S 11 KA 46/08

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 11 KA 46/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Der Bescheid der Beklagten vom 07.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2008 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Anträge der Klägerin vom 24.05.2007 und vom 13.08.2007 zur Genehmigung von Nebenbetriebsstätten an den Standorten W. Straße und L. Straße in D. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird endgültig auf 30.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Trägergesellschaft. Die Klägerin ist mit Vertragsarztsitz in der O. Straße in D. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Für die Standorte A. in A., F. Straße und G Straße in D. wurden der Klägerin die Genehmigungen für Nebenbetriebsstätten erteilt.

Am 24.05.2007 und am 13.08.2007 beantragte die Klägerin die Genehmigung zweier weiterer Nebenbetriebsstätten an den Standorten L. Straße und W. Straße in D. Diese Anträge lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.11.2007 ab. Den hier gegen gerichteten Widerspruch vom 08.11.2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2008 zurück. Entsprechend den Regelungen in § 24 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV), § 15a Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) i.V.m. § 17 Abs. 2 Sächsische Berufsordnung (BO) sei es dem Vertragsarzt bzw. dem MVZ gestattet, über die Betriebsstätte hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu werden. Die Anzahl der Nebenbetriebsstätten sei damit auf zwei weitere Standorte begrenzt. Zwar seien mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz weder in der Ärzte-ZV noch im BMV-Ä konkrete Aussagen hinsichtlich der Anzahl möglicher Nebenbetriebsstätten getroffen worden. Diese Vorgaben würden sich indes aus § 17 BO ergeben. Die BO gelte für alle in Sachsen tätigen Ärzte und sehe berufsrechtliche Pflichten vor. Ein MVZ werde ebenso wie ein niedergelassener Arzt für einen Vertragsarztsitz zugelassen. Weitere Tätigkeitsorte, an denen der Vertragsarzt oder ein MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen wolle, seien Nebenbetriebsstätten. Daraus leite sich ab, dass auch ein MVZ einen Praxissitz habe, für den die Regelungen der BO anzuwenden sei. Auch wenn diese spezifischen Begriffe aus der vertragsärztlichen Versorgung zum Teil nicht explizit in der BO aufgeführt seien, komme ihnen Geltung zu. Insoweit gelte die Begrenzung der Anzahl der Nebenbetriebsstätten auch für MVZ. Der Hinweis, ein MVZ sei eine Berufsausübungsgemeinschaft und damit § 17 BO nicht anwendbar, treffe nicht zu. Mit § 1a Nr. 12 BMV-Ä seien Berufsausübungsgemeinschaften als "rechtlich verbindliche Zusammenschlüsse von Vertragsärzten oder/und Vertragspsychotherapeuten oder Vertragsärzten/Vertragspsychotherapeuten und Medizinischen Versorgungszentren oder Medizinischen Versorgungszentren untereinander zur gemeinsamen Ausübung der Tätigkeit" definiert. Das MVZ als solches stelle damit keine Berufsausübungsgemeinschaft dar.

Hier gegen richtet sich die am 13.03.2008 erhobene Klage. Die Klägerin hat ausgeführt, vertragsärztlich gebe es keine Beschränkungen der Anzahl von Nebenbetriebsstätten. Die von der Beklagten herangezogene Begrenzung auf der Grundlage von § 17 BO treffe nicht zu. Der Begriff des MVZ sei ein rein vertragsarztrechtlicher Begriff. Weder in der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer noch in den Berufsordnungen der einzelnen Länderkammern werde dieser Begriff verwandt. Es werde nur zwischen Ärzten und Berufsausübungsgemeinschaften unterschieden. Auch werde in § 17 Abs. 2 BO sowohl von seinem Wortlaut als auch nach seinem Sinn und Zweck lediglich auf Ärzte, nicht aber auf Berufsausübungsgemeinschaften abgestellt. Nach dessen ausdrücklichen Wortlaut könnten Berufsausübungsgemeinschaften nicht nur mehrere Nebenbetriebsstätten, sondern auch mehrere Hauptsitze haben. Bei einem MVZ handele es sich – in berufsrechtlichen Kategorien definiert – um eine Berufsausübungsgemeinschaft. § 17 Abs. 2 BO sei damit lediglich auf die dort angestellten Ärzte anzuwenden.

