L 5 KR 4847/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 4419/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4847/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.09.2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 1/3 der außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob der Kläger bei der Beigeladenen Ziff. 1 in der Zeit vom 1.5.2006 bis 22.7.2010 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.

Mit notariellem Vertrag vom 14.01.1991 hatten die Gesellschafter U., B. und E. die Beigeladene Ziff. 1 gegründet. Nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags ist Gegenstand des Unternehmens der Betrieb einer Zweiradwerkstatt sowie der Handel mit Zweirädern aller Art und Zweiradzubehörteilen einschließlich Motorradkleidung und Ersatzteilen. Am 22.12.1995 erwarb der Kläger den halben Geschäftsanteil des Gesellschafters B. und war daraufhin am Stammkapital der Beigeladenen Ziff. 1 beteiligt. Sein Anteil betrug zunächst 10 %. Im November 1999 erhöhte sich sein Anteil auf 20 %, im Juni 2006 auf 30 %. Seit dem 22.04.2008 beläuft sich sein Anteil am Stammkapital auf 40 %. Am 04.04.2006 bestellte die Beigeladene Ziff. 1 den Kläger zum Geschäftsführer; der Dienstvertrag vom 05.04.2006 trat zum 01.05.2006 in Kraft. Darin sind unter anderem ein festes Monatsgehalt (§ 3 Abs. 1), ein 13. Monatsgehalt (§ 3 Abs. 2), Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 Abs. 3), der Jahresurlaub (§ 5 Abs. 1) sowie die Kündigung (§ 6) geregelt. Weiterer Geschäftsführer neben dem Kläger ist der Gesellschafter U ...

Am 21.12.2007 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen Ziff. 3 die Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status seit dem 18.04.2006. Die Beigeladene Ziff. 3 leitete den Antrag an die Beklagte weiter, da diese aufgrund des bei ihr bereits langjährig bestehenden Versicherungsverhältnisses als Einzugsstelle nach §§ 28h, 28 i SGB IV für die Statusfeststellung zuständig sei. Mit dieser Verfahrensweise hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats einverstanden erklärt und nachträglich noch einen Antrag auf Statusfeststellung bei der Beklagten gestellt.

Mit Bescheid vom 02.05.2008 stellte die Beklagte fest, der Kläger sei bei der Beigeladenen Ziff. 1 seit dem 01.10.1993 abhängig beschäftigt; aufgrund dessen bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Zur Begründung gab sie an, der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH stehe bei dieser in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn er funktionsgerecht dienend an ihrem Arbeitsprozess teilhabe, für seine Tätigkeit ein entsprechendes Entgelt erhalte und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne. So verhalte es sich hier. Nach § 8 des Gesellschaftsvertrags treffe die Beigeladene Ziff. 1 ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit. Da der Kläger nur zu "30 %" an ihrem Stammkapital beteiligt sei und keine besonderen Vereinbarungen zu einer Sperrminorität bestünden, könne er Beschlüsse der Beigeladenen Ziff. 1 zu seiner Tätigkeit als Geschäftsführer nicht verhindern. Diese Beschlüsse müsse er beachten. Er verfüge auch nicht als einziger im Unternehmen über die erforderlichen Branchenkenntnisse. Vielmehr erfolge die Leitung des Betriebs zusammen mit einem weiteren Gesellschafter-Geschäftsführer. Dass der Kläger in diesem Rahmen seine Tätigkeit weitgehend weisungsfrei ausübe, genüge nicht, um ihn als Unternehmer anzusehen. Denn Tätigkeiten in höheren Positionen erforderten regelmäßig ein selbständiges Arbeiten. Für ein Beschäftigungsverhältnis spreche zudem die Gestaltung seines Dienstvertrages: Er erhalte unabhängig von der Ertragslage der Beigeladenen Ziff. 1 eine feste Vergütung. Bei Arbeitsunfähigkeit zahle die Beigeladene Ziff. 1 das Gehalt sechs Wochen (§ 3 Abs. 3 des Dienstvertrages: 6 Monate, Anm. d. Senats) lang weiter. Die Beigeladene Ziff. 1 führe von der Vergütung Lohnsteuer ab und verbuche das Gehalt als Betriebsausgabe. Der Kläger habe Anspruch auf 30 Tage Urlaub im Jahr. Der Vertrag sei jederzeit mit einer Frist von sechs Monaten kündbar.

