Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1687/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 6071/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. November 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV.
Der 1947 geborene Kläger ist verheiratet und war in der Zeit vom 1. März 2006 bis zum 1. März 2008 in Großbritannien beschäftigt. In der ihm am 20. September 2007 ausgestellten Lohnsteuerkarte für das Jahr 2008 war die Steuerklasse V eingetragen. Nach Rückkehr der Eheleute in die Bundesrepublik Deutschland wechselte der Kläger am 9. März 2008 mit Wirkung zum 1. Mai 2008 von der Steuerklasse V in die Steuerklasse IV. Die Ehefrau des Klägers nahm zum 1. April 2008 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Bruttoarbeitsentgelt von monatlich 4.500,- EUR auf. Der Kläger nahm am 7. April 2008 eine unbefristete Beschäftigung bei der G. GmbH auf, mit der er ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von ca. 2.300,- EUR monatlich erzielte, und übte diese bis zum 24. Dezember 2008 aus. Am 20. September 2008 wurde dem Kläger eine Lohnsteuerkarte für das Jahr 2009 ausgestellt, auf der die Lohnsteuerklasse IV verzeichnet ist.
Am 23. Dezember 2008 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 25. Dezember 2008 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Der Kläger teilte mit, dass die Steuerklasse von V auf IV aufgrund der Arbeitsaufnahme ab April 2008 geändert worden sei.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass es trotz des Wechsels der Lohnsteuerklasse zum 1. Mai 2008 bei der Zuordnung zur Lohnsteuerklasse V verbleibe. Da die neuen Lohnsteuerklassen nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprächen, könne die durch den Kläger neu gewählte Lohnsteuerklasse nicht berücksichtigt werden. Die Entscheidung beruhe auf § 133 SGB III. Nachdem die Beklagte dem Kläger zunächst ab 25. Dezember 2008 vorschussweise Arbeitslosengeld gewährt hatte (Bescheid vom 4. Februar 2009), entschied sie mit Bescheid vom 20. Februar 2009 endgültig und bewilligte ihm für die Zeit vom 25. Dezember 2008 bis zum 23. März 2010 für 450 Tage Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts von täglich 75,94 EUR mit einem täglichen Leistungsbetrag von 21,94 EUR. Bei dem Lohnsteuerabzug legte die Beklagte die Lohnsteuerklasse V zugrunde. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein (Schreiben vom 12. März 2009). Die bisherigen Steuerklassen III/V seien aufgrund seiner Arbeitslosigkeit mit nur sehr geringfügiger zwischenzeitlicher Tätigkeit gewählt worden. Danach sei die Arbeitstätigkeit im Ausland erfolgt und es habe kein Grund bestanden, während des Auslandsaufenthalts die Steuerklassen in Deutschland zu ändern. Ende März 2008 sei der Umzug nach Deutschland mit der Arbeitsaufnahme im April 2008 erfolgt. Der Lohnsteuerklassenwechsel sei aufgrund üblicher Handhabung der Ehegatten, wonach die Steuerklassen IV/IV gewählt würden, wenn beide arbeitstätig seien, erfolgt. Diese Handhabung liege voll in der Entscheidungskompetenz eines jeden Bürgers und werde durch § 38 Satz 2 Nr. 4 Einkommenssteuergesetz unterstützt, welcher vorsehe, dass verheiratete Arbeitnehmer in die Klassen IV gehörten, sofern beide Ehegatten unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig seien, nicht dauernd getrennt lebten und der Ehegatte des Arbeitnehmers ebenfalls Arbeitslohn beziehe. Für Ehegatten werde von Amts wegen die Steuerklasse IV eingetragen. Gemäß § 39 Abs. 5 Einkommenssteuergesetz sei für ein Ehepaar aber auch die Kombination der Klassen III und V möglich, die mittels eines gemeinsamen Antrages der Ehegatten erwirkt werden könne. Wenn sich im Laufe des Jahres die Bezüge der Ehegatten der Gestalt veränderten, dass sich bei weiterer Anwendung der ursprünglich eingetragenen Klassen Über- oder Unterzahlungen ergeben, könne diesen Veränderungen bereits im Lohnabzugsverfahren Rechnung getragen werden durch die amtliche Einführung des Lohnsteuerklassenwechsels. § 133 SGB III sei in diesem Fall nicht anzuwenden. Die plötzliche Arbeitslosigkeit des Klägers sei erst im Dezember 2008 bekannt geworden. Es sei im April 2008 in keinster Weise absehbar gewesen, dass Arbeitslosigkeit eintreten werde und durch einen Lohnsteuerklassenwechsel ein arbeitsförderungsrechtlicher Vorteil zu erzielen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2009 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 22. Mai 2009 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Regelung des § 133 Abs. 3 SGB III auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Der Regelung des § 133 Abs. 3 SGB III unterliege verfassungsrechtlichen Bedenken, denen durch einen verfassungskonformen Normvollzug begegnet werden könne. Die verfassungsrechtlichen Bedenken griffen nicht mehr durch, wenn der Arbeitslose rechtzeitig in die Lage versetzt werde, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dies erfordere allerdings eine das übliche Maß erheblich übersteigende Beratung. