Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AL 90085/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 79/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) für eine längere als die bewilligte Anspruchsdauer.
Der am ...1963 geborene Kläger war seit dem 16. April 2002 bei der Fa. F.bau S ... GmbH in ... D ... (Arbeitgeber) als Tischler/Hilfsarbeiter beschäftigt. Er erhielt am 4. November 2003 eine betriebsbedingte Kündigung vom 31. Oktober 2003 wegen Arbeitsmangels zum 31. Januar 2004, gegen die er vor dem Arbeitsgericht Stendal (ArbG) Kündigungsschutzklage erhob.
Am 2. Januar 2004 meldete sich der Kläger bei der Beklagten zum 1. Februar 2004 arbeitslos und beantragte Alg. Er gab an, verheiratet zu sein; auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2004 waren die Lohnsteuerklasse III und ein Kinderfreibetrag eingetragen. Der Arbeitgeber bescheinigte für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2003 Arbeitsentgelt in Höhe von brutto 17.357,04 EUR. Mit Bescheid vom 4. Februar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Februar 2004 Alg für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen nach der Leistungsgruppe C/1 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 193,20 EUR.
Weil der Kläger bei der Antragstellung angeben hatte, gegen die Kündigung gerichtlich vorzugehen und noch offenstehendes Arbeitsentgelt einzuklagen, teilte die Beklagte dem Arbeitgeber mit einem Schreiben vom 2. Februar 2004 mit, dass ein Anspruchsübergang für die Lohnansprüche etc. wegen des seit dem 1. Februar 2004 gewährten Alg eingetreten sei. Der Kläger erhielt hiervon nachrichtlich von der Beklagten durch ein Schreiben ebenfalls von 2. Februar 2004 Kenntnis, in dem die Beklagte den Anspruchsübergang mitteilte. Der Kläger wurde aufgefordert, es der Beklagten anzuzeigen, sofern ihm Ansprüche auf Arbeitsentgelt zuerkannt würden.
Der Kläger beendete das Arbeitsverhältnis durch eine eigene Kündigung wegen des Zahlungsrückstands des Arbeitgebers zum 6. Juni 2004. Am 22. Juni 2004 stellte das ArbG durch Versäumnisurteil fest, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Januar 2004 aufgelöst hatte.
Am 7. Juli 2004 nahm der Kläger eine neue Beschäftigung als Tischler bei einer Innenausbaufirma auf. Im Hinblick auf das Ende dieses Arbeitsverhältnisses meldete sich der Kläger am 3. August 2004 erneut bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alg mit Bescheid vom 20. September 2004 ab dem 1. September 2004.
Mit weiterem Versäumnisurteil vom 17. September 2004 verurteilte das ArbG den Arbeitgeber, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2004 bis zum 6. Juni 2004 einen Gesamtbruttolohn von 6.262,48 EUR abzüglich der von der Beklagten für diesen Zeitraum gewährten Leistungen in Höhe von 3.505,20 EUR netto zu zahlen. Die Verfahrensbevollmächtigen des Klägers teilten der Beklagten mit einem Schriftsatz vom 31. Januar 2005 mit: Es sei gelungen, vom Arbeitgeber für den Kläger die offenen Lohnansprüche für die Zeit bis Ende Januar 2004 im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Auch bezüglich der mit dem Urteil des ArbG vom 17. September 2004 titulierten Ansprüche würde die Zwangsvollstreckung betrieben, die aber nicht mehr erfolgversprechend verlaufe, weil die Firma die Geschäftstätigkeit so gut wie aufgeben habe. Die Zwangsvollstreckung könne vom Kläger nicht betrieben werden, soweit in dem - in Kopie beigefügten arbeitsgerichtlichen Urteil vom 17. September 2004 - der auf die Beklage übergegangene Anspruch in Höhe von 3.505,20 EUR abgesetzt sei.
Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 4. Januar 2005 an den Arbeitgeber und verlangte wegen des Anspruchsübergangs die Zahlung in Höhe des an den Kläger gezahlten Alg für die Zeit vom 1. Februar bis zum 6. Juli 2004 (127 Tage) in Höhe von 3.505,50 EUR an sich.
Den Kläger informierte die Beklagte mit einem Schreiben vom 11. März 2005, dass sein laufender Anspruch auf Alg voraussichtlich am 21. April 2005 ende. Mit einem Schreiben vom 8. April 2005 an die Beklagte führten die Verfahrensbevollmächtigen des Klägers aus, wegen des auf die Beklagte aufgrund der Zahlung von Alg übergegangenen Entgeltanspruchs habe die Beitreibung in deren Händen gelegen. Die Beklagte dürfe den Zeitraum, für den Alg bei bestehendem Arbeitsentgeltanspruch geleistet worden sei, nicht in die Berechnung der Anspruchsdauer einbeziehen. Die Beklagte zahlte an den Kläger noch Alg für die Zeit bis zum 21. April 2005. Danach bezog der Kläger Arbeitslosengeld II als Leistung zur Sicherung vom zuständigen Träger der Grundsicherungsleistungen.
Am 28. Juni 2005 nahm der Kläger eine Beschäftigung als Glaser/Montagehelfer bei einer Fensterbaufirma auf.
