Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 7610/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1320/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. März 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.
Der am 1939 geborene Kläger, der Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner ist, wohnt in einer Seniorenwohnanlage, in der sich auch eine Physiotherapiepraxis, die u.a. Bewegungsbäder, Wassergymnastik, medizinische Bäder, Lymphdrainage, Bewegungstherapie, Massagen etc. anbietet, befindet. Er leidet unter den Folgen eines im Jahr 1995 erlittenen Schlaganfalls und Hemiparese links mit nachfolgender Amputation des distalen Unterarms links, einer Cox- und Gonarthrose beidseits und einer dilatativen Cardiomyopathie. Sein Grad der Behinderung beträgt 100. Er erhält Leistungen nach der Pflegestufe I.
Unter dem 18. März 2008 leitete die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. für den Kläger Leistungen zur Rehabilitation ein. Ein entsprechender Antrag des Klägers ging bei der Beklagten am 15. April 2008 ein. Der Kläger begründete seinen Antrag damit, nach dem Tod seiner Mutter im September 2007 persönlich am Ende zu sein und sehr schlecht gehen zu können. In der Verordnung zur medizinischen Rehabilitation vom 26. Mai 2008 gab Dr. B. an, beim Kläger bestehe ein kleinschrittiges Gangbild und daher ein unsicherer Gang, eine begrenzte Gehstrecke auf maximal 250 bis 300 m und eine maximale Gehdauer von zehn Minuten. Außerdem leide der Kläger unter Schmerzen in Hüft- und Kniegelenken beidseits. Die Verordnung von Heilmitteln sei in den letzten zwölf Monaten nicht erfolgt. Durchgeführt worden sei Rehabilitationssport/Funktionstraining. Zum Erreichen des individuellen Rehabilitationsziels schlug Dr. B. Ergotherapie und Krankengymnastik vor.
Die Internistin Dr. G. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) gab am 23. Juni 2008 eine gutachterliche Stellungnahme dahingehend ab, dass die sozialmedizinischen Voraussetzungen für die beantragte Rehabilitationsmaßnahme mangels Ausschöpfung der ambulanten Heilmittel nicht erfüllt seien. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 02. Juli 2008, der nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war, die Bewilligung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme ab. Zunächst sollten die Behandlungsmöglichkeiten am Wohnort, wie z.B. krankengymnastische Übungen oder fachärztliche Behandlung, umfassend ausgeschöpft werden.
Der Kläger erhob am 15. Juli 2008 Widerspruch, indem er auf seine Schmerzen und sein schlechtes Gehvermögen hinwies. Ergänzend führte er aus, der Facharzt habe die Verordnung von Heilmitteln wiederholt verweigert und ihn an die Hausärztin verwiesen. Dieses Theater akzeptiere er nicht weiter. Er nehme die anhaltende Verschlechterung des Gesamtzustands nicht hin. Unter dem 05. September 2008 gab er außerdem an, er habe nunmehr nochmals eine Verordnung zur Behandlung in der von ihm bewohnten Seniorenwohnanlage erhalten. Wie es scheine, bringe diese jedoch kaum Erfolg. Die Beklagte hörte den den Kläger behandelnden Orthopäden Dr. V. telefonisch. Nach der über das Telefongespräch gefertigten Aktennotiz vom 08. September 2008 sieht Dr. V. beim Kläger einen Handlungsbedarf in Form einer Rehabilitation. Der Kläger habe im Jahr 2007 regelmäßig und erneut im August 2008 Verordnungen erhalten. Dr. D. vom MDK erstattete hierauf das Gutachten vom 22. September 2008. Danach sind beim Kläger zunächst Haus- und Facharztbehandlung und Heilmittelanwendung am Wohnort als zweckmäßig und ausreichend zu betrachten. Nach den vorliegenden Unterlagen sei gutachterlich nicht nachvollziehbar, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten am Wohnort erfolglos ausgeschöpft worden seien oder nicht geeignet wären. Die ambulante vertragsärztliche Versorgung sei vorrangig gegenüber der beantragten Leistung. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2008 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Die Ärztinnen des MDK hätten in ihren Gutachten vom 23. Juni 2008 und 22. September 2008 übereinstimmend festgestellt, dass beim Kläger keine medizinische Indikation für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme bestehe. Nach den vorliegenden Unterlagen sei nicht nachvollziehbar, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten am Wohnort ausgeschöpft seien oder nicht geeignet wären. Es seien kaum Heilmittel in Anspruch genommen worden.