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall keine Beratung und kein Hinweis erfolgt sei, sei § 133 Abs. 3 SGB III nicht anwendbar. Diese Vorschrift diene dazu, Manipulationen zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu verhindern. Es solle verhindert werden, dass Ehegatten die Steuerklasse nur zu dem Zweck wechseln, höheres Arbeitslosengeld zu beziehen. Im vorliegenden Fall könne von einer Manipulation zu Lasten der Versichertengemeinschaft in keiner Art und Weise die Rede sein, da der Lohnsteuerklassenwechsel gemäß einer Absprache zwischen den Ehegatten analog der Vergangenheit zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, an dem beide Ehegatten eine vollzeitige Beschäftigung ausgeübt hätten und vom Eintritt einer Arbeitslosigkeit überhaupt nicht die Rede gewesen sei. Zudem wäre sogar von einer Zweckmäßigkeit im Sinne des § 133 Abs. 3 Nr. 1 SGB III auszugehen. Danach sei ein Steuerklassenwechsel, der zu einem erhöhten Arbeitslosengeld führe, von der Agentur für Arbeit zu beachten, wenn er nicht nur dem Bezug höheren Arbeitslosengelds diene, sondern dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entspreche. Dabei entspreche der Steuerklassenwechsel dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte immer schon dann, wenn die Prüfung ergebe, dass die neue Steuerklassenkombination zu einem geringeren gemeinsamen Lohnsteuerabzug führe bzw. ohne die Entgeltersatzleistung führen würde. Nicht erforderlich ist, dass die Ehegatten die günstigste und damit im Ergebnis richtige Steuerklasse gewählt hätten. Nach Auffassung des Klägers führe diese Tunlichkeitsprüfung zu einem günstigen Ergebnis. Die Lohnsteuerklasse IV sei auf Anraten des Steuerberaters gewechselt worden. Hätten die Eheleute die sich anbietende Lohnsteuerklassenkombination III/V gewählt, so wäre zwar das monatliche Gesamtnettoeinkommen höher gewesen, jedoch hätten sie beim Lohnsteuerjahresausgleich für das Jahr 2008 mit einer Nachzahlung rechnen müssen. Ihnen sei es lieber gewesen, zunächst einen etwas geringeren gemeinsamen Nettolohn zu beziehen, um dann zu einer Steuererstattung zu kommen. Außerdem habe ein weiteres Abweichen der Nettolöhne verhindert werden sollen. Dem Kläger sei es lieber gewesen, auf seinem Konto ein höheres Netto aus seinem Lohn zu sehen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. November 2009 abgewiesen. Dem Kläger stehe kein höheres Arbeitslosengeld zu. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III werde vom Bemessungsentgelt des Arbeitslosengeldes die Lohnsteuer, die sich nach den entsprechenden Verlautbarungen des Bundesministeriums der Finanzen ergebe, abgezogen. Dabei richte sich die Feststellung der Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen gewesen sei (§ 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III würden bei einem Wechsel der Lohnsteuerklassen von Ehegatten die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen. Gemeint sei damit, die Wahl müsse unter steuerlichen Gesichtspunkten zweckmäßig sein, also einen für sie günstigeren Lohnabzug begründen als die bisherige Kombination. Dabei werde auch dann auf der Grundlage der neu eingetragenen Lohnsteuerklasse das Arbeitslosengeld berechnet, wenn die gewählte Steuerklassenkombination besser als die bisherige dem Verhältnis der maßgebenden Arbeitsentgelte entspreche. Die Wahl der günstigsten Kombination werde nicht vorausgesetzt. Die mit Wirkung vom 1. Mai 2008 eingetragene Lohnsteuerklasse IV sei nach diesen Vorschriften nicht zu berücksichtigen, denn sie habe für die Ehegatten unter Berücksichtigung der damaligen Verdienste keine günstigere Änderung des Lohnsteuerabzugs ergeben. Nach der vom Bundesministerium für Finanzen herausgegebenen Tabelle zur Wahl der Steuerklasse im Jahr 2008 sei bei einem monatlichen Arbeitslohn von 4.500,- EUR des rentenversicherungspflichtigen und höher verdienenden Ehegatten die Wahl der Steuerklasse V für den gering verdienenden Ehegatten für beide Ehegatten in der Summe der Steuerabzüge günstiger, wenn der geringer verdienende rentenversicherungspflichtige Beschäftigte nicht mehr als 2.956,- EUR monatlich verdiene. Diese Lage habe vorgelegen, denn der Kläger habe lediglich 2.300,- EUR monatlich verdient. Auch verfassungsrechtlich sei die Regelung des § 133 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht zu beanstanden. Die Anwendung der Vorschrift als typisierende Regelung verstoße insbesondere nicht gegen das verfassungsmäßige Verhältnismäßigkeitsprinzip im Hinblick auf die aus Artikel 14 geschützte Anwartschaft auf Arbeitslosengeld. Wenn der Gesetzgeber zum Ausschluss möglicher Manipulationen der Höhe des Arbeitslosengeldes Steuerklassenwechsel unter Ehegatten während des Kalenderjahres nur bei deren objektiver Zweckmäßigkeit berücksichtige, werde damit die Nettolohnersatzquote gemäß § 129 Abs. 1 SGB III nicht beseitigt. Regelmäßig entspreche auch bei Unbeachtlichkeit des Steuerklassenwechsels die gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III berücksichtigte Lohnsteuerklasse nach der Steuerklasse zu Beginn des Kalenderjahres den tatsächlichen Abzügen auf das Bemessungsentgelt zu Beginn des einjährigen Bemessungsrahmens bis zur Änderung der Steuerklasse. Im Falle des Klägers habe lediglich die Besonderheit bestanden, dass er zu Beginn des Bemessungszeitraums nicht in einem in Deutschland versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Liege die versicherungspflichtige Beschäftigung jedoch kürzer als ein Jahr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit, so sei es erst recht geboten, die Berücksichtigung eines Steuerklassenwechsels von objektiven Maßstäben abhängig zu machen, um Manipulationen auszuschließen. Auch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergebe sich kein Anspruch auf Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV. Die Beklagte sei gemäß § 14 SGB I nicht verpflichtet gewesen, die Ehegatten dahingehend zu beraten, im Sinne des § 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III bereits zu Beginn des Jahres 2008 die Lohnsteuerklasse 4 eintragen zu lassen. Eine derartige Beratungspflicht sei schon deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte damals noch keine Kenntnis von der erst ein Jahr später eintretenden Arbeitslosigkeit des Klägers haben konnte.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 4. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich die unter Wiederholung des bisherigen Vortrags am 23. Dezember 2009 eingelegte Berufung des Klägers.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Änderung des Bescheids vom 20. Februar 2009 und des Widerspruchsbescheids vom 22. April 2009 Arbeitslos- engeld unter Abzug der Lohnsteuer nach Klasse IV vom Bemessungsentgelt zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil des SG.
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG), da Leistungen für die Dauer von mehr als einem Jahr im Streit stehen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. April 2009 sich als rechtmäßig darstellt und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Dem Kläger steht kein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV zu.
Die Beklagte hat den Anspruch auf Arbeitslosengeld des Klägers nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zutreffend berechnet. Das Arbeitslosengeld beträgt nach § 129 SGB III für Arbeitslose, (1.) die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3-5 des Einkommenssteuergesetzes haben sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3-5 des Einkommenssteuergesetzes hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 % (erhöhter Leistungssatz), (2.) für die übrigen Arbeitslosen 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Ausgangspunkt für die Berechnung des Leistungssatzes ist daher das Bemessungsentgelt. Bemessungsentgelt ist das durchschnittlich auf einen Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das im letzten Jahr vor der Arbeitslosigkeit verdient wurde und bei der Beendigung der Beschäftigung abgerechnet war (§§ 131 Abs. 1 Satz 1, 130 Abs. 1 SGB III). Im Hinblick auf das vom 7. April 2008 bis zum 24. Dezember 2008 an 262 Tagen erzielte beitragspflichtige Arbeitsentgelt von 19.897,- EUR ergibt sich ein tägliches Entgelt von 75,94 EUR. Das Leistungsentgelt wird aus dem Bemessungsentgelt berechnet, wobei eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 %, die nach der Lohnsteuertabelle anfallende Lohnsteuer und der Solidaritätszuschlag abgezogen werden (§ 133 Abs. 1 SGB III). Von dem so ermittelten Leistungsentgelt werden 60 % - da vorliegend kein Kind zu berücksichtigen ist - als Arbeitslosengeld geleistet.
Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich gemäß § 133 Abs. 2 SGB III nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen (§ 133 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Das gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird (§ 133 Abs. 2 Satz 3 SGB III). Haben Ehegatten die Lohnsteuerklasse gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn (1.) die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder (2.) sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergibt, das geringer ist als das Arbeitslosengeld, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklasse ergäbe (§ 133 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Der Leistungsanspruch des Klägers entstand am 25. Dezember 2008, zu Beginn dieses Jahres war auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen. Die ab Mai 2008 neu eingetragenen Lohnsteuerklassen sind nicht zu berücksichtigen, da sie weder dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen noch sich nach der Neueintragung ein gegenüber der bisherigen Eintragung geringeres Arbeitslosengeld ergibt. Durch die Regelung in Absatz 3 soll verhindert werden, dass die Ehegatten die Steuerklasse nur zu dem Zweck wechseln, höheres Arbeitslosengeld zu erzielen (vgl. BT-Drucksache 13/4941, S. 179).