Nachdem das zuständige Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 7. März bis zum 6. Juni 2004 Insolvenzgeld. Im Hinblick auf die teilweise bestehende Überschneidung der Insolvenzgeldgewährung mit der Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 7. März bis zum 6. Juni 2004 ging die Beklagte nun davon aus, dass insoweit kein "Verbrauch" des Alg-Anspruchs eingetreten sei, und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 nachträglich Alg für die Zeit vom 22. April bis 27. Juni 2005 bei einer noch bestehend Restanspruchsdauer von 92 Kalendertagen.
Am 30. November 2005 meldete sich der Kläger wieder ab dem 1. Januar 2006 arbeitslos, beantragte Alg und erklärte, dass keine Änderungen in den persönlichen Verhältnissen eingetreten seien. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 20. Januar 2006 Alg ab dem 1. Januar 2006 für noch 26 Tage aus einem täglichen Arbeitsentgelt von 52,24 EUR in Höhe von 27,65 EUR täglich. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und begehrte Alg für eine längere Anspruchsdauer, weil die Beklagte die auf sie übergegangenen Lohnbestandteile nicht beim Arbeitgeber eingefordert habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Sie habe zwar dem Arbeitgeber den Anspruchsübergang mitgeteilt, aber bislang noch keine Erstattung erlangt, so dass keine Rückabwicklung des rechtmäßig bewilligten Anspruches erfolge. Selbst wenn der Anspruch von ihr einzuklagen wäre, würde die Gutschrift erst dann erfolgen können, wenn der Anspruch ausgeglichen sei.
Am 6. April 2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Stendal (SG) Klage erhoben und ausgeführt: Er sei der Meinung, für mindestens noch weitere 34 Tage Anspruch auf Alg zu haben. Die Beklagte hätte die Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegen den Arbeitgeber durchsetzen müssen, was auch erfolgversprechend gewesen sei. Er habe die Beklagte bereits im Juli 2004 gebeten, dass sie die Ansprüche kurzfristig durchsetzt, da sich der Arbeitgeber bereits in Zahlungsschwierigkeiten befand. Er selbst habe die Zwangsvollstreckung noch erfolgreich betreiben können. Es dürfe nicht zu seinen Lasten gehen, wenn die Beklagte keinerlei Maßnahmen ergriffen habe.
Mit Urteil vom 17. September 2008 hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Zahlung von Alg über den 26. Januar 2006 hinaus. Die Gewährung des Alg verbrauche diesen Anspruch auch dann, wenn es im Wege der Gleichwohlgewährung gezahlt werde. Die Minderung entfalle nur dann, wenn die Beklagte für das gleichwohl gewährte Alg tatsächlich Ersatz erlange. Bei dem Insolvenzgeld habe die Beklagte dies beachtet und nachträglich Alg bewilligt. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, den auf sie durch Gesetz übergegangenen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf das Arbeitsentgelt durchzusetzen.
Gegen das ihm am 21. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. November 2008 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Es sei im Interesse der Versichertengemeinschaft, wenn die Beklagte die Ansprüche geltend mache, die infolge des gesetzlichen Anspruchsübergangs auf sie übergegangen seien. Der gesetzliche Anspruchsübergang verpflichte auch dazu, die Ansprüche durchzusetzen, was die Beklagte nicht getan habe. Er habe der Beklagten sogar angeboten, die Ansprüche auf eigene Kosten durchzusetzen und eine Ermächtigung zur Geltendmachung der Forderungen erbeten. Dies sei von der Beklagten aber abgelehnt worden. Die Sachbearbeiterin der Beklagten habe ihm im Juli 2004 auf seine Frage, ob er die vollen Lohnansprüche durchsetzen könne, mitgeteilt, dass die auf die Beklagte übergegangenen Lohnansprüche von dieser selbst durchgesetzt würden. Es entspreche der Verwaltungspraxis der Beklagten, auf sie übergegangene Ansprüche nicht zur Durchsetzung an die Arbeitnehmer rückabzutreten. Er habe die Beklagte auch mehrfach darüber informiert, dass die Insolvenz des Arbeitgebers drohe und die Forderungen zeitnah durchgesetzt werden müssten. Hätte die Beklagte die Durchsetzung der auf sie übergegangenen Forderungen betrieben, wäre dies aller Voraussicht nach auch erfolgreich gewesen. Er gehe daher mindestens von einem noch nicht erfüllten Alg-Anspruch für die Dauer von weiteren 34 Tagen aus. Selbst habe er keine Möglichkeit gehabt, den Anspruch geltend zu machen,
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG vom 17. September 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 20. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2006 zu verurteilen, ihm über den 26. Januar 2006 hinaus Arbeitslosengeld für weitere 35 Leistungstage zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass sie nicht verpflichtet sei, die auf sie übergegangenen Entgeltforderungen durchzusetzen. Ein Gespräch mit dem vom Kläger behaupteten Angebot, die übergegangen Forderungen selbst im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft beizutreiben, sei überhaupt nicht dokumentiert. Sie gehe daher davon aus, dass entsprechende Absprachen weder schriftlich noch fernmündlich getroffen worden seien, weil sich ansonsten entsprechende Vermerke finden lassen müssten. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lägen nicht vor, weil der Erfolg der klageweisen Durchsetzung nicht unterstellt werden könne. Darüber hinaus würde auch bei einer längeren Zahlung der Leistung kein rechtmäßiger Zustand hergestellt, sondern der Kläger erhalte länger Alg als ihm tatsächlich zustehe.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere fristgerecht im Sinne des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt. Die Berufung war auch nicht gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil der vom Kläger begehrte Umfang des Alg einen Beschwerdegegenstand von 940,10 EUR (34 x 27,65 EUR) ergibt.
