L 12 AS 172/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 4399/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 172/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) geführte Verfahren S 6 AS 2200/10 durch die Erledigungserklärung des Klägers im Erörterungstermin am 10. November 2010 beendet ist.

In der Hauptsache begehrte der Kläger die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Der 1963 geborene Kläger beantragte am 2. März 2010 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12. Mai 2010 für den Zeitraum 1. März bis 31. August 2010 mit der Begründung ab, das Vermögen des Klägers überschreite den Vermögensfreibetrag. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2010 zurück und führte aus, für den streitigen Zeitraum belaufe sich das verwertbare Vermögen auf 14.441,39 EUR und der zustehende Freibetrag auf 7.650 EUR.

Hiergegen richtete sich die am 16. Juni 2010 zum SG erhobene Klage, mit welcher der Kläger das Vermögen auf seinen Girokonten bei der P.bank und der c. Bank bestätigt und ausgeführt hat, der Sparbrief sowie die Anlagekonten bei der c. Bank seien nicht verfügbar. Im Erörterungstermin am 10. November 2010 erklärte der Kläger ausweislich der Niederschrift den Rechtsstreit für erledigt.

Mit Schreiben vom 7. Dezember 2010, eingegangen beim SG am 9. Dezember 2010 hat der Kläger geltend gemacht, er habe den Erörterungstermin im Streit verlassen, von einer Erledigung könne nicht die Rede sein. Die Erörterung sei ohne Klärung der Sach- und Rechtslage aus zeitlichen Gründen einfach für beendet erklärt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2010 hat das SG nach Anhörung der Beteiligten festgestellt, dass das Verfahren S 6 AS 2200/10 durch Klagerücknahme beendet worden sei. Die durch den Kläger erklärte Erledigung des Rechtsstreit stehe einer Klagerücknahme gleich. Diese erledige nach § 102 Abs. Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Rechtsstreit in der Hauptsache. Der Kläger habe die Klagerücknahme in Form der Erledigungserklärung im Termin am 10. November 2010 erklärt. Zuvor habe ihn die Vorsitzende darauf hingewiesen, dass sein Vermögen im Zeitraum März bis August 2010 den Freibetrag überschreite und daher kein Anspruch bestehe. Hierzu habe das SG im Einzelnen ausgeführt, dass die Bundesobligationen verwertbar seien, der Sparkassenbrief könne beliehen werden. Zu Beginn des streitigen Zeitraums habe ein Vermögen von 13.237,70 EUR vorgelegen, für das Ende des Zeitraums, allerdings nicht taggenau, seien 12.219,71 EUR nachgewiesen. Der Freibetrag betrage 6.900 EUR, ab dem 3. März 2010 7.050 EUR. Das SG habe ausgeführt, dass es keine Erfolgsaussicht sehe und eine Erledigungserklärung für sinnvoll halte. Darauf habe der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt, auch auf nochmalige Nachfrage des Gerichts. Die Erklärung sei zu Protokoll genommen und dem Kläger vorgespielt worden. Der Kläger habe auf Frage bestätigt, dass alles so in Ordnung sei. Erst als bereits das Ende des Termins zu Protokoll diktiert gewesen sei, habe der Kläger noch allgemeine Fragen sein Verhältnis zur Beklagten betreffend gestellt. Es sei nachträglich das Protokoll dahin ergänzt worden, dass die Vorsitzende feststelle, dass sich die Einladung zum psychologischen Dienst am 22. Oktober 2010 erledigt habe. Nachdem der Kläger durch Auskünfte und Zugeständnisse hinsichtlich der nachträglichen Änderung des Protokolls nicht zufrieden zu stellen und der vorgesehene Zeitrahmen bereits überschritten gewesen sei, habe das Gericht den Kläger gebeten, den Sitzungssaal zu verlassen und weitere Anträge schriftlich zu stellen. Das Geschehen nach der Erledigungserklärung führe nicht zur Unwirksamkeit der zuvor erklärten Erledigung, denn ein Widerruf oder eine Anfechtung einer Klagerücknahme sei nicht möglich. Anderes könne nur gelten, wenn der Kläger durch arglistige Täuschung oder falsche Information zur Klagerücknahme bewegt worden sei, was hier nicht der Fall gewesen sei. Die Klagerücknahme sei eine Prozesshandlung, weshalb auch unbeachtlich sei, dass der Kläger möglicherweise die Folgen der Rücknahme nicht gekannt habe. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 179, 180 SGG) entsprechend den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über Nichtigkeits- oder Restitutionsklage lägen nicht vor.