Diese Rechtsauffassung werde schließlich auch mit den von der Sächsischen Landesärztekammer zur Berufsordnung herausgegebenen Hinweisen bestätigt. Dort heiße es zu § 17 Abs. 2 BO: "Da die Regelung an die Person anknüpfe, bedeute dies, dass auch jede Ärztin oder jeder Arzt einer Berufsausübungsgemeinschaft an bis zu zwei weiteren Orten tätig sein kann."

Auch der ärztliche Leiter eines MVZ übe keine ärztliche Tätigkeit aus, sondern nehme mit der Überwachung der Abrechnung der ärztlichen Leistungen, der Einhaltung von Qualitätssicherungsmaßnahmen und der Überwachung der Einhaltung am Notfalldienst ausschließlich Verwaltungsaufgaben wahr. Die Anleitung, Überwachung und Kontrolle des nichtärztlichen Personals dürfe als ärztliche Tätigkeit des überwachenden bzw. kontrollierenden Arztes selbstverständlich von diesem nur an zwei weiteren Nebenbetriebsstätten vorgenommen werden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 07.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Anträge der Klägerin vom 24.05.2007 und vom 13.08.2007 zur Genehmigung von Nebenbetriebsstätten an den Standorten W. Straße und L. Straße in D. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklage beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid zum Gegenstand ihres Vorbringens gemacht.

Die Sächsische Landesärztekammer hat auf gerichtliche Anfrage mit Schreiben vom 14.08.2008 ausgeführt, die Beschränkung des § 17 Abs. 2 BO greife, wenn die natürliche Person des Arztes bzw. der ärztliche Leiter des MVZ an mehr als zwei weiteren Orten ärztlich tätig werden wolle.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat die von der Klägerin beantragte Genehmigung zweier weiterer Nebenbetriebsstätten zu den bereits bestehenden drei Nebenbetriebsstätten zu Unrecht abgelehnt.

Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (GMG – BGBl. I 2003, 2190) nehmen an der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur wie bisher zugelassene Ärzte, ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen, sondern auch zugelassene medizinische Versorgungszentren teil. Medizinische Versorgungszentren sind nach der Definition in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V "fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 eingetragen sind, als angestellte Ärzte oder Vertragsärzte tätig sind." Die medizinischen Versorgungszentren können sich aller zulässiger Organisationsformen bedienen; sie können von den Leistungserbringern, die auf Grund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag in der medizinischen Versorgung der Versicherten teilnehmen, gegründet werden. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (§ 95 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB V). Um die Zulassung kann sich ein medizinisches Versorgungszentrum bewerben, dessen Ärzte in das Arztregister nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB V eingetragen sind. Die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 5 erfüllt sind (Arztregistereintragung). Anträge auf Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums sowie auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum sind abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB V angeordnet sind (§ 95 Abs. 2 Satz 5 bis 8 SGB V). Mit dem Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze vom 22.12.2006 (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz – VÄndG, BGBl. I S. 3439 ff.) hat der Gesetzgeber Regelungen zur Flexibilisierung der Tätigkeit der Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten und Vertragszahnärzte geschaffen. Soweit es die Änderungen für die Vertragsärzte angeht, waren die Änderungen der Muster-Berufsordnung der Bundesärztekammer im Jahr 2004 ausschlaggebend. Deren Änderungen betrafen insbesondere die Erweiterungen der Möglichkeit zur Anstellung von Ärzten, zur Tätigkeit an weiteren Tätigkeitsorten sowie die Beseitigung von Beschränkungen zur Bildung von Berufsausübungsgemeinschaften.

Mit den neuen Absätzen des § 24 Ärzte- ZV wurden für den Vertragsarzt die durch den 107. Deutschen Ärztetag 2004 in § 17 Abs. 2 MBO-Ä vorgenommene Lockerung der Bindung des Arztes an seinen Vertragsarztsitz nachvollzogen, soweit dies mit der spezifischen Pflicht eines Vertragsarztes, die vertragsärztliche Versorgung an seinem Vertragsarztsitz zu gewährleisten (vgl. § 95 Abs. 1 Satz 4 und Absatz 3 SGB V i.V.m. den Regelungen zur regionalen Bedarfsplanung), vereinbar ist.