Die Berufung ist allerdings nicht begründet. Das SG geht in seinem Urteil zutreffend davon aus, dass der Alg-Anspruch des Klägers am 26. Januar 2006 erschöpft war, so dass der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2006 nicht abzuändern war.
Der Anspruch des Klägers auf Alg ab dem 1. Januar 2006 folgt aus §§ 117 ff. des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) und war nur noch für 26 Tage zu bewilligen.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung lagen ab dem 1. Januar 2006 vor. Der Kläger war im Sinne der §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 SGB III arbeitslos, stand insbesondere zur Vermittlung zur Verfügung, und war bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Zwar hatte er infolge der vorausgegangenen Beschäftigung keine für die Entstehung eines Alg-Anspruchs ausreichende Anwartschaftszeit erfüllt. Ihm war aber der Restanspruch weiterzubewilligen, der am 1. Februar 2004 mit höchstens 360 Tagen (§ 127 Abs. 2 SGB III) entstanden war. Aus diesem Restanspruch ergab sich bei Eintritt der Arbeitslosigkeit am 1. Januar 2006 nur noch eine Anspruchsdauer von 26 Tagen.
Die Dauer des Anspruchs auf Alg wird um diejenigen Tage gemindert, für die Alg gezahlt war, § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Das für den Zeitraum vom 1. Februar 2004 bis einschließlich 6. März 2004 gewährte Alg brauchte den Anspruch somit für 35 Tage auf. Die Arbeitslosengeldgewährung für die Zeit vom 7. März 2004 bis zum 6. Juni 2004 hat die Beklagte im Hinblick auf die Insolvenzgeldbewilligung für diesen Zeitraum nicht anspruchsmindernd berücksichtigt. Für den Zeitraum vom 1. September 2004 bis zum 21. April 2005 gewährte die Beklagte zunächst 233 Tage Alg und später noch für den Zeitraum vom 22. April 2005 bis zum 27. Juni 2005, d.h. für 66 Tage (ab dem 1. Januar 2005 werden für volle Monate nur noch 30 Tage gerechnet, § 134 SGB III), so dass der Anspruch für weitere 299 Tage erfüllt ist. Insgesamt wurde somit auf den erworbenen Anspruch auf Alg für 360 Tage die Leistung für die Gesamtdauer von 334 Tagen vor der neuen Arbeitslosigkeit ab dem 1. Januar 2006 erbracht. Ab dem 1. Januar 2006 konnte der Kläger mithin nur noch einen Restanspruch auf Alg von 26 Tagen geltend machen.
Dabei ist es unerheblich, dass der Kläger während der Zahlung des Alg teilweise noch in einem Arbeitsverhältnis stand. Zwar ruht der Anspruch auf Alg nach § 143 Abs. 1 SGB III für die Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder beanspruchen kann. Dies gilt aber gemäß § 143 Abs. 3 S. 1 SGB III dann nicht, wenn der Arbeitslose das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhält (sog. Gleichwohlgewährung). Bei der Gleichwohlgewährung handelt es sich nicht um eine vorläufige Leistungsgewährung, sondern um eine endgültige. Es tritt eine Minderung des erworbenen Gesamtanspruchs auf Alg gem. § 128 Abs. 1 entsprechend der Anzahl der Tage ein, für die geleistet wird. Diese Minderung der Anspruchsdauer um die im Rahmen der Gleichwohlgewährung geleisteten Tage entfällt aber (nur dann) aus Billigkeitsgründen, wenn die Beklagte für das in der Zeit der Gleichwohlgewährung gezahlte Alg tatsächlich Ersatz erlangt hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 4. September 1979, Az. 7 RAr 51/78; Urteil vom 24. Juli 1986, Az. 7 RAr 4/85, Urteil vom 29. Januar 2008, Az. B 7/7a AL 58/06 R – hier alle zitiert nach Juris). Hier hat die Beklagte unstreitig für das geleistet Alg für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis einschließlich 6. März 2004 keinen Ersatz erhalten. Deshalb besteht für eine Verlängerung der Anspruchsdauer um diese 35 Tage im geltenden Recht und auch unter Beachtung von Billigkeitsgesichtspunkten keine Grundlage.
Eine Verlängerung des Anspruchs folgt nicht daraus, dass es die Beklagte unterlassen hat, den auf sie übergegangenen Anspruch auf Arbeitsentgelt bei dem Arbeitgeber gerichtlich einzufordern. Darauf ob die Beklagte eine naheliegende Realisierung des auf sie übergegangenen Anspruchs unterlassen hat, kommt es nicht an. Dies wird von Bundessozialgericht damit begründet, dass es nicht zu den Aufgaben der Beklagten gehöre, arbeitsrechtliche Ansprüche einzuklagen und insofern das Prozessrisiko zu tragen (BSG, Urteil vom 29. November 1988, Az. 11/7 RAr 79/87 = SozR 4100 § 117 Nr. 23).