Grundsätzlich hat der Steuerklassenwechsel den Veränderungen der Verhältnisse zu entsprechen, d.h. er muss nach den objektiven Gegebenheiten geboten sein. Die von den Ehegatten gewählte neue Steuerklassenkombination ist nur dann zu berücksichtigen, wenn diese dem Verhältnis ihrer Arbeitslöhne zueinander entspricht und die bisherige Steuerklassenkombination unzweckmäßig war, weil sie zu einem zu hohen Lohnsteuerabzug führte (vgl. BSG SozR 3-4100 § 113 Nr. 1). Zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit dienen die Tabellen zur Steuerklassenwahl, die jährlich herausgegeben werden. Der Tunlichkeitsprüfung zugrunde zu legen sind die Arbeitslöhne der Ehegatten an dem Tag, an dem der Steuerklassenwechsel wirksam wird (vgl. Rolfs in Gagel, § 133 SGB III Rdnr. 60). Der Kläger hatte im Mai 2008 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 2309,- EUR erzielt, während seine Ehefrau ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 4.500,- EUR erhielt. Da die Ehefrau des Klägers rentenversicherungspflichtig war, ist die Tabelle 1 zugrunde zu legen. Danach ist die Steuerklasse V für den Kläger angesichts des monatlichen Arbeitslohnes seiner Ehefrau von 4.500,- EUR bis zu einem Einkommen von 2.956,- EUR noch zweckmäßig, also auch bei dem tatsächlichen Einkommen von ca. 2.300,- EUR. Erst bei einem höheren Einkommen des Klägers ab 2.956,- EUR wäre eine Einstufung in die Lohnsteuerklassen IV/IV geboten. Damit steht eindeutig fest, dass die gewählten Steuerklassen nicht zweckmäßig waren und es bei der in die Steuerkarte für das Jahr 2008 eingetragenen Steuerklasse V für den Kläger hätte verbleiben müssen. Daher kann der Steuerklassenwechsel zum Mai 2008 für die Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht berücksichtigt werden. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kläger mit seiner Ehefrau zu Beginn des Kalenderjahres 2008 sich in Großbritannien aufgehalten haben, erst im März 2008 in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrten und dort beide eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnahmen. Denn die in ihren Lohnsteuerkarten zu Beginn des Jahres 2008 eingetragene Lohnsteuerklassenkombination III/V entsprach im Zeitpunkt des Lohnsteuerklassenwechsels zum 1. Mai 2008 genau dem Verhältnis der erzielten Arbeitsentgelte, sodass kein Anlass für den Lohnsteuerklassenwechsel bestand.
Auch aus verfassungsrechtlichen Überlegungen ergibt sich keine andere Beurteilung. Das BSG hat zwar verfassungsrechtliche Bedenken gegen die insoweit übereinstimmende Vorgängervorschrift des § 137 Abs. 4 SGB III geäußert, die Vorschrift jedoch nicht für verfassungswidrig gehalten, da den Bedenken durch einen verfassungskonformen Normvollzug begegnet werden könne (vgl. BSGE 88, 299). Die Bedenken des BSG beziehen sich insbesondere auf die leistungsrechtlichen Gefahren, die aus einem Lohnsteuerklassenwechsel resultieren können und die gesonderte und gehobene Beratungspflichten der Bundesagentur begründen. Die Verletzung dieser Beratungspflicht kann einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld nach Maßgabe derjenigen Lohnsteuerklasse begründen, die ohne den Wechsel maßgeblich gewesen wäre. Für die hier vorliegende Konstellation, dass die Eheleute die nach den tatsächlichen Einkommensverhältnissen günstigste Kombination der Lohnsteuerklassen gewählt hatten und durch den danach erfolgten Wechsel nicht ein eigentlich bestehender höherer Anspruch auf Arbeitslosengeld vermindert worden wäre, sondern im Gegenteil ein höherer Anspruch begründet würde, gelten die genannten Bedenken nicht.
Zwar liegt ein Lohnsteuerklassenwechsel im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 1 SGB III dann nicht vor, wenn Eheleute - noch vor Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld - für das neue Jahr, in dem der Arbeitslosengeldanspruch entsteht, eine Änderung der Steuerklasse vorgenommen haben (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 12/06 R -). Dies stellt jedoch einen anderen Sachverhalt dar, denn insoweit ist die Gefahr von Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung deutlich geringer. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt somit nicht vor. Bei laufendem Leistungsbezug wird dagegen über § 133 Abs. 3 Satz 3 SGB III die entsprechende Geltung des § 133 Abs. 2 Satz 3 SGB III angeordnet. Durch diese Bestimmung gilt die Änderung der Steuerklasse für das neue Kalenderjahr als Steuerklassenwechsel innerhalb des laufenden Jahres und kann somit nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 vorgenommen werden. Damit ist auch der Fall erfasst, dass Eheleute für das neue Kalenderjahr geänderte Steuerklassen eintragen lassen, sodass auch dieser Steuerklassenwechsel nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB III leistungsrechtlich berücksichtigt wird (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2010 - L 12 AL 2010/10 -). Insoweit wird bei gleicher Manipulationsgefahr der Sachverhalt des Steuerklassenwechsels wiederum gleich behandelt.
Die Beklagte hat nach alledem das Arbeitslosengeld in zutreffender Höhe berechnet, insbesondere hat sie zurecht die Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV.