Mit der am 13. November 2008 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Es sei nicht richtig, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten am Wohnort nicht ausgeschöpft seien. Dem MDK werde abgesprochen, vom Schreibtisch aus zu beurteilen und zu befinden. Als behandelnden Arzt gab der Kläger in der Entbindungserklärung über die Schweigepflicht vom 12. Februar 2010 nur Dr. B. an.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte ein Gutachten des Dr. T. vom MDK vom 12. Mai 2010 vor, in dem dieser die Behandlungsbedürftigkeit der beim Kläger bestehenden Beeinträchtigungen bestätigte, jedoch ebenfalls die ambulanten Maßnahmen am Wohnort nach den vorliegenden Kassenunterlagen als nicht ausgeschöpft ansah. Angezeigt seien ambulante Heilmittel sowie fachärztlich-internistische und neurologische Diagnostik und Behandlung. Die regelmäßige Behandlungsbedürftigkeit könne ohne Weiteres in der Wohnanlage des Klägers durchgeführt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass ambulante physikalische Therapiemaßnahmen - wie Krankengymnastik - dem Kläger nicht zumutbar wären. Eine andere Behandlung finde im stationären Rahmen auch nicht statt. Ergänzend teilte die Beklagte mit, der Kläger habe im Juli 2007, im Oktober/November 2007, im Oktober/November 2008 und im April/Mai 2009 vor allem Massagen in Anspruch genommen. Eine Bewegungstherapie sei kurzfristig im August 2008 durchgeführt worden
Das SG befragte Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugin. Diese gab in ihrer Aussage vom 12. April 2010 an, sie betreue den Kläger seit dem 22. März 2002, zuletzt sei er am 06. April 2010 behandelt worden. Seit 2008 sei durch die ausgeprägte Gangstörung eine weitere massive Einschränkung der Mobilität aufgetreten. Die Anstrengungen beim Gehen hätten zu schmerzhaften paravertebralen Verspannungen der gesamten Wirbelsäulenmuskulatur geführt. Durch den Verlust des linken Unterarms komme es auch ständig zu Schmerzen in der linken Schulter. In den letzten drei Jahren hätten die körperlichen Kräfte des Klägers deutlich nachgelassen, da er nicht in der Lage gewesen sei, ambulante Therapiemaßnahmen durchzuführen. Durch die zugenommene eingeschränkte Mobilität seien ihm seit 2007 ambulante physikalische Therapiemaßnahmen wie Krankengymnastik und medizinische Bäder nicht mehr zumutbar gewesen. Eine ambulante Behandlung oder Rehabilitation sei nicht nur nicht ausreichend, sondern auch nicht möglich aufgrund der komplexen Behinderung. Eine stationäre Maßnahme sei dringend erforderlich zur Schmerzreduktion der Wirbelsäule und der Gelenke beim Gehen, zur allgemeinen Kräftigung und damit zur besseren Bewältigung des Alltags bei Multimorbidität.