Eine rechtlich erhebliche Verpflichtung der Beklagten zur Geltendmachung der Lohnansprüche folgt auch nicht aus den Regelungen über den gesetzlichen Forderungsübergang. Der Übergang des Anspruchs nach § 115 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erfolgt nur nach dem für alle Risiko- bzw. Schadensversicherungen geltenden Prinzip, dass der Versicherer bei Leistung Inhaber der Ersatzforderungen wird. In keiner Risikoversicherung folgt daraus ein subjektiver Anspruch des Versicherten, dass der Versicherer den Regress tatsächlich betreibt. Im Übrigen hat die Arbeitslosenversicherung auch die weiteren möglichen Folgen eines Regresses, wie etwa die Insolvenz des Arbeitgebers und die hierdurch drohende Arbeitslosigkeit weiterer Arbeitnehmer zu beachten. Der Arbeitnehmer wiederum muss fürchten, dass die Vollstreckung der ihm verbliebenen (nicht übergegangenen) Ansprüche scheitert, wenn ihm die Beklagte zuvorkommt. Im Übrigen bewirkt nicht die Beklagte, sondern der Arbeitnehmer mit seinem Antrag auf Alg die Auszahlung und den Verbrauch seines Anspruchs. Wenn ihm die Vollstreckung der Lohnansprüche erfolgreich erscheint, kann er auf diesen Antrag verzichten. Aus dieser vielschichtigen Interessenlage lässt sich auch speziell für die Arbeitslosenversicherung kein Rechtssatz aufstellen, dass sie zur Geltendmachung des Anspruchs verpflichtet ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juni 1987 Az. 7 RAr 16/86; dem folgend LSG Nordrhein-Westfalen, 18. Juni 2008, Az. L 12 AL 96/07 – zitiert nach Juris).
Es sind auch sonst keine Gründe erkennbar, nach denen der Verbrauch des Anspruchs aufgrund der rechtmäßigen Gewährung des Alg zu einer unbilligen Benachteiligung des Klägers führt. Insbesondere liegt kein Fall vor, in dem es die Beklagte etwa pflichtwidrig unterlassen hat, den Kläger über den Anspruchsübergang hinzuweisen, so dass aus diesem Grund eine "Gutschrift" (richtiger: der aus Billigkeitsgründen vorzunehmende Verzicht auf die Geltendmachung der Rechtsfolgen aus der Gewährung des Alg) erfolgen soll (vgl. dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, Az. L 12 AL 46/07 – zitiert nach Juris). Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 2. Februar 2004 darauf hingewiesen, dass sie durch die Gewährung des Alg in diesem Umfang Inhaberin der Forderung wird.
Über die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann ebenfalls keine Verlängerung der eigentlich zustehenden Bezugsdauer erreicht werden. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitert schon daran, dass keine Pflichtverletzung der Beklagten erkennbar ist. Die Beklagte war hier - wie oben dargestellt - nicht zur Geltendmachung der auf sie übergegangenen Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet. Eine Pflicht der Beklagten, die betroffenen Arbeitnehmer stets zu ermächtigen, den Anspruch auf Zahlung an sie selbst im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. dazu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2008, Az.: 5 AZR 432/07- zitiert nach juris) liegt nicht vor. Eine für die Prozessstandschaft erforderliche Ermächtigung würde dem betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit einräumen, durch Prozesserklärungen ganz oder teilweise über den Anspruch zu verfügen. Wenn es der Verwaltungspraxis der Beklagten entspricht, keine entsprechende Ermächtigungen zu erteilten, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
Offen kann bleiben, ob eine Pflichtverletzung darin liegen könnte, wenn die Beklagte auf eine konkrete Anfrage des betroffenen Arbeitnehmers hin eine Ermächtigung zur Geltendmachung ohne Sachgründe verweigert. Der Senat hält es hier nicht für erwiesen, dass aufgrund einer entsprechenden Anfrage des Klägers an die Beklagte im Juli 2004 oder später eine Situation auftrat, die eine Entscheidung der Beklagten über eine Ermächtigung des Klägers zur gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich machte. Der Kläger hat nicht angeben können, wem gegenüber er die Bereitschaft erklärt hat, gegenüber dem Arbeitgeber auf Zahlung an die Beklagte vorgehen zu wollen. Mangels näherer Hinweise sieht der Senat hier auch keine Ermittlungsmöglichkeiten. Die Verfahrensbevollmächtigen des Klägers haben die Beklagte nach Lage der Akten erst nach Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gegen den Arbeitgeber mit Schriftsatz vom 31. Januar 2005 in Kenntnis gesetzt, dass sie mit dem Urteil des ArbG vom 17. September 2004 titulierte Ansprüche für die Zeit der Gleichwohlgewährung erwirkt hatten, die sich aber nur auf die nicht übergegangenen Entgeltansprüche bezogen. Zugleich teilten sie mit, die weitere Zwangsvollstreckung sei nicht erfolgversprechend, weil die Firma die Geschäftstätigkeit so gut wie aufgeben haben. Es hätte nahegelegen, die Beklagte schon vor Einreichung der Zahlungsklage gegen den Arbeitgeber durch anwaltliches Schreiben zu informierten und um Ermächtigung auch zum Einklagen der übergegangenen Entgeltansprüche zu bitten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die keine nicht schon von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärten Zweifelsfragen aufwirft.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) für eine längere als die bewilligte Anspruchsdauer.
