege bei der Klägerin nicht vor, wobei diese auch großen Wert darauf lege, nicht psychisch krank zu sein. Die körperlich nicht erklärbaren Schmerzen ordne Dr. H. lediglich einer undifferenzierten Somatisierungsstörung zu. Nach Auskunft des Allgemeinmediziners Dr. H. leide die Klägerin im wesentlichen an einer chronischen Depression mit Somatisierungstendenz, offenbar unterhalten bzw. verstärkt durch psychischen Stress vor allem wegen der Wohnsituation. Als weitere Diagnose nenne Dr. H. Herzrhythmusstörungen sowie eine arterielle Hypertonie. Der Bluthochdruck sei bereits mit einem Teil-GdB von 10 bewertet, wobei sich diesbezüglich kein Anhaltspunkt für eine höhere Bewertung ergebe. Bei Herzrhythmusstörungen richte sich die Bewertung entsprechend den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) vor allem nach der Leistungsbeeinträchtigung des Herzens. Den von Dr. H. mit übersandten Befunden lasse sich hier eine dauerhafte Herzleistungsbeeinträchtigung nicht entnehmen. Im Bericht des Kardiologen Dr. L. vom 09.09.2010 werde als Diagnose ein "Zustand nach persistierendem Vorhofflimmern" genannt, bei der Kontrolle am 06.09.2010 sei die Klägerin aber inzwischen wieder kardial beschwerdefrei gewesen. Im Hinblick auf die bisherige relativ weit reichende Bewertung würde daher selbst ein zusätzliche Berücksichtigung der Herzrhythmusstörungen mit einem Teil-GdB von beispielsweise 20 nicht zu einem höheren Gesamt-GdB als 30 führen.
Der Senat hat die SG-Akten des Rentenverfahrens S 9 R 3873/08 zum Verfahren beigezogen, in denen sich auch das nervenärztlich-sozialmedizinische Gutachten des Dr. H. vom 10.06.2009 befindet.
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter in nicht öffentlicher Sitzung am 08.04.2011 mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Niederschrift vom 08.04.2011 wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 04.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2008 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Neufeststellung des GdB von über 30 zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Hiervon ausgehend beträgt der Gesamt-GdB bei der Klägerin unverändert nicht mehr als 30. Der Senat gelangt mit dem SG zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine wesentliche Änderung nicht eingetreten ist, die die Anhebung des Gesamt-GdB rechtfertigt. Ein Gesamt-GdB von mehr als 30 liegt bei der Klägerin nicht vor.
Zu Recht hat das SG entschieden, dass sich nach den Feststellungen von Dr. M. und Dr. R. allein von Seiten der Wirbelsäule maximal ein Teil-GdB von 10 ergibt, dass die Halswirbelsäule nahezu frei beweglich war, ebenso die Rotation und die Seitwärtsneigung der übrigen Wirbelsäule und dass die großen Gelenke der oberen und unteren Gliedmaßen frei beweglich waren, weshalb die objektiv fassbaren Funktionsbeeinträchtigung des Bewegungsapparates somit diskret sind. Des weiteren hat das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass sich stärker behindernde seelische Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit den Arztäußerungen nicht entnehmen lassen. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner Entscheidung den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides voll an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren hat dieses Ergebnis bestätigt.
Dr. H., der die Klägerin im Rahmen des Rentenverfahrens gutachtlich untersucht hat, hat festgestellt, dass sich bei der Klägerin organneurologisch ein völlig unauffälliger Befund ergab. Eine eigentliche seelische Erkrankung lag bei der Klägerin nicht vor. Ihre körperlich nicht erklärbaren Schmerzen hätten sich lediglich einer undifferenzierten Somatisierungsstörung zuordnen lassen. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass sich der Gesamt-GdB von 30, der sich im wesentlichen aus Funktionsbeeinträchtigungen auf psychischem Gebiet einschließlich einer Somatisierungstendenz ergibt, angesichts der erhobenen Befunde eher als zu weitreichend darstellt. Selbst unter Berücksichtigung des zuletzt im Bericht des Kardiologen Dr. L. vom 09.09.2010 mitgeteilten Befundes eines Zustandes nach persistierendem Vorhofflimmern käme, falls sich diese Funktionsbeeinträchtigung nicht als vorübergehende Gesundheitsstörung, sondern als Dauerbeeinträchtigung nachweisen ließe, kein höherer Gesamt-GdB als 30 in Betracht.
Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen. Der Senat hat der Klägerin gemäß § 192 Abs. 1 SGG Kosten in Höhe von 225 Euro wegen missbräuchlicher Prozessführung auferlegt. Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz (§ 192 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGG).
Abzustellen ist dabei auf die (objektivierte) Einsichtsfähigkeit eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten und damit auf den "Einsichtigen" im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu stellvertretend BVerfG, Beschluss vom 11.10.2001, Az. 2 BvR 1271/01 m.w.N.). Es kommt nicht auf die konkrete subjektive Sicht des betroffenen Beteiligten an. Anders als beim Begriff des "Mutwillens", der bereits nach dem Wortlaut ein subjektives Element enthält, ist der Fassung des § 192 SGG zufolge, die er mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17.08.2001 erhalten hat, für den Missbrauch nicht mehr erforderlich, dass der Beteiligte subjektiv weiß, die Rechtsverfolgung sei aussichtslos und er führe nun entgegen besserer Einsicht den Prozess weiter. Dies ergibt sich aus der Intention des Gesetzgebers, wie sie im Gesetzgebungsverfahren zu dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes zum Ausdruck gekommen ist (BT-Drs. 14/5943, S. 28), der den § 192 SGG nach dem Vorbild des § 34 Abs. 2 BVerfGG gestalten wollte und für dessen Anwendung trotz seiner Überschrift im Fall des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kein Verschulden des Betroffenen erforderlich ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteile des Senats vom 26.11.2010 - L 8 U 3211/10 - , vom 20.11.2009 L 8 SB 1648/08 - und vom 28.11.2008 L 8 AL 1799/07 unveröffentlicht).
Die Klägerin ist im Termin am 08.04.2011 vom Berichterstatter auf die Möglichkeit der Verhängung von Kosten nach § 192 SGG hingewiesen worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist unter Hinweis, dass der Senat das Ergebnis des Erörterungstermins (Beweiswürdigung und Anwendbarkeit von § 192 SGG) teilt, der Klägerin Gelegenheit gegeben worden, ihre aufrechterhaltenen Einwände gegen den angefochtenen Gerichtsbescheid zu begründen. Hierbei hat die Klägerin ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit erkennen lassen. Es liegt kein medizinischer Befund vor, der das Begehren der Klägerin stützt. Eine sachliche Auseinandersetzung mit den im Rahmen der Beweisaufnahme erlangten medizinischen Befunden ist auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht möglich gewesen. Die Klägerin hat pauschal die Unrichtigkeit der aktenkundigen Befundunterlagen behauptet und hierbei auf von ihr in die Sitzung mitgebrachte Arztunterlagen verwiesen, die teilweise bereits in den beigezogenen Akten abgelegt sind. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in ihrer Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt ist und auch trotz mehrerer richterlicher Hinweise nach objektiver Würdigung nicht hat erkennen können, dass die gerichtliche Beweisaufnahme relevante medizinische Befunde nicht ergeben hat, sind für den Senat nicht ersichtlich gewesen. Im Gutachten von Dr. H. vom 10.06.2009 ist überzeugend ausgeführt, dass bei der Klägerin eine eigentliche seelische Erkrankung nicht vorliegt; es bestehen zwar akzentuierte Persönlichkeitszügen mit histrionischen Verhaltensweisen. Vom Vollbild einer Persönlichkeitsstörung kann jedoch nicht ausgegangen werden. Unter Ausübung des nach § 192 SGG ihm eingeräumten Ermessens hält der Senat den Mindestbetrag der Pauschgebühr nach § 184 Abs. 2 SGG in Höhe von 225 Euro für notwendig und ausreichend.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Der Klägerin werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,- EUR auferlegt. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Die 1951 geborene Klägerin stellte erstmals am 11.02.2003 einen Antrag auf Anerkennung einer Behinderung. Nach Beiziehung des Reha-Entlassungsberichts der Schloss-Klinik B. B. vom 20.11.2002 und weiterer Arztunterlagen stellte das Versorgungsamt R. (VA) mit Bescheid vom 04.03.2003 den GdB mit 30 seit 11.02.2003 fest. Es wurde festgestellt, dass bei der Klägerin folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, chronische Schmerzsyndrom, seelische Störung (Teil-GdB 30), Bluthochdruck (Teil-GdB 10).
Die Verschlimmerungsanträge der Klägerin vom 14.10.2004 und vom 31.01.2006 wurden jeweils abgelehnt.
