L 11 AS 896/10 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AS 791/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 896/10 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Nichtzulassungsbeschwerde erfolglos, wenn Verfahrensfehler tats=
=C3=A4chlich nicht vorliegen
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des
Sozialgerichts Nürnberg vom 04.08.2010 - S 5 AS 791/10 - wird zurück-
gewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.
Streitig ist, ob der Beklagte Zinsen für nachzuzahlende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.11.2009 in Höhe von ca. 15 EUR zu zahlen hat.
Mit Beschluss vom 11.11.2009 - L 11 AS 708/09 B ER - hat das Bayer. Landessozialgericht (LSG) den Beklagten im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens verpflichtet, für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.11.2009 an die Klägerin Alg II in Höhe von 704,35 EUR aufgrund eines nicht aufgehobenen Bescheides vom 07.06.2009 zu erbringen.
Mit Bescheid vom 03.12.2009 hob daraufhin der Beklagte den den Bescheid vom 07.06.2009 ändernden Bescheid vom 14.07.2009 - darin war eine Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und einer dritten Person angenommen und an die Klägerin lediglich 246,76 EUR monatliche Leistungen ab 01.07.2009 bewilligt worden - auf und bewilligte u.a. für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.11.2009 an die Klägerin 704,35 EUR Alg II sowie eine Nachzahlung in Höhe von 251,47 EUR. Der Bescheid wurde nach Auffassung des Beklagten Gegenstand des vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) laufenden Klageverfahrens wegen Zwangsgeldfestsetzung - S 5 AS 791/10 - bezogen auf die Leistungen für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.11.2009. Am 12.05.2010 hat die Klägerin gegen den Beklagten beim SG Klage mit dem Begehren erhoben, den Beklagten zur Zinszahlung in Höhe von insgesamt 14,72 EUR hinsichtlich der noch nicht beglichenen Nachzahlungen zu verurteilen. Eine Restforderung in Höhe von 1.460,80 EUR an Nachzahlungen sei mit 4 % zu verzinsen. Ein Teil der bisherigen Leistungen für die streitgegenständliche Zeit sei an die der vermeintlichen Bedarfsgemeinschaft zugerechnete dritte Person von dem Beklagten gezahlt worden. Der Beklagte habe eine vollständige Nachzahlung nicht nachgewiesen.
Das SG hat die Klage nach mündlicher Verhandlung - an der die Klägerin nicht teilgenommen hat - mit Urteil vom 04.08.2010 abgewiesen. Zinsen gemäß § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) seien nicht zu zahlen, denn der Beklagte habe nachgewiesen, dass keine weiteren Beträge an die Klägerin nachzuzahlen seien. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.
Dagegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde zum LSG eingelegt. Das SG habe gegen die Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen (§ 103 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Es habe eine vollständige Nachzahlung nicht nachgewiesen, vielmehr fingierte Zahlungsbelege vorgelegt. Auch für Barauszahlungen gebe es keine Nachweise. Zudem habe der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung, weil er vom Beschluss des LSG vom 11.11.2009
- L 11 AS 708/09 B ER - abweiche und sie selbst habe krankheitsbedingt an der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht teilnehmen können. Das Urteil sei auch erst nach über drei Monaten abgesetzt worden und nicht vom Vorsitzenden unterschrieben.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerde-
gegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladwig/Keller/ Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 144 Rdnr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4).

Eine grundsätzliche Bedeutung ist nicht zu erkennen. Das SG weicht auch nicht von einer obergerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere von dem Beschluss des Senats vom 11.11.2009 ab. Vielmehr sollte dieser Beschluss durch den Bescheid des Beklagten vom 03.12.2009 - endgültig - ausgeführt werden. Eine Abweichung des SG hiervon ist nicht zu erkennen. Zu den evtl. zu zahlenden Zinsen sind in diesem Beschluss des Senats vom 11.11.2009 keine Ausführungen zu finden.
Ein Verfahrensfehler ist ebenfalls nicht zu erkennen. Eine mündliche Verhandlung konnte ohne die Klägerin stattfinden, zumal sie das SG nicht einmal um Vertagung unter Nachweis eines entsprechenden Grundes gebeten hat. Ihr persönliches Erscheinen war nicht angeordnet worden.
Das SG hat auch seine Amtsermittlungspflicht nicht verletzt. Es hat sich aus seiner Sicht - allein auf diese ist abzustellen (vgl. Leitherer aaO § 144 Rdnr 32a) - nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen, wenn es die von dem Beklagten vorgelegten Beweise als ausreichend angesehen hat. Dies kann allenfalls einen Fehler im Rahmen der Beweiswürdigung darstellen. Die vom SG vorgenommene Beweiswürdigung ist jedoch im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu überprüfen (vgl. hierzu Leitherer aaO Rdnr 34a).
Die Urteilsabsetzung erst im November 2010 stellt auch keinen Verfahrensfehler dar. Bei der Regelung in § 134 Abs 2 Satz 1 SGG handelt es sich um eine Soll-Vorschrift. Eine Verletzung dieser Ordnungsvorschrift ist unschädlich (Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, aaO § 134 Rdnr 4), wobei eine Absetzung fünf Monate nach der Verkündung als Obergrenze anzusehen ist (vgl. Keller aaO Rdnr 2c). § 135 SGG ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Das Urteil des SG ist auch auf dem Original, das sich in der SG-Akte befindet, von der Vorsitzenden unterschrieben worden (§ 134 SGG).
Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG gemäß § 145 Abs 4 Satz 4 SGG rechtskräftig ist. Ob das Urteil des SG inhaltlich unzutreffend ist, d.h. ob die ausstehenden Beträge unter Beachtung der Tatsache, dass ein Teil der für die streitgegenständliche Zeit aufgrund des Bescheides vom 14.07.2009 ausgezahlten Beträge an die vermeintlich zur Bedarfsgemeinschaft gehörende dritte Person ausgezahlt worden sind, vollständig nachgezahlt wurden und daher keine Zinsen zu zahlen sind, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ebenso wenig zu prüfen wie die Frage, ob eine eigenständige Klage auf Zinszahlungen überhaupt zulässig ist oder bereits im Rahmen eines Verfahrens gegen den Bescheid vom 03.12.2009 zu prüfen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved