S 70 AL 4945/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
70
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 70 AL 4945/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Beendigung der freiwilligen Weitersicherung in der Arbeitslosenversicherung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für die Vergangenheit und begehrt die erneute freiwillige Weiterversicherung.

Der 1949 geborene Kläger beantragte am 27.03.2006 bei der Beklagten die freiwillige Weiterversicherung anlässlich der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit als Drehbuchautor. Durch Bescheid vom 29.03.2006 teilte die Beklagte ihm mit, dass seinem Antrag auf freiwillige Weiterversicherung entsprochen werde und die freiwillige Weiterversicherung am 27.03.2006 beginne. Der Bescheid enthielt auch einen Hinweis auf die Gründe für die Beendigung der freiwilligen Versicherung in § 28a Abs. 2 S. 3 SGB III in der damals gültigen Fassung. Bei der Zitierung des § 28a Abs. 2 S. 3 Nr. 1 SGB III - Beendigungsgrund des Bezugs einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III - wurde das Arbeitslosengeld als eine mögliche Entgeltersatzleistung beispielhaft genannt.

Der Kläger meldete sich am 08.06.2006 bei der Agentur für Arbeit Neuruppin arbeitslos. Ihm wurde daraufhin für den Zeitraum 08.06.2006 bis 30.11.2006 Arbeitslosengeld aus einem früher entstandenen und noch nicht ausgeschöpften Anspruch gewährt. Danach nahm der Kläger seine selbständige Tätigkeit als Drehbuchautor wieder auf.

Durch die Änderungsbescheide vom 05.12.2006, 03.12.2007 und 01.12.2008 wurde der Kläger durch die Beklagte unter Feststellung der maßgeblichen Bezugsgröße zur Zahlung des jeweiligen Jahresbeitrags im Voraus aufgefordert.

Zum 06.08.2009 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte gewährte ihm daraufhin durch Bewilligungsbescheid vom 17.08.2009 Arbeitslosengeld und hob mit Bescheid vom 10.08.2009 den Bescheid vom 29.03.2006 ab dem 06.08.2009 auf, da die Tätigkeit als Selbständiger am 05.08.2009 geendet habe.

Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens gegen den Bewilligungsbescheid vom 17.08.2009 wies der Kläger selbst darauf hin, dass er im Zeitraum 08.06.2006-30.11.2006 Arbeitslosengeld bezogen hat. Die Beklagte nahm danach mit Aufhebungsbescheid vom 22.10.2009 die Bescheide vom 05.12.2006, 03.12.2007, 01.12.2008 und vom 10.08.2009 zurück. Mit Bescheid vom 29.03.2006 sei dem Antrag auf freiwillige Weiterversicherung entsprochen worden. Die Voraussetzungen für die freiwillige Weiterversicherung lägen aber nicht mehr vor, weil die Tätigkeit als Selbständiger am 07.06.2006 geendet habe. Die bewilligende Entscheidung werde deshalb ab 08.06.2006 nach § 48 Abs. 1 S. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) aufgehoben. Die überzahlten Beiträge würden dem Kläger erstattet.

Den Widerspruch des Klägers dagegen wies die Beklagte mit Bescheid vom 16.11.2009 als unbegründet zurück. Die rückwirkende Aufhebung sei zu Recht erfolgt. Die Aufhebungsvoraussetzungen nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X lägen vor. Grob fahrlässig handele, wer eindeutige Hinweise in Vordrucken und Merkblättern nicht beachte. Bereits aus dem Inhalt des Bescheides vom 29.03.2006 sei dem Kläger bekannt gewesen, dass die freiwillige Weiterversicherung mit dem Bezug von Arbeitslosengeld ende. Er habe daher wissen müssen, dass die Weiterversicherung entgegen seinem Vortrag nicht "automatisch weitergeführt" werde. Außerdem sei ihm im Bescheid vom 29.03.2006 aufgegeben worden, alle für die freiwillige Weiterversicherung erheblichen Änderungen in seinen Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen, was er nicht getan habe. Sein Vortrag, er habe anlässlich seiner Arbeitslosmeldung am 08.06.2006 in Neuruppin seine freiwillige Weiterversicherung mitgeteilt, sei nicht aktenkundig und daher nicht nachvollziehbar.

Am 26.11.2009 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und verfolgt sein Begehren weiter.

Der Kläger beantragte ferner am 09.11.2009 erneut die freiwillige Weiterversicherung für seine zum 09.11.2009 wieder aufgenommene selbständige Tätigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.02.2010 und Widerspruchsbescheid vom 01.04.2010 ab. Sie führte zur Begründung an, dass es an der Unmittelbarkeit zwischen der Aufnahme der Tätigkeit und dem vorausgehenden Versicherungspflichtverhältnis bzw. dem Bezug einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III fehle. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 06.08.2009 sei zu Recht wegen fehlender Anwartschaftszeit aufgehoben worden.

Auch gegen diese Bescheide hat der Kläger am 16.04.2010 Klage beim Sozialgericht eingereicht. Dieses Klageverfahren wurde durch Beschluss der Kammer vom 25.10.2010 mit dem hiesigen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage im Wesentlichen vor: Die Aufhebung des Bescheides vom 29.03.2006 sei rechtswidrig. Sie könne insbesondere nicht auf § 48 SGB X, sondern allenfalls auf § 45 SGB X gestützt werden. Er habe keine falschen Angaben gegenüber der Beklagten gemacht. Durch die Arbeitsagentur Neuruppin sei er anlässlich seiner Arbeitslosmeldung zum 08.06.2006 nicht darauf hingewiesen worden, dass durch den Bezug von Arbeitslosengeld die freiwillige Weiterversicherung ende. Dass er freiwillig in der Arbeitslosenversicherung versichert sei, habe er damals der Arbeitsagentur Neuruppin mitgeteilt. Die Beklagte habe nicht erkannt, dass die Aufhebung in ihrem Ermessen stehe und daher fehlerhaft kein Ermessen ausgeübt. Es komme wegen des Beratungsfehlers der Arbeitsagentur Neuruppin auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch in Betracht. Er sei auf seinen erneuten Antrag auch ab dem 01.11.2009 freiwillig weiterversichert. Die Beklagte habe zu Unrecht geltend gemacht, dass die Weiterversicherung mangels Unmittelbarkeit des Vorbezugs von Arbeitslosengeld ausscheide. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 06.08.2009 sei rechtswidrig aufgehoben worden, da er zuvor wirksam freiwillig weiterversichert gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

1. den Aufhebungsbescheid vom 22. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2009 aufzuheben und festzustellen, dass er ab dem 01. Dezember 2006 nach dem SGB III freiwillig weiterversichert gewesen ist,

2. unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. April 2010 festzustellen, dass er ab dem 01. November 2009 nach dem SGB III freiwillig weiterversichert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und ergänzt: Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des Klägers komme nicht in Betracht. Zum Zeitpunkt der Bewilligung von Arbeitslosengeld im Jahr 2006 sei nicht bekannt gewesen, dass der Kläger freiwillig weiterversichert gewesen sei. Bei der Aufhebung handele sich im Gegensatz zur Auffassung des Klägers um eine gebundene Entscheidung, so dass es auf Ermessen nicht ankomme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Richtige Klageart ist sowohl bezüglich der rückwirkenden Beendigung der freiwilligen Weiterversicherung als auch für das Begehren auf erneute freiwillige Weiterversicherung eine mit einem Feststellungsantrag kombinierte Anfechtungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (vgl. BSG, Urteil v. 03.06.2009, B 12 AL 1/08 R; LSG NRW, Urteil v. 05.10.2009, L 19 AL 74/08). Das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers liegt vor, da von dem Bestehen des behaupteten Rechtsverhältnisses in der Vergangenheit erhebliche Leistungsansprüche abhängen und für die Zukunft ein berechtigtes Absicherungsbedürfnis des Klägers besteht.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Ablehnungsbescheid vom 15.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf freiwillige Weiterversicherung ab dem 01.11.2009 (hierzu I.). Im Ergebnis ist auch der Aufhebungsbescheid vom 22.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2009 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (hierzu II.). Die Feststellung der Beendigung der freiwilligen Weiterversicherung ab dem 08.06.2006 ist zu Recht erfolgt.

I. Eine freiwillige Weiterversicherung des Klägers ab dem 01.11.2009 besteht nicht. Ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag können gem. § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung bis zum 31.12.2010 (SGB III a. F.) Personen begründen, die eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Voraussetzung für die Versicherungspflicht ist nach § 28a Abs. 1 Satz 2 SGB III, dass 1. der Antragsteller innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hat, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat, 2. der Antragsteller unmittelbar vor Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hat, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat und 3. Versicherungspflicht (§§ 26, 27) anderweitig nicht besteht.

Vorliegend ist ein solches Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag durch den Kläger nicht ab dem 01.11.2009 begründet worden. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Beteiligten nicht darauf an, ob Unmittelbarkeit zwischen der Aufnahme der Tätigkeit und dem Bezug des Arbeitslosengeldes i. S. d. § 28a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III SGB III a. F. gegeben war. Denn Voraussetzung für die Versicherungspflicht auf Antrag war daneben, dass der Amtragsteller innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen oder eine dort genannte als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hat, § 28a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III a. F ... Selbst wenn aufgrund des noch nicht rechtskräftigen Aufhebungsbescheides der Bezug von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 06.08.2009 bis 31.10.2009 berücksichtigt wird, wird ein Bezugszeitraum von mindestens zwölf Monaten nicht erreicht. Die Zeiten der freiwilligen Weiterversicherung in der Zeit bis zum 05.08.2009 können ungeachtet der insoweit festgestellten Beendigung der Weiterversicherung zum 08.06.2009 keine Berücksichtigung finden. Denn bei der freiwilligen Weiterversicherung handelt es sich nicht, wie von § 28a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III a. F. gefordert, um ein Versicherungspflichtverhältnis nach dem Ersten Abschnitt des 2. Kapitels des SGB III (§§ 24-26), sondern um ein solches nach dem Zweiten Abschnitt (§ 28a SGB III).

II. Der Bescheid vom 22.10.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2009 ist ebenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zutreffend hat die Beklagte festgestellt, dass die freiwillige Weiterversicherung des Klägers am 08.06.2006 mit Beginn des Arbeitslosengeldbezugs endete.

Die Kammer kommt im Gegensatz zu den Beteiligten zum Ergebnis, dass eine Aufhebung des Bescheides vom 29.03.2006 nach § 45 SGB X oder § 48 SGB X nicht erforderlich war. Denn ebenso wie der Versicherungsbeginn ist das Versicherungsende im § 28a SGB III gesetzlich geregelt. Die Rechtsfolgen des Beginns und der Beendigung der freiwilligen Weiterversicherung treten somit bei Eintritt der normierten Tatbestände kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer Entscheidung durch die zuständige Agentur für Arbeit bedarf (vgl. BSG, Urteil v. 03.06.2009, B 12 AL 1/08 R). Aus Gründen der Rechtssicherheit kann die Beklagte dennoch Bescheide erlassen, die Beginn oder Ende der freiwilligen Weiterversicherung feststellen. Dies ist insbesondere dann angezeigt, wenn das Bestehen des freiwilligen Versicherungsverhältnisses zwischen den Beteiligten streitig ist. Für Bescheide, die das Ende der Versicherungsberechtigung nach § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III a. F. (deklaratorisch) bestätigen, führt dies dazu, dass diese nicht den Regelungen der §§ 44 ff. SGB X unterworfen sind (so wohl auch BSG, Urteil v. 30.03.2011, B 12 AL 2/09 R, noch nicht veröffentlicht, Terminbericht Nr. 13/11 unter www.bundessozialgericht.de; LSG NRW, Urteil v. 05.10.2009, L 19 AL 74/08; Ulmer in: Beck`scher Online-Kommentar, SGB III, § 28a Rn. 8; a. A. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 25.08.2009, L 1 AL 18/09). Etwas anderes dürfte nur dann gelten, wenn das Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht bestanden hat und der Bescheid also bereits ursprünglich rechtswidrig war; in diesem Fall würde aber auch kein Fall nach § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III a. F. vorliegen.

