Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 9 U 144/09
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 U 182/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur fehlenden Befugnis des gesetzlichen Unfallversicherungsträgers gegenüber dem haftungsprivilegierten Schädiger, der weder Mitglied noch Versicherter der Berufsgenossenschaft ist, von Amts wegen über den Umfang der zu erstattenden Leistungen durch Verwaltungsakt zu entscheiden.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19.03.2010, ergänzt durch Beschluss vom 15.07.2010, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, mit dem die Beklagte gegenüber dem Kläger die Höhe der dem Beigeladenen wegen eines Arbeitsunfalles erbrachten Leistungen festgestellt hat.
Der Beigeladene erlitt am 13.03.2007 bei seiner Tätigkeit als Forstwirt des Forstamtes J bei Aufräumarbeiten der durch den Sturm "Kyrill" verursachten Windwürfe einen Arbeitsunfall, als er sich im Wald zum Zurücklegen einer Wegstrecke auf das Frontpolterschild der Rückemaschine des Klägers setzte, der zum Unfallzeitpunkt als selbständiger Lohnunternehmer im Auftrag der Staatlichen Forstverwaltung an den Aufräumarbeiten mitwirkte. Beim plötzlichen Absenken des Rückeschildes nach wenigen Metern Fahrt konnte der Beigeladene nicht rechtzeitig abspringen und geriet unter das Schild. Wegen der hierbei erlittenen Verletzungen musste bei ihm eine linksseitige Oberschenkelamputation durchgeführt werden. Die Beklagte als für den Beigeladenen zuständiger Unfallversicherungsträger erbrachte umfangreiche Leistungen, ua in Gestalt von Heilbehandlung, Verletztengeld und Verletztenrente, wobei der Kläger am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt wurde. Gegen diesen erhob die Beklagte vor dem Landgericht (LG) F wegen der dem Beigeladenen erbrachten Leistungen und der ihr entstandenen Aufwendungen Klage auf Zahlung von Schadensersatz, weil der Kläger beim Transport des Beigeladenen auf dem Frontpolterschild des Rückefahrzeuges zumindest grob fahrlässig gehandelt habe und deshalb das Haftungsprivileg nach § 106 Abs 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) für vorübergehend auf einer gemeinsamen Betriebsstätte betriebliche Tätigkeiten Verrichtende nicht eingreife und der Kläger nach § 110 Abs 1 SGB VII ersatzpflichtig sei. Der Kläger bestritt seine Einstandspflicht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Das LG F setzte den Zivilrechtsstreit durch Beschluss vom 06.03.2009 ( ) gemäß § 108 Abs 2 SGB VII bis zum Vorliegen einer unanfechtbaren Entscheidung des Unfallversicherungsträgers über die Höhe des Leistungsumfanges unter Beteiligung des Klägers aus. Es gab diesem auf, das Verfahren gemäß § 108 Abs 1 SGB VII binnen drei Monaten einzuleiten. Mit Bescheid vom 06.03.2009 stellte die Beklagte von Amts wegen ohne Beteiligung des Beigeladenen gegenüber dem Kläger die durch diesen zu erstattenden durch den Unfall des Beigeladenen bedingten Aufwendungen mit 127.810,11 EUR (Stand: 06.03.2009) fest. Dem Widerspruch des Klägers gab die Beklagte lediglich in Höhe von 1.101,68 EUR statt, da in Höhe von 1.101,96 EUR (!) eine Überzahlung von Verletztengeld nebst Sozialversicherungsbeiträgen durch die Krankenkasse zwischenzeitlich erstattet worden sei (Widerspruchsbescheid vom 27.04.2009).
Am 19.05.2009 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Speyer erhoben und geltend gemacht, unabhängig von der - im Einzelnen ebenfalls angegriffenen - inhaltlichen Richtigkeit des Bescheides der Beklagten, sei dieser mangels Rechtsgrundlage bereits formell rechtswidrig, weil eine Divergenzsituation, wie sie § 108 SGB VII vermeiden solle, überhaupt nicht entstehen könne. Dass der Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten habe und ihm von der Beklagten Leistungen zu erbringen seien, werde auch von ihm, dem Kläger, nicht bestritten. Über den Umfang des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches müsse das Zivilgericht ggf urteilen, vorrangig gehe es aber darum, ob überhaupt ein Ersatzanspruch der Beklagten im Hinblick auf die Privilegierung des § 106 SGB VII bestehe. Dass keine Divergenz drohe, werde schon dadurch deutlich, dass die Beklagte den Beigeladenen nicht einmal am Verfahren beteiligt habe. Hinsichtlich eines Bescheides der Beklagten vom 10.07.2009, mit dem die Beklagte weitere Aufwendungen in Höhe von 8.880,13 EUR (Stand: 10.07.2009) gegenüber dem Kläger auf Grund des Arbeitsunfalles festgestellt hat, haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung des SG den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits einvernehmlich zum Ruhen gebracht.