Der am ...1963 geborene Kläger war seit dem 16. April 2002 bei der Fa. F.bau S ... GmbH in ... D ... (Arbeitgeber) als Tischler/Hilfsarbeiter beschäftigt. Er erhielt am 4. November 2003 eine betriebsbedingte Kündigung vom 31. Oktober 2003 wegen Arbeitsmangels zum 31. Januar 2004, gegen die er vor dem Arbeitsgericht Stendal (ArbG) Kündigungsschutzklage erhob.
Am 2. Januar 2004 meldete sich der Kläger bei der Beklagten zum 1. Februar 2004 arbeitslos und beantragte Alg. Er gab an, verheiratet zu sein; auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2004 waren die Lohnsteuerklasse III und ein Kinderfreibetrag eingetragen. Der Arbeitgeber bescheinigte für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2003 Arbeitsentgelt in Höhe von brutto 17.357,04 EUR. Mit Bescheid vom 4. Februar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Februar 2004 Alg für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen nach der Leistungsgruppe C/1 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 193,20 EUR.
Weil der Kläger bei der Antragstellung angeben hatte, gegen die Kündigung gerichtlich vorzugehen und noch offenstehendes Arbeitsentgelt einzuklagen, teilte die Beklagte dem Arbeitgeber mit einem Schreiben vom 2. Februar 2004 mit, dass ein Anspruchsübergang für die Lohnansprüche etc. wegen des seit dem 1. Februar 2004 gewährten Alg eingetreten sei. Der Kläger erhielt hiervon nachrichtlich von der Beklagten durch ein Schreiben ebenfalls von 2. Februar 2004 Kenntnis, in dem die Beklagte den Anspruchsübergang mitteilte. Der Kläger wurde aufgefordert, es der Beklagten anzuzeigen, sofern ihm Ansprüche auf Arbeitsentgelt zuerkannt würden.
Der Kläger beendete das Arbeitsverhältnis durch eine eigene Kündigung wegen des Zahlungsrückstands des Arbeitgebers zum 6. Juni 2004. Am 22. Juni 2004 stellte das ArbG durch Versäumnisurteil fest, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Januar 2004 aufgelöst hatte.
Am 7. Juli 2004 nahm der Kläger eine neue Beschäftigung als Tischler bei einer Innenausbaufirma auf. Im Hinblick auf das Ende dieses Arbeitsverhältnisses meldete sich der Kläger am 3. August 2004 erneut bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alg mit Bescheid vom 20. September 2004 ab dem 1. September 2004.
Mit weiterem Versäumnisurteil vom 17. September 2004 verurteilte das ArbG den Arbeitgeber, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2004 bis zum 6. Juni 2004 einen Gesamtbruttolohn von 6.262,48 EUR abzüglich der von der Beklagten für diesen Zeitraum gewährten Leistungen in Höhe von 3.505,20 EUR netto zu zahlen. Die Verfahrensbevollmächtigen des Klägers teilten der Beklagten mit einem Schriftsatz vom 31. Januar 2005 mit: Es sei gelungen, vom Arbeitgeber für den Kläger die offenen Lohnansprüche für die Zeit bis Ende Januar 2004 im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Auch bezüglich der mit dem Urteil des ArbG vom 17. September 2004 titulierten Ansprüche würde die Zwangsvollstreckung betrieben, die aber nicht mehr erfolgversprechend verlaufe, weil die Firma die Geschäftstätigkeit so gut wie aufgeben habe. Die Zwangsvollstreckung könne vom Kläger nicht betrieben werden, soweit in dem - in Kopie beigefügten arbeitsgerichtlichen Urteil vom 17. September 2004 - der auf die Beklage übergegangene Anspruch in Höhe von 3.505,20 EUR abgesetzt sei.
Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 4. Januar 2005 an den Arbeitgeber und verlangte wegen des Anspruchsübergangs die Zahlung in Höhe des an den Kläger gezahlten Alg für die Zeit vom 1. Februar bis zum 6. Juli 2004 (127 Tage) in Höhe von 3.505,50 EUR an sich.
Den Kläger informierte die Beklagte mit einem Schreiben vom 11. März 2005, dass sein laufender Anspruch auf Alg voraussichtlich am 21. April 2005 ende. Mit einem Schreiben vom 8. April 2005 an die Beklagte führten die Verfahrensbevollmächtigen des Klägers aus, wegen des auf die Beklagte aufgrund der Zahlung von Alg übergegangenen Entgeltanspruchs habe die Beitreibung in deren Händen gelegen. Die Beklagte dürfe den Zeitraum, für den Alg bei bestehendem Arbeitsentgeltanspruch geleistet worden sei, nicht in die Berechnung der Anspruchsdauer einbeziehen. Die Beklagte zahlte an den Kläger noch Alg für die Zeit bis zum 21. April 2005. Danach bezog der Kläger Arbeitslosengeld II als Leistung zur Sicherung vom zuständigen Träger der Grundsicherungsleistungen.
Am 28. Juni 2005 nahm der Kläger eine Beschäftigung als Glaser/Montagehelfer bei einer Fensterbaufirma auf.