Mit Urteil vom 10. März 2011 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer stationären Leistung der medizinischen Rehabilitation. Es lasse sich nicht feststellen, dass eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation erforderlich sei. Zwar habe die Kammer keinen Zweifel daran, dass die Erkrankungen des Klägers behandlungsbedürftig seien. Der Kläger habe jedoch die Möglichkeiten einer zumutbaren Krankenbehandlung noch nicht ausgeschöpft. Er habe seit 2007 keine physikalischen Therapiemaßnahmen wie Krankengymnastik, Ergotherapie oder medizinische Bäder wahrgenommen. Er habe lediglich kurzzeitig im August 2008 eine ambulante Bewegungstherapie durchgeführt und ansonsten ausschließlich Massageanwendungen in Anspruch genommen. Weitere Heilmittelanwendungen (insbesondere Krankengymnastik und Ergotherapie), die auch nach Auffassung von Dr. B. grundsätzlich medizinisch indiziert seien, seien bislang unterblieben, obwohl diese auch ambulant angeboten würden; im Falle der Krankengymnastik sogar in den Räumlichkeiten des Pflegeheims, in dem der Kläger wohne. Allein die Behauptung des Klägers, sein Orthopäde habe die Verordnung der therapeutischen Maßnahmen abgelehnt und ihn an die Hausärztin verwiesen, begründe nicht die Notwendigkeit einer stationären medizinischen Rehabilitation. Die Notwendigkeit für eine stationäre Maßnahme lasse sich auch nicht aus den mitgeteilten Befunden oder dem angegebenen Rehabilitationsziel ableiten. Es sei, sofern der Kläger für Heilmittelanwendungen das Pflegeheim überhaupt verlassen müsse, nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen er wohnortnahe ambulante Therapieeinrichtungen nicht mit Hilfe eines Fahrdienstes oder Taxis erreichen können sollte. Am Wohnort des Klägers Stuttgart seien solche Einrichtungen auch in unmittelbarer Nähe zur Wohnung vorhanden. Wenn beim Kläger ein erhöhtes Sturzrisiko bestehen sollte, könne diesem dadurch begegnet werden, dass er von Pflegekräften, Therapeuten oder dem Fahrer auf dem Weg zum Fahrzeug oder vom Fahrzeug zur Therapieeinrichtung begleitet werde. Es sei nicht erkennbar, dass eine medizinische Rehabilitation beim Kläger unter ständiger ärztlicher Verantwortung durchgeführt werden müsste. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Krankenbehandlung in Form einer stationären Rehabilitationsleistung seien damit nicht erfüllt. Die Beklagte dürfe dem Kläger eine solche stationäre Maßnahme deshalb schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht erbringen.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 29. März 2011 beim SG Berufung eingelegt. Unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen hat er ergänzend mitgeteilt, Bewegungen im Wasser scheiterten an seiner Unsicherheit, weil er sich wegen des fehlenden linken Unterarmes nicht festhalten könne. Hinzu kämen Probleme durch Angina pectoris. Sein Gesamtzustand habe sich im Laufe der Zeit weiter verschlechtert.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. März 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2008 zu verurteilen, ihm eine stationäre Rehabilitationsleistung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nur wenn die ambulanten Therapiemöglichkeiten und die Möglichkeit der ambulanten Rehabilitation ausgeschöpft seien, sei die Übernahme der Kosten für eine stationäre Rehabilitation möglich. Physiotherapie sei zuletzt im April 2009 und im Oktober 2008 verordnet und in Anspruch genommen worden.
Der Senat hörte noch einmal Dr. B. als sachverständige Zeugin. Diese legte in ihrer Aussage vom 13. Mai 2011 dar, beim Kläger erfolgten überwiegend Hausbesuche. Seit ihrer letzten Auskunft vom 12. April 2010 sei der Zustand des Klägers unverändert. Heilmittel seien von ihr seit 06. April 2010 nicht verordnet worden. Sie seien vom Kläger auch nicht gewünscht worden. Soweit sie wisse, erfolge auch keine Verordnung durch Fachkollegen. Die Hausbesuche erfolgten routinemäßig zweimal monatlich, da der Kläger im Altenheim wohne.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung des Kläger gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die zulässige Berufung des Klägers kann in der Sache keinen Erfolg haben. Das angefochtene Urteil des SG vom 10. März 2011 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 02. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2008 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsleistung.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V umfasst der Krankenbehandlungsanspruch auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V gilt: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs. 2 (SGB V) beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 (SGB V) besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, durch wohnortnahe Einrichtungen. Reicht die Leistung nach Abs.1 nicht aus, erbringt gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 (SGB V) besteht. Diese Voraussetzungen der begehrten Leistung sind im Falle des Klägers nicht erfüllt, weil die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung nicht ausgeschöpft sind. Der Kläger nimmt diese überwiegend nicht wahr.