Durch Urteil vom 19.03.2010, in der Kostenentscheidung ergänzt durch Beschluss vom 15.07.2010, hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Feststellung des Leistungsumfanges der dem Beigeladenen erbrachten Leistungen durch den Beklagten nach § 108 SGB VII lägen nicht vor. Vordergründig stehe zwischen den Beteiligten im Streit, ob der grundsätzlich haftungsprivilegierte Beklagte des Zivilrechtsstreits und Kläger des vorliegenden Verfahrens wegen vorsätzlich oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles sein Haftungsprivileg verloren habe. Ungeachtet dessen, dass wegen der im Zivil- und Unfallversicherungsrecht geltenden unterschiedlichen Kausalitätsnormen hinsichtlich der dem Entschädigungsumfang zu Grunde liegenden Folgen des Versicherungsfalles eine Bindungswirkung nicht bestehe (Hinweis auf Krasney, NZS 2004, 68; Ricke, in: Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 108 SGB VII Rn 2) und demzufolge vom Unfallversicherungsträger keine bindenden Feststellungen getroffen werden könnten, bleibe nach der Systematik des § 108 SGB VII nur dort Raum für eine umfassende Überprüfung der dem Versicherten erbrachten Einzelleistungen, wo die Haftung des Privilegierten dem Grunde nach überhaupt feststehe. Im Übrigen sei gleichermaßen wie bei einer Entscheidung gegenüber dem geschädigten Versicherten zur Herbeiführung der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung gegenüber dem Schädiger im Sinne des § 108 SGB VII dessen Hinzuziehung zum Verfahren nach § 12 Abs 2 S 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderlich gewesen, sodass die fehlende Beteiligung des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren verfahrensfehlerhaft sei und die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide zur Folge habe.
Gegen das ihr am 08.07.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.07.2010 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Regelung des § 108 SGB VII erfasse nach dem klaren Wortlaut auch eine unanfechtbare Entscheidung zum Umfang der nach dem SGB VII zu erbringenden Leistungen. Eine entsprechende Entscheidung habe das Zivilgericht ihr, der Beklagten, abverlangt. Dies sei auch sinnvoll, da die Frage, ob die an den Beigeladenen erbrachten Leistungen ausschließlich durch dessen Verletzung verursacht wurden, der Höhe nach richtig ausgezahlt wurden und insbesondere hinsichtlich der Berechtigung, Erforderlichkeit, Berechnung und Berechnungsgrundlagen durch die Leistungserbringer im Einzelnen richtig waren, ausschließlich auf sozialrechtlichen Vorschriften beruhe, zu deren Auslegung die SG sachnäher seien. Die angefochtenen Bescheide seien auch nicht wegen Verfahrensfehlern aufzuheben. Nach § 42 SGB X sei ein Bescheid nicht deswegen aufzuheben, weil die Verwaltung von Amts wegen anstatt auf Antrag gehandelt hätte. Im Übrigen ergebe die Interessenlage, dh spätestens das Einlassen des Klägers auf den Bescheid, dass von einem Antrag auslegungsweise auszugehen sei. Auch das Verhalten des Klägers im Zivilprozess, in dem sie den Erlass des ergangenen Bescheides ausdrücklich angeboten habe und sich der Kläger auf die Aussetzung eingelassen habe, sei im Sinne einer Aufforderung zum Tätigwerden zu deuten. Entgegen der Auffassung des SG habe der Beigeladene am vorliegenden Streit nicht beteiligt werden müssen. Ihm gegenüber habe sie, die Beklagte, die Leistungen nämlich entweder richtig festgestellt - sonst hätte sich der Beigeladene schon gemeldet - oder sie habe die Leistungen fiskalisch erbracht und sei daher seinen Interessen nachgekommen. Seine rechtlichen Interessen würden daher durch das vorliegende Verfahren nicht berührt. Auch eine Rückforderung von eventuell überzahlten Beträgen komme unter Berücksichtigung der Regelungen der §§ 45, 48 SGB X nicht in Betracht. Das mangelnde Interesse des Beigeladenen werde dadurch verdeutlicht, dass er im vorliegenden Rechtsstreit keinen Antrag gestellt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19.03.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er betont, er habe zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf entsprechende Verbescheidung bei der Beklagten gestellt. Hierzu habe er keine Veranlassung gehabt, da es sich vorliegend um eine rein zivilrechtliche Frage handele. Den Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten habe er erhoben, um Rechtsnachteile zu verhindern. Hieraus könne nicht auf eine Antragstellung rückgeschlossen werden. Auch der Umstand, dass er gegen den Aussetzungsbeschluss des LG keine Beschwerde eingelegt habe, rechtfertige nicht die Annahme, er habe die von der Beklagten vorgenommene Bescheiderteilung angestrebt. Im Gegenteil habe er sogar ausdrücklich die fehlende Rechtsgrundlage hierfür gerügt. Letztlich diene die Regelung des § 108 SGB VII nicht dazu, den Unfallversicherungsträger bei der Geltendmachung eines Regressanspruches nach § 110 SGB VII zu veranlassen, den Leistungsumfang im Sozialrechtsweg festzustellen, die Schadensersatzpflicht aber im Zivilrechtsweg. § 108 SGB VII betreffe einen Ersatzanspruch nach §§ 104 bis 107 SGB VII und beziehe sich auf Ansprüche des Versicherten, nicht aber auf den Regressanspruch des Unfallversicherungsträgers nach § 110 SGB VII.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das SG hat im Ergebnis zu Recht den vorliegend allein streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 06.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2009 aufgehoben, denn die Beklagte hatte keine Befugnis, gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakt zu entscheiden.