Hiergegen legte der Kläger am 30.05.2008 Widerspruch ein. Er machte geltend, seit dem 01.10.1993 hätten sich die Verhältnisse grundlegend geändert. Mittlerweile leite er die Beigeladene Ziff. 1 in alleiniger Verantwortung. Er sei zuständig für das gesamte operative Geschäft (Einkauf, Koordination des Warenbestandes) sowie alle Personalfragen. Dabei unterliege er keinen Weisungen des Mehrheitsgesellschafters U ... In seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beigeladenen Ziff. 1 führe Herr U. lediglich Verhandlungen mit Banken; hierfür sei Herr U. ca. zwei Stunden pro Woche im Betrieb anwesend. Darüber hinaus sei Herr U. für die Firmen Motor D. und G. sowie die U. Verwaltungs GmbH & Co. KG als Geschäftsführer tätig und sei Inhaber der Grundstücksverwaltung U. GdbR. Aufgrund seiner unternehmerischen Stellung habe er, der Kläger, für die Beigeladene Ziff. 1 eine Bürgschaft in Höhe von 720.000 EUR übernommen. Nach dem Ausscheiden des Gesellschafters B. habe er weitere 10 % der Gesellschaftsanteile übernommen. Zudem bestehe zwischenzeitlich mit der Beigeladenen Ziff. 1 eine Vereinbarung, wonach er zusätzlich zu seinem festen Entgelt eine Tantieme beanspruchen könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, der Kläger dominiere die Gesellschafter mit seinem Gesellschaftsanteil von 30 % persönlich nicht und diese seien von ihm auch nicht wirtschaftlich abhängig. Die Übernahme der beträchtlichen Bürgschaft reiche für die Feststellung einer selbständigen Tätigkeit nicht aus.

Dagegen wandte sich der Kläger mit der am 10.10.2008 vor dem Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage. Er trägt vor, die Beklagte gehe zu Unrecht von einem Gesellschaftsanteil von 30 % aus. Er halte nach dem Ausscheiden des Gesellschafters und Geschäftsführers B. einen Anteil von 40 %. Wenn die Beklagte ausführe, dass seine Beteiligung keine Sperrminorität gegenüber Gesellschafterbeschlüssen begründe, sei dem entgegenzuhalten, dass es nicht auf die Gestaltung des Gesellschaftsvertrages ankomme, sondern auf seine tatsächlichen Befugnisse. Er leite den Betrieb völlig eigenständig. Die Beigeladene Ziff. 1 habe ihm noch nie mit einem Beschluss Vorgaben gemacht und seine unternehmerische Freiheit eingeschränkt. Er sei zudem vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit. Entgegen der Auffassung der Beklagten trage er auch ein Unternehmerrisiko. Kein Angestellter würde eine Bürgschaft in Höhe von 750.000 EUR für seinen Arbeitgeber übernehmen. Die regelmäßigen Zahlungen, auf die die Beklagte abgestellt habe, seien "bei jedem Selbständigen zwangsläufig". Damit wird zunächst seine Leistung als Geschäftsführer abgegolten. Zudem bestehe eine Tantiemenregelung.