Am 31.01.2008 stellte die Klägerin beim Landratsamt B. - Versorgungsamt - F. (VA) einen weiteren Verschlimmerungsantrag. Nach Auswertung der eingereichten Arztunterlagen lehnte das VA mit Bescheid vom 04.03.2008 den Antrag der Klägerin ab, da eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei.
Der dagegen erhobene Widerspruch, mit dem der CT-Befund vom 14.02.2008 vorgelegt wurde und den der Beklagte vom Ärztlichen Dienst mit Stellungnahme vom 16.04.2008 auswerten ließ, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2008 zurückgewiesen.
Dagegen erhob die Klägerin am 23.06.2008 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) mit dem Begehren, den Beklagten zur Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung zu verurteilen.
Auf Antrag der Klägerin zog das SG das Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. M. vom Gesundheitsamt des Landratsamtes B. vom 10.09.2008 bei. Hierzu legte der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 29.12.2008 vor. Darin wurde ausgeführt, bisher sei zusammenfassend für eine Funktionsminderung der Wirbelsäule und ein chronisches Schmerzsyndrom bei seelischer Störung ein Teil-GdB von 30 zuerkannt worden. Im Gutachten von Frau Dr. M. werde eine eingeschränkte Drehung der Halswirbelsäule angegeben ohne detaillierte Funktionswerte, die Lendenwirbelsäule werde in diesem Gutachten als endgradig eingeschränkt beweglich beschrieben. Im Gutachten von Dr. R. vom 20.08.2008, das dieser für die Deutsche Rentenversicherung erstattet habe, werde dagegen ausgeführt, dass die HWS nahezu frei beweglich sei, ebenso die Rotation und die Seitwärtsneigung der übrigen Wirbelsäule bei einem hoch normalen Ott`schen Zeichen von 30/33 cm (Maß für die Entfaltung der BWS) sowie einem ebenfalls hoch normalen Schober-Zeichen von 10/16 cm (Maß für die Entfaltbarkeit der LWS). Allein von Seiten der Wirbelsäule ergebe sich somit für sich allein betrachtet maximal ein Teil-GdB von 10. Die großen Gelenke der oberen und unteren Gliedmaßen seien sowohl laut dem Gutachten von Frau Dr. M. als auch dem Gutachten von Herrn Dr. R. frei beweglich. Gehe man also davon aus, dass die objektiv fassbaren Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates allenfalls diskret seien, so könne sich der bisherige Teil-GdB von 30 in vollem Umfang auf psychische Folgeerscheinungen bestehender Schmerzen beziehen, wobei dieser GdB bereits einer stärker behindernden seelischen Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entspreche. Wie sich den beiden Gutachten von Dr. M. und von Dr. R. ebenfalls entnehmen lasse, seien die psychischen Funktionseinschränkungen aber ebenfalls nur geringgradig ausgeprägt. Insgesamt müsse somit die bisherige GdB-Bewertung als sehr weitreichend angesehen werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.02.2009 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des der Klägerin am 25.02.2009 zugestellten Gerichtsbescheides wird Bezug genommen.
Dagegen hat die Klägerin am 05.03.2009 Berufung eingelegt (L 8 SB 1037/09). Anschließend wurde Dr. H ... - Arzt für Neurologie und Psychiatrie - als sachverständiger Zeuge gehört (Auskunft vom 06.07.2009, auf die verwiesen wird). Da das Rentenverfahren (S 9 R 3873/08 beim SG) noch nicht beendet war, wurde mit dem Einverständnis der Beteiligten mit Beschluss vom 10.08.2009 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Nach Beendigung des Rentenverfahrens rief der Bevollmächtigte der Klägerin am 09.06.2010 das ruhende Berufungsverfahren wieder an (L 8 SB 2762/10) und beantragte, den die Klägerin behandelnden Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. als sachverständigen Zeugen zu hören.