Der Kläger leidet unter den Folgen eines im Jahr 1995 erlittenen Schlaganfalls mit einer Hemiparese links mit nachfolgender Amputation des Unterarms links, einer Cox- und Gonarthrose beidseits und einer dilatativen Cardiomyopathie. Er befindet sich nur in laufender hausärztlicher Behandlung bei Dr. B., die ihn routinemäßig zweimal monatlich im Rahmen von Hausbesuchen aufsucht. Bis 13. Mai 2011 fand im Jahr 2011 außer der Reihe ein weiterer Hausbesuch am 26. April 2011 wegen Hypotonie mit Schwindel statt. Ein Kontakt zu dem Orthopäden Dr. V. ist für den Monat August 2008 belegt. Massagen wurden dem Kläger im Juli 2007, Oktober/November 2007, Oktober/November 2008 und April/Mai 2009 verordnet. Eine Bewegungstherapie wurde kurzfristig im August 2008 durchgeführt. Weitere Heilmittel wurden vom Kläger für die Zeit seit April 2010 nicht gewünscht. Eine Verordnung erfolgte auch nicht durch Fachärzte. Dies ergibt sich aus den Zeugenaussagen von Dr. B. vom 12. April 2010 und 13. Mai 2011, der telefonischen Auskunft von Dr. V. vom September 2008, der vom Kläger vorgelegten Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht vom 12. Februar 2010 und der Mitteilung der Beklagten über in Anspruch genommene Leistungen.
Allein durch die im Wesentlichen hausärztliche Behandlung durch Dr. B. sind die notwendigen Behandlungen am Wohnort, insbesondere auch durch einen Orthopäden, Internisten und Neurologen nicht durchgeführt worden. Auch die ambulanten Therapiemöglichkeiten durch Inanspruchnahme von Physiotherapie und Ergotherapie sind nicht ausgeschöpft. Sowohl die Facharztbehandlung als auch die Anwendung von Heilmitteln am Wohnort sind nach dem im SGB V verankerten Prinzip der gestuften Versorgung vorrangig gegenüber der stationären Rehabilitationsmaßnahme. Diese steht dem Kläger daher (derzeit noch) nicht zu.
Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aufgrund der massiv eingeschränkten Mobilität des Klägers, nachdem sich im Haus der von ihm bewohnten Wohnanlage eine Physiotherapiepraxis befindet, die u.a. Bewegungsbäder, Wassergymnastik, medizinische Bäder, Lymphdrainage, Bewegungstherapie und Massage anbietet. Auch wenn insoweit Bewegungsbäder und Wassergymnastik für den Kläger ausscheiden, weil er sich wegen des fehlenden linken Unterarms nicht festhalten kann und deshalb unsicher ist, bleiben immer noch medizinische Bäder, Lymphdrainage, Bewegungstherapie und Massagen. Auch besteht die Möglichkeit, worauf auch das SG hingewiesen hat, mithilfe eines Fahrdienstes oder Taxis wohnortnahe ambulante Therapieeinrichtungen etwa zur Ergotherapie aufzusuchen. Auf dem Weg zum Fahrzeug und vom Fahrzeug zur Therapieeinrichtung kann der Kläger von Pflegekräften, Therapeuten oder dem Fahrer begleitet werden. Wohnortnah kann eine intensivierte Behandlung im Wechsel und in Kombination von physikalischen, physiotherapeutischen und medikamentösen Maßnahmen durchgeführt werden. Diese Maßnahmen am Wohnort haben auch noch den Vorteil, dass sie über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden können, während eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Regel nach drei Wochen zu Ende ist.
Auch der Vortrag des Klägers, dass ihn der Orthopäde bezüglich der Verordnung von Heilmitteln an die Hausärztin verwiesen habe, belegt nicht die Notwendigkeit einer stationären Heilbehandlung. Es ist damit nicht dargetan, dass Dr. B. ebenfalls keine Heilmittel verordnet hätte. Nach der Aussage von Dr. B. hat der Kläger Heilmittel ausdrücklich nicht gewünscht.
Ebenso wenig vermag die Tatsache, dass Dr. B. und auch Dr. V. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme befürworten, die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme zu begründen. Denn dies entbindet nicht vom Versuch, ambulante Maßnahmen in Wohnortnähe zunächst auszuschöpfen. Dass hier allein die stationäre Reha-Maßnahme erfolgsversprechend wäre, kann aus den sachverständigen Zeugenauskünften von Dr. B. und der telefonischen Auskunft von Dr. V. nicht gefolgert werden. Das Krankheitsbild des Klägers ist im ambulanten Bereich keinesfalls therapieseits ausgereizt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.