Im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 27.04.2009 hat der Kläger unter anderem angegeben, der weitere Geschäftsführer U. komme nicht aus dem technischen Bereich. Er sei nicht am operativen Geschäft beteiligt und beziehe auch kein Geschäftsführergehalt. Vor allem sei er zuständig für die Kontakte mit den Banken. Aufgrund der Größe seiner Unternehmen und seiner Erfahrung sei Herr U. dazu in der Lage bessere Konditionen mit den Banken auszuhandeln als dies ihm, dem Kläger, möglich sei. Es selbst sei hauptsächlich für das Tagesgeschäft zuständig. Bevor er einen Vertrag abschließe, müsse er sich nicht mit Herrn U. abstimmen. Die seit dem Jahr 2006 bestehende Tantiemenregelung sei nicht schriftlich fixiert. Er bekomme 10 % des Gewinns vor Steuern. Bisher sei aber keine Auszahlung erfolgt, weil das Kapital im Unternehmen verbleiben solle. Er habe eine bis zum Dezember 2006 befristete Bürgschaft in Höhe von 720.000 EUR übernommen. Da H. danach nicht mehr Vertragspartner neben B. gewesen sei, habe man nicht mehr so einen hohen Kapitalbedarf gehabt, so dass die Bürgschaft nicht mehr erforderlich gewesen sei. Seither gebe es aber noch eine zeitlich unbefristete Bürgschaft über 30.000 EUR.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zu Recht habe die Beklagte festgestellt, dass der Kläger im streitigen Zeitraum seit dem 01.05.2006 bei der Beigeladenen Ziff. 1 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung unterlägen u. a. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Beschäftigung sei die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Demgegenüber sei eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch ein Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte sowie die Möglichkeit, über die eigene Arbeitskraft zu verfügen und Tätigkeit und Arbeitszeit im wesentlichen frei zu gestalten, gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig sei, hänge davon ab, welche Merkmale überwiegen würden. Maßgebend sei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Wichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, würden letztere den Ausschlag geben (BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 Seite 57). Gemessen hieran erfolge die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene Ziff. 1 seit dem 01.05.2006 im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses. Er habe nach § 1 Abs. 2 Satz 2 des Dienstvertrags vom 05.04.2006 die Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen, eine Vielzahl von Geschäften bedürfe nach § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags vom 14.01.1991 der Zustimmung der Gesellschafter. Aufgrund der Bindung an die willensbildenden Organe einer GmbH erfolge die Tätigkeit eines Geschäftsführers, der nicht mit mindestens 50 % am Gesellschaftskapital beteiligt ist, regelmäßig im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses (BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 Seite 78 f.; SozR 4-2500 § 7 Nr. 1 Rdnr. 10). Die rechtliche Weisungsgebundenheit des Klägers gegenüber der Beigeladenen Ziff. 1 sei durch die tatsächlichen Verhältnisse auch nicht so überlagert, dass ein Beschäftigungsverhältnis ausscheide. Bei der Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH handele es sich um eine Dienstleistung höherer Art. Selbst wenn sich der Geschäftsführer seine Arbeit selbst einteilen und Zeit, Ort und Art der Ausführung selbst bestimmen könne und insoweit keinen Weisungen Dritter unterliege, bleibe die Tätigkeit fremdbestimmt, wenn sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehe (BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 Seite 80). So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die Gesellschafter U. und B. (seit dem 22.4.2008: nur noch Herr U.) würden den Kläger nicht frei schalten und walten lassen. Vielmehr tausche sich der Kläger nach seinen Angaben im Erörterungstermin regelmäßig - zumeist wöchentlich - mit Herrn U. über den Geschäftsgang aus. Verhandlungen mit Banken nehme für die Beigeladene Ziff. 1 nicht der Kläger, sondern Herr U. in seiner Funktion als weiterer Geschäftsführer wahr. Auch wenn der Kläger im operativen Tagesgeschäft weitgehend frei von Weisungen handeln könne, werde der - für das Geschäft wichtige - finanzielle Rahmen maßgeblich vom Gesellschafter-Geschäftsführer U. mitbestimmt. Dass die unternehmerischen Entscheidungen zwischen dem Kläger und Herrn U. im Wesentlichen einvernehmlich getroffen würden, stehe der Annahme von Weisungsgebundenheit nicht entgegen (vgl. BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 Rdnr. 12). Auch die Ausgestaltung des Dienstvertrags vom 05.04.2006 mit einem Anspruch auf ein festes Monatsgehalt (§ 3 Abs 1), Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 Abs. 3) und bezahlten Urlaub von 30 Arbeitstagen (§ 5 Abs. 1) spreche für ein Beschäftigungsverhältnis. Bei diesen Regelungen handele es sich um typische Bestandteile von Arbeitsverträgen abhängig Beschäftigter (BSG SozR 3-2200 § 723 Nr. 4 Seite 17; SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 Seite 80). Dass diese vertraglichen Vereinbarungen nicht eingehalten würden, sei weder vorgetragen noch für das Gericht ersichtlich. Auch die Fachkenntnisse des Klägers seien nicht geeignet, Selbständigkeit zu begründen. Zum einen beschränke sich das gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer U. überlegene Sachwissen des Klägers auf den technischen Teil seiner Tätigkeit; im kaufmännischen Bereich sei ihm Herr U. wohl mindestens ebenbürtig. Zum anderen sei es durchaus üblich, dass der Geschäftsführer spezielle Fachkenntnisse aufweise, da diese oftmals gerade Voraussetzung für die Übertragung der Aufgabe seien (BSG, SozR 3-2200 § 723 Nr. 4 Seite 18). Eine selbständige Tätigkeit könne daraus nicht ohne Weiteres abgeleitet werden. Der - angeblich mündlich geregelten - Erfolgsbeteiligung des Klägers in Form einer Tantieme komme für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung kein entscheidendes Gewicht zu. Denn eine solche Prämie sei lediglich Ausdruck einer auch bei Arbeitnehmern verbreiteten leistungsorientierten Vergütung; dem Wagniskapital eines Unternehmens könne sie nicht gleichgestellt werden (BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 Seite 80). Zudem sei offenbar bisher keine Auszahlung an den Kläger erfolgt. Auch aus der vom Kläger übernommenen Bürgschaft ergebe sich kein relevantes Unternehmerrisiko: Darlehen eines Arbeitnehmers an einen Arbeitgeber seien nicht ausgeschlossen; sie seien vor allem dann anzutreffen, wenn der Arbeitnehmer zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers beitragen wolle (BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 Seite 60); gleiches gelte für eine Bürgschaft (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2007, L 11 KR 2644/05, Rdnr. 36 - nach Juris). Die durch § 1 Abs. 2 Satz 1 Abs. 4 des Dienstvertrags dem Kläger eingeräumte Alleinvertretungsbefugnis sowie die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens seien für den Geschäftsführer einer kleinen GmbH nicht untypisch und deuteten nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit hin (BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 Rdnr. 11).

