L 3 U 64/06

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 15/3 U 1660/00
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 64/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es liegt nicht in der Hand des Arbeitgebers, den durch Gesetz begründeten Unfallversicherungsschutz auf Freizeitveranstaltungen zu erweitern.

Die Tatsache, dass ein Fußballspiel bereits im Rahmen der Einladung zu einer Dienstreise als eigener Programmpunkt aufgenommen worden ist, begründet allein keinen sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Teilnahme am Fußballspiel. Ebenso ist für die Frage des Versicherungsschutzes nicht maßgeblich, ob die Teilnahme an einer sportlichen Veranstaltung aufgrund der Erwartungshaltung, auf Wunsch oder gar auf Weisung des Arbeitgebers erfolgt.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfallereignisses vom 24. Mai 1991 als Arbeitsunfall sowie um die Gewährung einer Verletztenrente für dieses oder für ein anerkanntes Arbeitsunfallereignis vom 30. Oktober 1998.

Am 24. Mai 1991 nahm der Kläger an einem Treffen der Baumarktleiter – Abteilungsleiter Baustoffe - der Warenzentralen XY-Land teil, welches bei einem Lieferanten - der Firma C. in D. - durchgeführt wurde. Am gleichen Tag fand ein Fußballfreundschaftsspiel zwischen einer Mannschaft der Baumarktleiter einschließlich ihres Prokuristen und einer Mannschaft der Firma C. statt. Bei diesem Spiel verletzte sich der Kläger am rechten Kniegelenk. Ausweislich des Durchgangsarztberichts vom 24. Mai 1991 zog sich der Kläger einen knöchernen Kreuzbandausriss zu. In der Folge unterzog sich der Kläger einer Arthroskopie, bei welcher man einen Lappenriss am Außenmeniskus und einen partiellen Ausriss des vorderen Kreuzbandes feststellte.

Am 30. Oktober 1998 nahm der Kläger als Außendienstmitarbeiter an einer dienstlichen Wochenendtagung teil. Beim abendlichen Fußball-Tennisspiel verdrehte sich der Kläger wiederum das rechte Knie. Der aufgesuchte Durchgangsarzt äußerte den Verdacht auf eine Innenmeniskusläsion. Die nachfolgend von Dr. E. am 16. Dezember 1998 durchgeführte Arthroskopie zeigte eine Innenmeniskusruptur sowie eine alte vordere Kreuzbandruptur. Die Beklagte zu 1) holte unter Vorlage der Arthroskopieprotokolle von 1991 und 1998 eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. F. vom 14. Juli 2000 ein, der zu der Auffassung gelangte, das rechte Knie des Klägers sei durch das Ereignis aus dem Jahre 1991 erheblich vorgeschädigt gewesen. Soweit eine Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 16. Dezember 1998 hinaus vorgelegen habe, sei diese auf die Vorschädigung des Knies in Form eines alten vorderen Kreuzbandschadens und Knorpelschäden zurückzuführen und könne nicht dem Ereignis vom 30. Oktober 1998 angelastet werden.

Mit Bescheid vom 10. August 2000 lehnte die Beklagte zu 1) die Gewährung von Verletztenrente für die Folgen des Arbeitsunfallereignisses vom 30. Oktober 1998 ab. Das Ereignis habe lediglich zu einer Distorsion des rechten Kniegelenks geführt. Die arthroskopisch festgestellten Knorpelschäden und der alte vordere Kreuzbandschaden seien nicht Folge des Unfallereignisses vom 30. Oktober 1998. Die Arbeitsunfähigkeit und die Behandlungsbedürftigkeit seien ab 16. Dezember 1998 auf eine unfallunabhängige Vorschädigung zurückzuführen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 15. August 2000, zu dessen Begründung er ausführte, der Vorschaden aus dem Jahre 1991 beruhe ebenfalls auf einem Arbeitsunfall, welcher sich im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zu 2) ereignet habe, wies die Beklagte zu 1) mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2000 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 15. November 2000 vor dem Sozialgericht Kassel Klage erhoben (Az.: S 15/4/3 U 1660/00).

Zugleich beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 2) die Prüfung des Unfallereignisses vom 24. Mai 1991. Nach dem Wiederaufbau der Akte lehnte die Beklagte zu 2) mit Bescheid vom 28. Mai 2001 die Anerkennung des Ereignisses vom 24. Mai 1991 als Arbeitsunfall ab. Der Unfall habe sich bei einem Fußballspiel ereignet, welches nach Abschluss der regulären Tagung stattgefunden habe. Es sei als Freizeitaktivität dem privatwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen und habe daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Hiergegen erhob der Kläger unter dem 6. Juni 2001 Widerspruch mit der Begründung, der Unfall stehe in einem ursächlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit. Darüber hinaus habe die Beklagte zu 2) das Ereignis durch die Übernahme der Heilbehandlungskosten und die Zahlung von Verletztengeld konkludent als Arbeitsunfall anerkannt. Die Beklagte zu 2) wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2001 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 27. Juli 2001 ebenfalls Klage bei dem Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) erhoben. Die Klage wurde zunächst unter dem Aktenzeichen S 3 U 1326/01 geführt. Mit Beschluss des Sozialgerichts vom 11. Februar 2002 sind beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden unter dem führenden Aktenzeichen S 15/4/3 U 1660/00.

Das Sozialgericht hat im Rahmen eines Erörterungstermins vom 19. Oktober 2004 die damaligen Kollegen des Klägers Herrn G., Herrn H., Herrn I. und Herrn J. als Zeugen zum Ereignis vom 24. Mai 1991 vernommen. Wegen der Einzelheiten in den Zeugenaussagen wird auf das Protokoll zum Erörterungstermin vom 19. Oktober 2004 Bezug genommen.

Anschließend hat das Sozialgericht die medizinischen Unterlagen über eine erneute Knieoperation im November 2004 beigezogen (OP-Bericht und Bericht Dr. K. vom 24. August 2005) und dann ein chirurgisch-sozialmedizinisches Sachverständigengutachten bei Dr. L. vom 2. November 2005 eingeholt. Dr. L. gelangte aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers vom 14. Oktober 2005 zu dem Ergebnis, dass das Ereignis vom 24. Mai 1991 zu einer strukturellen Verletzung mit Schädigung des vorderen Kreuzbandes und des Außenmeniskus geführt habe. Auch der Knorpelschaden im Bereich des lateralen Femurcondylus sei als Folge dieses Ereignisses anzusehen. Die nach dem Unfall vom 30. Oktober 1998 durchgeführte Arthroskopie habe neben den Vorschädigungen keine zusätzlichen frischen Kniebinnenschäden beschrieben. Das Ereignis vom 30. Oktober 1998 habe somit lediglich zu einer funktionellen Verletzung im Sinne einer Distorsion geführt. Die derzeit noch bestehenden Beschwerden seien dem Ereignis vom 24. Mai 1991 anzulasten. Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien wegen der bestehenden muskulär nicht kompensierbaren antero-medialen Instabilität des Kniegelenks mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. zu bewerten.