Ein Verwaltungsakt ist nur rechtmäßig, wenn die Verwaltung befugt ist, durch Verwaltungsakt zu handeln. Die Befugnis zu einer Regelung in Form des Verwaltungsaktes ist zum Teil gesetzlich bestimmt (vgl etwa § 50 Abs 3 S 1 SGB X), zum Teil gibt es darüber keine Regelung. In diesem Fall muss sich die Zulässigkeit zur Entscheidung durch Verwaltungsakt durch Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften ergeben. Erlässt die Behörde einen Verwaltungsakt, obwohl sie hierzu nicht befugt ist, ist dieser aufzuheben, weil der Adressat einer solchen Erklärung unerlaubt mit dem Risiko belastet wird, dass diese später in anderen Zusammenhängen unzutreffend als bestandskräftiger Verwaltungsakt qualifiziert wird (zum Vorstehenden Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz - SGG -, 9. Auflage, Anhang § 54 Rn 4 mwN).
Vorliegend ist eine ausdrückliche gesetzliche Befugnis der Beklagten, dem Kläger gegenüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden, nicht gegeben. Auch eine Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften des SGB VII ergibt eine solche Befugnis nicht. Der Kläger ist weder Mitglied der Beklagten noch deren Versicherter, es besteht mithin keine Sonderverbindung, aus der eine (ungeschriebene) Befugnis zur Entscheidung durch Verwaltungsakt gefolgert werden könnte. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Regelungen der § 104ff SGB VII, insbesondere § 108 SGB VII. Letztere Vorschrift grenzt die Entscheidungszuständigkeit der Zivilgerichte von derjenigen der Sozialgerichtsbarkeit ab und dient dazu, divergierende Beurteilungen zu vermeiden und eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen Kriterien zu gewährleisten, um zu verhindern, dass der Geschädigte weder zivilrechtlichen Schadensersatz (weil das Zivilgericht die Haftung nach §§ 104ff SGB VII für ausgeschlossen hält) noch eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung (weil die Unfallversicherungsträger bzw SG einen Versicherungsfall verneinen) erhält. § 108 SGB VII weist die Entscheidungszuständigkeit über die im ersten Absatz der Bestimmung genannten Fragen deshalb den Unfallversicherungsträgern bzw SG zu und setzt dadurch der Sachprüfung der Zivilgerichte Grenzen, soweit Ersatzansprüche der §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Art in Frage stehen. Soweit die Zivilgerichte nach § 108 Abs 1 SGB VII gebunden sind, haben sie Feststellungen zu den dort genannten Fragen nicht zu treffen, sondern (nur) zu prüfen, ob und ggf mit welchem Inhalt darüber im sozialrechtlichen Verfahren unanfechtbar entschieden wurde. Liegt eine solche Entscheidung vor, muss sie das Zivilgericht seiner eigenen zu Grunde legen, ohne insoweit selbst eine sachliche Prüfung anzustellen. Fehlt es hingegen an einer entsprechenden sozialrechtlichen Entscheidung, sind die Zivilgerichte grundsätzlich an einer eigenen Entscheidung gehindert, bis eine solche Entscheidung ergangen und unanfechtbar geworden ist. Bis dahin haben sie ihr Verfahren nach § 108 Abs 2 S 2 SGB VII auszusetzen. Allerdings folgt aus § 108 Abs 2 S 2 SGB VII, dass für den Fall, dass ein sozialrechtliches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, die Entscheidung der Zivilgerichte nur dahin gehen darf, "dafür" eine Frist zu bestimmen, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist. Die zu setzende Frist bezieht sich insoweit - wie das Wort "dafür" ergibt - nur auf die Verfahrenseinleitung, nicht hingegen auf die Beendigung des Verfahrens. Nach dem fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist bleibt das Zivilgericht auf entsprechenden Aufnahmeantrag eines der Beteiligten selbst zur Entscheidung über die in § 108 Abs 1 SGB VII genannten Fragen zuständig, weil in diesem Fall der sonst strikte Vorrang der Entscheidungszuständigkeit der Unfallversicherungsträger bzw der Sozialgerichtsbarkeit aufgehoben ist, um eine Verfahrensverschleppung zu verhindern (vgl zum Vorstehenden OLG Celle 05.03.2010 - 14 W 