Gegen den seinen Bevollmächtigten am 21.09.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.10.2009 Berufung einlegen lassen. Zur Begründung lässt er ausführen, bei dem Gesellschafts- und dem Dienstvertrag handele es sich um Formverträge, die vom Steuerberater vorbereitet worden seien, ohne auf die tatsächlichen Verhältnisse einzugehen. Der Mitgesellschafter U. verwendet diese Verträge in allen seiner Gesellschaften. Ihm komme es vorwiegend darauf an, jeweils entsprechend seinen Gesellschaftsanteilen am Gewinn beteiligt zu sein. Er lasse dem Kläger in allen Dingen völlig freie Hand, weil er schon aus zeitlichen Gründen nicht dazu in der Lage sei, Arbeitszeit in die Beigeladene Ziff. 1 zu investieren. Entsprechendes gelte auch für die Geschäftsführer seiner anderen Gesellschaften. Die I. habe die Tätigkeit eines dieser Gesellschafter mit Bescheid vom 20.02.2006 als nicht versicherungspflichtig eingestuft. Im Fall des Klägers könne daher nichts anderes gelten. Für die Beigeladene Ziff. 1 handele der Mitgesellschafter U. lediglich die Bankkonditionen aus. Der Kapitalbedarf werde aber alleine von den jeweiligen geschäftsführenden Gesellschaftern vorgegeben. Auch die Tantiemeregelung spreche eindeutig für eine Selbständigkeit des Klägers. Damit werde das Engagement und der Einsatz des geschäftsführenden Gesellschafters in besonderem Maße honoriert. Dass es bisher noch nicht zu Auszahlungen gekommen sei, liege allein daran, dass noch keine Steuererklärungen für die zurückliegenden Jahre vorliegen würden. Insbesondere spreche aber die Übernahme einer erheblichen Bürgschaft angesichts der damit verbundenen erheblichen Risiken bei einem eher unterdurchschnittlichen Geschäftsführergehalt für eine Tätigkeit als Selbständiger.

Der Kläger hat eine notarielle Urkunde vom 23.07.2010 über die Änderung von § 8 Abs. 5 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages vorgelegt. Danach bedürfen Gesellschafterbeschlüsse einer 2/3 Mehrheit, soweit Gesetz oder Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorschreiben. Er trägt hierzu vor, mit der Änderung des Gesellschaftsvertrages werde die Satzung nur der seit Jahren bestehenden Praxis nachträglich angepasst.

Der Kläger hat weiter vortragen lassen, dass die Bürgschaft über 750.000 EUR erforderlich gewesen sei, weil die Beigeladene Ziff. 1, die bis zum Jahr 2004 H.-Vertragshändler gewesen sei, ab diesem Jahr auch B.-Vertragshändler geworden sei. Die damit verbundene Erhöhung des Warenbestands und die Personalaufstockung habe einen hohen Kapitalbedarf verursacht, zu dessen Absicherung die Bürgschaft notwendig gewesen sei. Sie sei aber von vorneherein auf den 31.12.2006 befristet gewesen. Nachdem sich der Bestand der Marke H. wie erwartet verringert habe, habe sich auch der Kapitalbedarf zum Ende des Jahres 2006 wieder reduziert. Deshalb habe sich der Kläger mit der Bank auf eine zeitlich unbefristete Bürgschaft über nur noch 30.000EUR einigen können. Dafür sei aber mitentscheidend gewesen, dass der Kläger zwischenzeitlich ein Darlehn in Höhe von 200.000 EUR in das Unternehmen eingebracht habe. Bei einer Unterschreitung des Darlehns unter 120.000 EUR müsse die Bürgschaft erneut erhöht werden. Zudem seien in den letzten drei Jahren keine Ausschüttungen an die Gesellschafter erfolgt, um die Bonität der Beigeladenen Ziff. 1 zu erhöhen. Diese finanzielle Einbindung sei für einen Angestellten untypisch und spreche für die Selbständigkeit des Klägers. Entsprechend einer Anregung der Beklagten hat er nachträglich einen Antrag auf Statusfeststellung durch die Beklagte gestellt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.09.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2008 zu verpflichten festzustellen, dass hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Beigeladene Ziff. 1 in der Zeit vom 01.05.2006 bis zum 22.07.2010 Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung nicht bestanden hat.

Die Beklagte und die Beigeladenen Ziff. 1 und 4 beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden und auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Die aufgeführte Entscheidung der I. führe zu keinem anderen Ergebnis, da kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestehe. Aufgrund der Änderung des Gesellschaftvertrages verfüge der Kläger allerdings ab dem 23.07.2010 über eine Sperrminorität, so dass ab diesem Zeitpunkt eine selbständige Tätigkeit vorliege. Entgegen den Darlegungen im Bescheid vom 02.05.2008 habe der Kläger erstmals im Jahre 2009 die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten. Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung bestehe gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erstmals ab dem 1.1.2011. Zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung seien die Sozialversicherungsträger der Auffassung gewesen, dass das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV vorrangig auf neu begründete Tätigkeitsverhältnisse Anwendung finde. Da sie bereits seit 1.1.1993 die für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge des Klägers zuständige Einzugsstelle gewesen sei, sei sie von ihrer Zuständigkeit ausgegangen. Nach der Entscheidung des BSG vom 04.06.2009 - b 12 KR 31/07 R richte sich die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen der Einzugsstelle und der Beigeladenen Ziff. 3 nach dem zeitlichen Ablauf des Antragsverfahrens. Danach sei der zuerst angegangene Träger zuständig