Das LSG Rheinland-Pfalz begründet seine gegenteilige Rechtsauffassung, dass in diesen Fällen eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X erforderlich sei, mit wechselseitigen Bindungen auf Grundlage des Verwaltungsverfahrensrechts, die mit Erlass des feststellenden Verwaltungsakts entstünden. Für das Erlöschen der Versicherungspflicht müsse die Beklagte die durch das Verfahrensrecht getroffene Rechtsposition durch einen Verwaltungsakt zurücknehmen. Diesem Ansatz folgt die Kammer nicht. Eine Rechtsposition, die durch spätere Verwaltungsakte beseitigt werden müsste, wird jedenfalls hinsichtlich des Beendigungszeitpunkts der Versicherungsberechtigung durch die Ausgangsbescheide der Beklagten nicht geschaffen. Diese Bescheide enthalten nur den Zeitpunkt des Beginns der freiwilligen Weiterversicherung und geben die gesetzlich geregelten Beendigungstatbestände wieder. Eine bestimmte Dauer der Weiterversicherung wird durch die Bescheide also nicht geregelt, dies ist nach der Natur der Sache auch nicht möglich. Somit erwächst den Antragstellern durch die feststellenden Verwaltungsakte keine bestimmte Rechtsposition hinsichtlich der Dauer der freiwilligen Weiterversicherung. Daher besteht insoweit auch verfahrensrechtlich keine Notwendigkeit, eine vermeintlich bereits eingeräumte Rechtsposition durch Verwaltungsakt zurückzunehmen.

Selbst wenn man insoweit anderer Auffassung ist und eine Aufhebung nach § 48 SGB X für erforderlich hält, wäre die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Insoweit wäre den Gründen des angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 22.10.2009 zu folgen. Richtig hat die Beklagte dargelegt, dass die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III vorliegen. Der Kläger hätte ohne weiteres erkennen müssen, dass mit dem Leistungsbezug ab dem 08.06.2006 und der Einstellung der selbständigen Tätigkeit am 07.06.2006 kein Recht auf freiwillige Weiterversicherung mehr bestand. Er hat damit auch eine wesentliche und für ihn nachteilige Änderung seiner Verhältnisse jedenfalls grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Es muss für jeden Antragsteller auf der Hand liegen, dass bei Bezug von Arbeitslosengeld und gleichzeitiger Einstellung einer selbständigen Tätigkeit diese nunmehr aufgegebene Tätigkeit nicht mehr zu einer freiwilligen Weiterversicherung berechtigen kann. Entsprechende unmissverständliche Hinweise enthält insbesondere der Bescheid vom 29.03.2006.

Der Bescheid vom 22.10.2009 geht zu Recht von einer Beendigung der Weiterversicherung ab dem 08.06.2006 aus. Die Voraussetzungen für die Beendigung der Versicherungspflicht nach § 28a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB III a. F. waren ab dem 08.06.2006 gegeben. Der Kläger bezog ab diesem Zeitpunkt Arbeitslosengeld und stellte zudem die selbständige Tätigkeit, die zur Versicherungsberechtigung führte, ein. Dass er ab dem 01.12.2006 die selbständige Tätigkeit wieder aufnahm, hat nicht etwa seine erneute Versicherungsberechtigung ab diesem Datum zu Folge. Denn die Tätigkeit, die zur Versicherungsberechtigung führte, war unstreitig am 08.06.2006 eingestellt worden. Und der Kläger bezog ab diesem Zeitpunkt Arbeitslosengeld. Für eine freiwillige Weiterversicherung ab dem 01.12.2006 hätte er somit nach Wiederaufnahme seiner selbständigen Tätigkeit erneut einen Antrag nach § 28a SGB III stellen müssen, was unterblieben ist.