Der 1947 geborene Kläger ist verheiratet und war in der Zeit vom 1. März 2006 bis zum 1. März 2008 in Großbritannien beschäftigt. In der ihm am 20. September 2007 ausgestellten Lohnsteuerkarte für das Jahr 2008 war die Steuerklasse V eingetragen. Nach Rückkehr der Eheleute in die Bundesrepublik Deutschland wechselte der Kläger am 9. März 2008 mit Wirkung zum 1. Mai 2008 von der Steuerklasse V in die Steuerklasse IV. Die Ehefrau des Klägers nahm zum 1. April 2008 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Bruttoarbeitsentgelt von monatlich 4.500,- EUR auf. Der Kläger nahm am 7. April 2008 eine unbefristete Beschäftigung bei der G. GmbH auf, mit der er ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von ca. 2.300,- EUR monatlich erzielte, und übte diese bis zum 24. Dezember 2008 aus. Am 20. September 2008 wurde dem Kläger eine Lohnsteuerkarte für das Jahr 2009 ausgestellt, auf der die Lohnsteuerklasse IV verzeichnet ist.
Am 23. Dezember 2008 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 25. Dezember 2008 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Der Kläger teilte mit, dass die Steuerklasse von V auf IV aufgrund der Arbeitsaufnahme ab April 2008 geändert worden sei.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass es trotz des Wechsels der Lohnsteuerklasse zum 1. Mai 2008 bei der Zuordnung zur Lohnsteuerklasse V verbleibe. Da die neuen Lohnsteuerklassen nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprächen, könne die durch den Kläger neu gewählte Lohnsteuerklasse nicht berücksichtigt werden. Die Entscheidung beruhe auf § 133 SGB III. Nachdem die Beklagte dem Kläger zunächst ab 25. Dezember 2008 vorschussweise Arbeitslosengeld gewährt hatte (Bescheid vom 4. Februar 2009), entschied sie mit Bescheid vom 20. Februar 2009 endgültig und bewilligte ihm für die Zeit vom 25. Dezember 2008 bis zum 23. März 2010 für 450 Tage Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts von täglich 75,94 EUR mit einem täglichen Leistungsbetrag von 21,94 EUR. Bei dem Lohnsteuerabzug legte die Beklagte die Lohnsteuerklasse V zugrunde. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein (Schreiben vom 12. März 2009). Die bisherigen Steuerklassen III/V seien aufgrund seiner Arbeitslosigkeit mit nur sehr geringfügiger zwischenzeitlicher Tätigkeit gewählt worden. Danach sei die Arbeitstätigkeit im Ausland erfolgt und es habe kein Grund bestanden, während des Auslandsaufenthalts die Steuerklassen in Deutschland zu ändern. Ende März 2008 sei der Umzug nach Deutschland mit der Arbeitsaufnahme im April 2008 erfolgt. Der Lohnsteuerklassenwechsel sei aufgrund üblicher Handhabung der Ehegatten, wonach die Steuerklassen IV/IV gewählt würden, wenn beide arbeitstätig seien, erfolgt. Diese Handhabung liege voll in der Entscheidungskompetenz eines jeden Bürgers und werde durch § 38 Satz 2 Nr. 4 Einkommenssteuergesetz unterstützt, welcher vorsehe, dass verheiratete Arbeitnehmer in die Klassen IV gehörten, sofern beide Ehegatten unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig seien, nicht dauernd getrennt lebten und der Ehegatte des Arbeitnehmers ebenfalls Arbeitslohn beziehe. Für Ehegatten werde von Amts wegen die Steuerklasse IV eingetragen. Gemäß § 39 Abs. 5 Einkommenssteuergesetz sei für ein Ehepaar aber auch die Kombination der Klassen III und V möglich, die mittels eines gemeinsamen Antrages der Ehegatten erwirkt werden könne. Wenn sich im Laufe des Jahres die Bezüge der Ehegatten der Gestalt veränderten, dass sich bei weiterer Anwendung der ursprünglich eingetragenen Klassen Über- oder Unterzahlungen ergeben, könne diesen Veränderungen bereits im Lohnabzugsverfahren Rechnung getragen werden durch die amtliche Einführung des Lohnsteuerklassenwechsels. § 133 SGB III sei in diesem Fall nicht anzuwenden. Die plötzliche Arbeitslosigkeit des Klägers sei erst im Dezember 2008 bekannt geworden. Es sei im April 2008 in keinster Weise absehbar gewesen, dass Arbeitslosigkeit eintreten werde und durch einen Lohnsteuerklassenwechsel ein arbeitsförderungsrechtlicher Vorteil zu erzielen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2009 als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 22. Mai 2009 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Regelung des § 133 Abs. 3 SGB III auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Der Regelung des § 133 Abs. 3 SGB III unterliege verfassungsrechtlichen Bedenken, denen durch einen verfassungskonformen Normvollzug begegnet werden könne. Die verfassungsrechtlichen Bedenken griffen nicht mehr durch, wenn der Arbeitslose rechtzeitig in die Lage versetzt werde, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dies erfordere allerdings eine das übliche Maß erheblich übersteigende Beratung. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall keine Beratung und kein Hinweis erfolgt sei, sei § 133 Abs. 3 SGB III nicht anwendbar. Diese Vorschrift diene dazu, Manipulationen zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu verhindern. Es solle verhindert werden, dass Ehegatten die Steuerklasse nur zu dem Zweck wechseln, höheres Arbeitslosengeld zu beziehen. Im vorliegenden Fall könne von einer Manipulation zu Lasten der Versichertengemeinschaft in keiner Art und Weise die Rede sein, da der Lohnsteuerklassenwechsel gemäß einer Absprache zwischen den Ehegatten analog der Vergangenheit zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, an dem beide Ehegatten eine vollzeitige Beschäftigung ausgeübt hätten und vom Eintritt einer Arbeitslosigkeit überhaupt nicht die Rede gewesen sei. Zudem wäre sogar von einer Zweckmäßigkeit im Sinne des § 133 Abs. 3 Nr. 1 SGB III auszugehen. Danach sei ein Steuerklassenwechsel, der zu einem erhöhten Arbeitslosengeld führe, von der Agentur für Arbeit zu beachten, wenn er nicht nur dem Bezug höheren Arbeitslosengelds diene, sondern dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entspreche. Dabei entspreche der Steuerklassenwechsel dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte immer schon dann, wenn die Prüfung ergebe, dass die neue Steuerklassenkombination zu einem geringeren gemeinsamen Lohnsteuerabzug führe bzw. ohne die Entgeltersatzleistung führen würde. Nicht erforderlich ist, dass die Ehegatten die günstigste und damit im Ergebnis richtige Steuerklasse gewählt hätten. Nach Auffassung des Klägers führe diese Tunlichkeitsprüfung zu einem günstigen Ergebnis. Die Lohnsteuerklasse IV sei auf Anraten des Steuerberaters gewechselt worden. Hätten die Eheleute die sich anbietende Lohnsteuerklassenkombination III/V gewählt, so wäre zwar das monatliche Gesamtnettoeinkommen höher gewesen, jedoch hätten sie beim Lohnsteuerjahresausgleich für das Jahr 2008 mit einer Nachzahlung rechnen müssen. Ihnen sei es lieber gewesen, zunächst einen etwas geringeren gemeinsamen Nettolohn zu beziehen, um dann zu einer Steuererstattung zu kommen. Außerdem habe ein weiteres Abweichen der Nettolöhne verhindert werden sollen. Dem Kläger sei es lieber gewesen, auf seinem Konto ein höheres Netto aus seinem Lohn zu sehen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. November 2009 abgewiesen. Dem Kläger stehe kein höheres Arbeitslosengeld zu. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 SGB III werde vom Bemessungsentgelt des Arbeitslosengeldes die Lohnsteuer, die sich nach den entsprechenden Verlautbarungen des Bundesministeriums der Finanzen ergebe, abgezogen. Dabei richte sich die Feststellung der Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen gewesen sei (§ 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III würden bei einem Wechsel der Lohnsteuerklassen von Ehegatten die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen. Gemeint sei damit, die Wahl müsse unter steuerlichen Gesichtspunkten zweckmäßig sein, also einen für sie günstigeren Lohnabzug begründen als die bisherige Kombination. Dabei werde auch dann auf der Grundlage der neu eingetragenen Lohnsteuerklasse das Arbeitslosengeld berechnet, wenn die gewählte Steuerklassenkombination besser als die bisherige dem Verhältnis der maßgebenden Arbeitsentgelte entspreche. Die Wahl der günstigsten Kombination werde nicht vorausgesetzt. Die mit Wirkung vom 1. Mai 2008 eingetragene Lohnsteuerklasse IV sei nach diesen Vorschriften nicht zu berücksichtigen, denn sie habe für die Ehegatten unter Berücksichtigung der damaligen Verdienste keine günstigere Änderung des Lohnsteuerabzugs ergeben. Nach der vom Bundesministerium für Finanzen herausgegebenen Tabelle zur Wahl der Steuerklasse im Jahr 2008 sei bei einem monatlichen Arbeitslohn von 4.500,- EUR des rentenversicherungspflichtigen und höher verdienenden Ehegatten die Wahl der Steuerklasse V für den gering verdienenden Ehegatten für beide Ehegatten in der Summe der Steuerabzüge günstiger, wenn der geringer verdienende rentenversicherungspflichtige Beschäftigte nicht mehr als 2.956,- EUR monatlich verdiene. Diese Lage habe vorgelegen, denn der Kläger habe lediglich 2.300,- EUR monatlich verdient. Auch verfassungsrechtlich sei die Regelung des § 133 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht zu beanstanden. Die Anwendung der Vorschrift als typisierende Regelung verstoße insbesondere nicht gegen das verfassungsmäßige Verhältnismäßigkeitsprinzip im Hinblick auf die aus Artikel 14 geschützte Anwartschaft auf Arbeitslosengeld. Wenn der Gesetzgeber zum Ausschluss möglicher Manipulationen der Höhe des Arbeitslosengeldes Steuerklassenwechsel unter Ehegatten während des Kalenderjahres nur bei deren objektiver Zweckmäßigkeit berücksichtige, werde damit die Nettolohnersatzquote gemäß § 129 Abs. 1 SGB III nicht beseitigt. Regelmäßig entspreche auch bei Unbeachtlichkeit des Steuerklassenwechsels die gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III berücksichtigte Lohnsteuerklasse nach der Steuerklasse