L 13 AS 1302/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 961/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1302/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 30. März 2011 wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. März 2011 aufgehoben und der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 7. März 2011 zurückgewiesen.

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung im vorliegenden Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten ist, dem Antragsteller vorläufig und bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff SGB II zu gewähren.

Der 1960 geborene, alleinstehende Antragsteller bezog bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 28. Februar 2011 von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff SGB II.

Seinen Weiterbewilligungsantrag vom 27. Januar 2011 lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21. Februar 2011 ab, da der Antragsteller über ein Vermögen (Lebensversicherung bei der B. Versicherung) in Höhe vom 9.214,44 Euro zuzüglich Überschussbeteiligung in Höhe von 534,50 Euro verfüge. Das Vermögen liege über der Vermögensfreigrenze in Höhe von 8.250,00 Euro. Hiergegen erhob der Antragsteller am 24. Februar 2011 Widerspruch.

Am 7. März 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Das SG hat mit Beschluss vom 11. März 2011 die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für den Zeitraum vom 7. März 2011 bis zum 31. August 2011, jedoch längstens bis zur Bestandskraft des Bescheids vom 21. Februar 2011, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 807,53 Euro zu gewähren. Im Übrigen hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung der zusprechenden Entscheidung hat das SG ausgeführt, zwar sei Vermögen bedarfsmindernd einzusetzen, doch habe es die Antragsgegnerin bislang versäumt, im Wege der Amtsermittlungspflicht zu ermitteln, wie hoch der Wert der Summe der vom Antragsteller eingezahlten Beiträge zur Lebensversicherung sei und ob nicht eine Verwertung der Lebensversicherung offensichtlich unwirtschaftlich sei.

Die Antragsgegnerin hob daraufhin mit Bescheid vom 16. März 2011 den Bescheid vom 21. Februar 2011 auf. Eine weitere Entscheidung der Antragsgegnerin ist nicht ergangen, sie hat jedoch den Beschluss des SG ausgeführt.

Gegen den ihr am 14. März 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 30. März 2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Beschwerde erhoben. Mittlerweile stehe ausweislich einer Bestätigung der B. Versicherung vom 17. März 2011 fest, dass der Rückkaufswert betragsmäßig nahezu identisch sei mit der Summe der eingezahlten Beiträge und eine vorzeitige Auflösung somit dem Antragsteller keinen Verlust einbringe. Es sei dem Antragsteller zuzumuten, die Versicherung aufzulösen. Dem Antragsteller hätten allenfalls Leistungen im Wege eines Darlehens erbracht werden können, wobei diese von der Bestellung einer Sicherheit abhängig gemacht worden wären. Sollte nach dem 31. Mai 2011 durch eine Unterschreitung der Vermögensfreigrenzen Hilfebedürftigkeit eintreten, werde die Antragsgegnerin eine zukunftsbezogene Leistungsgewährung aussprechen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. März 2011 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers vom 7. März 2011 zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, nach dem SG solle keine Versorgungslücke entstehen, bis der Sachverhalt geklärt sei.

Die B. Versicherungen hat mit Schreiben vom 17. März 2011 gegenüber dem Antragsteller ausgeführt, der Rückkaufswert betrage 9.214,44 Euro. Die Summe der eingezahlten Beiträge belaufe sich zum 31. März 2011 auf 9.203,04 Euro. Die Kündigungsfrist betrage einen Monat zum Ende des nächsten Ratenzahlungsabschnittes. Im April 2011 hat der Antragsteller daraufhin die Versicherung gekündigt. Zum 31. Mai 2011 wurden dem Antragsteller 9.933,27 Euro ausbezahlt.

Der Antragsteller befand sich wegen einer Muskelerkrankung im März 2011 in ärztlicher Behandlung im Universitätsklinikum XXX.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Beschwerdeakte des LSG sowie die beigezogenen Akten des SG und der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit insgesamt zulässig. Die Beschwerde ist in der Sache begründet. Das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat die Antragsgegnerin zu Unrecht verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.

Prozessuale Grundlage des im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruchs ist § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. BVerfG in NJW 2003, 1236 f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - veröffentlicht in juris). Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Zugrundelegung der (hier maßgeblichen) Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde hat der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs i.S. eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.S.d. §§ 19 ff SGB II nicht glaubhaft gemacht.