Die Beigeladene Ziff. 3 hat mit Schreiben vom 28.02.2011 einer Entscheidung auf Selbständigkeit ab dem 23.07.2010 zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden zu Recht festgestellt, dass seine Tätigkeit bei der Beigeladenen Ziff. 1 in der streitigen Zeit vom 01.05.2006 bis zum 22.07.2010 als abhängige Beschäftigung zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Statusfeststellung der Beklagten in dem Bescheid vom 02.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2008 bezüglich des Zeitraums vom 01.05.2006 bis 22.7.2010, nachdem sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in einem Teilvergleich darauf geeinigt haben, dass der Kläger ab 23.07.2010 eine selbständige Tätigkeit ausübt.

1.) Die Beklagte war als Einzugsstelle nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV zur Entscheidung über den Antrag des Klägers sachlich zuständig.

Allerdings hätte die Beklagte über den ihr von der Beigeladenen Ziff. 3 zur Bearbeitung weitergeleiteten Antrag des Klägers vom 14.12.2007 nicht befinden dürfen. Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich bei der DRV Bund eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Nach dem Wortlaut von § 7a Absatz 1 Satz 1 SGB IV ist ein Verfahren zur Statusfeststellung somit unzulässig, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Versicherungspflicht bzw. -freiheit (z.B. die §§ 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 SGB IV) hinsichtlich des Auftragnehmers anhängig oder bereits abgeschlossen war (Pietrek in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 7a SGB IV RdNr. 29, ebenso BSG Urt. v. 04.06.2009 - B 12 KR 31/07 R). Die Voraussetzungen nach dieser Vorschrift lagen für ein Tätig werden der Beklagten zunächst nicht vor, weil die Beigeladene Ziff. 3 die zuerst angegangene Statusfeststellungsbehörde war. Der Kläger hat seinen Antrag vom 14.12.2007 auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status an die DRV Bund zur Bearbeitung und Entscheidung geschickt. Der bei der Beigeladenen Ziff. 3 gestellte Antrag wurde deswegen damals zu Unrecht mit dem Begleitschreiben vom 07.01.2008 an die Beklagte zur Entscheidung weitergeleitet.

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, vor der Antragstellung bei der Beigeladenen Ziff. 3 sei ein vorrangiges Statusfeststellungsverfahren bei der Beklagten schon anhängig oder - worauf das Gesetz in § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV abstellt - eingeleitet gewesen. Ein Vorrangverhältnis, wie es § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV für bereits eingeleitete Statusfeststellungsverfahren vorsieht, bestand gerade nicht. Denn allein die frühere, langjährig ohne spezielle Prüfung inzident angenommene Sozialversicherungspflicht des Klägers genügt dafür nicht. Der Kläger stand zum Zeitpunkt der Antragstellung zwar aufgrund seiner bisherigen Beschäftigung bei der Beigeladenen Ziff 1 in einem Versicherungsverhältnis bei der Beklagten. Dieses war 1993 aufgrund der Meldung seines Arbeitgebers begründet worden, die damals zu einer Einordnung als abhängig Beschäftigter führte. Allerdings stellt weder die Meldung des Arbeitgebers noch das widerspruchslose Entgegennehmen von Beiträgen oder die Erbringung von Leistungen ein förmliches Statusfeststellungsverfahren dar. Denn die Einzugsstelle überprüft allenfalls die Schlüssigkeit der Arbeitgebermeldung und der Beitragsentrichtung. Darüber hinausgehende Ermittlungen wurden in der Vergangenheit in Bezug auf die Sozialversicherungspflicht/-freiheit des Klägers nicht durchgeführt, juristisch bindende Entscheidungen sind insoweit nicht ergangen.

Die Zuständigkeit der Beklagten wurde allerdings nachträglich durch die Genehmigung der seinerzeitigen Weiterleitung des Antrags des Klägers von der zunächst angegangenen Beigeladenen Ziff. 3 an die Beklagte und die nachträgliche Stellung eines Statusfeststellungsantrags bei der Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Senats begründet. Die nachträgliche Antragstellung und damit die Heilung von Verfahrens- und Formfehlern erlaubt § 41 Abs. 1 SGB X. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, die den Verwaltungsakt - wie hier - nicht nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, wenn der für den Erlass des Verwaltungsakts erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird. Der Verwaltungsakt wird zwar nicht rückwirkend rechtmäßig, jedoch kann dieser Mangel im Aufhebungsverfahren selbst keine Wirkung mehr entfalten (BSG SozR 1200 § 34 Nr. 7). Vom Tag seiner Heilung ist der Verwaltungsakt so anzusehen, als sei er stets mangelfrei gewesen (BSGE GS 75,159; Schütze in von Wulffen, SGB X, § 41 Rn 4).