Der am 1939 geborene Kläger, der Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner ist, wohnt in einer Seniorenwohnanlage, in der sich auch eine Physiotherapiepraxis, die u.a. Bewegungsbäder, Wassergymnastik, medizinische Bäder, Lymphdrainage, Bewegungstherapie, Massagen etc. anbietet, befindet. Er leidet unter den Folgen eines im Jahr 1995 erlittenen Schlaganfalls und Hemiparese links mit nachfolgender Amputation des distalen Unterarms links, einer Cox- und Gonarthrose beidseits und einer dilatativen Cardiomyopathie. Sein Grad der Behinderung beträgt 100. Er erhält Leistungen nach der Pflegestufe I.
Unter dem 18. März 2008 leitete die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. für den Kläger Leistungen zur Rehabilitation ein. Ein entsprechender Antrag des Klägers ging bei der Beklagten am 15. April 2008 ein. Der Kläger begründete seinen Antrag damit, nach dem Tod seiner Mutter im September 2007 persönlich am Ende zu sein und sehr schlecht gehen zu können. In der Verordnung zur medizinischen Rehabilitation vom 26. Mai 2008 gab Dr. B. an, beim Kläger bestehe ein kleinschrittiges Gangbild und daher ein unsicherer Gang, eine begrenzte Gehstrecke auf maximal 250 bis 300 m und eine maximale Gehdauer von zehn Minuten. Außerdem leide der Kläger unter Schmerzen in Hüft- und Kniegelenken beidseits. Die Verordnung von Heilmitteln sei in den letzten zwölf Monaten nicht erfolgt. Durchgeführt worden sei Rehabilitationssport/Funktionstraining. Zum Erreichen des individuellen Rehabilitationsziels schlug Dr. B. Ergotherapie und Krankengymnastik vor.
Die Internistin Dr. G. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) gab am 23. Juni 2008 eine gutachterliche Stellungnahme dahingehend ab, dass die sozialmedizinischen Voraussetzungen für die beantragte Rehabilitationsmaßnahme mangels Ausschöpfung der ambulanten Heilmittel nicht erfüllt seien. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 02. Juli 2008, der nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war, die Bewilligung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme ab. Zunächst sollten die Behandlungsmöglichkeiten am Wohnort, wie z.B. krankengymnastische Übungen oder fachärztliche Behandlung, umfassend ausgeschöpft werden.
Der Kläger erhob am 15. Juli 2008 Widerspruch, indem er auf seine Schmerzen und sein schlechtes Gehvermögen hinwies. Ergänzend führte er aus, der Facharzt habe die Verordnung von Heilmitteln wiederholt verweigert und ihn an die Hausärztin verwiesen. Dieses Theater akzeptiere er nicht weiter. Er nehme die anhaltende Verschlechterung des Gesamtzustands nicht hin. Unter dem 05. September 2008 gab er außerdem an, er habe nunmehr nochmals eine Verordnung zur Behandlung in der von ihm bewohnten Seniorenwohnanlage erhalten. Wie es scheine, bringe diese jedoch kaum Erfolg. Die Beklagte hörte den den Kläger behandelnden Orthopäden Dr. V. telefonisch. Nach der über das Telefongespräch gefertigten Aktennotiz vom 08. September 2008 sieht Dr. V. beim Kläger einen Handlungsbedarf in Form einer Rehabilitation. Der Kläger habe im Jahr 2007 regelmäßig und erneut im August 2008 Verordnungen erhalten. Dr. D. vom MDK erstattete hierauf das Gutachten vom 22. September 2008. Danach sind beim Kläger zunächst Haus- und Facharztbehandlung und Heilmittelanwendung am Wohnort als zweckmäßig und ausreichend zu betrachten. Nach den vorliegenden Unterlagen sei gutachterlich nicht nachvollziehbar, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten am Wohnort erfolglos ausgeschöpft worden seien oder nicht geeignet wären. Die ambulante vertragsärztliche Versorgung sei vorrangig gegenüber der beantragten Leistung. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2008 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Die Ärztinnen des MDK hätten in ihren Gutachten vom 23. Juni 2008 und 22. September 2008 übereinstimmend festgestellt, dass beim Kläger keine medizinische Indikation für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme bestehe. Nach den vorliegenden Unterlagen sei nicht nachvollziehbar, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten am Wohnort ausgeschöpft seien oder nicht geeignet wären. Es seien kaum Heilmittel in Anspruch genommen worden.