Auch die jahrelange Beitragszahlung durch den Kläger, ohne dass dies von der Beklagten beanstandet worden wäre, kann nicht ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag über den 07.06.2006 hinaus begründen. Dies entspricht für die Frage der Versicherungspflicht aufgrund einer vermeintlich versicherungspflichtigen Beschäftigung der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil v. 18.04.1991, 7 RAr 32/90; Urteil v. 08.12.1987, 7 RAr 14/86 NZA 1991, 869). Maßgeblich ist danach allein das Vorliegen der versicherungspflichtigen Beschäftigung als solcher. Der Annahme der freiwilligen Weiterversicherung allein durch die Beitragsentrichtung dürfte bereits entgegenstehen, dass § 28a SGB III im Gegensatz zu den anderen Versicherungspflichtverhältnissen eine Antragstellung erfordert, also allein die Ausübung einer zur Weiterversicherung berechtigenden Tätigkeit oder Beschäftigung nicht ausreicht. Jedenfalls bei der Weiterentrichtung von Beiträgen zur freiwilligen Weiterversicherung trotz des Vorliegens eines Beendigungstatbestands nach § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III Nr. 1 oder Nr. 2 SGB III a. F. ist nach Ansicht der Kammer die vorgenannte Rechtsprechung auf das Versicherungsverhältnis auf Antrag ohne weiteres übertragbar. Denn andernfalls hätte es der freiwillig Versicherte in diesen Fällen trotz des gesetzlich geregelten und für jedermann ersichtlichen Endes der freiwilligen Versicherungspflicht in der Hand, mit der Beitragszahlung eine Fortführung der Weitersicherung zu erreichen. Dies erscheint insbesondere dann nicht sachgerecht, wenn der Antragsteller wie hier der zuständigen Arbeitsagentur die entscheidungserheblichen Änderungen nicht mitteilt. Anderenfalls könnte die Regelung in § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III a. F. leicht umgangen werden. Gleiches gilt für die einmonatige Antragsfrist nach § 28a Abs. 1 S. 3 SGB III a. F. bezüglich der anschließend aufgenommenen Tätigkeit oder Beschäftigung, die hier mangels Antragstellung durch den Kläger nicht gewahrt worden ist.

Entgegen der Klagebegründung kommt vorliegend ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ebenfalls nicht in Betracht. Eine Pflichtverletzung der Behörde durch eine falsche Beratung über die Beendigung der freiwilligen Weiterversicherung ist nicht erkennbar. Die Beklagte hat den Kläger jedenfalls in dem Bescheid vom 29.03.2006 zutreffend und vollständig über die Voraussetzungen der Versicherung informiert. Dass die Arbeitsagentur Neuruppin anlässlich seiner erneuten Arbeitslosmeldung einen Beratungsfehler begangen hat, ist nicht festzustellen. Der Kläger hat vorgetragen, bei der Arbeitsagentur Neuruppin damals gefragt zu haben, ob seine freiwillige Weiterversicherung in der Zeit vom 27.03.2006 bis 07.06.2006 einen weiteren Anspruch begründe. Ein Beratungsanliegen bezüglich der Beendigung der freiwilligen Weiterversicherung hat es demnach nicht gegeben. Selbst wenn der Kläger insoweit unzutreffend informiert worden wäre, würde es an der Ursächlichkeit zwischen dieser Pflichtverletzung und dem Nachteil der Beendigung des Versicherungsverhältnisses ab dem 08.06.2006 fehlen (vgl. zur Kausalität: BSG NZS 1995, 183). Da der Kläger seine selbständige Tätigkeit zum 08.06.2006 beendet und sich an diesem Tag arbeitslos gemeldet hatte, war die freiwillige Weiterversicherung bereits kraft Gesetzes erloschen. Auch eine fehlerfreie Beratung der Arbeitsagentur Neuruppin hätte an diesem Umstand nichts mehr ändern können.

Die Aufhebung der Beitragsbescheide vom 05.12.2006, 03.12.2007 und 01.12.2008 betreffend den Zeitraum ab 08.06.2006 begegnet schließlich ebenfalls keinen Bedenken. Rechtsgrundlage für die Aufhebung dieser Bescheide ist § 44 Abs. 1 SGB X. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist nach § 44 Abs. 1 SGB X der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Hier ist bei Erlass der fraglichen Beitragsbescheide von einem unrichtigen Sachverhalt, nämlich der Ausübung der am 27.03.2006 aufgenommenen selbständigen Tätigkeit über den 07.06.2006 hinaus und einem fehlenden Bezug von Arbeitslosengeld, ausgegangen worden. Aus diesem Grunde sind Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung von dem Kläger zu Unrecht erhoben worden. Daher ist die Beklagte nach § 44 Abs. 1 SGB X zur Rücknahme der Beitragsbescheide insoweit verpflichtet gewesen.

Nach alledem war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
Saved