Das Sozialgericht hat die Klagen mit Urteil vom 24. Januar 2006 abgewiesen. Der Kläger habe weder gegenüber der Beklagten zu 2) Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 24. Mai 1991 als Arbeitsunfall noch gegenüber der Beklagten zu 1) auf Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. für die Folgen des Arbeitsunfallereignisses vom 30. Oktober 1998. Im Zusammenhang mit dem am 24. Mai 1991 zum Unfall führenden Fußballspiel habe der Kläger keine im inneren Zusammenhang mit seinem Beschäftigungsverhältnis stehende Tätigkeit ausgeübt. Sportliche Gemeinschaftsveranstaltungen stünden ebenso wie Freizeitveranstaltungen grundsätzlich nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, es sei denn, sie erfüllten die Voraussetzungen für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung oder eine in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Betriebssportveranstaltung. Vorliegend bestehe jedoch weder unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme am Betriebssport noch unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung Unfallversicherungsschutz. Die Gesamtveranstaltung vom 24. Mai und 25. Mai 1991 habe vielmehr den Charakter einer Dienstreise, allerdings stehe das Fußballspiel vom 24. Mai 1991 auch nicht unter diesem Gesichtspunkt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe sich der Kläger zwar unstreitig auf einer versicherten Dienstreise befunden, jedoch bestehe auch während einer Dienstreise nach ständiger Rechtsprechung kein Versicherungsschutz "rund um die Uhr". Es sei vielmehr ebenfalls wie bei Tätigkeiten am Arbeitsplatz zu unterscheiden zwischen Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängen, und solchen Verrichtungen, die der privaten Sphäre des Reisenden zuzurechnen seien. Das Fußballspiel, bei welchem sich der Unfall ereignet habe, sei rechtlich wesentlich privaten Zwecken zu dienen bestimmt gewesen. Dienstliche Belange hätten nur eine untergeordnete und damit unwesentliche Bedeutung für die Durchführung des Fußballfreundschaftsspiels gehabt. Das Fußballspiel habe der Auflockerung der Veranstaltung gedient und sei somit dem Rahmenprogramm zuzuordnen. Für den Kläger habe auch keine Teilnahmepflicht an dem Spiel bestanden. Die Teilnahme an dem Fußballspiel sei eher eine kollegiale Gefälligkeit gewesen. Auch wenn andere Teilnehmer oder auch Teile der Unternehmensleitung mit der Teilnahme des Klägers am Fußballspiel gerechnet haben sollten, habe es sich nicht um einen Druck gehandelt, dem sich der Kläger nicht hätte entziehen können. Wie die anderen Teilnehmer der Veranstaltung sei der Kläger zum damaligen Zeitpunkt Leiter einer Baumarktabteilung gewesen. Er habe also eine Führungsposition bekleidet und wäre aufgrund seiner Stellung auch in der Lage gewesen, dem Druck standzuhalten. Darüber hinaus sei eine Erwartungshaltung des Arbeitgebers hinsichtlich der Teilnahme an reinen Freizeitbeschäftigungen nicht geeignet, den im Vordergrund stehenden eigenwirtschaftlichen Zweck von Freizeit und Unterhaltung in den Hintergrund zu drängen. Es gebe sehr unterschiedliche aus dem Arbeitsleben abgeleitete gesellschaftliche Erwartungshaltungen, die für den Betroffenen oft einen nicht unerheblichen Druck bedeuteten, sich an bestimmten Veranstaltungen und Zusammenkünften zu beteiligten, ohne dass allein deshalb bei einer Teilnahme Versicherungsschutz anzunehmen sei. Darüber hinaus könne der Aktenlage und dem Vorbringen des Klägers nicht entnommen werden, dass er sich der Teilnahme am Spiel hätte entziehen wollen. Dass das Fußballspiel auch zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den Angehörigen beider Unternehmen beitragen sollte, begründe noch keinen Versicherungsschutz. Das Spiel habe dem Unternehmen nur in untergeordneter und damit rechtlich unwesentlicher Weise gedient, da der betriebliche Vorteil gegenüber den privaten Interessen in den Hintergrund trete. Auch die Finanzierung der Freizeitaktivität würde keinen Versicherungsschutz begründen, selbst wenn dadurch die persönliche Verbundenheit mit dem Betrieb gestärkt würde; vorliegend sei die Finanzierung aber offensichtlich nicht durch den damaligen Arbeitgeber des Klägers, sondern durch den Großkunden erfolgt, wobei wegen der zwischenzeitlich vergangenen Zeit eine genauere Klärung der Finanzierungsfrage nicht mehr möglich sei. Gegen den Versicherungsschutz spreche vorliegend auch, dass das Fußballspiel offensichtlich nach Abschluss des offiziellen geschäftlichen Teils der Veranstaltung vom 24. Mai 1991 durchgeführt worden sei. Gegenüber anderen widersprüchlichen Zeugenaussagen hätten die Zeugen G. und H., die in ihrer Aussage detailliert und in sich widerspruchsfrei gewesen seien, ausgesagt, das Fußballspiel habe am Nachmittag stattgefunden, danach habe man geduscht, zusammen gegessen und sich unterhalten. Diese Aussagen deckten sich mit den Angaben des Arbeitgebers und den Feststellungen im Durchgangsarztbericht vom 27. Mai 1991. Der Arbeitsgeber habe angegeben, dass der offizielle Teil der Veranstaltung um 18.00 Uhr beendet gewesen sei. Der Kläger selbst habe gegenüber dem Durchgangsarzt Prof. Dr. M. zum damaligen Zeitpunkt angegeben, der Unfall habe sich um 18.04 Uhr ereignet. Die Arbeitszeit habe an dem Tag um 18.03 Uhr begonnen. Dem könne entnommen werden, dass das Fußballspiel (vom Kläger offensichtlich als Arbeitszeit angegeben) um 18.00 Uhr begonnen habe und der Kläger kurz nach Spielbeginn bereits verletzt worden sei. Dieser Ablauf finde seine Bestätigung in der Aussage des Zeugen I., welcher angegeben habe, der Unfall sei bereits kurz nach dem Spielbeginn passiert. Dem könne entnommen werden, dass das Fußballspiel, nachdem Ende des offiziellen Teils der Veranstaltung um 18.00 Uhr durchgeführt worden sei und nachfolgend keine dienstlichen Veranstaltungen stattgefunden hätten, wie die Zeugen G. und H. überzeugend bestätigt hätten. Die Durchführung des Fußballspiels habe somit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls bei wertender Betrachtung nicht wesentlich betrieblichen Belangen gedient und sei daher dem unversicherten privaten Bereich zuzuordnen. Schließlich ergebe sich die Anerkennung des Ereignisses vom 24. Mai 1991 als Arbeitsunfall auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes. Die Auszahlung von Verletztengeld durch die Beklagte zu 2) über den Krankenversicherungsträger sei nicht mit einer Anerkennung des Ereignisses vom 24. Mai 1991 als Arbeitsunfall gleichzusetzen. Grundsätzlich könne zwar die Auszahlung von Leistungen Verwaltungsaktcharakter haben, allerdings beziehe sich die Bindungswirkung dann auch nur auf die Zahlung von Verletztengeld, nicht jedoch auf die Gewährung von Verletztenrente. Ferner sei hinsichtlich der Zahlung von Verletztengeld kein Bescheid gegenüber dem Kläger erteilt. Die Beklagte zu 2) habe lediglich die zuständige Krankenversicherung angewiesen, das Verletztengeld zu zahlen. Es handele sich um ein rein internes Schreiben ohne Außenwirkung. Es sei nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis ergangen. Schließlich sei die Zahlung ausweislich des Schreibens der DAK an den Kläger vom 9. Juli 1991 unter dem Vorbehalt, dass die Arbeitsunfähigkeit Folge eines Arbeitsunfalls sei. Darüber hinaus bestehe auch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) für die Folgen des anerkannten Arbeitsunfallereignisses vom 30. Oktober 1998, da das Unfallereignis nicht die rechtlich wesentliche Ursache für die bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei. Diese seien vielmehr auf das Unfallereignis vom 24. Mai 1991 zurückzuführen. Dies folge aus dem Gutachten des Dr. L.

