Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 9 R 297/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 1110/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. April 2008 geändert. Die Bescheide der Beklagten vom 02. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2006, vom 11. Juni 2008, 28. April 2009 und 06. September 2010 werden geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 01. Dezember 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits für beide Rechtszüge zu neun Zehnteln zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bei mehrfacher Gewährung von Zeitrenten. Die Klägerin ist 1962 geboren worden. Den erlernten Beruf der Köchin übte sie bis 2004 aus. Bei ihr sind seit 2006 ein Grad der Behinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch von 50 und die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" anerkannt (Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von wenigstens 10: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierte Bandscheibe, Nervenwurzelreizerscheinungen der Wirbelsäule, somatoforme Schmerzstörung; Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes, Teillähmung des Nervus peronaeus). Erstmals vom 19. März bis zum 16. April 2002 befand sie sich in Kostenträgerschaft der Beklagten in einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, die in der Rehaklinik H R durchgeführt wurde. Die Klinik entließ die Klägerin als arbeitsfähig für den Beruf der Köchin und stellte für den allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen fest. Vermieden werden sollten gehäuftes schweres Heben und Tragen, vor allem bei gleichzeitiger Rotationsbelastung für den Rumpf, und länger andauernde Überkopfarbeiten (Diagnosen: Zervikobrachialsyndrom bei Fehlhaltung; zervikozephales Syndrom mit Sehstörungen links; pseudoradikuläres Lumbalsyndrom bei arthromuskulärer Dysbalance; Adipositas). Aus der vom 1. bis 29. Juli 2004 in der Fachklinik und Moorbad B F durchgeführten weiteren Maßnahme der medizinischen Rehabilitation (Anschlussheilbehandlung nach Bandscheiben-Operationen im März und Juni 2004) wurde die Klägerin als arbeitsunfähig für den Beruf der Köchin entlassen. Im Übrigen stellte diese Klinik ein Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden täglich für leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Gehen oder im Wechsel der Haltungsarten fest. Nicht möglich oder zu vermeiden seien monotone Belastungen der Statik und der großen Gelenke, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, belastendes Bücken, Ersteigen von Leitern oder Gerüsten mit Lasten, weitestgehend Zwangshaltungen sowie Erschütterungen und Vibrationen. Während des Bezugs von Krankengeld (die Aussteuerung war für den 5. September 2005 angekündigt) beantragte die Klägerin im Juli 2005 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Den Antrag begründete sie mit Schmerzen an der Wirbelsäule und im rechten Bein, das außerdem in seiner Funktion stark eingeschränkt sei. Sie sehe noch Tätigkeiten ohne körperliche Belastung für 5 Stunden täglich als möglich an. Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Orthopäden Dipl.-Med. S begutachten. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin täglich wenigstens sechs Stunden noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten zeitweise im Sitzen oder überwiegend im Gehen oder Stehen verrichten könne. Zu vermeiden seien Arbeiten mit häufigem Bücken, mit Heben und Tragen, unter Zeitdruck und unter Witterungs- oder Vibrationseinflüssen sowie Überkopfarbeiten (Gutachten vom 22. August 2005; Diagnosen: Wirbelsäulenbeschwerden cervical und lumbal bei Zustand nach Lendenwirbelsäulen-Operationen März und Juni 2004; Fibularisparese rechts). Der Gutachter empfahl eine berufliche Rehabilitation. Durch Bescheid vom 2. September 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die Klägerin sei nicht in rentenberechtigendem Maß in ihrem Leistungsvermögen gemindert. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zutreffend festgestellt worden seien, und beanstandete die Untersuchungsweise des Gutachters Dipl.-Med. S. Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F untersuchen (Gutachten vom 15. Februar 2006). Er gelangte zu dem Ergebnis, dass die Klägerin wegen einer in den letzten Wochen hinzugetretenen Behinderung des rechten Fußes sehr wahrscheinlich mehr als sechs Monate behandlungsbedürftig sei. Der Ausgang sei ebenso offen wie die Prognose des chronifizierten Schmerzsyndroms. Es sei damit zu rechnen, dass die Klägerin nach abgeschlossener Behandlung des Sudeck-Syndroms, versorgt mit Fußorthese und unter Schmerzkontrolle, wieder eine vorwiegend sitzende vollschichtige Tätigkeit werde aufnehmen können (Diagnosen: chronisches regionales Schmerzsyndrom des rechten Fußes [Reflexdystrophie, Morbus Sudeck] bei Zustand nach lumbaler Bandscheiben-Operation mit motorischen [Fußheberlähmung] und geringen sensiblen Defiziten; Zustand nach rezidivierendem sequestrierendem Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts; Adipositas; Nikotinabusus). Durch Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei täglich sechs und mehr Stunden zu leichten körperlichen Arbeiten in der Lage. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, häufige Überkopfarbeit, Armvorhalt, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, häufiger Einfluss von Nässe, Kälte, Zugluft oder starken Temperaturschwankungen sowie Vibrationen. Mit der Klage hat die Klägerin weiterhin geltend gemacht, dass ihr Gesundheitszustand nicht zutreffend gewürdigt worden sei. Sie müsse ein morphinhaltiges Schmerzmittel einnehmen. Der Arbeitsvertrag bestehe noch, sie könne mit ihren gesundheitlichen Einschränkungen aber nicht mehr als Köchin beschäftigt werden. Derzeit (2006) nehme sie an einem dreimonatigen Lehrgang zur Sicherheitsfachkraft teil, von dem bisher nur der theoretische Teil stattgefunden habe. Es sei zweifelhaft, ob sie in diesem Beruf tatsächlich werde tätig sein können. Sie hat einen Arztbrief des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. B, F vom 21. November 2005 eingereicht. Das Sozialgericht hat Befundberichte des Facharztes für Neurochirurgie N, B S (vom 8. August 2006), des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F, F (vom 9. August 2006) und der Fachärztin für Innere Medizin Dr. K, B (vom 18. Januar 2007), eingeholt, denen jeweils diverse Unterlagen von dritter Seite beigefügt waren. Das Sozialgericht hat die Klägerin durch den Facharzt für Orthopädie Dr. R und den Arzt für Psychiatrie Dr. U begutachten lassen. Dr. R ist in seinem Gutachten vom 13. Juli 2007 (Untersuchungstag 12. Mai 2007) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin noch täglich mindestens sechs Stunden zu leichten körperlichen Arbeiten überwiegend im Sitzen in der Lage sei. Ein selbstbestimmter Haltungswechsel zum kurzzeitigen Gehen oder Stehen solle nach ca. 30 Minuten möglich sein. Der Anteil des Gehens oder Stehens solle nicht mehr als 15 bis 30 Minuten ohne Unterbrechung bzw. mehr als 2 Stunden bei einem 8-stündigen Arbeitstag betragen. Nicht möglich oder nicht zumutbar seien häufige Überkopfarbeiten sowie Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, in vornübergebeugter Körperhaltung, mit Rüttelungen, Stauchungen und Vibrationen der Wirbelsäule, mit Armvorhalten von mehr als 2,5 kg, mit starkem Zufassen, Greifen und Halten mit Krafteinsatz in den Händen und Armen, mit häufigem Treppensteigen, mit Knien, Kriechen und Hocken, in extremer Kälte, Nässe und Zugluftexposition, mit Akkord- oder Stressanforderungen, am Fließband mit fremdbestimmtem Arbeitsrhythmus, mit besonderer Aufmerksamkeit und erhöhter Konzentration (z.B. an laufenden Maschinen oder Arbeitsplätzen mit erhöhter Verletzungsanfälligkeit), auf Leitern und Gerüsten sowie mit dem Führen von Maschinen. Lasten von bis zu 5 kg könnten gelegentlich gehoben werden. Arbeiten mit Publikumsverkehr im Sinne kürzerer Auskunftstätigkeiten seien möglich. Den Beruf des Kochs könne sie dauerhaft nicht mehr ausüben. Die gesundheitlichen Einschränkungen bestünden seit dem Rentenantrag und hätten sich seither nicht verändert. Die Klägerin selbst traue sich leichte Arbeiten in Heimarbeit zu. Eine Tätigkeit als Pförtnerin wie in dem vom Gericht überreichten Gutachten des Sachverständigen L aus einem anderen Verfahren vom 11. September 2006 beschrieben, könne sie ausführen. Die festgestellte Somatisierungsstörung und Zeichen einer fehlerhaften Schmerzverarbeitung sollten ergänzend begutachtet werden (Diagnosen: deutlich verminderte Trag- und Bewegungsfunktion der Wirbelsäule bei statisch muskulärer Fehlhaltung und muskulärer Dysbalance, anhaltendem Wurzelreizsyndrom L5 rechts und S1 rechts mit motorischem und sensiblem Defizit, teilfixierter Rundrückenhaltung und Halswirbelsäulensyndrom mit Blockierungen und pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung; chronifiziertes Schmerzsyndrom mit depressiven Zügen und Somatisierungsstörung; beginnende Kniegelenksabnutzung innenseitig und im Kniescheibengleitlager/in der Kniescheibengleitrinne links; außerhalb des Fachgebiets: Sehstörung linkes Auge mit Verschwommensehen, wiederkehrende Trigeminusneuralgie links, Neigung zu Verstopfung bei Medikamentennebenwirkung, anhaltende depressive Stimmung). Dr. U gelangte in seinem Gutachten vom 15. November 2007 (Untersuchung am selben Tag) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin wegen der Summe der Einschränkungen des psychiatrisch-psychosomatischen Fachgebiets nur unter zwei Stunden täglich in der Lage sei, Tätigkeiten zu verrichten, auch nicht leichte geistige Tätigkeiten, die über die Routine im Haushalt hinausgingen. Sie sei nicht in der Lage, sich kognitiv auf berufliche Anforderungen einzustellen. Dementsprechend verfüge sie nicht über ein Leistungsvermögen als Pförtnerin, wie in dem Gutachten des Sachverständigen L aus dem Jahr 2006 beschrieben, und auch nicht für eine Tätigkeit als Versandfertigmacherin, wie