L 2 P 88/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 P 1/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 88/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ob Pflegebedürftigkeit vorliegt, richtet sich danach, inwieweit die Ausführung der gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens krankheit- oder behinderungsbedingt eingeschränkt oder aufhgeoben ist und ein Bedarf an Hilfeleistungen entsteht.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 6. September 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I hat.

Die 1924 geborene Kläger lebt mit ihrem Lebensgefährten in einem Zwei-Familienhaus im Erdgeschoss. Am 04.09.2009 (Eingang bei der Beklagten am 08.09.2009) stellte sie einen Antrag auf Pflegegeld.

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) Bayern kam in seinem Gutachten vom 22.09.2009 nach Hausbesuch durch die Pflegefachkraft Herr B. am 21.09.2009 zum Ergebnis, dass im Bereich der Körperpflege ein täglicher Hilfebedarf von 10 Minuten, im Bereich der Ernährung von 0 Minuten und im Bereich der Mobilität von 11 Minuten vorliege, so dass unter Berücksichtigung eines hauswirtschaftlichen Bedarfs von 40 Minuten täglich ein Hilfebedarf in Höhe von 61 Minuten erforderlich sei. Die zeitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Pflegestufe I würden derzeit nicht erreicht. Mit Bescheid vom 24.09.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Zahlung von Pflegegeld ab.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Pflegefachkraft Frau H. erstellte am 17.11.2009 nach Hausbesuch ein weiteres Gutachten. Im Bereich der Grundpflege stellte sie einen täglichen Hilfebedarf von 11 Minuten, im Bereich der Ernährung von
0 Minuten und im Bereich der Mobilität von 16 Minuten fest. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I würden derzeit nicht erreicht. Der Hilfebedarf von zweimal wöchentlichen Baden sei angemessen bewertet worden, da das Baden durch die Nutzung des Badelifters erleichtert würde. Ein Hilfebedarf bei der Blasenentleerung habe nicht festgestellt werden können, da die Klägerin diese Verrichtungen selbst durchführe. Im Bereich der Mobilität sei sie durch die Nutzung von zwei Unterarmgehstützen ausreichend eigenständig mobil. Der nächtliche Hilfebedarf beim Gehen zur Toilette wegen Unsicherheit sei zeitlich bewertet worden. Die mehrfach angeführte Hilfe zum Aufstehen aus einer Sitzposition sei durch Handreichung der Pflegeperson zügig zu bewältigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Hiergegen legte die Klägerin am 04.01.2010 Klage beim Sozialgericht Regensburg (SG) ein. Zur Begründung trug sie vor, dass jahrelange Krankenhausaufenthalte mit jeweiligen Behinderungen und Schmerzen im täglichen Alltag sie seelisch und körperlich kaputt machen würden. Ihre behandelnden Ärzte hätten ihr geraten, eine Pflegestufe zu beantragen. Grund ihres letzten Krankenhausaufenthaltes sei ein Armbruch gewesen.

Das SG zog die Schwerbehindertenakte der Klägerin vom Zentrum Bayern Familie und Soziales bei sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. S., Dr. R., Dr. D. und Dr. B ... Es beauftragte die Pflegesachverständige Frau S. mit der Erstellung eines Gutachtens. Diese ist in ihrem Gutachten zum 04.07.2010 nach Hausbesuch zum Ergebnis gekommen, das im Bereich der Körperpflege ein Hilfebedarf von 17 Minuten täglich, im Bereich der Ernährung von 1 Minute täglich und im Bereich der Mobilität von 19 Minuten täglich erforderlich sei, so dass unter Berücksichtigung eines hauswirtschaftlichen Hilfebedarfs von 45 Minuten pro Tag ein täglicher Hilfebedarf von 82 Minuten vorliege. Als pflegebegründende Diagnosen führt sie an: periphere arterielle Verschlusskrankheit beider Beine mit Bewegungseinschränkung, Zustand nach mehreren Operationen zur Revaskularisierung; Lumboischialgie mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung; Gonarthrose rechts; Zustand nach Sprunggelenksfraktur links, Zustand nach distaler Radiusfraktur rechts; Coxarthrose beidseits; koronare Dreigefäßerkrankung mit Belastungsdyspnoe. Im Bereich der Körperpflege bestehe ein Hilfebedarf von 17 Minuten, wobei 7 Minuten für die Teilübernahme der Ganzkörperwäsche, 9 Minuten für die Teilübernahme des Badens und 1 Minute für das Kämmen anzurechnen seien. Zweimal wöchentlich werde gebadet. Hierbei benötige die Klägerin Hilfe beim Transfer in die Wanne. Diese Transferzeit mit Benutzung des Badewannenlifters würde im Bereich der Mobilität berücksichtigt. Am Badevorgang selbst müssten die vorbereitenden Handlungen von der Pflegeperson übernommen werden. In der Wanne wasche die Pflegeperson den Rücken, den Nacken und die Beine. Die Haarwäsche findet ebenfalls zweimal wöchentlich statt und müsse vollständig übernommen werden. Für den Badevorgang seien 30 Minuten anzurechnen.

Im Bereich der Ernährung sei 1 Minute ausreichend. Feste Nahrungsbestandteile müssten geschnitten und mundgerecht vorbereitet werden. Der Zeitbedarf im Bereich der Mobilität betrage 19 Minuten. Hierbei seien 3 Minuten für das Aufstehen/Zu-Bettgehen, 5 Minuten für das Ankleiden gesamt, 3 Minuten für das Entkleiden gesamt, 1 Minute für das Stehen und 7 Minuten für Gehen anzurechnen. Die bei der Klägerin anfallenden Arztbesuche und die Krankengymnastik seien zwar berücksichtigungsfähige Maßnahmen, der anfallende Hilfebedarf erfülle jedoch nicht die Vorgaben der Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit und könne somit nicht angerechnet werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.09.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten der Gerichtssachverständigen S. gestützt.

Hiergegen hat die Klägerin am 13.10.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es gebe leichtere Pflegefälle, die in den Genuss der Pflegeversicherung kommen. Die Krankheiten und Gebrechlichkeiten seien anzuerkennen. Mit Schreiben vom 03.12.2010 hat der Senat mitgeteilt, dass ein Gutachten von Amts wegen nicht eingeholt werde.

Mit Beschluss vom 24.01.2011 wurde die Berufung dem Berichterstatter übertragen.

Die Klägerin stellte sinngemäß den Antrag,
den Bescheid der Beklagten vom 24.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2009 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 06.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Leistungen nach Pflegestufe I zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2009, mit dem die Beklagte Leistungen aus der Pflegeversicherung ablehnte, erweist sich als rechtmäßig.

Der Senat konnte auch in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, da diese mit Postzustellungsurkunde vom 02.02.2011 rechtzeitig geladen worden war und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle ihres Ausbleibens entschieden werden kann.

Zu Recht hat das Sozialgericht Regensburg die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren konnte zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen. Ein Pflegebedarf, der Leistungen der Pflegestufe I begründen könnte, ist aufgrund der eingeholten Gutachten nicht festzustellen.

Das SG hat ein Gutachten bei der Pflegefachkraft S. eingeholt. In diesem Gutachten vom 04.07.2010 wurde auch die distale Radiusfraktur rechts berücksichtigt, die sich die Klägerin am 15.12.2009 zugezogen hatte. Eine weitere gravierende pflegerelevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes wurde seit dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 06.09.2010 nicht vorgetragen. Ein weiteres Gutachten war deshalb nicht einzuholen.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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