Hiergegen richtet sich die am 10. Januar 2011 eingelegte Berufung des Klägers. Er behauptet, nur eine Kaufbestätigung über einen Sparkassenbrief zu besitzen, keinen Sparbrief. Es sei zu klären, ob Kaufbestätigung und Sparkassenbrief identisch und bei der Beantragung von Arbeitslosengeld II überhaupt anzugeben seien. Die Klage unter dem Aktenzeichen S 6 AS 2200/10 habe er nicht zurückgenommen. Es habe schließlich nicht geklärt werden können, ob ihm Leistungen zustünden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. festzustellen, dass der Rechtsstreit S 6 AS 2200/10 nicht durch Erledigungserklärung vom 10. November 2010 beendet ist, 2. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Dezember 2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2010 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war. Der Termin war auch nicht zu vertagen. Zwar hat der Kläger drei Tage vor dem Sitzungstermin am 7. Juni 2010 der Geschäftsstelle telefonisch mitgeteilt, dass er Zahnschmerzen habe und nicht wisse, ob er zum Termin erscheinen könne. Er hat jedoch weder einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt noch sich nochmals gemeldet im Hinblick auf sein aktuelles Befinden. Eine Verlegung des Termins, die nach § 202 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur aus erheblichen Gründen möglich ist, war daher nicht veranlasst.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, Berufungsausschließungsgründe i.S.v. § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.

Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist das Verfahren S 6 AS 2200/10 durch die Erledigungserklärung vom 10. November 2010 beendet. Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren bei seinem Einwand bleibt, er habe die Klage nicht zurückgenommen, wird ergänzend nochmals darauf hingewiesen, dass die Erledigungserklärung vom 10. November 2010 als Prozesshandlung nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. § 133 Bürgerliches Gesetzbuch) auszulegen ist. Dass der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt hat, ergibt sich aus der Niederschrift des SG zum Termin vom 10. November 2010 (§ 122 SGG i.V.m. §§ 160 Abs. 3 Nr. 8, 162 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Maßgebend ist der erklärte Wille, wobei es auf den objektiven Erklärungswert ankommt, der sich danach bestimmt, wie der Empfänger der Erklärung diese nach den Umständen, insbesondere der recht verstandenen Interessenlage verstehen muss (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), NJW 1994, 1537 f.; BGHZ 122, 211; Bundesverwaltungsgericht, NVwZ 1999, 405). Das vernünftigerweise Gewollte muss in irgendeiner Form für das Gericht und die übrigen Beteiligten erkennbar zum Ausdruck gekommen sein (vgl. Bundessozialgericht (BSG), SozR 1500 § 92 Nr. 2; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., Vor § 60 Rdnr. 11a). Wollte der Kläger tatsächlich mit der ausdrücklichen Erklärung des Rechtsstreits für erledigt keine verfahrensbeendigende Wirkung herbeiführen, war dies jedenfalls nicht erkennbar. Die Erklärung enthält keinerlei Einschränkungen und bezieht sich auf den gesamten Rechtsstreit. Insbesondere angesichts der zuvor erläuterten fehlenden Erfolgsaussichten der Klage im Erörterungstermin durch die Vorsitzende beim SG erschließt sich nicht, welchen anderen Sinn die Erklärung haben könnte als den Verzicht auf die weitere Durchführung des Klageverfahrens. Da es sich vorliegend nicht um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a SGG handelt, ist die einseitige Erledigungserklärung des Klägers nur im Sinne einer Klagerücknahme zu verstehen (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Dezember 2005 - B 7a AL 192/05 B - (juris)).

Eine Entscheidung in der Sache ist dem Senat angesichts der Beendigung des Klageverfahrens durch Klagerücknahme verwehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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