Voraussetzung eines Leistungsanspruchs nach den §§ 19 ff SGB II ist das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II. Nach § 9 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1 SGB II hat der Antragsteller - unter Berücksichtigung der Regelungen des § 12 Abs. 2 bis 4 SGB II - auch sein Vermögen zur Verminderung bzw. Beseitigung von Hilfebedürftigkeit einzusetzen, also zu verwerten. Da es sich bei der vorliegend streitigen Lebensversicherung nicht um nach § 12 Abs. 3 SGB II berücksichtigungsfreies Vermögen handelt, sind die Vermögensfreibetrags-grenzen des § 12 Abs. 2 SGB II zu beachten. Hiernach steht dem Antragsteller ein Vermögensfreibetrag von (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II: 150,00 Euro x 50 Jahre = 7.500,00 Euro; § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II: 750,00 Euro) insgesamt 8.250,00 Euro zu. Das vorhandene Vermögen in Form der Lebensversicherung bei der B. Versicherungen in Höhe von 9.214,44 Euro bzw. nach Auszahlung der Versicherung am 31. Mai 2011 in Höhe von 9.933,27 Euro übersteigt diesen Freibetrag.

Der Freibetrag erhöht sich nicht nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. 3 SGB II, denn es handelt sich weder um eine Altersvorsorge, die nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert wurde (Nr. 2) noch um eine Altersvorsorge, bei der der Inhaber die Verwertbarkeit unwiderruflich ausgeschlossen hat (Nr. 3). Vielmehr zeigt gerade der Geschehensablauf (Kündigung und Auszahlung), dass die Verwertbarkeit nicht ausgeschlossen worden war.

Auch ist die Vermögensverwertung nicht offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II, denn wie sich aus der Bescheinigung der B. Versicherungen vom 17. März 2011 ergibt, beläuft sich der eingezahlte Beitragswert auf 9.203,04 Euro, der Rückkaufswert auf 9.214,44 Euro und der Auszahlbetrag auf 9.933,27 Euro (Abrechnung vom 19. April 2011).

Wegen des den Freibetrag übersteigenden Vermögens ist der Antragsteller nicht hilfebedürftig. Ihm steht daher kein Anspruch auf Leistungen nach den §§ 19 ff SGB II zu.

Soweit Hilfebedürftigkeit dadurch eintreten wird, dass das Vermögen des Antragstellers - ggf. auch durch Rückzahlung des von der Antragsgegnerin bereits in Folge des angefochtenen Beschlusses des SG Geleisteten - unter den Wert der Vermögensfreigrenze sinkt, wäre die Antragsgegnerin zur Leistung verpflichtet. Diese Vermögensminderung müsste der Antragsteller jedoch gegenüber der Antragsgegnerin im noch offenen Verwaltungsverfahren auf seinen Antrag vom 27. Januar 2011 hin, darlegen.

Auch der Umstand, dass der Antragsteller nur über den Leistungsbezug in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig und damit in der Lage war, die Krankenbehandlung im März durchzuführen, begründet keinen Anordnungsanspruch. Der Antragsteller kann sich für die Zeit der fehlenden Hilfebedürftigkeit aus seinem Vermögen gegen Krankheit versichern.

Da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist, war der Beschluss des SG aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 7. März 2011 zurückzuweisen.

III.

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe im vorliegenden Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Das vorliegende Beschwerdeverfahren ist für den Antragsteller kostenfrei. Einen Anwalt hat er selbst nicht benannt und auf den Hinweis des Senats, er könne beantragen durch den Senat einen Rechtsanwalt zu benennen (§ 73a Abs. 1 Satz 2 SGG), mitgeteilt, einen Rechtsanwalt nicht zu benötigen.

Da mithin keine Prozesskosten zulasten des Antragstellers anfallen, war der Antrag abzulehnen (vgl. auch Beschluss des Senats vom 9. September 2010 - L 13 AS 3811/10 ER-B; Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. April 2010 - L 7 AS 300/10 B PKH; Leitherer in Mayer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 73a Rdnr. 9) ...

IV.

Die Beschlüsse sind nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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