Nach den alten berufsrechtlichen Regelungen der "Muster-Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte" (MBO-Ä a.F.) waren neben der Pflicht zur Sprechstunde am Praxissitz Sprechstunden in Zweigpraxen zulässig, sofern dies zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung erforderlich war. Die Durchführung spezieller Untersuchungen und Behandlungen war in ausgelagerten Praxisräumen in räumlicher Nähe zum Praxissitz des Arztes zulässig (§ 18 MBO-Ä a.F.). Vertragsarztrechtlich war bisher in § 15a Abs. 1 der Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) geregelt, dass Vertragsärzte Sprechstunden in einer im Bezirk ihrer Kassenärztlichen Vereinigung gelegenen Zweigpraxis mit Zustimmung der Kassenärztlichen Vereinigung abhalten dürfen, wenn die Zweigpraxis zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung erforderlich ist. Daneben dürfen Vertragsärzte – genehmigungsfrei – in räumlicher Nähe zu ihrem Vertragsarztsitz ausgelagerte Praxisräume für spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden unterhalten (hier jedoch keine Sprechstunden abhalten).

Die berufsrechtliche Neuregelung in § 17 Abs. 2 MBO-Ä gestattet es den Ärzten, über den Praxissitz hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein, sofern sie Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße Versorgung ihrer Patienten an jedem Ort ihrer Tätigkeit treffen.

Diese berufsrechtliche Änderung wurde in § 24 Absatz 3 Ärzte-ZV in der Weise umgesetzt, dass dem Vertragsarzt ermöglicht wird, neben der Tätigkeit an seinem Vertragsarztsitz an weiteren Orten tätig zu sein, wenn dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz nicht gefährdet; eine bestimmte Höchstzahl der weiteren Orte gibt das Vertragsarztrecht anders als die MBO-Ä nicht vor (BT-Drs. 16/2474 S. 14, 16; vgl. insbesondere die Begründung zur Änderung von § 24 Ärzte-ZV BT-Drs. 16/2474 S. 29).

Mit dem neugefassten § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV ist eine vertragsärztliche Tätigkeit außerhalb des Vertragsarztsitzes damit an weiteren Orten zulässig, wenn und soweit dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Sofern die weiteren Orte im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) liegen, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, hat er bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf die vorherige Genehmigung durch seine KÄV. Für Vertragsärzte ist damit die Möglichkeit eingeräumt, an weiteren Orten vertragsärztlich tätig zu sein. Für medizinische Versorgungszentren ist diese Vorschrift aufgrund § 1 Abs. 3 Ärzte-ZV entsprechend anwendbar. Danach gilt die Zulassungsverordnung für MVZ und die dort angestellten Ärzte und Psychotherapeuten entsprechend.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist die von der Klägerin begehrte vertragsärztliche Tätigkeit an den zwei weiteren Nebenbetriebsstätten, also mit insgesamt fünf Nebenbetriebsstätten, nicht berufsrechtlich unzulässig. Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass eine berufsrechtlich unzulässige Gestaltung auch vertragsarztrechtlich nicht genehmigungsfähig ist. Die Kompetenz zur Regelung des ärztlichen Berufs- und Weiterbildungsrechts steht mangels einer entsprechenden Zuweisung an den Bund den Ländern zu. Zur Regelung ärztlicher Berufsausübung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich hingegen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz (GG), wonach er im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung für die Sozialversicherung zuständig ist. Zu ihr zählt das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung einschließlich des dazu gehörigen Leistungserbringerrechts, also auch das Vertragsarztrecht. Die Bundesländer haben ihre Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Berufsausübung der zugelassenen Heilberufe durch den Erlass von Heilberufs- oder Kammergesetzen wahrgenommen. Soweit kollidierende Regelungen bestehen, was im Einzelfall der Fall sein könnte, folgt hieraus nicht die Außerkraftsetzung des landesrechtlichen Kammerrechts, da es hierfür an einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes fehlt. Hieraus folgt aber auch nicht die Nichtigkeit der vertragsarztrechtlichen Regelungen. Es kann dem sozialversicherungsrechtlichen Bundesgesetzgeber nicht verwehrt werden, spezifisch vertragsarztrechtliche Anforderungen aufzustellen. Diese können aber immer nur ergänzend zum Berufsrecht wirken und dieses nicht verdrängen. Eine berufsrechtlich unzulässige Gestaltung ist ohne Rechtsgeltung (§ 134 BGB) und kann daher keine vertragsarztrechtlichen Wirkungen entfalten. Das landesrechtliche Berufsrecht ist insofern vorrangig. Nur was berufsrechtlich zulässig ist, kann einen Beitrag zur vertragsärztlichen Versorgung liefern. Zu den vertragsärztlichen Pflichten gehört es, ohne dass dies einer ausdrücklichen Normierung bedarf, dass es der Vertragsarzt unterlässt, in Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit Gesetzesverstöße zu begehen, sei es solche gegen strafrechtliche Vorschriften oder berufsrechtliche Vorschriften (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.1997 – 6 RKa 54/06; zum Ganzen Pawlita in jurisPK-SGB V, § 95 Rn 128 ff. m.w.N., Anmerkungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze vom 22. 12.2006, S. 24, 29).