Eine nachträgliche Antragstellung war hier auch möglich. Mit der Genehmigung der Weiterleitung des Antrags an die Beklagte hat der Kläger den bei der Beigeladenen Ziff. 3 gestellten Statusfeststellungsantrag zurückgenommen und ihn bei der Beklagten als der für sein Statusfeststellungsverfahren zuständigen Einzugsstelle anhängig gemacht. Hierzu war er berechtigt, weil ihm das Gesetz die Wahl lässt, entweder bei der Beklagten oder bei der Beigeladenen Ziff. 3 den Antrag auf Statusfeststellung zu stellen. Die Beigeladene Ziff. 3 gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV und die Einzugsstellen im Rahmen des § 28h Abs. 2 SGB IV führen bei Statusfeststellungen Verfahren gleichen Inhalts durch (so ausdrücklich BSG Urt. v. 04.06.2009 - B 12 KR 31/07 R- Juris-Umdruck Rn 18). In dieser Entscheidung entnimmt das BSG § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV eine Regelung zur Verfahrenskonkurrenz nach Maßgabe des zeitlichen Vorrangs. Die Funktion dieser Reglung soll bei diesen Verfahren mit gleichem Inhalt darin bestehen, divergierende Entscheidungen unterschiedlicher Versicherungsträger zu vermeiden. Fehlt es somit an einem zeitlich vorrangigen förmlichen Statusfeststellungsverfahren kann der Versicherte grundsätzlich selbst darüber entscheiden, ob er bei der Einzugsstelle ein Statusfeststellungsverfahren anhängig macht oder bei der DRV Bund. Von einer Wahlfreiheit gehen auch der GKV-Spitzenverband Bund, die Beigeladene Ziff. 3 und die Bundesagentur für Arbeit in ihrem Rundschreiben vom 13.04.2010 aus. Dort wird beispielsweise, um eine Bindungswirkung der Bundesagentur für Arbeit zu erreichen, den Einzugsstellen empfohlen, den Versicherten bzw. Arbeitgebern zu empfehlen, den Statusfeststellungsantrag bei der Beigeladenen Ziff. 3 zu stellen. Diese insoweit gegebene Wahlmöglichkeit erlaubt es, nachträglich den Antrag bei der DRV Bund zurückzunehmen und den erforderlichen Antrag bei der Beklagten nachträglich zustellen.

2.) Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist inhaltlich ausreichend bestimmt und beschränkt sich nicht auf eine unzulässige "Elementenfeststellung". Gemäß § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Statusentscheidungen muss im Einzelfall zumindest durch Auslegung vor dem Hintergrund der den Beteiligten bekannten Umstände zu erschließen sein, auf welche konkreten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sich die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung beziehen soll. Notwendig ist regelmäßig die Angabe einer bestimmbaren Arbeit und die gerade hiermit in Zusammenhang stehende Entgeltlichkeit (vgl. näher BSG, Urt. v. 11.03.2009, - B 12 R 11/07 R -; Urt. v. 04.06.2009, - B 12 R 6/08 R -). Außerdem darf sich weder die im Anfrageverfahren (§ 7a SGB IV) noch die im Einzugsstellenverfahren (§ 28h SGB IV) ergehende Entscheidung auf das isolierte Feststellen des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung beschränken. Eine Elementenfeststellung dieser Art ist nicht zulässig (BSG, Urt. v. 11.03.2009, - B 12 R 11/07 R -). Ein ggf. rechtswidriger Elementenfeststellungsbescheid kann jedoch auch noch im Klageverfahren durch einen den Anforderungen an eine rechtmäßige Statusfeststellung genügenden Bescheid nach § 96 SGG ergänzt bzw. ersetzt werden (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.11.2009, - L 4 R 1540/08 -).

Die Beklagte ist diesen Anforderungen gerecht geworden. Sie hat die vom Kläger bei der Beigeladenen Ziff. 1 ausgeübte Tätigkeit im Bescheid vom 02.05.2008 hinreichend bestimmt bezeichnet und sich auch nicht auf die isolierte Feststellung einer abhängigen Beschäftigung beschränkt. Vielmehr ist festgestellt worden, dass für die in abhängiger Beschäftigung verrichtete Tätigkeit des Klägers Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung besteht (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.11.2009, - L 4 KR 1540/08 -).

3.) Die Entscheidung der Beklagten ist auch materiell rechtmäßig.

Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.05.2006 bis zum 22.07.2010 als geschäftsführender Gesellschafter der Beigeladenen Ziff. 1 eine abhängige Beschäftigung ausgeübt und unterliegt deswegen für diese Zeit der Sozialversicherungspflicht.