Mit der am 13. November 2008 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Es sei nicht richtig, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten am Wohnort nicht ausgeschöpft seien. Dem MDK werde abgesprochen, vom Schreibtisch aus zu beurteilen und zu befinden. Als behandelnden Arzt gab der Kläger in der Entbindungserklärung über die Schweigepflicht vom 12. Februar 2010 nur Dr. B. an.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte ein Gutachten des Dr. T. vom MDK vom 12. Mai 2010 vor, in dem dieser die Behandlungsbedürftigkeit der beim Kläger bestehenden Beeinträchtigungen bestätigte, jedoch ebenfalls die ambulanten Maßnahmen am Wohnort nach den vorliegenden Kassenunterlagen als nicht ausgeschöpft ansah. Angezeigt seien ambulante Heilmittel sowie fachärztlich-internistische und neurologische Diagnostik und Behandlung. Die regelmäßige Behandlungsbedürftigkeit könne ohne Weiteres in der Wohnanlage des Klägers durchgeführt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass ambulante physikalische Therapiemaßnahmen - wie Krankengymnastik - dem Kläger nicht zumutbar wären. Eine andere Behandlung finde im stationären Rahmen auch nicht statt. Ergänzend teilte die Beklagte mit, der Kläger habe im Juli 2007, im Oktober/November 2007, im Oktober/November 2008 und im April/Mai 2009 vor allem Massagen in Anspruch genommen. Eine Bewegungstherapie sei kurzfristig im August 2008 durchgeführt worden
Das SG befragte Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugin. Diese gab in ihrer Aussage vom 12. April 2010 an, sie betreue den Kläger seit dem 22. März 2002, zuletzt sei er am 06. April 2010 behandelt worden. Seit 2008 sei durch die ausgeprägte Gangstörung eine weitere massive Einschränkung der Mobilität aufgetreten. Die Anstrengungen beim Gehen hätten zu schmerzhaften paravertebralen Verspannungen der gesamten Wirbelsäulenmuskulatur geführt. Durch den Verlust des linken Unterarms komme es auch ständig zu Schmerzen in der linken Schulter. In den letzten drei Jahren hätten die körperlichen Kräfte des Klägers deutlich nachgelassen, da er nicht in der Lage gewesen sei, ambulante Therapiemaßnahmen durchzuführen. Durch die zugenommene eingeschränkte Mobilität seien ihm seit 2007 ambulante physikalische Therapiemaßnahmen wie Krankengymnastik und medizinische Bäder nicht mehr zumutbar gewesen. Eine ambulante Behandlung oder Rehabilitation sei nicht nur nicht ausreichend, sondern auch nicht möglich aufgrund der komplexen Behinderung. Eine stationäre Maßnahme sei dringend erforderlich zur Schmerzreduktion der Wirbelsäule und der Gelenke beim Gehen, zur allgemeinen Kräftigung und damit zur besseren Bewältigung des Alltags bei Multimorbidität.