1/10 und 14 W 10/10, juris Rn 17f mwN). Aus § 108 SGB VII ergibt sich nicht, wer zur Einleitung des sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens im Sinne des § 108 Abs 2 SGB VII berechtigt ist. Ausgehend von den in § 108 Abs 1 SGB VII in Bezug genommenen Haftungsregelungen der §§ 104 bis 107 SGB VII ist dies in erster Linie der gesetzlich Unfallversicherte als Geschädigter, der gegenüber einem möglicherweise nach § 104 bis 107 SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger einen Ersatzanspruch geltend macht. § 109 SGB VII räumt darüber hinaus dem haftungsprivilegierten Schädiger, dem gegenüber Versicherte, ihre Angehörigen und Hinterbliebenen Schadensersatzforderungen erheben, eine Feststellungsberechtigung nach § 108 SGB VII anstelle des Berechtigten dh des geschädigten Versicherten ein. Damit räumt § 109 SGB VII dem Unfallversicherungsträger die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes gegenüber dem haftungsprivilegierten Schädiger nur ein, wenn dieser statt des Berechtigten die Feststellungen nach § 108 SGB VII beantragt. Selbst wenn man daher entgegen der Auffassung des Klägers für den vorliegend streitigen Schadensersatzanspruch der Beklagten nach § 110 Abs 1 SGB VII wegen der in § 112 SGB VII angeordneten Geltung auch des § 108 SGB VII über die Bindung der (Zivil-)Gerichte an eine unanfechtbare Entscheidung des Unfallversicherungsträger oder der SG auch § 108 Abs 2 SGB VII sowie die Feststellungsberechtigung nach § 109 SGB VII (entsprechend) für anwendbar hielte, so könnte ein entsprechender Verwaltungsakt des Unfallversicherungsträgers gegenüber dem nach § 106 Abs 3 SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger jedenfalls nur ergehen, wenn dieser statt des Berechtigten die Feststellungen nach § 108 SGB VII beantragt hat.
Dies ist vorliegend entgegen der Berufungsauffassung der Beklagten nicht der Fall. Der Kläger betont zu Recht, dass er zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf entsprechende Verbescheidung gestellt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann eine Antragstellung nicht in einem "Einlassen des Klägers auf den Bescheid" gesehen werden, zumal dieses "Einlassen" lediglich in der Einlegung eines Widerspruchs gegen den förmlichen Bescheid vom 06.03.2009 bestand. Auch der Umstand, dass der Kläger gegen den Aussetzungsbeschluss des LG F keine Beschwerde eingelegt hat, beinhaltet nicht eine Antragstellung auf die Feststellungen nach § 108 SGB VII. Vielmehr wurde dem (hiesigen) Kläger im genannten Beschluss lediglich aufgegeben, das Verfahren gemäß § 108 Abs 1 SGB VII binnen drei Monaten einzuleiten. Der Beschluss bzw das unterbliebene Rechtsmittel des Klägers gegen diesen Beschluss beinhaltet mithin noch nicht selbst eine entsprechende Antragstellung. Die fehlende Antragstellung des Klägers schließlich ist auch nicht nach § 42 SGB X unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Ein fehlender Antrag ist nach § 41 Abs 1 Nr 1 SGB X jedoch nur unbeachtlich, wenn er nachträglich gestellt wird. Solange er fehlt, macht dies den Verwaltungsakt rechtswidrig (Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl, § 41 Rn 6). Dem Bescheid der Beklagten vom 06.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2009 fehlt mithin die Rechtsgrundlage, sodass das SG die Bescheide zu Recht aufgehoben hat.
Da der Kläger der ihm in seiner Stellung als dortiger Beklagter vom LG F im Beschluss vom 06.03.2009 aufgegebenen Verpflichtung zur Einleitung des Verfahrens nach § 108 Abs 1 SGB VII nicht nachgekommen ist, bleibt es der hiesigen Beklagten (Klägerin des Zivilrechtsstreits) unbenommen, wegen des fruchtlosem Ablaufes der gesetzten Frist beim Zivilgericht einen entsprechenden Aufnahmeantrag zu stellen (vgl hierzu Oberlandesgericht - OLG - Celle 05.03.2010 aaO, juris Rn 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen war nicht anzuordnen, weil dieser sich nicht aktiv am Verfahren beteiligt hat (§ 162 Abs 3 VwGO).