zu Beginn des Kalenderjahres den tatsächlichen Abzügen auf das Bemessungsentgelt zu Beginn des einjährigen Bemessungsrahmens bis zur Änderung der Steuerklasse. Im Falle des Klägers habe lediglich die Besonderheit bestanden, dass er zu Beginn des Bemessungszeitraums nicht in einem in Deutschland versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Liege die versicherungspflichtige Beschäftigung jedoch kürzer als ein Jahr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit, so sei es erst recht geboten, die Berücksichtigung eines Steuerklassenwechsels von objektiven Maßstäben abhängig zu machen, um Manipulationen auszuschließen. Auch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergebe sich kein Anspruch auf Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse IV. Die Beklagte sei gemäß § 14 SGB I nicht verpflichtet gewesen, die Ehegatten dahingehend zu beraten, im Sinne des § 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III bereits zu Beginn des Jahres 2008 die Lohnsteuerklasse 4 eintragen zu lassen. Eine derartige Beratungspflicht sei schon deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte damals noch keine Kenntnis von der erst ein Jahr später eintretenden Arbeitslosigkeit des Klägers haben konnte.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 4. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich die unter Wiederholung des bisherigen Vortrags am 23. Dezember 2009 eingelegte Berufung des Klägers.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Änderung des Bescheids vom 20. Februar 2009 und des Widerspruchsbescheids vom 22. April 2009 Arbeitslos- engeld unter Abzug der Lohnsteuer nach Klasse IV vom Bemessungsentgelt zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil des SG.
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG), da Leistungen für die Dauer von mehr als einem Jahr im Streit stehen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. April 2009 sich als rechtmäßig darstellt und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Dem Kläger steht kein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV zu.
Die Beklagte hat den Anspruch auf Arbeitslosengeld des Klägers nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zutreffend berechnet. Das Arbeitslosengeld beträgt nach § 129 SGB III für Arbeitslose, (1.) die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3-5 des Einkommenssteuergesetzes haben sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3-5 des Einkommenssteuergesetzes hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 % (erhöhter Leistungssatz), (2.) für die übrigen Arbeitslosen 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Ausgangspunkt für die Berechnung des Leistungssatzes ist daher das Bemessungsentgelt. Bemessungsentgelt ist das durchschnittlich auf einen Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das im letzten Jahr vor der Arbeitslosigkeit verdient wurde und bei der Beendigung der Beschäftigung abgerechnet war (§§ 131 Abs. 1 Satz 1, 130 Abs. 1 SGB III). Im Hinblick auf das vom 7. April 2008 bis zum 24. Dezember 2008 an 262 Tagen erzielte beitragspflichtige Arbeitsentgelt von 19.897,- EUR ergibt sich ein tägliches Entgelt von 75,94 EUR. Das Leistungsentgelt wird aus dem Bemessungsentgelt berechnet, wobei eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 %, die nach der Lohnsteuertabelle anfallende Lohnsteuer und der Solidaritätszuschlag abgezogen werden (§ 133 Abs. 1 SGB III). Von dem so ermittelten Leistungsentgelt werden 60 % - da vorliegend kein Kind zu berücksichtigen ist - als Arbeitslosengeld geleistet.
Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich gemäß § 133 Abs. 2 SGB III nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen (§ 133 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Das gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird (§ 133 Abs. 2 Satz 3 SGB III). Haben Ehegatten die Lohnsteuerklasse gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn (1.) die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder (2.) sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitslosengeld ergibt, das geringer ist als das Arbeitslosengeld, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklasse ergäbe (§ 133 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Der Leistungsanspruch des Klägers entstand am 25. Dezember 2008, zu Beginn dieses Jahres war auf seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen. Die ab Mai 2008 neu eingetragenen Lohnsteuerklassen sind nicht zu berücksichtigen, da sie weder dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen noch sich nach der Neueintragung ein gegenüber der bisherigen Eintragung geringeres Arbeitslosengeld ergibt. Durch die Regelung in Absatz 3 soll verhindert werden, dass die Ehegatten die Steuerklasse nur zu dem Zweck wechseln, höheres Arbeitslosengeld zu erzielen (vgl. BT-Drucksache 13/4941, S. 179).