Mit Urteil vom 10. März 2011 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer stationären Leistung der medizinischen Rehabilitation. Es lasse sich nicht feststellen, dass eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation erforderlich sei. Zwar habe die Kammer keinen Zweifel daran, dass die Erkrankungen des Klägers behandlungsbedürftig seien. Der Kläger habe jedoch die Möglichkeiten einer zumutbaren Krankenbehandlung noch nicht ausgeschöpft. Er habe seit 2007 keine physikalischen Therapiemaßnahmen wie Krankengymnastik, Ergotherapie oder medizinische Bäder wahrgenommen. Er habe lediglich kurzzeitig im August 2008 eine ambulante Bewegungstherapie durchgeführt und ansonsten ausschließlich Massageanwendungen in Anspruch genommen. Weitere Heilmittelanwendungen (insbesondere Krankengymnastik und Ergotherapie), die auch nach Auffassung von Dr. B. grundsätzlich medizinisch indiziert seien, seien bislang unterblieben, obwohl diese auch ambulant angeboten würden; im Falle der Krankengymnastik sogar in den Räumlichkeiten des Pflegeheims, in dem der Kläger wohne. Allein die Behauptung des Klägers, sein Orthopäde habe die Verordnung der therapeutischen Maßnahmen abgelehnt und ihn an die Hausärztin verwiesen, begründe nicht die Notwendigkeit einer stationären medizinischen Rehabilitation. Die Notwendigkeit für eine stationäre Maßnahme lasse sich auch nicht aus den mitgeteilten Befunden oder dem angegebenen Rehabilitationsziel ableiten. Es sei, sofern der Kläger für Heilmittelanwendungen das Pflegeheim überhaupt verlassen müsse, nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen er wohnortnahe ambulante Therapieeinrichtungen nicht mit Hilfe eines Fahrdienstes oder Taxis erreichen können sollte. Am Wohnort des Klägers Stuttgart seien solche Einrichtungen auch in unmittelbarer Nähe zur Wohnung vorhanden. Wenn beim Kläger ein erhöhtes Sturzrisiko bestehen sollte, könne diesem dadurch begegnet werden, dass er von Pflegekräften, Therapeuten oder dem Fahrer auf dem Weg zum Fahrzeug oder vom Fahrzeug zur Therapieeinrichtung begleitet werde. Es sei nicht erkennbar, dass eine medizinische Rehabilitation beim Kläger unter ständiger ärztlicher Verantwortung durchgeführt werden müsste. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Krankenbehandlung in Form einer stationären Rehabilitationsleistung seien damit nicht erfüllt. Die Beklagte dürfe dem Kläger eine solche stationäre Maßnahme deshalb schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht erbringen.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 29. März 2011 beim SG Berufung eingelegt. Unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen hat er ergänzend mitgeteilt, Bewegungen im Wasser scheiterten an seiner Unsicherheit, weil er sich wegen des fehlenden linken Unterarmes nicht festhalten könne. Hinzu kämen Probleme durch Angina pectoris. Sein Gesamtzustand habe sich im Laufe der Zeit weiter verschlechtert.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. März 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2008 zu verurteilen, ihm eine stationäre Rehabilitationsleistung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nur wenn die ambulanten Therapiemöglichkeiten und die Möglichkeit der ambulanten Rehabilitation ausgeschöpft seien, sei die Übernahme der Kosten für eine stationäre Rehabilitation möglich. Physiotherapie sei zuletzt im April 2009 und im Oktober 2008 verordnet und in Anspruch genommen worden.
Der Senat hörte noch einmal Dr. B. als sachverständige Zeugin. Diese legte in ihrer Aussage vom 13. Mai 2011 dar, beim Kläger erfolgten überwiegend Hausbesuche. Seit ihrer letzten Auskunft vom 12. April 2010 sei der Zustand des Klägers unverändert. Heilmittel seien von ihr seit 06. April 2010 nicht verordnet worden. Sie seien vom Kläger auch nicht gewünscht worden. Soweit sie wisse, erfolge auch keine Verordnung durch Fachkollegen. Die Hausbesuche erfolgten routinemäßig zweimal monatlich, da der Kläger im Altenheim wohne.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung des Kläger gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die zulässige Berufung des Klägers kann in der Sache keinen Erfolg haben. Das angefochtene Urteil des SG vom 10. März 2011 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 02. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2008 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsleistung.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V umfasst der Krankenbehandlungsanspruch auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V gilt: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs. 2 (SGB V) beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 (SGB V) besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, durch wohnortnahe Einrichtungen. Reicht die Leistung nach Abs.1 nicht aus, erbringt gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 (SGB V) besteht. Diese Voraussetzungen der begehrten Leistung sind im Falle des Klägers nicht erfüllt, weil die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung nicht ausgeschöpft sind. Der Kläger nimmt diese überwiegend nicht wahr.