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 24 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und § 20 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr. 1; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1; BSG, Urteil vom 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R -, veröffentlicht in Juris). Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (siehe zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 20.05.1996 - 1 BvR 21/96 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 08.08.1990 - 11 RAr 77/89 - und vom 08.12.1994 - 11 RAr 49/94 - jeweils veröffentlicht in Juris). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteile vom 01.12.1977 - 12/3/12 RK 39/74 -; vom 04.06.1998 - B 12 KR 5/97 R -; vom 10.08.2000 - B 12 KR 21/98 R - jeweils m.w.N. veröffentlicht in Juris). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R -, veröffentlicht in Juris).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers als Gesellschafter ausgeschlossen. Beim am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; SozR 4-2400 § 7 Nr. 1). Vergleichbares gilt auch bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch nicht über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile verfügen. Auch für diesen Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (BSG, Urteil vom 04.07.2007 – B 11a AL 5/06 R -, m.w.N. veröffentlicht in Juris). Der GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer gehört nach der Rechtsprechung des BSG dann nicht zu den in abhängiger Beschäftigung stehenden Personen, wenn er kraft seiner Gesellschaftsrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden kann. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Geschäftsführer über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt. Aber auch bei einem geringeren Kapitalanteil kann die Arbeitnehmereigenschaft im Einzelfall fehlen. So ist eine abhängige Beschäftigung grundsätzlich zu verneinen, wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt und damit ihm nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft verhindern kann (vgl. BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 5 m.w.N.).

Dies lässt sich für den Kläger im streitigen Zeitraum indes nicht feststellen. Der Kläger hatte bis zum 23.07.2010 keine Stellung als Gesellschafter, die seine Unabhängigkeit als Geschäftsführer hätte begründen können. Die Gesellschafterversammlung ist nach § 8 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages beschlussfähig, wenn 66 2/3 % des Stammkapitals vertreten sind. Sofern eine beschlussfähige Gesellschafterversammlung nicht zustande kommt, kann unter Einhaltung von in Satz 2 vorgegebenen Frist- und Formerfordernissen eine ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähige Gesellschafterversammlung zur gleichen Tagesordnung einberufen werden. Beschlüsse der Gesellschaft werden nach § 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages in der bis zum 22.07.2010 gültigen Fassung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Nach § 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages gewähren je 1.000 DM der Beteiligung eine Stimme. Der Kläger verfügt über insgesamt 60.000 DM (Nennbeträge 23.008,13 EUR und 7.669,38 EUR) des eingetragenen Stammkapitals von insgesamt 150.000 DM und damit über 40 %. Er konnte damit Beschlüsse der Gesellschaft nicht verhindern, da die Gesellschafterversammlung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages auch ohne Erreichen der Beschlussfähigkeit nach Satz 1 entscheiden konnte, der Kläger also im Hinblick auf die Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung mit seinem 40%-Anteil am Stammkapital keine Beschlussfassung verhindern konnte. Auch im Hinblick auf die Abstimmungsverhältnisse konnte der Kläger mit seinem unter 50 % liegenden Anteil keinen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung verhindern. Er war aufgrund seiner Kapitalbeteiligung daher nicht dazu in der Lage, ihm nicht genehme Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern.

Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum mit einem Gesellschaftsanteil von nur 40 % auch keine rechtliche Handhabe, seine eigene Kündigung/Entlassung durch Beschluss des Mehrheitsgesellschafters zu verhindern. Er steht in Bezug auf die rechtliche Sicherheit seines Arbeitsplatzes nicht anders da als jeder andere Fremdgeschäftsführer. Änderungen seines Geschäftsführervertrags kann er aus eigener Rechtsmacht ebenfalls nicht durchsetzen, sondern nur mit nicht einklagbarer Zustimmung des anderen Mitgesellschafters. Seine organschaftliche Bestellung als Geschäftsführer ist zu jeder Zeit widerruflich (§ 38 Abs. 1 GmbHG). Der Anstellungsvertrag kann innerhalb von sechs Monaten zum Quartalsende von beiden Parteien gekündigt werden (§ 6 Abs. 1 Satz 3 des Geschäftsführervertrages). Das Recht der außerordentlichen Kündigung ist hiervon unberührt (§ 9 Abs. 2 des Geschäftsführervertrags). Die Treuepflicht verlangt vom Geschäftsführer in der Regel, seine ganze Arbeitskraft für die GmbH einzusetzen. Dem entspricht die Regelung in § 2 Abs. 1 des Anstellungsvertrags. Das beinhaltet die Verpflichtung zur Leistung von Überstunden in außergewöhnlichen Situationen oder auch zum Abbruch oder Verschieben eines Urlaubs (Baumbach/Hueck, GmbHG, 2010, § 35 Rn. 49 m.N.). Der Anstellungsvertrag enthält auch im Übrigen die üblichen Regelungen hinsichtlich eines regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelts (3.200 EUR) und des Urlaubs (30 Tage). Weiterhin ist die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung (6 Monate) und die Abgeltung von Urlaub, der mit Rücksicht auf das Unternehmen nicht genommen werden konnte, die Abrechnung von Spesen und Aufwendungen sowie der Abschluss einer Direktversicherung geregelt. Dies alles spricht für eine abhängige Beschäftigung.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass mit der zum 23.07.2010 erfolgten Änderung des Gesellschaftvertrages nur den bisherigen Gegebenheiten Rechnung getragen worden sei. Die dem Kläger durch die Änderung der Abstimmungsverhältnisse in § 8 Abs. 5 Satz 1 der Gesellschafterbeschlüsse, die nunmehr einer 2/3-Mehrheit bedürfen, eingeräumte Möglichkeit, aufgrund seines Kapitalanteils Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern, stand ihm bis dahin gerade nicht zu.