Dem kam der Senat nach und holte die schriftliche Aussage des Dr. H. vom 14.10.2010 ein, dem die Arztberichte des Orthopäden Dr. J. vom 25.10.2010, des Dr. R. - Facharzt für Neurologie, Psychiatrie/Psychotherapie - vom 20.05.2009, des Dr. S. - Facharzt für Diagnostische Radiologie - vom 09.06.2009, der Dr. E. - Ärztin für Innere Medizin - vom 31.07.2007, des Internisten/Nephrologen Dr. P. vom 18.06.2008 und des Internisten/Kardiologen Dr. L. vom 09.09.2010 beigefügt waren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Februar 2009 sowie den Bescheid vom 04. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von mehr als 30 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und trägt ergänzend vor, zunächst werde auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 29.12.2008 verwiesen, die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt worden sei, wonach der bislang festgestellte Gesamt-GdB mit 30 als sehr weitreichend anzusehen sei, nachdem die objektiv fassbaren Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates allenfalls diskret seien. Dies werde auch bestätigt durch die im Rahmen des Berufungsverfahrens eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. habe am 06.07.2007 mitgeteilt, dass sich organneurologisch ein völlig unauffälliger Befund ergeben habe. Bekannt seien degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke, die vom Lebensalter her zu erwarten seien, ohne schwerwiegende Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik. Eine eigentliche seelische Erkrankung liege bei der Klägerin nicht vor, wobei diese auch großen Wert darauf lege, nicht psychisch krank zu sein. Die körperlich nicht erklärbaren Schmerzen ordne Dr. H. lediglich einer undifferenzierten Somatisierungsstörung zu. Nach Auskunft des Allgemeinmediziners Dr. H. leide die Klägerin im wesentlichen an einer chronischen Depression mit Somatisierungstendenz, offenbar unterhalten bzw. verstärkt durch psychischen Stress vor allem wegen der Wohnsituation. Als weitere Diagnose nenne Dr. H. Herzrhythmusstörungen sowie eine arterielle Hypertonie. Der Bluthochdruck sei bereits mit einem Teil-GdB von 10 bewertet, wobei sich diesbezüglich kein Anhaltspunkt für eine höhere Bewertung ergebe. Bei Herzrhythmusstörungen richte sich die Bewertung entsprechend den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) vor allem nach der Leistungsbeeinträchtigung des Herzens. Den von Dr. H. mit übersandten Befunden lasse sich hier eine dauerhafte Herzleistungsbeeinträchtigung nicht entnehmen. Im Bericht des Kardiologen Dr. L. vom 09.09.2010 werde als Diagnose ein "Zustand nach persistierendem Vorhofflimmern" genannt, bei der Kontrolle am 06.09.2010 sei die Klägerin aber inzwischen wieder kardial beschwerdefrei gewesen. Im Hinblick auf die bisherige relativ weit reichende Bewertung würde daher selbst ein zusätzliche Berücksichtigung der Herzrhythmusstörungen mit einem Teil-GdB von beispielsweise 20 nicht zu einem höheren Gesamt-GdB als 30 führen.
Der Senat hat die SG-Akten des Rentenverfahrens S 9 R 3873/08 zum Verfahren beigezogen, in denen sich auch das nervenärztlich-sozialmedizinische Gutachten des Dr. H. vom 10.06.2009 befindet.
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter in nicht öffentlicher Sitzung am 08.04.2011 mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Niederschrift vom 08.04.2011 wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 04.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2008 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Neufeststellung des GdB von über 30 zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Hiervon ausgehend beträgt der Gesamt-GdB bei der Klägerin unverändert nicht mehr als 30. Der Senat gelangt mit dem SG zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine wesentliche Änderung nicht eingetreten ist, die die Anhebung des Gesamt-GdB rechtfertigt. Ein Gesamt-GdB von mehr als 30 liegt bei der Klägerin nicht vor.
Zu Recht hat das SG entschieden, dass sich nach den Feststellungen von Dr. M. und Dr. R. allein von Seiten der Wirbelsäule maximal ein Teil-GdB von 10 ergibt, dass die Halswirbelsäule nahezu frei beweglich war, ebenso die Rotation und die Seitwärtsneigung der übrigen Wirbelsäule und dass die großen Gelenke der oberen und unteren Gliedmaßen frei beweglich waren, weshalb die objektiv fassbaren Funktionsbeeinträchtigung des Bewegungsapparates somit diskret sind. Des weiteren hat das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass sich stärker behindernde seelische Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit den Arztäußerungen nicht entnehmen lassen. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner Entscheidung den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides voll an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren hat dieses Ergebnis bestätigt.