Nachdem das zuständige Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 7. März bis zum 6. Juni 2004 Insolvenzgeld. Im Hinblick auf die teilweise bestehende Überschneidung der Insolvenzgeldgewährung mit der Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 7. März bis zum 6. Juni 2004 ging die Beklagte nun davon aus, dass insoweit kein "Verbrauch" des Alg-Anspruchs eingetreten sei, und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 nachträglich Alg für die Zeit vom 22. April bis 27. Juni 2005 bei einer noch bestehend Restanspruchsdauer von 92 Kalendertagen.
Am 30. November 2005 meldete sich der Kläger wieder ab dem 1. Januar 2006 arbeitslos, beantragte Alg und erklärte, dass keine Änderungen in den persönlichen Verhältnissen eingetreten seien. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 20. Januar 2006 Alg ab dem 1. Januar 2006 für noch 26 Tage aus einem täglichen Arbeitsentgelt von 52,24 EUR in Höhe von 27,65 EUR täglich. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und begehrte Alg für eine längere Anspruchsdauer, weil die Beklagte die auf sie übergegangenen Lohnbestandteile nicht beim Arbeitgeber eingefordert habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Sie habe zwar dem Arbeitgeber den Anspruchsübergang mitgeteilt, aber bislang noch keine Erstattung erlangt, so dass keine Rückabwicklung des rechtmäßig bewilligten Anspruches erfolge. Selbst wenn der Anspruch von ihr einzuklagen wäre, würde die Gutschrift erst dann erfolgen können, wenn der Anspruch ausgeglichen sei.
Am 6. April 2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Stendal (SG) Klage erhoben und ausgeführt: Er sei der Meinung, für mindestens noch weitere 34 Tage Anspruch auf Alg zu haben. Die Beklagte hätte die Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegen den Arbeitgeber durchsetzen müssen, was auch erfolgversprechend gewesen sei. Er habe die Beklagte bereits im Juli 2004 gebeten, dass sie die Ansprüche kurzfristig durchsetzt, da sich der Arbeitgeber bereits in Zahlungsschwierigkeiten befand. Er selbst habe die Zwangsvollstreckung noch erfolgreich betreiben können. Es dürfe nicht zu seinen Lasten gehen, wenn die Beklagte keinerlei Maßnahmen ergriffen habe.
Mit Urteil vom 17. September 2008 hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Zahlung von Alg über den 26. Januar 2006 hinaus. Die Gewährung des Alg verbrauche diesen Anspruch auch dann, wenn es im Wege der Gleichwohlgewährung gezahlt werde. Die Minderung entfalle nur dann, wenn die Beklagte für das gleichwohl gewährte Alg tatsächlich Ersatz erlange. Bei dem Insolvenzgeld habe die Beklagte dies beachtet und nachträglich Alg bewilligt. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, den auf sie durch Gesetz übergegangenen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf das Arbeitsentgelt durchzusetzen.
Gegen das ihm am 21. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. November 2008 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Es sei im Interesse der Versichertengemeinschaft, wenn die Beklagte die Ansprüche geltend mache, die infolge des gesetzlichen Anspruchsübergangs auf sie übergegangen seien. Der gesetzliche Anspruchsübergang verpflichte auch dazu, die Ansprüche durchzusetzen, was die Beklagte nicht getan habe. Er habe der Beklagten sogar angeboten, die Ansprüche auf eigene Kosten durchzusetzen und eine Ermächtigung zur Geltendmachung der Forderungen erbeten. Dies sei von der Beklagten aber abgelehnt worden. Die Sachbearbeiterin der Beklagten habe ihm im Juli 2004 auf seine Frage, ob er die vollen Lohnansprüche durchsetzen könne, mitgeteilt, dass die auf die Beklagte übergegangenen Lohnansprüche von dieser selbst durchgesetzt würden. Es entspreche der Verwaltungspraxis der Beklagten, auf sie übergegangene Ansprüche nicht zur Durchsetzung an die Arbeitnehmer rückabzutreten. Er habe die Beklagte auch mehrfach darüber informiert, dass die Insolvenz des Arbeitgebers drohe und die Forderungen zeitnah durchgesetzt werden müssten. Hätte die Beklagte die Durchsetzung der auf sie übergegangenen Forderungen betrieben, wäre dies aller Voraussicht nach auch erfolgreich gewesen. Er gehe daher mindestens von einem noch nicht erfüllten Alg-Anspruch für die Dauer von weiteren 34 Tagen aus. Selbst habe er keine Möglichkeit gehabt, den Anspruch geltend zu machen,
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG vom 17. September 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 20. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2006 zu verurteilen, ihm über den 26. Januar 2006 hinaus Arbeitslosengeld für weitere 35 Leistungstage zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass sie nicht verpflichtet sei, die auf sie übergegangenen Entgeltforderungen durchzusetzen. Ein Gespräch mit dem vom Kläger behaupteten Angebot, die übergegangen Forderungen selbst im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft beizutreiben, sei überhaupt nicht dokumentiert. Sie gehe daher davon aus, dass entsprechende Absprachen weder schriftlich noch fernmündlich getroffen worden seien, weil sich ansonsten entsprechende Vermerke finden lassen müssten. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lägen nicht vor, weil der Erfolg der klageweisen Durchsetzung nicht unterstellt werden könne. Darüber hinaus würde auch bei einer längeren Zahlung der Leistung kein rechtmäßiger Zustand hergestellt, sondern der Kläger erhalte länger Alg als ihm tatsächlich zustehe.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere fristgerecht im Sinne des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt. Die Berufung war auch nicht gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil der vom Kläger begehrte Umfang des Alg einen Beschwerdegegenstand von 940,10 EUR (34 x 27,65 EUR) ergibt.