Soweit er sich ferner darauf beruft, hinsichtlich seiner Geschäftsführertätigkeit keinen Weisungen des Mehrheitsgesellschafters U. unterlegen zu haben, folgt daraus ebenfalls nicht, dass seine Tätigkeit als die eines Selbständigen anzusehen wäre. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 des Anstellungsvertrages unterliegt der Kläger bei seiner Tätigkeit den Weisungen der Gesellschafterversammlung, auf deren Inhalt er nach dem vorangehend Ausgeführten im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Einfluss hat nehmen können. Dass er als Geschäftsführer den Betrieb im operativen Tagesgeschäft verantwortlich leitet, wohingegen der weitere Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter sich im Wesentlichen um den Bereich der Finanzen kümmert, unterscheidet ihn nicht von einem in der Regel als leitender Angestellter abhängig beschäftigten Geschäftsführer. Vielmehr kommt gerade der Klärung von Finanzierungsfragen eine erhebliche unternehmerische Lenkungswirkung für die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebes zu, während die Tätigkeiten des operativen Tagesgeschäfts wie Einkauf, Koordinierung des Warenbestandes und Personalfragen typische Geschäftsführertätigkeiten darstellen, deren - auch weisungsungebundene - Ausführung noch nicht für eine selbständige Unternehmertätigkeit sprechen. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Fachkenntnisse und Branchenkenntnisse des Klägers, die er auch als abhängig beschäftigter Geschäftsführer benötigt. Fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten machen nicht jeden leitenden Angestellten zu einem Unternehmer. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers vornehmlich bei Diensten höherer Art eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 18). Dass der Kläger im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit ist, ist bei einer kleineren GmbH nicht untypisch und dementsprechend auch nicht ausschlaggebend für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1).

Auch die nach den Angaben des Klägers im Jahr 2006 vereinbarte Gewinnbeteiligung in Form von Tantiemenzahlungen spricht angesichts des im Geschäftsführervertrag geregelten festen Gehalts des Klägers nicht für eine Risikoübernahme im Sinne einer selbständigen Unternehmertätigkeit. Eine derartige Tantiemenzahlung ist bisher nicht schriftlich vereinbart worden und es ist bisher keinmal zu einer Auszahlung an den Kläger und damit zu einer Gewinnbeteiligung für ihn gekommen. Schon dies weckt Zweifel daran, inwieweit hierzu eine rechtsverbindliche Regelung überhaupt getroffen worden ist.

Auch aufgrund der vom Kläger im Jahr 2004 übernommenen Bürgschaft in Höhe von 720.000 EUR lässt sich nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer schließen. Die Bürgschaft diente nach den Angaben des Klägers als Sicherheit für die Kapitalaufstockung, die mit dem Wechsel der Vertragspartner von H. zu B. notwendig geworden war. Neben einer Personalerweiterung diente der Kapitalzufluss auch der Erhöhung des Warenbestands, so dass die Bürgschaft nur als zusätzliche weitere Sicherheit hinzukam. Dafür spricht auch der Umstand, dass die Bürgschaft von vorneherein bis zum 31.12.2006 befristet war, also nur den vorübergehenden erhöhten Kapitalbedarf absichern sollte. Zwar ist damit für den Kläger ein wirtschaftliches Risiko verbunden gewesen, nämlich das typische Risiko eines Sicherungsgebers. Zu einem selbständigen Unternehmer macht ihn dies indes nicht, da er ungeachtet der Übernahme des Sicherungsrisikos gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter keinen durchgreifenden Einfluss auf die Beigeladene Ziff. 1 hatte. Insoweit wird auf die Ausführungen oben verwiesen. Nichts anderes gilt für das nach Angaben des Klägers zwischenzeitlich von ihm der Beigeladenen Ziff. 1 gewährte Darlehn in Höhe von 200.000 EUR. Denn Darlehn von Arbeitnehmern sind nicht ausgeschlossen, insbesondere wenn sie zur Abwendung von wirtschaftlichen Notlagen des Arbeitgebers dienen (BSG, Urteil vom 17.05.2001 - B 12 KR 34/00 R -, in Juris). Eine selbständige unternehmerische Tätigkeit folgt aus einer derartigen Darlehnsüberlassung aber nicht. Die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte überwiegen weiter.

Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Das Verfahren war, weil es von einem Versicherten geführt wurde, gerichtskostenfrei. Die Kostenentscheidung beruht deshalb auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Kläger im Berufungsverfahren insoweit erfolgreich war, als er seit dem 23.07.2010 nach Auffassung aller Beteiligter als Selbstständiger anzusehen ist. Die Beklagte hat es versäumt, der Änderung der Verhältnisse durch ein sofortiges Anerkenntnis Rechnung zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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