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, mit dem die Beklagte gegenüber dem Kläger die Höhe der dem Beigeladenen wegen eines Arbeitsunfalles erbrachten Leistungen festgestellt hat.
Der Beigeladene erlitt am 13.03.2007 bei seiner Tätigkeit als Forstwirt des Forstamtes J bei Aufräumarbeiten der durch den Sturm "Kyrill" verursachten Windwürfe einen Arbeitsunfall, als er sich im Wald zum Zurücklegen einer Wegstrecke auf das Frontpolterschild der Rückemaschine des Klägers setzte, der zum Unfallzeitpunkt als selbständiger Lohnunternehmer im Auftrag der Staatlichen Forstverwaltung an den Aufräumarbeiten mitwirkte. Beim plötzlichen Absenken des Rückeschildes nach wenigen Metern Fahrt konnte der Beigeladene nicht rechtzeitig abspringen und geriet unter das Schild. Wegen der hierbei erlittenen Verletzungen musste bei ihm eine linksseitige Oberschenkelamputation durchgeführt werden. Die Beklagte als für den Beigeladenen zuständiger Unfallversicherungsträger erbrachte umfangreiche Leistungen, ua in Gestalt von Heilbehandlung, Verletztengeld und Verletztenrente, wobei der Kläger am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt wurde. Gegen diesen erhob die Beklagte vor dem Landgericht (LG) F wegen der dem Beigeladenen erbrachten Leistungen und der ihr entstandenen Aufwendungen Klage auf Zahlung von Schadensersatz, weil der Kläger beim Transport des Beigeladenen auf dem Frontpolterschild des Rückefahrzeuges zumindest grob fahrlässig gehandelt habe und deshalb das Haftungsprivileg nach § 106 Abs 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) für vorübergehend auf einer gemeinsamen Betriebsstätte betriebliche Tätigkeiten Verrichtende nicht eingreife und der Kläger nach § 110 Abs 1 SGB VII ersatzpflichtig sei. Der Kläger bestritt seine Einstandspflicht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Das LG F setzte den Zivilrechtsstreit durch Beschluss vom 06.03.2009 ( ) gemäß § 108 Abs 2 SGB VII bis zum Vorliegen einer unanfechtbaren Entscheidung des Unfallversicherungsträgers über die Höhe des Leistungsumfanges unter Beteiligung des Klägers aus. Es gab diesem auf, das Verfahren gemäß § 108 Abs 1 SGB VII binnen drei Monaten einzuleiten. Mit Bescheid vom 06.03.2009 stellte die Beklagte von Amts wegen ohne Beteiligung des Beigeladenen gegenüber dem Kläger die durch diesen zu erstattenden durch den Unfall des Beigeladenen bedingten Aufwendungen mit 127.810,11 EUR (Stand: 06.03.2009) fest. Dem Widerspruch des Klägers gab die Beklagte lediglich in Höhe von 1.101,68 EUR statt, da in Höhe von 1.101,96 EUR (!) eine Überzahlung von Verletztengeld nebst Sozialversicherungsbeiträgen durch die Krankenkasse zwischenzeitlich erstattet worden sei (Widerspruchsbescheid vom 27.04.2009).
Am 19.05.2009 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Speyer erhoben und geltend gemacht, unabhängig von der - im Einzelnen ebenfalls angegriffenen - inhaltlichen Richtigkeit des Bescheides der Beklagten, sei dieser mangels Rechtsgrundlage bereits formell rechtswidrig, weil eine Divergenzsituation, wie sie § 108 SGB VII vermeiden solle, überhaupt nicht entstehen könne. Dass der Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten habe und ihm von der Beklagten Leistungen zu erbringen seien, werde auch von ihm, dem Kläger, nicht bestritten. Über den Umfang des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches müsse das Zivilgericht ggf urteilen, vorrangig gehe es aber darum, ob überhaupt ein Ersatzanspruch der Beklagten im Hinblick auf die Privilegierung des § 106 SGB VII bestehe. Dass keine Divergenz drohe, werde schon dadurch deutlich, dass die Beklagte den Beigeladenen nicht einmal am Verfahren beteiligt habe. Hinsichtlich eines Bescheides der Beklagten vom 10.07.2009, mit dem die Beklagte weitere Aufwendungen in Höhe von 8.880,13 EUR (Stand: 10.07.2009) gegenüber dem Kläger auf Grund des Arbeitsunfalles festgestellt hat, haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung des SG den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits einvernehmlich zum Ruhen gebracht.
