Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 24 AS 917/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 176/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde und die außerordentliche Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. April 2011 werden als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im einstweiligen Anordnungsverfahren S 24 AS 917/11 ER beim Sozialgericht Magdeburg (SG) beantragte die Beschwerdeführerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Übernahme von Umzugskosten iHv 520 EUR – ggf. als Darlehen.
Mit Beschluss vom 12. April 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Es sei weder Anordnungsanspruch noch -grund glaubhaft gemacht. Im Beschluss hat es darauf hingewiesen, dieser sei gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 iVm § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unanfechtbar.
Gegen den am 13. April 2011 per Fax vorab übersandten Beschluss hat die Antragstellerin mit an das SG gerichtetem Schriftsatz vom 27. April 2011 Beschwerde, hilfsweise Gehörsrüge nach § 178a SGG, hilfsweise außerordentliche Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der Beschluss des SG unanfechtbar sei. Die Beschwerde sei z.B. bei Verfahrensmängeln nicht ausgeschlossen. Sie sei dem Landessozialgericht vorzulegen (LSG), das dann über die Zulässigkeit entscheiden werde. Fehlerhaft sei die Auffassung des SG, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, nur weil sich die Antragstellerin geweigert habe, einen vom SG vorformulierten, verfahrensrechtlich nicht normierten "Fragebogen" auszufüllen. Dies könne nicht verlangt werden. Trotz Nachfrage habe das SG nicht mitgeteilt, welche einzelfallbezogenen Tatsachen es wissen wolle. Soweit das SG den Antrag abgelehnt habe, weil die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie finanziell die Umzugskosten nicht tragen könne, handle es sich um eine Überraschungsentscheidung. Denn immerhin sei ihr Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Damit wisse das SG, dass sie arm iS des Gesetzes sei. Das SG habe ihr durch Setzen einer unzumutbar kurzen Stellungnahmefrist rechtliches Gehör versagt. Ihr Prozessbevollmächtigter habe nicht damit rechnen müssen, eine Stellungnahmefrist von nur einem Arbeitstag zu erhalten. Im Übrigen sei sie – nachdem das SG die ladungsfähige Anschrift des Vermieters erfragt habe – davon ausgegangen, dass ein Erörterungstermin stattfinden werde. Die Art der Verfahrensführung sei "höchst bedenklich". Unter Beachtung der Verfahrensvorschriften hätte das SG eine andere Entscheidung in der Sache treffen müssen. Der Ausschluss der Beschwerde bei Streitwerten unter 750 EUR führe dazu, dass die Bearbeitungsqualität in der ersten Instanz leide.
II.
1. Die Beschwerde ist unzulässig. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der hier maßgeblichen, seit dem 1. April 2008 gültigen Fassung ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre.
Die nach ihrem Wortlaut nicht völlig eindeutige Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist nach ihrer Systematik dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerde dann ausgeschlossen ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht Kraft Gesetzes ohne Weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung bedürfte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 7. Oktober 2009, Az.: L 5 AS 293/09 B ER).
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR übersteigt. Dies ist hier nicht der Fall. Es geht um die vorläufige Übernahme von Umzugskosten iHv 520 EUR.
Auch der Umstand, dass sich die Antragstellerin auf Verfahrensfehler des SG und eine Grundrechtsverletzung (rechtliches Gehör) beruft, führt nicht zur (ausnahmsweisen) Zulässigkeit der Beschwerde. Die zum 1. April 2008 in Kraft getretene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erfolgte nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zur Entlastung der Landessozialgerichte. Dieser Zweck sollte durch die Anhebung des Schwellenwertes auf 750 EUR und durch die Einschränkung der Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erreicht werden. Es entspräche daher dem Entlastungswillen des Gesetzgebers nicht, wenn zunächst eine fiktive Prüfung möglicher Zulassungsgründe oder nach Art und Maß der behaupteten Rechtsverletzung erfolgen müsste. Der erstrebte Entlastungseffekt wird nur dann erreicht, wenn sich die Zulässigkeit der Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohne weiteres aus dem Beschwerdewert oder der Art und Dauer der im Streit stehenden Leistungen ergibt (§ 144 Abs. 1 SGG).
2. Die von der Antragstellerin (hilfsweise) eingelegte außerordentliche Beschwerde ist ebenfalls unzulässig. Sie ist gesetzlich für das sozialgerichtliche Verfahren nicht normiert. Die Annahme der Zulässigkeit einer gesetzlich nicht geregelten, außerordentlichen Beschwerde verstößt gegen das grundgesetzliche Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. April 2003, juris, 4. Leitsatz und RN 68 bis 71). Der früher in Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums vertretenen Auffassung, in Extremfällen könne eine Beschwerde trotz eines gesetzliches Ausschlusses gegeben sein, kann nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) nicht mehr gefolgt werden. Daher ist eine gesetzlich nicht vorgesehene Beschwerde ausnahmslos unstatthaft.
3. Die Entscheidung darüber, ob die ausdrücklich eingelegte außerordentliche Beschwerde als Gegenvorstellung auszulegen ist, obliegt – da sie keinen Devolutiveffekt hat – dem SG.