Der Kläger hat gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 14. Februar 2006 zugestellte Urteil mit am 6. März 2006 bei dem Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt.

Der Kläger ist der Ansicht, das Ereignis vom 24. Mai 1991 sei als Arbeitsunfall anzusehen. Es habe sich um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Der Arbeitgeber des Klägers, die N. habe die Veranstaltung mitorganisiert. Das im Zusammenhang mit der Schulung durchgeführte Fußballspiel habe dem Zweck gedient, die Mitarbeiter des Lieferanten besser kennenzulernen, aber auch die Verbundenheit unter den Betriebsangehörigen zu fördern und das Konkurrenzdenken abzubauen. Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung sei auch anzunehmen, wenn lediglich eine spezielle Gruppe der Beschäftigten, hier die Abteilungsleiter der Baustoffabteilungen, in eine solche einbezogen seien. Auch sei der Gesichtspunkt einer Dienstreise nicht richtig bewertet. Das Fußballspiel sei als fester Bestandteil in das Tagungsprogramm aufgenommen und von den Gastgebern organisiert und der Sportplatz reserviert worden. Er habe sich dem Spiel faktisch und praktisch nicht entziehen können.

Der Kläger beantragt (sinngemäß)
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Januar 2006 aufzuheben und
1. den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 10. August 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2000 abzuändern und die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren.
2. den Bescheid der Beklagten zu 2) vom 28. Mai 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2001 aufzuheben und die Beklagte zu 2) zu verurteilen, das Ereignis vom 24. Mai 1991 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger für die Folgen des Unfalles Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 2) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten beziehen sich insoweit im Wesentlichen auf die Ausführungen des Sozialgerichts in seiner erstinstanzlichen Entscheidung.

Der Senat hat den Kläger in einem Erörterungstermin am 11. Januar 2011 nochmals persönlich gehört; wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen. Die Beteiligten haben in diesem Termin einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten zu 1) und 2), der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, nachdem die Beteiligten diesbezüglich ihr Einverständnis erklärt haben.

Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu 1) und 2) sind nicht zu beanstanden. Weder stand der Kläger während des streitgegenständlichen Unfallereignisses vom 24. Mai 1991 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, so dass das Ereignis folglich nicht zu Lasten der Beklagten zu 2) als Arbeitsunfall anerkannt und entschädigt werden kann, noch sind aus dem seitens der Beklagten zu 1) anerkannten Arbeitsunfallereignis vom 30. Oktober 1998 bei dem Kläger Unfallfolgen verblieben, die die Gewährung einer Rente nach einer MdE von 20 v. H. bedingen.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 Sozialgesetzbuch, 7. Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach Voraussetzung, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 20. Januar 1987, Az.: 2 RU 27/86).

Ein entsprechender innerer Zurechnungszusammenhang lässt sich, wie das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil umfassend und überzeugend ausgeführt und begründet hat, für das Unfallereignis vom 24. Mai 1991 weder unter dem Gesichtspunkt des Betriebssports noch unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung feststellen. Auch unter dem Aspekt der Dienstreise, auf der sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt zwischen den Beteiligten unstreitig befand und dem Aspekt des Vertrauensschutzes, lässt sich – wie das Sozialgericht ebenfalls zu Recht festgestellt hat - kein anderes Ergebnis begründen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann daher im Wesentlichen auf das angefochtene Urteil verwiesen werden (§ 153 Abs. 2 SGG).

Lediglich bezüglich der Beurteilung des Fußballspiels unter dem Gesichtspunkt der Dienstreise weist der Senat ergänzend auf weitere Aspekte hin, die gegen einen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang des Fußballspiels mit dem Beschäftigungsverhältnis des Klägers und damit gegen dessen Bewertung als versicherte Betätigung sprechen. Unter Zugrundelegung der Zeugenaussagen der Kollegen des Klägers in dem vor dem Sozialgericht am 19. Oktober 2004 durchgeführten Termin steht lediglich fest, dass nach dem im Tagungsprogramm vorgesehenen Fußballspiel noch ein gemeinsames Abendessen stattgefunden hat; weitere dienstliche Termine im Rahmen des Abendprogramms lassen sich hingegen nicht feststellen. Damit ergibt sich aber aus dem nach der Beweisaufnahme allein feststehenden Tagungsprogramm eine klare Zäsur zwischen den geschäftlichen Programmpunkten und Gesprächen und einer an diesem Tagungstag eindeutigen und nachhaltigen Hinwenden zu den abgrenzbaren eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten des Fußballspielens und Abendessens. Allein die Tatsache, dass das Fußballspiel bereits im Vorfeld im Rahmen der Einladung als eigener Programmpunkt aufgenommen worden war, ist jedoch nicht geeignet, einen inneren und sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit des Klägers und der beim Fußballspiel tatsächlich ausgeübten Betätigung zu begründen. Der rein formale Umstand der Aufnahme eines Programmpunktes in die Tagesordnung führt nicht zur Herstellung des rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhangs. Anderenfalls würde man es bereits durch ein rein formales Kriterium uneingeschränkt in die Hand des Unternehmers legen, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf sonst unversicherte Tätigkeiten und Aktivitäten auszuweiten (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Oktober 2010, Az.: L 2 U 70/10).