Durch Urteil vom 19.03.2010, in der Kostenentscheidung ergänzt durch Beschluss vom 15.07.2010, hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Feststellung des Leistungsumfanges der dem Beigeladenen erbrachten Leistungen durch den Beklagten nach § 108 SGB VII lägen nicht vor. Vordergründig stehe zwischen den Beteiligten im Streit, ob der grundsätzlich haftungsprivilegierte Beklagte des Zivilrechtsstreits und Kläger des vorliegenden Verfahrens wegen vorsätzlich oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles sein Haftungsprivileg verloren habe. Ungeachtet dessen, dass wegen der im Zivil- und Unfallversicherungsrecht geltenden unterschiedlichen Kausalitätsnormen hinsichtlich der dem Entschädigungsumfang zu Grunde liegenden Folgen des Versicherungsfalles eine Bindungswirkung nicht bestehe (Hinweis auf Krasney, NZS 2004, 68; Ricke, in: Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 108 SGB VII Rn 2) und demzufolge vom Unfallversicherungsträger keine bindenden Feststellungen getroffen werden könnten, bleibe nach der Systematik des § 108 SGB VII nur dort Raum für eine umfassende Überprüfung der dem Versicherten erbrachten Einzelleistungen, wo die Haftung des Privilegierten dem Grunde nach überhaupt feststehe. Im Übrigen sei gleichermaßen wie bei einer Entscheidung gegenüber dem geschädigten Versicherten zur Herbeiführung der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung gegenüber dem Schädiger im Sinne des § 108 SGB VII dessen Hinzuziehung zum Verfahren nach § 12 Abs 2 S 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderlich gewesen, sodass die fehlende Beteiligung des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren verfahrensfehlerhaft sei und die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide zur Folge habe.
Gegen das ihr am 08.07.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.07.2010 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Regelung des § 108 SGB VII erfasse nach dem klaren Wortlaut auch eine unanfechtbare Entscheidung zum Umfang der nach dem SGB VII zu erbringenden Leistungen. Eine entsprechende Entscheidung habe das Zivilgericht ihr, der Beklagten, abverlangt. Dies sei auch sinnvoll, da die Frage, ob die an den Beigeladenen erbrachten Leistungen ausschließlich durch dessen Verletzung verursacht wurden, der Höhe nach richtig ausgezahlt wurden und insbesondere hinsichtlich der Berechtigung, Erforderlichkeit, Berechnung und Berechnungsgrundlagen durch die Leistungserbringer im Einzelnen richtig waren, ausschließlich auf sozialrechtlichen Vorschriften beruhe, zu deren Auslegung die SG sachnäher seien. Die angefochtenen Bescheide seien auch nicht wegen Verfahrensfehlern aufzuheben. Nach § 42 SGB X sei ein Bescheid nicht deswegen aufzuheben, weil die Verwaltung von Amts wegen anstatt auf Antrag gehandelt hätte. Im Übrigen ergebe die Interessenlage, dh spätestens das Einlassen des Klägers auf den Bescheid, dass von einem Antrag auslegungsweise auszugehen sei. Auch das Verhalten des Klägers im Zivilprozess, in dem sie den Erlass des ergangenen Bescheides ausdrücklich angeboten habe und sich der Kläger auf die Aussetzung eingelassen habe, sei im Sinne einer Aufforderung zum Tätigwerden zu deuten. Entgegen der Auffassung des SG habe der Beigeladene am vorliegenden Streit nicht beteiligt werden müssen. Ihm gegenüber habe sie, die Beklagte, die Leistungen nämlich entweder richtig festgestellt - sonst hätte sich der Beigeladene schon gemeldet - oder sie habe die Leistungen fiskalisch erbracht und sei daher seinen Interessen nachgekommen. Seine rechtlichen Interessen würden daher durch das vorliegende Verfahren nicht berührt. Auch eine Rückforderung von eventuell überzahlten Beträgen komme unter Berücksichtigung der Regelungen der §§ 45, 48 SGB X nicht in Betracht. Das mangelnde Interesse des Beigeladenen werde dadurch verdeutlicht, dass er im vorliegenden Rechtsstreit keinen Antrag gestellt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19.03.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er betont, er habe zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf entsprechende Verbescheidung bei der Beklagten gestellt. Hierzu habe er keine Veranlassung gehabt, da es sich vorliegend um eine rein zivilrechtliche Frage handele. Den Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten habe er erhoben, um Rechtsnachteile zu verhindern. Hieraus könne nicht auf eine Antragstellung rückgeschlossen werden. Auch der Umstand, dass er gegen den Aussetzungsbeschluss des LG keine Beschwerde eingelegt habe, rechtfertige nicht die Annahme, er habe die von der Beklagten vorgenommene Bescheiderteilung angestrebt. Im Gegenteil habe er sogar ausdrücklich die fehlende Rechtsgrundlage hierfür gerügt. Letztlich diene die Regelung des § 108 SGB VII nicht dazu, den Unfallversicherungsträger bei der Geltendmachung eines Regressanspruches nach § 110 SGB VII zu veranlassen, den Leistungsumfang im Sozialrechtsweg festzustellen, die Schadensersatzpflicht aber im Zivilrechtsweg. § 108 SGB VII betreffe einen Ersatzanspruch nach §§ 104 bis 107 SGB VII und beziehe sich auf Ansprüche des Versicherten, nicht aber auf den Regressanspruch des Unfallversicherungsträgers nach § 110 SGB VII.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das SG hat im Ergebnis zu Recht den vorliegend allein streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 06.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2009 aufgehoben, denn die Beklagte hatte keine Befugnis, gegenüber dem Kläger durch Verwaltungsakt zu entscheiden.