4. Die Entscheidung über die ebenfalls hilfsweise eingelegte Anhörungsrüge trifft auch das SG, denn diese ist kein Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der die Möglichkeit der richterlichen Selbstkorrektur bietet (vgl. Leitherer: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 178a RN 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im einstweiligen Anordnungsverfahren S 24 AS 917/11 ER beim Sozialgericht Magdeburg (SG) beantragte die Beschwerdeführerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Übernahme von Umzugskosten iHv 520 EUR – ggf. als Darlehen.
Mit Beschluss vom 12. April 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Es sei weder Anordnungsanspruch noch -grund glaubhaft gemacht. Im Beschluss hat es darauf hingewiesen, dieser sei gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 iVm § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unanfechtbar.
Gegen den am 13. April 2011 per Fax vorab übersandten Beschluss hat die Antragstellerin mit an das SG gerichtetem Schriftsatz vom 27. April 2011 Beschwerde, hilfsweise Gehörsrüge nach § 178a SGG, hilfsweise außerordentliche Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der Beschluss des SG unanfechtbar sei. Die Beschwerde sei z.B. bei Verfahrensmängeln nicht ausgeschlossen. Sie sei dem Landessozialgericht vorzulegen (LSG), das dann über die Zulässigkeit entscheiden werde. Fehlerhaft sei die Auffassung des SG, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, nur weil sich die Antragstellerin geweigert habe, einen vom SG vorformulierten, verfahrensrechtlich nicht normierten "Fragebogen" auszufüllen. Dies könne nicht verlangt werden. Trotz Nachfrage habe das SG nicht mitgeteilt, welche einzelfallbezogenen Tatsachen es wissen wolle. Soweit das SG den Antrag abgelehnt habe, weil die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie finanziell die Umzugskosten nicht tragen könne, handle es sich um eine Überraschungsentscheidung. Denn immerhin sei ihr Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Damit wisse das SG, dass sie arm iS des Gesetzes sei. Das SG habe ihr durch Setzen einer unzumutbar kurzen Stellungnahmefrist rechtliches Gehör versagt. Ihr Prozessbevollmächtigter habe nicht damit rechnen müssen, eine Stellungnahmefrist von nur einem Arbeitstag zu erhalten. Im Übrigen sei sie – nachdem das SG die ladungsfähige Anschrift des Vermieters erfragt habe – davon ausgegangen, dass ein Erörterungstermin stattfinden werde. Die Art der Verfahrensführung sei "höchst bedenklich". Unter Beachtung der Verfahrensvorschriften hätte das SG eine andere Entscheidung in der Sache treffen müssen. Der Ausschluss der Beschwerde bei Streitwerten unter 750 EUR führe dazu, dass die Bearbeitungsqualität in der ersten Instanz leide.
II.
1. Die Beschwerde ist unzulässig. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der hier maßgeblichen, seit dem 1. April 2008 gültigen Fassung ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre.
Die nach ihrem Wortlaut nicht völlig eindeutige Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist nach ihrer Systematik dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerde dann ausgeschlossen ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht Kraft Gesetzes ohne Weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung bedürfte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 7. Oktober 2009, Az.: L 5 AS 293/09 B ER).
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR übersteigt. Dies ist hier nicht der Fall. Es geht um die vorläufige Übernahme von Umzugskosten iHv 520 EUR.
Auch der Umstand, dass sich die Antragstellerin auf Verfahrensfehler des SG und eine Grundrechtsverletzung (rechtliches Gehör) beruft, führt nicht zur (ausnahmsweisen) Zulässigkeit der Beschwerde. Die zum 1. April 2008 in Kraft getretene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erfolgte nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zur Entlastung der Landessozialgerichte. Dieser Zweck sollte durch die Anhebung des Schwellenwertes auf 750 EUR und durch die Einschränkung der Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erreicht werden. Es entspräche daher dem Entlastungswillen des Gesetzgebers nicht, wenn zunächst eine fiktive Prüfung möglicher Zulassungsgründe oder nach Art und Maß der behaupteten Rechtsverletzung erfolgen müsste. Der erstrebte Entlastungseffekt wird nur dann erreicht, wenn sich die Zulässigkeit der Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohne weiteres aus dem Beschwerdewert oder der Art und Dauer der im Streit stehenden Leistungen ergibt (§ 144 Abs. 1 SGG).
2. Die von der Antragstellerin (hilfsweise) eingelegte außerordentliche Beschwerde ist ebenfalls unzulässig. Sie ist gesetzlich für das sozialgerichtliche Verfahren nicht normiert. Die Annahme der Zulässigkeit einer gesetzlich nicht geregelten, außerordentlichen Beschwerde verstößt gegen das grundgesetzliche Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. April 2003, juris, 4. Leitsatz und RN 68 bis 71). Der früher in Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums vertretenen Auffassung, in Extremfällen könne eine Beschwerde trotz eines gesetzliches Ausschlusses gegeben sein, kann nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) nicht mehr gefolgt werden. Daher ist eine gesetzlich nicht vorgesehene Beschwerde ausnahmslos unstatthaft.
3. Die Entscheidung darüber, ob die ausdrücklich eingelegte außerordentliche Beschwerde als Gegenvorstellung auszulegen ist, obliegt – da sie keinen Devolutiveffekt hat – dem SG.
4. Die Entscheidung über die ebenfalls hilfsweise eingelegte Anhörungsrüge trifft auch das SG, denn diese ist kein Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der die Möglichkeit der richterlichen Selbstkorrektur bietet (vgl. Leitherer: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 178a RN 2).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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