Die aktive Teilnahme des Klägers an dem Fußballspiel kann auch nicht der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit des Klägers zugerechnet werden, denn sie hatte keinen Bezug zu betrieblichen Belangen. Auch wenn die Teilnahme an diesem Fußballspiel geeignet war, den Teamgeist der Baumarktleiter untereinander zu fördern, reicht das nicht aus, einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Klägers herzustellen. Nicht alle Aktivitäten, die einem Unternehmen nützlich sind oder sein können, stehen deshalb unter Versicherungsschutz (BSG in SozR 3-2200 § 548 Nr. 21, Urteil vom 25. August 1994, Az.: 2 RU 23/93). Der Inhalt der versicherten Tätigkeit eines Beschäftigten ergibt sich aus dem dem Beschäftigungsverhältnis typischerweise zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis, nach dem der Arbeitnehmer (= Beschäftigter = Versicherter) zur Leistung der versprochenen Dienste verpflichtet ist (§ 611 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Nur im Rahmen des arbeitsvertraglich Geschuldeten kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund seines Direktionsrechts Arbeiten und Dienste zuweisen, die versicherte Tätigkeiten sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004, Az.: B 2 U 47/03 R, zitiert nach Juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. August 1991, Az.: L 2 U 702/91, Breithaupt 1992, 210; Bayerisches LSG, Urteil vom 27. September 1989, Az.: L 10 U 44/97, Breithaupt 1990, 338). Der Kläger war bei den Baumärkten der Warenzentralen XY-Land als Baumarktleiter beschäftigt; die aktive Teilnahme an sportlichen Aktivitäten gehörte dabei nicht zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten, weshalb diese auch außerhalb des Betriebssports oder einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung allein wegen der zeitlichen Verknüpfung mit einer Dienstreise und der Beteiligung der Tagungsteilnehmer nicht der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeit des Klägers zuzuordnen war. Aus der formalen Aufnahme des Fußballspiels auf das Tagungsprogramm und der deshalb im Vorfeld unter den Kollegen des Klägers vorgenommenen diesbezüglichen Absprache insbesondere hinsichtlich der mannschaftseinheitlichen Trikots folgt auch keineswegs ein beruflicher Zwang für den Kläger, an diesem Fußballspiel teilzunehmen. Die Zeugenaussagen der Kollegen des Klägers lassen ebenso wie dessen eigene Angaben allenfalls auf eine gewisse Erwartungshaltung seitens des Arbeitgebers sowie der an der Veranstaltung beteiligten Felsenwerke und möglicherweise auch der Kollegen untereinander schließen; dass die Teilnehmer aber – gegebenenfalls auch fälschlicherweise – von einer dienstlichen Verpflichtung zur Teilnahme an dem Fußballspiel ausgegangen sind, kann nicht festgestellt werden. Aber auch, ob die Teilnahme aufgrund einer Erwartungshaltung, auf Wunsch oder gar auf Weisung des Arbeitgebers erfolgt, kann für die Frage des Versicherungsschutzes nicht maßgeblich sein. Denn ebenso wie bei dem Aspekt der formalen Aufnahme einer sportlichen Aktivität auf ein Tagungsprogramm hat der Unternehmer es auch nicht allein durch sein Verhalten in der Hand, den durch Gesetz begründeten Unfallversicherungsschutz auf Freizeitveranstaltungen im Rahmen von Tagungsprogrammen zu erweitern (vgl. zum Vorstehenden insgesamt Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. April 2009, Az.: L 3 U 249/08).

Auch der Umstand, dass der Kläger zu der vorliegenden Tagungsveranstaltung zwar von seinem Arbeitgeber eingeladen, die Veranstaltung aber von den Felswerken als Vertragspartner des klägerischen Arbeitgebers durchgeführt wurde und das Fußballspiel zwischen einer Mannschaft der Baumarktleiter und einer Mannschaft der Beschäftigten der Felswerke stattfand, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung des Fußballspiels. Zwar kann auch eine sportliche Veranstaltung wesentlicher Bestandteil geschäftlicher Kontaktpflege im Auftrag und im Interesse eines Arbeitgebers sein und damit auch wesentlich betrieblichen Interessen dienen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 1. Juli 1997, Az.: 2 RU 36/96, zitiert nach Juris); eine solche Konstellation lässt sich vorliegend allenfalls auf Seiten der Beschäftigten der Felswerke erkennen, nicht aber für die Baumarktleiter, zu denen der Kläger gehörte. Es handelte sich hier um die Veranstaltung eines Lieferanten der vom Arbeitgeber des Klägers betriebenen Baumärkte. Diesem Lieferanten diente die Tagung ganz offensichtlich zu Promotionszwecken. Hieraus folgt aber nur ein erhöhtes Interesse der Felswerke und deren Beschäftigten an der Veranstaltung und damit möglicherweise auch an der Teilnahme an dem Fußballspiel zur Kontaktpflege. Diese war im Hinblick auf die Vermarktung der Produkte der Felswerke über die Baumärkte des Arbeitgebers des Klägers relevant. Ein vergleichbares gesteigertes wirtschaftliches Interesse des Arbeitgebers der Baumarktleiter, die sich hier über die Produktauswahl für ihre Märkte informieren konnten, besteht dagegen nicht.

Da die Teilnahme des Klägers an dem Fußballspiel am 24. Mai 1991 nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat, ist der hierbei erlittene Unfall des Klägers von der Beklagten zu 2) nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.

Der Senat schließt sich auch der auf das Gutachten des Dr. L. vom 2. November 2005 gestützten Entscheidung des Sozialgerichts an, dass die bei dem Kläger bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf das Unfallereignis vom 24. Mai 1991 zurückzuführen sind und deshalb auch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. für Folgen des anerkannten Arbeitsunfallereignisses vom 30. Oktober 1998 besteht. Auch insoweit kann daher zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf das angefochtene Urteil verwiesen werden (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Berufung konnte daher insgesamt keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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