Ein Verwaltungsakt ist nur rechtmäßig, wenn die Verwaltung befugt ist, durch Verwaltungsakt zu handeln. Die Befugnis zu einer Regelung in Form des Verwaltungsaktes ist zum Teil gesetzlich bestimmt (vgl etwa § 50 Abs 3 S 1 SGB X), zum Teil gibt es darüber keine Regelung. In diesem Fall muss sich die Zulässigkeit zur Entscheidung durch Verwaltungsakt durch Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften ergeben. Erlässt die Behörde einen Verwaltungsakt, obwohl sie hierzu nicht befugt ist, ist dieser aufzuheben, weil der Adressat einer solchen Erklärung unerlaubt mit dem Risiko belastet wird, dass diese später in anderen Zusammenhängen unzutreffend als bestandskräftiger Verwaltungsakt qualifiziert wird (zum Vorstehenden Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz - SGG -, 9. Auflage, Anhang § 54 Rn 4 mwN).
Vorliegend ist eine ausdrückliche gesetzliche Befugnis der Beklagten, dem Kläger gegenüber durch Verwaltungsakt zu entscheiden, nicht gegeben. Auch eine Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften des SGB VII ergibt eine solche Befugnis nicht. Der Kläger ist weder Mitglied der Beklagten noch deren Versicherter, es besteht mithin keine Sonderverbindung, aus der eine (ungeschriebene) Befugnis zur Entscheidung durch Verwaltungsakt gefolgert werden könnte. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Regelungen der § 104ff SGB VII, insbesondere § 108 SGB VII. Letztere Vorschrift grenzt die Entscheidungszuständigkeit der Zivilgerichte von derjenigen der Sozialgerichtsbarkeit ab und dient dazu, divergierende Beurteilungen zu vermeiden und eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen Kriterien zu gewährleisten, um zu verhindern, dass der Geschädigte weder zivilrechtlichen Schadensersatz (weil das Zivilgericht die Haftung nach §§ 104ff SGB VII für ausgeschlossen hält) noch eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung (weil die Unfallversicherungsträger bzw SG einen Versicherungsfall verneinen) erhält. § 108 SGB VII weist die Entscheidungszuständigkeit über die im ersten Absatz der Bestimmung genannten Fragen deshalb den Unfallversicherungsträgern bzw SG zu und setzt dadurch der Sachprüfung der Zivilgerichte Grenzen, soweit Ersatzansprüche der §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Art in Frage stehen. Soweit die Zivilgerichte nach § 108 Abs 1 SGB VII gebunden sind, haben sie Feststellungen zu den dort genannten Fragen nicht zu treffen, sondern (nur) zu prüfen, ob und ggf mit welchem Inhalt darüber im sozialrechtlichen Verfahren unanfechtbar entschieden wurde. Liegt eine solche Entscheidung vor, muss sie das Zivilgericht seiner eigenen zu Grunde legen, ohne insoweit selbst eine sachliche Prüfung anzustellen. Fehlt es hingegen an einer entsprechenden sozialrechtlichen Entscheidung, sind die Zivilgerichte grundsätzlich an einer eigenen Entscheidung gehindert, bis eine solche Entscheidung ergangen und unanfechtbar geworden ist. Bis dahin haben sie ihr Verfahren nach § 108 Abs 2 S 2 SGB VII auszusetzen. Allerdings folgt aus § 108 Abs 2 S 2 SGB VII, dass für den Fall, dass ein sozialrechtliches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, die Entscheidung der Zivilgerichte nur dahin gehen darf, "dafür" eine Frist zu bestimmen, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist. Die zu setzende Frist bezieht sich insoweit - wie das Wort "dafür" ergibt - nur auf die Verfahrenseinleitung, nicht hingegen auf die Beendigung des Verfahrens. Nach dem fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist bleibt das Zivilgericht auf entsprechenden Aufnahmeantrag eines der Beteiligten selbst zur Entscheidung über die in § 108 Abs 1 SGB VII genannten Fragen zuständig, weil in diesem Fall der sonst strikte Vorrang der Entscheidungszuständigkeit der Unfallversicherungsträger bzw der Sozialgerichtsbarkeit aufgehoben ist, um eine Verfahrensverschleppung zu verhindern (vgl zum Vorstehenden OLG Celle 05.03.2010 - 14 W 1/10 und 14 W 10/10, juris Rn 17f mwN). Aus § 108 SGB VII ergibt