Die Berufung ist allerdings nicht begründet. Das SG geht in seinem Urteil zutreffend davon aus, dass der Alg-Anspruch des Klägers am 26. Januar 2006 erschöpft war, so dass der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2006 nicht abzuändern war.
Der Anspruch des Klägers auf Alg ab dem 1. Januar 2006 folgt aus §§ 117 ff. des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) und war nur noch für 26 Tage zu bewilligen.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung lagen ab dem 1. Januar 2006 vor. Der Kläger war im Sinne der §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 SGB III arbeitslos, stand insbesondere zur Vermittlung zur Verfügung, und war bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Zwar hatte er infolge der vorausgegangenen Beschäftigung keine für die Entstehung eines Alg-Anspruchs ausreichende Anwartschaftszeit erfüllt. Ihm war aber der Restanspruch weiterzubewilligen, der am 1. Februar 2004 mit höchstens 360 Tagen (§ 127 Abs. 2 SGB III) entstanden war. Aus diesem Restanspruch ergab sich bei Eintritt der Arbeitslosigkeit am 1. Januar 2006 nur noch eine Anspruchsdauer von 26 Tagen.
Die Dauer des Anspruchs auf Alg wird um diejenigen Tage gemindert, für die Alg gezahlt war, § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Das für den Zeitraum vom 1. Februar 2004 bis einschließlich 6. März 2004 gewährte Alg brauchte den Anspruch somit für 35 Tage auf. Die Arbeitslosengeldgewährung für die Zeit vom 7. März 2004 bis zum 6. Juni 2004 hat die Beklagte im Hinblick auf die Insolvenzgeldbewilligung für diesen Zeitraum nicht anspruchsmindernd berücksichtigt. Für den Zeitraum vom 1. September 2004 bis zum 21. April 2005 gewährte die Beklagte zunächst 233 Tage Alg und später noch für den Zeitraum vom 22. April 2005 bis zum 27. Juni 2005, d.h. für 66 Tage (ab dem 1. Januar 2005 werden für volle Monate nur noch 30 Tage gerechnet, § 134 SGB III), so dass der Anspruch für weitere 299 Tage erfüllt ist. Insgesamt wurde somit auf den erworbenen Anspruch auf Alg für 360 Tage die Leistung für die Gesamtdauer von 334 Tagen vor der neuen Arbeitslosigkeit ab dem 1. Januar 2006 erbracht. Ab dem 1. Januar 2006 konnte der Kläger mithin nur noch einen Restanspruch auf Alg von 26 Tagen geltend machen.
Dabei ist es unerheblich, dass der Kläger während der Zahlung des Alg teilweise noch in einem Arbeitsverhältnis stand. Zwar ruht der Anspruch auf Alg nach § 143 Abs. 1 SGB III für die Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder beanspruchen kann. Dies gilt aber gemäß § 143 Abs. 3 S. 1 SGB III dann nicht, wenn der Arbeitslose das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhält (sog. Gleichwohlgewährung). Bei der Gleichwohlgewährung handelt es sich nicht um eine vorläufige Leistungsgewährung, sondern um eine endgültige. Es tritt eine Minderung des erworbenen Gesamtanspruchs auf Alg gem. § 128 Abs. 1 entsprechend der Anzahl der Tage ein, für die geleistet wird. Diese Minderung der Anspruchsdauer um die im Rahmen der Gleichwohlgewährung geleisteten Tage entfällt aber (nur dann) aus Billigkeitsgründen, wenn die Beklagte für das in der Zeit der Gleichwohlgewährung gezahlte Alg tatsächlich Ersatz erlangt hat (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 4. September 1979, Az. 7 RAr 51/78; Urteil vom 24. Juli 1986, Az. 7 RAr 4/85, Urteil vom 29. Januar 2008, Az. B 7/7a AL 58/06 R – hier alle zitiert nach Juris). Hier hat die Beklagte unstreitig für das geleistet Alg für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis einschließlich 6. März 2004 keinen Ersatz erhalten. Deshalb besteht für eine Verlängerung der Anspruchsdauer um diese 35 Tage im geltenden Recht und auch unter Beachtung von Billigkeitsgesichtspunkten keine Grundlage.
Eine Verlängerung des Anspruchs folgt nicht daraus, dass es die Beklagte unterlassen hat, den auf sie übergegangenen Anspruch auf Arbeitsentgelt bei dem Arbeitgeber gerichtlich einzufordern. Darauf ob die Beklagte eine naheliegende Realisierung des auf sie übergegangenen Anspruchs unterlassen hat, kommt es nicht an. Dies wird von Bundessozialgericht damit begründet, dass es nicht zu den Aufgaben der Beklagten gehöre, arbeitsrechtliche Ansprüche einzuklagen und insofern das Prozessrisiko zu tragen (BSG, Urteil vom 29. November 1988, Az. 11/7 RAr 79/87 = SozR 4100 § 117 Nr. 23).