in den vom Gericht zur Verfügung gestellten Gutachten des Sachverständigen L aus anderen Verfahren vom 26. April 1999 und 1. November 2002. Die Einschränkung bestehe auf Dauer, da die Klägerin krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, für sie vorteilhafte Therapieformen anzunehmen (Diagnosen: schwere chronifizierte somatoforme Schmerzstörung; gemischte dissoziative Störung; Dysthymie; Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation nach Bandscheibenvorfall 2004; anhaltendes Wurzelreizsyndrom L5 und S1 rechts mit sensomotorischem Defizit; Dysbalance der Wirbelsäule; Halswirbelsäulen-Syndrom mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung beiderseits; beginnende Gonarthrose links; Dranginkontinenz). Die Beklagte erkannte aufgrund des Gutachtens eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, ausgehend von einem Leistungsfall am 19. Juli 2005 (Rentenantrag), ab dem 1. Februar 2006 bis zum 31. Januar 2009 an (ausgeführt durch Bescheid vom 11. Juni 2008). Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und noch einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. August 2005 geltend gemacht. Das Gutachten von Dr. U belege, dass die Voraussetzungen dafür vorlägen. Durch Urteil vom 16. April 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei zwar zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin voll erwerbsgemindert sei. Die Voraussetzungen für eine Rentengewährung auf Dauer lägen aber nicht vor. Es sei nur dann unwahrscheinlich, dass die Erwerbsminderung behoben werden könne, wenn schwerwiegende Gründe gegen eine rentenrechtlich relevante Besserungsaussicht sprächen, sodass ein Dauerzustand vorliege. Davon könne erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien. Die somatoforme Schmerzstörung, welche die volle Erwerbsminderung begründe, sei einer weiteren Behandlung zugänglich. Der Sachverständige Dr. U führe aus, dass noch medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten bestünden, die bisher nicht zum Einsatz gekommen seien. Auch halte er eine Psychotherapie, die sich auf psychoedukative Elemente beschränke, für durchführbar. Angesichts dessen komme es nicht darauf an, dass sich die Klägerin auf eine umfassende Psychotherapie, die nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. U das Behandlungsmittel der Wahl sei, wegen einer inneren Unfreiwilligkeit nicht einlassen werde. Mit ihrer Berufung macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die Voraussetzungen für eine Rentengewährung auf Dauer vorlägen. Das Sozialgericht habe die rechtlichen Anforderungen daran nicht zutreffend erkannt und das Gutachten von Dr. U nicht in seiner Gesamtheit betrachtet. Nachdem die Beklagte den Rentenanspruch zunächst über den 31. Januar 2009 bis 30. November 2010 (Schriftsatz vom 19. Dezember 2008; umgesetzt mit Bescheid vom 28. April 2009) und dann über den 30. November 2010 hinaus bis zum 30. November 2012 anerkannt hatte (Bescheid vom 6. September 2010), hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30. März 2011 das im Bescheid vom 6. September 2010 enthaltene Teilanerkenntnis angenommen. Die Klägerin beantragt der Sache nach, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. April 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2006 aufzuheben, die Bescheide vom 28. April 2009 und 6. September 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. August 2005 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung und ihre Bescheide für zutreffend. Mit Schriftsatz vom 30. März 2011 hat die Klägerin das Teilanerkenntnis vom 19. September 2010 angenommen; zu dem Teilanerkenntnis vom 19. Dezember 2008/28. April 2009 hat sie sich trotz mehrfacher Aufforderungen des Gerichts nicht geäußert. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der Beratung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die Berufung aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Zu entscheiden ist nur über den (erstmaligen) Beginn der von der Beklagten aufgrund ihrer Teilanerkenntnisse erstmals ab 1. Februar 2006 auf Zeit bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung sowie über die Rentendauer. Die Entscheidungen über die Rentenart in den Bescheiden vom 11. Juni 2008, 28. April 2009 und 6. September 2010 sind eigenständige Verwaltungsentscheidungen, die in Bestandskraft erwachsen und vom Gericht deshalb - für sich genommen - nicht mehr zu überprüfen sind (s. zu den vier Verfügungssätzen eines Rentenbescheides - Rentenart, -beginn, -dauer und -höhe - stellvertretend BSG, Urteile vom 9. April 2002 - B 4 RA 58/01 R, SozR 3-2600 § 89 Nr. 2, und vom 31. Mai 1989 - 4 RA 19/88, SozR 1200 § 42 Nr. 4). Dass die Klägerin trotz der mehrfachen Anfragen des Senats keine die Rechtsfolge des § 101 Abs. 2 SGG auslösende Erklärung über die Annahme des Teilanerkenntnisses vom 19. Dezember 2008 abgegeben hat, bleibt insoweit ohne rechtliche Auswirkung. Als gesetzlichen Regelfall bestimmt § 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zur Rentendauer, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet werden. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden nur dann unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Eine Rente aus eigener Versicherung wird gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Satz 1). Bei späterer Antragstellung wird die Rente ab dem Monat geleistet, in dem sie beantragt worden ist. Abweichend davon werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Monats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet, § 101 Abs. 1 SGB VI. Zwischen den Beteiligten ist nach der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. U nicht mehr streitig, dass die Klägerin ab dem Zeitpunkt ihres Rentenantrags aus medizinischen Gründen voll erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI). Auch für den Senat ergibt sich dies ohne weiteres aus dem Gutachten des Sachverständigen. Aufgrund dessen rechtfertigt sich jedenfalls die Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2006. Die Voraussetzungen für einen Rentenbeginn zum 1. August 2005 gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind nicht erfüllt, weil die Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI. im Zeitpunkt des Rentenantrags und bis zum 14. November 2007 nicht vorlagen. Dagegen liegen die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch auf Dauer ab dem 15. November 2007 (Untersuchung durch Dr. U) vor. "Unwahrscheinlich" ist die Besserungsaussicht im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI dann, wenn ihr schwerwiegende medizinische Gründe entgegenstehen, sodass ein Dauerzustand vorliegt. Solche Gründe liegen erst dann vor, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Es ist nicht erforderlich, dass eine Besserung auszuschließen ist. Erheblich ist allein, dass alle therapeutischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, um ein qualitatives oder quantitatives Leistungshindernis zu beheben (s. BSG, Urteil vom 26. März 2006 - B 13 RJ 31/05 R). Hierzu zählen alle anerkannten Behandlungsmethoden unabhängig davon, ob sie duldungspflichtig im Sinne der sozialrechtlichen Mitwirkungspflichten sind. Von den Versicherten kann jedoch zwangsläufig nichts Unmögliches erwartet werden, sodass Behandlungsmethoden außer Betracht bleiben, wenn sie angesichts des Gesundheitszustandes der Versicherten kontraindiziert sind. Von diesem Maßstab ausgehend lässt sich, entgegen der Auffassung der Beklagten, die Prognose einer unwahrscheinlichen Besserung aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. U mit der für die gerichtliche Entscheidungsfindung erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit treffen, entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. U am 15. November 2007. Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergibt sich ausführlich, nachvollziehbar und damit überzeugend, dass eine Psychotherapie die zentrale Therapieform zur Behandlung der bei der Klägerin vorliegenden und das Leistungsvermögen quantitativ auf zwei Stunden täglich beschränkenden somatoformen Schmerzstörung ist, dass sie aber bei der Klägerin aus von ihr nicht zu beeinflussenden Gründen nicht zum Tragen kommen kann. Der Sachverständige bereitet die Tatsachen, die Grundlage dieser Bewertung sind, gerade angesichts der schwierigen Explorationsbedingungen in beispielhafter Weise sorgfältig auf. Die Klägerin ist danach neurose- und somit krankheitsbedingt unfähig, die zur Leidensminderung geeignete Therapieform für sich anzunehmen. Es handelt sich gerade nicht um einen willensgesteuerten "Therapie-Nihilismus", wie es bei der Beklagten anklingt. Die von Dr. U diskutierten psychoedukativen Elemente könnten sich positiv nur auf die Schmerzbewältigung auswirken, nicht aber erkennbar darauf, wieder ein quantitatives Leistungsvermögen zu erlangen, das volle Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen ausschlösse. Änderungen der Medikation werden von Dr. U nur unter dem Gesichtspunkt diskutiert, die Abhängigkeit von den bisherigen opiathaltigen Präparaten zu beenden. Ob die Klägerin hierzu - wie der Sachverständige ausführt - krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, hat keine Bedeutung. Denn die bei der Klägerin diagnostizierte Depression wirkt sich nicht auf das quantitative Leistungsvermögen aus, wie Dr. U ebenfalls ausführt. Die Erkenntnis, dass ein Dauerzustand vorliegt, lässt sich mit der notwendigen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit jedoch nicht vor dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. U gewinnen. Der Sachverständige selbst führt aus, dass das psychische Krankheitsbild von keinem der Vorgutachter, auch nicht von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F im Verwaltungsverfahren, erkannt worden sei. Er schildert ferner, dass ein psychopathologischer Befund wegen Dissimulation, Verleugnung und Bagatellisierung seitens der Klägerin erschwert zu erheben war. Erst seine Untersuchung erlaubte deshalb nicht nur die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen, sondern auch die Prognose, dass eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit unwahrscheinlich ist. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bei mehrfacher Gewährung von Zeitrenten. Die Klägerin ist 1962 geboren worden. Den erlernten Beruf der Köchin übte sie bis 2004 aus. Bei ihr sind seit 2006 ein Grad der Behinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch von 50 und die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" anerkannt (Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von wenigstens 10: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierte Bandscheibe, Nervenwurzelreizerscheinungen der Wirbelsäule, somatoforme Schmerzstörung; Funktionsbehinderung des linken Kniegelenkes, Teillähmung des Nervus peronaeus). Erstmals vom 19. März bis zum 16. April 2002 befand sie sich in Kostenträgerschaft der Beklagten in einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, die in der Rehaklinik H R durchgeführt wurde. Die Klinik entließ die Klägerin als arbeitsfähig für den Beruf der Köchin und stellte für den allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen fest. Vermieden werden sollten gehäuftes schweres Heben und Tragen, vor allem bei gleichzeitiger Rotationsbelastung für den Rumpf, und länger andauernde Überkopfarbeiten (Diagnosen: Zervikobrachialsyndrom bei Fehlhaltung; zervikozephales Syndrom mit Sehstörungen links; pseudoradikuläres Lumbalsyndrom bei arthromuskulärer Dysbalance; Adipositas). Aus der vom 1. bis 29. Juli 2004 in der Fachklinik und Moorbad B F durchgeführten weiteren Maßnahme der medizinischen Rehabilitation (Anschlussheilbehandlung nach Bandscheiben-Operationen im März und Juni 2004) wurde die Klägerin als arbeitsunfähig für den Beruf der Köchin entlassen. Im Übrigen stellte diese Klinik ein Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden täglich für leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Gehen oder im Wechsel der Haltungsarten fest. Nicht möglich oder zu vermeiden seien monotone Belastungen der Statik und der großen Gelenke, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, belastendes Bücken, Ersteigen von Leitern oder Gerüsten mit Lasten, weitestgehend Zwangshaltungen sowie Erschütterungen und Vibrationen. Während des Bezugs von Krankengeld (die Aussteuerung war für den 5. September 2005 angekündigt) beantragte die Klägerin im Juli 2005 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Den Antrag begründete sie mit Schmerzen an der Wirbelsäule und im rechten Bein, das außerdem in seiner Funktion stark eingeschränkt sei. Sie sehe noch Tätigkeiten ohne körperliche Belastung für 5 Stunden täglich als möglich an. Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Orthopäden Dipl.-Med. S begutachten. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin täglich wenigstens sechs Stunden noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten zeitweise im Sitzen oder überwiegend im Gehen oder Stehen verrichten könne. Zu vermeiden seien Arbeiten mit häufigem Bücken, mit Heben und Tragen, unter Zeitdruck und unter Witterungs- oder Vibrationseinflüssen sowie Überkopfarbeiten (Gutachten vom 22. August 2005; Diagnosen: Wirbelsäulenbeschwerden cervical und lumbal bei Zustand nach Lendenwirbelsäulen-Operationen März und Juni 2004; Fibularisparese rechts). Der Gutachter empfahl eine berufliche Rehabilitation. Durch Bescheid vom 2. September 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die Klägerin sei nicht in rentenberechtigendem Maß in ihrem Leistungsvermögen gemindert. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zutreffend festgestellt worden seien, und beanstandete die Untersuchungsweise des Gutachters Dipl.-Med. S. Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F untersuchen (Gutachten vom 15. Februar 2006). Er gelangte zu dem Ergebnis, dass die Klägerin wegen einer in den letzten Wochen hinzugetretenen Behinderung des rechten Fußes sehr wahrscheinlich mehr als sechs Monate behandlungsbedürftig sei. Der Ausgang sei ebenso offen wie die Prognose des chronifizierten Schmerzsyndroms. Es sei damit zu rechnen, dass die Klägerin nach abgeschlossener Behandlung des Sudeck-Syndroms, versorgt mit Fußorthese und unter Schmerzkontrolle, wieder eine vorwiegend sitzende vollschichtige Tätigkeit werde aufnehmen können (Diagnosen: chronisches regionales Schmerzsyndrom des rechten Fußes [Reflexdystrophie, Morbus Sudeck] bei Zustand nach lumbaler Bandscheiben-Operation mit motorischen [Fußheberlähmung] und geringen sensiblen Defiziten; Zustand nach rezidivierendem sequestrierendem Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts; Adipositas; Nikotinabusus). Durch Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei täglich sechs und mehr Stunden zu leichten körperlichen Arbeiten in der Lage. Zu vermeiden seien häufiges Bücken, häufige Überkopfarbeit, Armvorhalt, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, häufiger