sich nicht, wer zur Einleitung des sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens im Sinne des § 108 Abs 2 SGB VII berechtigt ist. Ausgehend von den in § 108 Abs 1 SGB VII in Bezug genommenen Haftungsregelungen der §§ 104 bis 107 SGB VII ist dies in erster Linie der gesetzlich Unfallversicherte als Geschädigter, der gegenüber einem möglicherweise nach § 104 bis 107 SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger einen Ersatzanspruch geltend macht. § 109 SGB VII räumt darüber hinaus dem haftungsprivilegierten Schädiger, dem gegenüber Versicherte, ihre Angehörigen und Hinterbliebenen Schadensersatzforderungen erheben, eine Feststellungsberechtigung nach § 108 SGB VII anstelle des Berechtigten dh des geschädigten Versicherten ein. Damit räumt § 109 SGB VII dem Unfallversicherungsträger die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes gegenüber dem haftungsprivilegierten Schädiger nur ein, wenn dieser statt des Berechtigten die Feststellungen nach § 108 SGB VII beantragt. Selbst wenn man daher entgegen der Auffassung des Klägers für den vorliegend streitigen Schadensersatzanspruch der Beklagten nach § 110 Abs 1 SGB VII wegen der in § 112 SGB VII angeordneten Geltung auch des § 108 SGB VII über die Bindung der (Zivil-)Gerichte an eine unanfechtbare Entscheidung des Unfallversicherungsträger oder der SG auch § 108 Abs 2 SGB VII sowie die Feststellungsberechtigung nach § 109 SGB VII (entsprechend) für anwendbar hielte, so könnte ein entsprechender Verwaltungsakt des Unfallversicherungsträgers gegenüber dem nach § 106 Abs 3 SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger jedenfalls nur ergehen, wenn dieser statt des Berechtigten die Feststellungen nach § 108 SGB VII beantragt hat.
Dies ist vorliegend entgegen der Berufungsauffassung der Beklagten nicht der Fall. Der Kläger betont zu Recht, dass er zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf entsprechende Verbescheidung gestellt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann eine Antragstellung nicht in einem "Einlassen des Klägers auf den Bescheid" gesehen werden, zumal dieses "Einlassen" lediglich in der Einlegung eines Widerspruchs gegen den förmlichen Bescheid vom 06.03.2009 bestand. Auch der Umstand, dass der Kläger gegen den Aussetzungsbeschluss des LG F keine Beschwerde eingelegt hat, beinhaltet nicht eine Antragstellung auf die Feststellungen nach § 108 SGB VII. Vielmehr wurde dem (hiesigen) Kläger im genannten Beschluss lediglich aufgegeben, das Verfahren gemäß § 108 Abs 1 SGB VII binnen drei Monaten einzuleiten. Der Beschluss bzw das unterbliebene Rechtsmittel des Klägers gegen diesen Beschluss beinhaltet mithin noch nicht selbst eine entsprechende Antragstellung. Die fehlende Antragstellung des Klägers schließlich ist auch nicht nach § 42 SGB X unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Ein fehlender Antrag ist nach § 41 Abs 1 Nr 1 SGB X jedoch nur unbeachtlich, wenn er nachträglich gestellt wird. Solange er fehlt, macht dies den Verwaltungsakt rechtswidrig (Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl, § 41 Rn 6). Dem Bescheid der Beklagten vom 06.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2009 fehlt mithin die Rechtsgrundlage, sodass das SG die Bescheide zu Recht aufgehoben hat.
Da der Kläger der ihm in seiner Stellung als dortiger Beklagter vom LG F im Beschluss vom 06.03.2009 aufgegebenen Verpflichtung zur Einleitung des Verfahrens nach § 108 Abs 1 SGB VII nicht nachgekommen ist, bleibt es der hiesigen Beklagten (Klägerin des Zivilrechtsstreits) unbenommen, wegen des fruchtlosem Ablaufes der gesetzten Frist beim Zivilgericht einen entsprechenden Aufnahmeantrag zu stellen (vgl hierzu Oberlandesgericht - OLG - Celle 05.03.2010 aaO, juris Rn 18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen war nicht anzuordnen, weil dieser sich nicht aktiv am Verfahren beteiligt hat (§ 162 Abs 3 VwGO).
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.
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