Eine rechtlich erhebliche Verpflichtung der Beklagten zur Geltendmachung der Lohnansprüche folgt auch nicht aus den Regelungen über den gesetzlichen Forderungsübergang. Der Übergang des Anspruchs nach § 115 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erfolgt nur nach dem für alle Risiko- bzw. Schadensversicherungen geltenden Prinzip, dass der Versicherer bei Leistung Inhaber der Ersatzforderungen wird. In keiner Risikoversicherung folgt daraus ein subjektiver Anspruch des Versicherten, dass der Versicherer den Regress tatsächlich betreibt. Im Übrigen hat die Arbeitslosenversicherung auch die weiteren möglichen Folgen eines Regresses, wie etwa die Insolvenz des Arbeitgebers und die hierdurch drohende Arbeitslosigkeit weiterer Arbeitnehmer zu beachten. Der Arbeitnehmer wiederum muss fürchten, dass die Vollstreckung der ihm verbliebenen (nicht übergegangenen) Ansprüche scheitert, wenn ihm die Beklagte zuvorkommt. Im Übrigen bewirkt nicht die Beklagte, sondern der Arbeitnehmer mit seinem Antrag auf Alg die Auszahlung und den Verbrauch seines Anspruchs. Wenn ihm die Vollstreckung der Lohnansprüche erfolgreich erscheint, kann er auf diesen Antrag verzichten. Aus dieser vielschichtigen Interessenlage lässt sich auch speziell für die Arbeitslosenversicherung kein Rechtssatz aufstellen, dass sie zur Geltendmachung des Anspruchs verpflichtet ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juni 1987 Az. 7 RAr 16/86; dem folgend LSG Nordrhein-Westfalen, 18. Juni 2008, Az. L 12 AL 96/07 – zitiert nach Juris).
Es sind auch sonst keine Gründe erkennbar, nach denen der Verbrauch des Anspruchs aufgrund der rechtmäßigen Gewährung des Alg zu einer unbilligen Benachteiligung des Klägers führt. Insbesondere liegt kein Fall vor, in dem es die Beklagte etwa pflichtwidrig unterlassen hat, den Kläger über den Anspruchsübergang hinzuweisen, so dass aus diesem Grund eine "Gutschrift" (richtiger: der aus Billigkeitsgründen vorzunehmende Verzicht auf die Geltendmachung der Rechtsfolgen aus der Gewährung des Alg) erfolgen soll (vgl. dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. September 2009, Az. L 12 AL 46/07 – zitiert nach Juris). Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 2. Februar 2004 darauf hingewiesen, dass sie durch die Gewährung des Alg in diesem Umfang Inhaberin der Forderung wird.
Über die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann ebenfalls keine Verlängerung der eigentlich zustehenden Bezugsdauer erreicht werden. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitert schon daran, dass keine Pflichtverletzung der Beklagten erkennbar ist. Die Beklagte war hier - wie oben dargestellt - nicht zur Geltendmachung der auf sie übergegangenen Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet. Eine Pflicht der Beklagten, die betroffenen Arbeitnehmer stets zu ermächtigen, den Anspruch auf Zahlung an sie selbst im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. dazu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2008, Az.: 5 AZR 432/07- zitiert nach juris) liegt nicht vor. Eine für die Prozessstandschaft erforderliche Ermächtigung würde dem betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit einräumen, durch Prozesserklärungen ganz oder teilweise über den Anspruch zu verfügen. Wenn es der Verwaltungspraxis der Beklagten entspricht, keine entsprechende Ermächtigungen zu erteilten, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
Offen kann bleiben, ob eine Pflichtverletzung darin liegen könnte, wenn die Beklagte auf eine konkrete Anfrage des betroffenen Arbeitnehmers hin eine Ermächtigung zur Geltendmachung ohne Sachgründe verweigert. Der Senat hält es hier nicht für erwiesen, dass aufgrund einer entsprechenden Anfrage des Klägers an die Beklagte im Juli 2004 oder später eine Situation auftrat, die eine Entscheidung der Beklagten über eine Ermächtigung des Klägers zur gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich machte. Der Kläger hat nicht angeben können, wem gegenüber er die Bereitschaft erklärt hat, gegenüber dem Arbeitgeber auf Zahlung an die Beklagte vorgehen zu wollen. Mangels näherer Hinweise sieht der Senat hier auch keine Ermittlungsmöglichkeiten. Die Verfahrensbevollmächtigen des Klägers haben die Beklagte nach Lage der Akten erst nach Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gegen den Arbeitgeber mit Schriftsatz vom 31. Januar 2005 in Kenntnis gesetzt, dass sie mit dem Urteil des ArbG vom 17. September 2004 titulierte Ansprüche für die Zeit der Gleichwohlgewährung erwirkt hatten, die sich aber nur auf die nicht übergegangenen Entgeltansprüche bezogen. Zugleich teilten sie mit, die weitere Zwangsvollstreckung sei nicht erfolgversprechend, weil die Firma die Geschäftstätigkeit so gut wie aufgeben haben. Es hätte nahegelegen, die Beklagte schon vor Einreichung der Zahlungsklage gegen den Arbeitgeber durch anwaltliches Schreiben zu informierten und um Ermächtigung auch zum Einklagen der übergegangenen Entgeltansprüche zu bitten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die keine nicht schon von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärten Zweifelsfragen aufwirft.
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