Dr. H., der die Klägerin im Rahmen des Rentenverfahrens gutachtlich untersucht hat, hat festgestellt, dass sich bei der Klägerin organneurologisch ein völlig unauffälliger Befund ergab. Eine eigentliche seelische Erkrankung lag bei der Klägerin nicht vor. Ihre körperlich nicht erklärbaren Schmerzen hätten sich lediglich einer undifferenzierten Somatisierungsstörung zuordnen lassen. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass sich der Gesamt-GdB von 30, der sich im wesentlichen aus Funktionsbeeinträchtigungen auf psychischem Gebiet einschließlich einer Somatisierungstendenz ergibt, angesichts der erhobenen Befunde eher als zu weitreichend darstellt. Selbst unter Berücksichtigung des zuletzt im Bericht des Kardiologen Dr. L. vom 09.09.2010 mitgeteilten Befundes eines Zustandes nach persistierendem Vorhofflimmern käme, falls sich diese Funktionsbeeinträchtigung nicht als vorübergehende Gesundheitsstörung, sondern als Dauerbeeinträchtigung nachweisen ließe, kein höherer Gesamt-GdB als 30 in Betracht.
Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen. Der Senat hat der Klägerin gemäß § 192 Abs. 1 SGG Kosten in Höhe von 225 Euro wegen missbräuchlicher Prozessführung auferlegt. Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz (§ 192 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGG).
Abzustellen ist dabei auf die (objektivierte) Einsichtsfähigkeit eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten und damit auf den "Einsichtigen" im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu stellvertretend BVerfG, Beschluss vom 11.10.2001, Az. 2 BvR 1271/01 m.w.N.). Es kommt nicht auf die konkrete subjektive Sicht des betroffenen Beteiligten an. Anders als beim Begriff des "Mutwillens", der bereits nach dem Wortlaut ein subjektives Element enthält, ist der Fassung des § 192 SGG zufolge, die er mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17.08.2001 erhalten hat, für den Missbrauch nicht mehr erforderlich, dass der Beteiligte subjektiv weiß, die Rechtsverfolgung sei aussichtslos und er führe nun entgegen besserer Einsicht den Prozess weiter. Dies ergibt sich aus der Intention des Gesetzgebers, wie sie im Gesetzgebungsverfahren zu dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes zum Ausdruck gekommen ist (BT-Drs. 14/5943, S. 28), der den § 192 SGG nach dem Vorbild des § 34 Abs. 2 BVerfGG gestalten wollte und für dessen Anwendung trotz seiner Überschrift im Fall des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kein Verschulden des Betroffenen erforderlich ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteile des Senats vom 26.11.2010 - L 8 U 3211/10 - , vom 20.11.2009 L 8 SB 1648/08 - und vom 28.11.2008 L 8 AL 1799/07 unveröffentlicht).
Die Klägerin ist im Termin am 08.04.2011 vom Berichterstatter auf die Möglichkeit der Verhängung von Kosten nach § 192 SGG hingewiesen worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist unter Hinweis, dass der Senat das Ergebnis des Erörterungstermins (Beweiswürdigung und Anwendbarkeit von § 192 SGG) teilt, der Klägerin Gelegenheit gegeben worden, ihre aufrechterhaltenen Einwände gegen den angefochtenen Gerichtsbescheid zu begründen. Hierbei hat die Klägerin ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit erkennen lassen. Es liegt kein medizinischer Befund vor, der das Begehren der Klägerin stützt. Eine sachliche Auseinandersetzung mit den im Rahmen der Beweisaufnahme erlangten medizinischen Befunden ist auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht möglich gewesen. Die Klägerin hat pauschal die Unrichtigkeit der aktenkundigen Befundunterlagen behauptet und hierbei auf von ihr in die Sitzung mitgebrachte Arztunterlagen verwiesen, die teilweise bereits in den beigezogenen Akten abgelegt sind. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in ihrer Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt ist und auch trotz mehrerer richterlicher Hinweise nach objektiver Würdigung nicht hat erkennen können, dass die gerichtliche Beweisaufnahme relevante medizinische Befunde nicht ergeben hat, sind für den Senat nicht ersichtlich gewesen. Im Gutachten von Dr. H. vom 10.06.2009 ist überzeugend ausgeführt, dass bei der Klägerin eine eigentliche seelische Erkrankung nicht vorliegt; es bestehen zwar akzentuierte Persönlichkeitszügen mit histrionischen Verhaltensweisen. Vom Vollbild einer Persönlichkeitsstörung kann jedoch nicht ausgegangen werden. Unter Ausübung des nach § 192 SGG ihm eingeräumten Ermessens hält der Senat den Mindestbetrag der Pauschgebühr nach § 184 Abs. 2 SGG in Höhe von 225 Euro für notwendig und ausreichend.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
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