Der Kläger leidet unter den Folgen eines im Jahr 1995 erlittenen Schlaganfalls mit einer Hemiparese links mit nachfolgender Amputation des Unterarms links, einer Cox- und Gonarthrose beidseits und einer dilatativen Cardiomyopathie. Er befindet sich nur in laufender hausärztlicher Behandlung bei Dr. B., die ihn routinemäßig zweimal monatlich im Rahmen von Hausbesuchen aufsucht. Bis 13. Mai 2011 fand im Jahr 2011 außer der Reihe ein weiterer Hausbesuch am 26. April 2011 wegen Hypotonie mit Schwindel statt. Ein Kontakt zu dem Orthopäden Dr. V. ist für den Monat August 2008 belegt. Massagen wurden dem Kläger im Juli 2007, Oktober/November 2007, Oktober/November 2008 und April/Mai 2009 verordnet. Eine Bewegungstherapie wurde kurzfristig im August 2008 durchgeführt. Weitere Heilmittel wurden vom Kläger für die Zeit seit April 2010 nicht gewünscht. Eine Verordnung erfolgte auch nicht durch Fachärzte. Dies ergibt sich aus den Zeugenaussagen von Dr. B. vom 12. April 2010 und 13. Mai 2011, der telefonischen Auskunft von Dr. V. vom September 2008, der vom Kläger vorgelegten Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht vom 12. Februar 2010 und der Mitteilung der Beklagten über in Anspruch genommene Leistungen.
Allein durch die im Wesentlichen hausärztliche Behandlung durch Dr. B. sind die notwendigen Behandlungen am Wohnort, insbesondere auch durch einen Orthopäden, Internisten und Neurologen nicht durchgeführt worden. Auch die ambulanten Therapiemöglichkeiten durch Inanspruchnahme von Physiotherapie und Ergotherapie sind nicht ausgeschöpft. Sowohl die Facharztbehandlung als auch die Anwendung von Heilmitteln am Wohnort sind nach dem im SGB V verankerten Prinzip der gestuften Versorgung vorrangig gegenüber der stationären Rehabilitationsmaßnahme. Diese steht dem Kläger daher (derzeit noch) nicht zu.
Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aufgrund der massiv eingeschränkten Mobilität des Klägers, nachdem sich im Haus der von ihm bewohnten Wohnanlage eine Physiotherapiepraxis befindet, die u.a. Bewegungsbäder, Wassergymnastik, medizinische Bäder, Lymphdrainage, Bewegungstherapie und Massage anbietet. Auch wenn insoweit Bewegungsbäder und Wassergymnastik für den Kläger ausscheiden, weil er sich wegen des fehlenden linken Unterarms nicht festhalten kann und deshalb unsicher ist, bleiben immer noch medizinische Bäder, Lymphdrainage, Bewegungstherapie und Massagen. Auch besteht die Möglichkeit, worauf auch das SG hingewiesen hat, mithilfe eines Fahrdienstes oder Taxis wohnortnahe ambulante Therapieeinrichtungen etwa zur Ergotherapie aufzusuchen. Auf dem Weg zum Fahrzeug und vom Fahrzeug zur Therapieeinrichtung kann der Kläger von Pflegekräften, Therapeuten oder dem Fahrer begleitet werden. Wohnortnah kann eine intensivierte Behandlung im Wechsel und in Kombination von physikalischen, physiotherapeutischen und medikamentösen Maßnahmen durchgeführt werden. Diese Maßnahmen am Wohnort haben auch noch den Vorteil, dass sie über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden können, während eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Regel nach drei Wochen zu Ende ist.
Auch der Vortrag des Klägers, dass ihn der Orthopäde bezüglich der Verordnung von Heilmitteln an die Hausärztin verwiesen habe, belegt nicht die Notwendigkeit einer stationären Heilbehandlung. Es ist damit nicht dargetan, dass Dr. B. ebenfalls keine Heilmittel verordnet hätte. Nach der Aussage von Dr. B. hat der Kläger Heilmittel ausdrücklich nicht gewünscht.
Ebenso wenig vermag die Tatsache, dass Dr. B. und auch Dr. V. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme befürworten, die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme zu begründen. Denn dies entbindet nicht vom Versuch, ambulante Maßnahmen in Wohnortnähe zunächst auszuschöpfen. Dass hier allein die stationäre Reha-Maßnahme erfolgsversprechend wäre, kann aus den sachverständigen Zeugenauskünften von Dr. B. und der telefonischen Auskunft von Dr. V. nicht gefolgert werden. Das Krankheitsbild des Klägers ist im ambulanten Bereich keinesfalls therapieseits ausgereizt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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