Grundsätzlich hat der Steuerklassenwechsel den Veränderungen der Verhältnisse zu entsprechen, d.h. er muss nach den objektiven Gegebenheiten geboten sein. Die von den Ehegatten gewählte neue Steuerklassenkombination ist nur dann zu berücksichtigen, wenn diese dem Verhältnis ihrer Arbeitslöhne zueinander entspricht und die bisherige Steuerklassenkombination unzweckmäßig war, weil sie zu einem zu hohen Lohnsteuerabzug führte (vgl. BSG SozR 3-4100 § 113 Nr. 1). Zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit dienen die Tabellen zur Steuerklassenwahl, die jährlich herausgegeben werden. Der Tunlichkeitsprüfung zugrunde zu legen sind die Arbeitslöhne der Ehegatten an dem Tag, an dem der Steuerklassenwechsel wirksam wird (vgl. Rolfs in Gagel, § 133 SGB III Rdnr. 60). Der Kläger hatte im Mai 2008 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 2309,- EUR erzielt, während seine Ehefrau ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 4.500,- EUR erhielt. Da die Ehefrau des Klägers rentenversicherungspflichtig war, ist die Tabelle 1 zugrunde zu legen. Danach ist die Steuerklasse V für den Kläger angesichts des monatlichen Arbeitslohnes seiner Ehefrau von 4.500,- EUR bis zu einem Einkommen von 2.956,- EUR noch zweckmäßig, also auch bei dem tatsächlichen Einkommen von ca. 2.300,- EUR. Erst bei einem höheren Einkommen des Klägers ab 2.956,- EUR wäre eine Einstufung in die Lohnsteuerklassen IV/IV geboten. Damit steht eindeutig fest, dass die gewählten Steuerklassen nicht zweckmäßig waren und es bei der in die Steuerkarte für das Jahr 2008 eingetragenen Steuerklasse V für den Kläger hätte verbleiben müssen. Daher kann der Steuerklassenwechsel zum Mai 2008 für die Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht berücksichtigt werden. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kläger mit seiner Ehefrau zu Beginn des Kalenderjahres 2008 sich in Großbritannien aufgehalten haben, erst im März 2008 in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrten und dort beide eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnahmen. Denn die in ihren Lohnsteuerkarten zu Beginn des Jahres 2008 eingetragene Lohnsteuerklassenkombination III/V entsprach im Zeitpunkt des Lohnsteuerklassenwechsels zum 1. Mai 2008 genau dem Verhältnis der erzielten Arbeitsentgelte, sodass kein Anlass für den Lohnsteuerklassenwechsel bestand.
Auch aus verfassungsrechtlichen Überlegungen ergibt sich keine andere Beurteilung. Das BSG hat zwar verfassungsrechtliche Bedenken gegen die insoweit übereinstimmende Vorgängervorschrift des § 137 Abs. 4 SGB III geäußert, die Vorschrift jedoch nicht für verfassungswidrig gehalten, da den Bedenken durch einen verfassungskonformen Normvollzug begegnet werden könne (vgl. BSGE 88, 299). Die Bedenken des BSG beziehen sich insbesondere auf die leistungsrechtlichen Gefahren, die aus einem Lohnsteuerklassenwechsel resultieren können und die gesonderte und gehobene Beratungspflichten der Bundesagentur begründen. Die Verletzung dieser Beratungspflicht kann einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld nach Maßgabe derjenigen Lohnsteuerklasse begründen, die ohne den Wechsel maßgeblich gewesen wäre. Für die hier vorliegende Konstellation, dass die Eheleute die nach den tatsächlichen Einkommensverhältnissen günstigste Kombination der Lohnsteuerklassen gewählt hatten und durch den danach erfolgten Wechsel nicht ein eigentlich bestehender höherer Anspruch auf Arbeitslosengeld vermindert worden wäre, sondern im Gegenteil ein höherer Anspruch begründet würde, gelten die genannten Bedenken nicht.
Zwar liegt ein Lohnsteuerklassenwechsel im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 1 SGB III dann nicht vor, wenn Eheleute - noch vor Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld - für das neue Jahr, in dem der Arbeitslosengeldanspruch entsteht, eine Änderung der Steuerklasse vorgenommen haben (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 12/06 R -). Dies stellt jedoch einen anderen Sachverhalt dar, denn insoweit ist die Gefahr von Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung deutlich geringer. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt somit nicht vor. Bei laufendem Leistungsbezug wird dagegen über § 133 Abs. 3 Satz 3 SGB III die entsprechende Geltung des § 133 Abs. 2 Satz 3 SGB III angeordnet. Durch diese Bestimmung gilt die Änderung der Steuerklasse für das neue Kalenderjahr als Steuerklassenwechsel innerhalb des laufenden Jahres und kann somit nur unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 vorgenommen werden. Damit ist auch der Fall erfasst, dass Eheleute für das neue Kalenderjahr geänderte Steuerklassen eintragen lassen, sodass auch dieser Steuerklassenwechsel nur unter den Voraussetzungen des § 133 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB III leistungsrechtlich berücksichtigt wird (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2010 - L 12 AL 2010/10 -). Insoweit wird bei gleicher Manipulationsgefahr der Sachverhalt des Steuerklassenwechsels wiederum gleich behandelt.
Die Beklagte hat nach alledem das Arbeitslosengeld in zutreffender Höhe berechnet, insbesondere hat sie zurecht die Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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