Einfluss von Nässe, Kälte, Zugluft oder starken Temperaturschwankungen sowie Vibrationen. Mit der Klage hat die Klägerin weiterhin geltend gemacht, dass ihr Gesundheitszustand nicht zutreffend gewürdigt worden sei. Sie müsse ein morphinhaltiges Schmerzmittel einnehmen. Der Arbeitsvertrag bestehe noch, sie könne mit ihren gesundheitlichen Einschränkungen aber nicht mehr als Köchin beschäftigt werden. Derzeit (2006) nehme sie an einem dreimonatigen Lehrgang zur Sicherheitsfachkraft teil, von dem bisher nur der theoretische Teil stattgefunden habe. Es sei zweifelhaft, ob sie in diesem Beruf tatsächlich werde tätig sein können. Sie hat einen Arztbrief des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. B, F vom 21. November 2005 eingereicht. Das Sozialgericht hat Befundberichte des Facharztes für Neurochirurgie N, B S (vom 8. August 2006), des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F, F (vom 9. August 2006) und der Fachärztin für Innere Medizin Dr. K, B (vom 18. Januar 2007), eingeholt, denen jeweils diverse Unterlagen von dritter Seite beigefügt waren. Das Sozialgericht hat die Klägerin durch den Facharzt für Orthopädie Dr. R und den Arzt für Psychiatrie Dr. U begutachten lassen. Dr. R ist in seinem Gutachten vom 13. Juli 2007 (Untersuchungstag 12. Mai 2007) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin noch täglich mindestens sechs Stunden zu leichten körperlichen Arbeiten überwiegend im Sitzen in der Lage sei. Ein selbstbestimmter Haltungswechsel zum kurzzeitigen Gehen oder Stehen solle nach ca. 30 Minuten möglich sein. Der Anteil des Gehens oder Stehens solle nicht mehr als 15 bis 30 Minuten ohne Unterbrechung bzw. mehr als 2 Stunden bei einem 8-stündigen Arbeitstag betragen. Nicht möglich oder nicht zumutbar seien häufige Überkopfarbeiten sowie Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, in vornübergebeugter Körperhaltung, mit Rüttelungen, Stauchungen und Vibrationen der Wirbelsäule, mit Armvorhalten von mehr als 2,5 kg, mit starkem Zufassen, Greifen und Halten mit Krafteinsatz in den Händen und Armen, mit häufigem Treppensteigen, mit Knien, Kriechen und Hocken, in extremer Kälte, Nässe und Zugluftexposition, mit Akkord- oder Stressanforderungen, am Fließband mit fremdbestimmtem Arbeitsrhythmus, mit besonderer Aufmerksamkeit und erhöhter Konzentration (z.B. an laufenden Maschinen oder Arbeitsplätzen mit erhöhter Verletzungsanfälligkeit), auf Leitern und Gerüsten sowie mit dem Führen von Maschinen. Lasten von bis zu 5 kg könnten gelegentlich gehoben werden. Arbeiten mit Publikumsverkehr im Sinne kürzerer Auskunftstätigkeiten seien möglich. Den Beruf des Kochs könne sie dauerhaft nicht mehr ausüben. Die gesundheitlichen Einschränkungen bestünden seit dem Rentenantrag und hätten sich seither nicht verändert. Die Klägerin selbst traue sich leichte Arbeiten in Heimarbeit zu. Eine Tätigkeit als Pförtnerin wie in dem vom Gericht überreichten Gutachten des Sachverständigen L aus einem anderen Verfahren vom 11. September 2006 beschrieben, könne sie ausführen. Die festgestellte Somatisierungsstörung und Zeichen einer fehlerhaften Schmerzverarbeitung sollten ergänzend begutachtet werden (Diagnosen: deutlich verminderte Trag- und Bewegungsfunktion der Wirbelsäule bei statisch muskulärer Fehlhaltung und muskulärer Dysbalance, anhaltendem Wurzelreizsyndrom L5 rechts und S1 rechts mit motorischem und sensiblem Defizit, teilfixierter Rundrückenhaltung und Halswirbelsäulensyndrom mit Blockierungen und pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung; chronifiziertes Schmerzsyndrom mit depressiven Zügen und Somatisierungsstörung; beginnende Kniegelenksabnutzung innenseitig und im Kniescheibengleitlager/in der Kniescheibengleitrinne links; außerhalb des Fachgebiets: Sehstörung linkes Auge mit Verschwommensehen, wiederkehrende Trigeminusneuralgie links, Neigung zu Verstopfung bei Medikamentennebenwirkung, anhaltende depressive Stimmung). Dr. U gelangte in seinem Gutachten vom 15. November 2007 (Untersuchung am selben Tag) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin wegen der Summe der Einschränkungen des psychiatrisch-psychosomatischen Fachgebiets nur unter zwei Stunden täglich in der Lage sei, Tätigkeiten zu verrichten, auch nicht leichte geistige Tätigkeiten, die über die Routine im Haushalt hinausgingen. Sie sei nicht in der Lage, sich kognitiv auf berufliche Anforderungen einzustellen. Dementsprechend verfüge sie nicht über ein Leistungsvermögen als Pförtnerin, wie in dem Gutachten des Sachverständigen L aus dem Jahr 2006 beschrieben, und auch nicht für eine Tätigkeit als Versandfertigmacherin, wie in den vom Gericht zur Verfügung gestellten Gutachten des Sachverständigen L aus anderen Verfahren vom 26. April 1999 und 1. November 2002. Die Einschränkung bestehe auf Dauer, da die Klägerin krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, für sie vorteilhafte Therapieformen anzunehmen (Diagnosen: schwere chronifizierte somatoforme Schmerzstörung; gemischte dissoziative Störung; Dysthymie; Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation nach Bandscheibenvorfall 2004; anhaltendes Wurzelreizsyndrom L5 und S1 rechts mit sensomotorischem Defizit; Dysbalance der Wirbelsäule; Halswirbelsäulen-Syndrom mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung beiderseits; beginnende Gonarthrose links; Dranginkontinenz). Die Beklagte erkannte aufgrund des Gutachtens eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, ausgehend von einem Leistungsfall am 19. Juli 2005 (Rentenantrag), ab dem 1. Februar 2006 bis zum 31. Januar 2009 an (ausgeführt durch Bescheid vom 11. Juni 2008). Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und noch einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1. August 2005 geltend gemacht. Das Gutachten von Dr. U belege, dass die Voraussetzungen dafür vorlägen. Durch Urteil vom 16. April 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es sei zwar zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin voll erwerbsgemindert sei. Die Voraussetzungen für eine Rentengewährung auf Dauer lägen aber nicht vor. Es sei nur dann unwahrscheinlich, dass die Erwerbsminderung behoben werden könne, wenn schwerwiegende Gründe gegen eine rentenrechtlich relevante Besserungsaussicht sprächen, sodass ein Dauerzustand vorliege. Davon könne erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien. Die somatoforme Schmerzstörung, welche die volle Erwerbsminderung begründe, sei einer weiteren Behandlung zugänglich. Der Sachverständige Dr. U führe aus, dass noch medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten bestünden, die bisher nicht zum Einsatz gekommen seien. Auch halte er eine Psychotherapie, die sich auf psychoedukative Elemente beschränke, für durchführbar. Angesichts dessen komme es nicht darauf an, dass sich die Klägerin auf eine umfassende Psychotherapie, die nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. U das Behandlungsmittel der Wahl sei, wegen einer inneren Unfreiwilligkeit nicht einlassen werde. Mit ihrer Berufung macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die Voraussetzungen für eine Rentengewährung auf Dauer vorlägen. Das Sozialgericht habe die rechtlichen Anforderungen daran nicht zutreffend erkannt und das Gutachten von Dr. U nicht in seiner Gesamtheit betrachtet. Nachdem die Beklagte den Rentenanspruch zunächst über den 31. Januar 2009 bis 30. November 2010 (Schriftsatz vom 19. Dezember 2008; umgesetzt mit Bescheid vom 28. April 2009) und dann über den 30. November 2010 hinaus bis zum 30. November 2012 anerkannt hatte (Bescheid vom 6. September 2010), hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30. März 2011 das im Bescheid vom 6. September 2010 enthaltene Teilanerkenntnis angenommen. Die Klägerin beantragt der Sache nach, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. April 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2006 aufzuheben, die Bescheide vom 28. April 2009 und 6. September 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. August 2005 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung und ihre Bescheide für zutreffend. Mit Schriftsatz vom 30. März 2011 hat die Klägerin das Teilanerkenntnis vom 19. September 2010 angenommen; zu dem Teilanerkenntnis vom 19. Dezember 2008/28. April 2009 hat sie sich trotz mehrfacher Aufforderungen des Gerichts nicht geäußert. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten waren Gegenstand der Beratung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die Berufung aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Zu entscheiden ist nur über den (erstmaligen) Beginn der von der Beklagten aufgrund ihrer Teilanerkenntnisse erstmals ab 1. Februar 2006 auf Zeit bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung sowie über die Rentendauer. Die Entscheidungen über die Rentenart in den Bescheiden vom 11. Juni 2008, 28. April 2009 und 6. September 2010 sind eigenständige Verwaltungsentscheidungen, die in Bestandskraft erwachsen und vom Gericht deshalb - für sich genommen - nicht mehr zu überprüfen sind (s. zu den vier Verfügungssätzen eines Rentenbescheides - Rentenart, -beginn, -dauer und -höhe - stellvertretend BSG, Urteile vom 9. April 2002 - B 4 RA 58/01 R, SozR 3-2600 § 89 Nr. 2, und vom 31. Mai 1989 - 4 RA 19/88, SozR 1200 § 42 Nr. 4). Dass die Klägerin trotz der mehrfachen Anfragen des Senats keine die Rechtsfolge des § 101 Abs. 2 SGG auslösende Erklärung über die Annahme des Teilanerkenntnisses vom 19. Dezember 2008 abgegeben hat, bleibt insoweit ohne rechtliche Auswirkung. Als gesetzlichen Regelfall bestimmt § 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zur Rentendauer, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet werden. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden nur dann unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Eine Rente aus eigener Versicherung wird gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Satz 1). Bei späterer Antragstellung wird die Rente ab dem Monat geleistet, in dem sie beantragt worden ist. Abweichend davon werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Monats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet, § 101 Abs. 1 SGB VI. Zwischen den Beteiligten ist nach der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. U nicht mehr streitig, dass die Klägerin ab dem Zeitpunkt ihres Rentenantrags aus medizinischen Gründen voll erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI). Auch für den Senat ergibt sich dies ohne weiteres aus dem Gutachten des Sachverständigen. Aufgrund dessen rechtfertigt sich jedenfalls die Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2006. Die Voraussetzungen für einen Rentenbeginn zum 1. August 2005 gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind nicht erfüllt, weil die Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI. im Zeitpunkt des Rentenantrags und bis zum 14. November 2007 nicht vorlagen. Dagegen liegen die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch auf Dauer ab dem 15. November 2007 (Untersuchung durch Dr. U) vor. "Unwahrscheinlich" ist die Besserungsaussicht im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI dann, wenn ihr schwerwiegende medizinische Gründe entgegenstehen, sodass ein Dauerzustand vorliegt. Solche Gründe liegen erst dann vor, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Es ist nicht erforderlich, dass eine Besserung auszuschließen ist. Erheblich ist allein, dass alle therapeutischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, um ein qualitatives oder quantitatives Leistungshindernis zu beheben (s. BSG, Urteil vom 26. März 2006 - B 13 RJ 31/05 R). Hierzu zählen alle anerkannten Behandlungsmethoden unabhängig davon, ob sie duldungspflichtig im Sinne der sozialrechtlichen Mitwirkungspflichten sind. Von den Versicherten kann jedoch zwangsläufig nichts Unmögliches erwartet werden, sodass Behandlungsmethoden außer Betracht bleiben, wenn sie angesichts des Gesundheitszustandes der Versicherten kontraindiziert sind. Von diesem Maßstab ausgehend lässt sich, entgegen der Auffassung der Beklagten, die Prognose einer unwahrscheinlichen Besserung aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. U mit der für die gerichtliche Entscheidungsfindung erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit treffen, entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. U am 15. November 2007. Aus dem Gutachten des Sachverständigen ergibt sich ausführlich, nachvollziehbar und damit überzeugend, dass eine Psychotherapie die zentrale Therapieform zur Behandlung der bei der Klägerin vorliegenden und das Leistungsvermögen quantitativ auf zwei Stunden täglich beschränkenden somatoformen Schmerzstörung ist, dass sie aber bei der Klägerin aus von ihr nicht zu beeinflussenden Gründen nicht zum Tragen kommen kann. Der Sachverständige bereitet die Tatsachen, die Grundlage dieser Bewertung sind, gerade angesichts der schwierigen Explorationsbedingungen in beispielhafter Weise sorgfältig auf. Die Klägerin ist danach neurose- und somit krankheitsbedingt unfähig, die zur Leidensminderung geeignete Therapieform für sich anzunehmen. Es handelt sich gerade nicht um einen willensgesteuerten "Therapie-Nihilismus", wie es bei der Beklagten anklingt. Die von Dr. U diskutierten psychoedukativen Elemente könnten sich positiv nur auf die Schmerzbewältigung auswirken, nicht aber erkennbar darauf, wieder ein quantitatives Leistungsvermögen zu erlangen, das volle Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen ausschlösse. Änderungen der Medikation werden von Dr. U nur unter dem Gesichtspunkt diskutiert, die Abhängigkeit von den bisherigen opiathaltigen Präparaten zu beenden. Ob die Klägerin hierzu - wie der Sachverständige ausführt - krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, hat keine Bedeutung. Denn die bei der Klägerin diagnostizierte Depression wirkt sich nicht auf das quantitative Leistungsvermögen aus, wie Dr. U ebenfalls ausführt. Die Erkenntnis, dass ein Dauerzustand vorliegt, lässt sich mit der notwendigen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit jedoch nicht vor dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. U gewinnen. Der Sachverständige selbst führt aus, dass das psychische Krankheitsbild von keinem der Vorgutachter, auch nicht von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F im Verwaltungsverfahren, erkannt worden sei. Er schildert ferner, dass ein psychopathologischer Befund wegen Dissimulation, Verleugnung und Bagatellisierung seitens der Klägerin erschwert zu erheben war. Erst seine Untersuchung erlaubte deshalb nicht nur die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung aus medizinischen Gründen, sondern auch die Prognose, dass eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit unwahrscheinlich ist. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
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