Die Möglichkeit einer grundsätzlich unbegrenzten Anzahl von Nebenbetriebsstätten/Zweigstellen ist damit nicht schon Folge der vertragsarztrechtlichen Regelungen, die eine zahlenmäßige Beschränkung nicht vorsehen. Auch soweit die Gesetzesbegründung hervorhebt, die Anzahl nicht beschränken zu wollen (so ausdrücklich BT-Drs. 16/2474 S. 29), ist dies wie ausgeführt, nicht erheblich, weil die berufsrechtlichen Regelungen, die eine Beschränkung auf zwei weitere Tätigkeitsorte vorsehen, zu beachten sind. Die mit § 17 Abs. 2 BO angeordnete Beschränkung gilt indes für zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene MVZ, also die Klägerin, nicht.

Gemäß § 17 Abs. 1 BO ist die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern einschließlich Privatkliniken an die Niederlassung in einer Praxis (Praxissitz) gebunden, soweit nicht gesetzliche Vorschriften etwas anderes zulassen. Gemäß § 17 Abs. 2 BO ist es dem Arzt gestattet, über den Praxissitz hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein. Der Arzt hat Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße Versorgung seiner Patienten an jedem Ort seiner Tätigkeiten zu treffen. Gemäß § 16 Abs. 4 Sächsisches Heilberufekammergesetz sind die Berufspflichten auch bei Betreiben einer Praxis in einer Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts einzuhalten. Die Regelung des § 17 Abs. 2 BO knüpft, wie insbesondere auch in den Hinweisen und Erläuterungen zu §§ 17 -19 und 23 a-d (Muster-)Berufsordnung (MBO), Stand 17.02.2006, bestätigt vom Vorstand der Sächsischen Landesärztekammer am 03.05.2006, ausgeführt ist, an die Person des Arztes an, so dass auch jede Ärztin und jeder Arzt einer Berufsausübungsgemeinschaft an bis zu zwei weiteren Orten tätig sein kann.

Diese Auffassung hat die Sächsische Landesärztekammer auch auf konkrete gerichtliche Anfrage vom 25.07.2008 mit Schreiben vom 14.08.2008 bestätigt und ausgeführt, der Teilnahmestatus des MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung werde strukturell nicht in der Berufsordnung und somit auch nicht in § 17 Abs. 2 BO abgebildet. Vom MVZ als Teilnahmestatus zu unterscheiden seien jedoch die beruflichen Kooperationsformen, die in den §§ 18 bis 23d eine eigenständige Regelung in der Berufsordnung gefunden hätten. Die Beschränkung des § 17 Abs. 2 BO greife erst dann wieder, wenn die natürliche Person des Arztes, bspw. der ärztliche Leiter des MVZ, an mehr als zwei weiteren Orten ärztlich tätig sein wolle.

Bei alledem stellt sich die wegen der Begrenzung der Anzahl von Zweigstellen abgelehnte Genehmigung als rechtswidrig dar, so dass die Beklagte über die Anträge der Klägerin unter Prüfung der Voraussetzungen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV (Verbesserung der Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten, keine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz) erneut zu entscheiden hat, wobei, wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, für den einzelnen Arzt die Beschränkung des § 17 Abs. 2 BO gilt.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Berufung ist kraft Gesetzes zulässig (§ 144 Abs. 1 SGG).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG unter Heranziehung der Nr. 16.10 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit (SGb 2008, 191). Wegen der in Streit stehenden Genehmigung für zwei weitere Nebenbetriebsstätten war der Betrag von 15.000 EUR zu verdoppeln.
Rechtskraft
Aus
Saved