Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 5011/10 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 249/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 85/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Auftreten von Albträumen kann als Unfallursache anzuerkennnen sein, auch wenn nicht gleichzeitig eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt.
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Mai 2010 abgeändert und die Beklagte verurteilt, das Auftreten von Albträumen als weitere Folge des Unfalls vom 29. Mai 1999 festzustellen.
II. Im Übrigen wird die Berufung gegen den Gerichtsbescheid zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei dem Kläger und Berufungskläger weitere Folgen eines Arbeitsunfalls vom 29. Mai 1999 anzuerkennen sind und ihm hieraus eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Der Kläger hatte sich am 29. Mai 1999 auf dem landwirtschaftlichen Betrieb seines Bruders Verbrennungen des rechten Unterschenkels zugezogen, als beim Schnapsbrennen eine abgefüllte Flasche platzte und der Schnaps von der Holzfeuerung Feuer fing. Der Durchgangsarzt Dr. M. diagnostizierte Verbrennungen 1. und 2. Grades.
Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 23. Juni 2000 den Unfall als Arbeitsunfall mit der Folge noch leichter Empfindungsstörungen im Bereich der Hautverbrennung am rechten Unterschenkel anerkannt, die Gewährung einer Rente jedoch abgelehnt, da zu Beginn der 27. Woche nach dem Unfall die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) weniger als 20 v.H. betragen habe. Keine Unfallfolgen seien chronische Kopfschmerzen, eine halbseitige Empfindungsstörung, eine Schwerhörigkeit mit Ohrensausen, eine Gehstörung der Beine sowie das Zusammenziehen der Finger. Dem war u.a. ein Gutachten des HNO-Arztes Dr. M. vom 2. März 2000 zugrunde gelegen, der zu dem Ergebnis gelangt war, dass der geklagte Tinnitus nicht auf einen verbrennungsbedingten Eiweißschock zurückzuführen sei. Die Nervenärzte Prof. Dr. von B./Dr. K. hatten in ihrem Gutachten vom 5. Juni 2000 als Unfallfolgen leichte Empfindungsstörungen im Bereich der Hautverbrennungen am rechten Unterschenkel und eine posttraumatische Angstsymptomatik als wahrscheinlich unfallbedingt eingeschätzt. Als unfallunabhängig bestünden Kopfschmerzen, halbseitige Empfindungsstörungen, eine angebliche Beinschwäche sowie eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung. Eine unfallbedingte MdE liege auf neurologischem Fachgebiet nicht vor.
Den Widerspruch hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2000 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte das Sozialgericht Konstanz mit Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2001 (Az.: ) rechtskräftig abgewiesen, nachdem es u.a. die behandelnden Ärzte Dr. M. und Dr. H. als sachverständige Zeugen gehört hatte.
Einen erneuten Antrag des Klägers hatte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2003 abgelehnt. Nach der Art der Verletzung könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich in medizinischer Hinsicht seitdem eine Änderung der Verhältnisse eingestellt habe. Einen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente hatte das Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 2. Juni 2003 (Az.: S 5 U 5006/03 ER) abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte das Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 17. September 2003 (Az.: L 3 B 247/03 U ER) zurückgewiesen.
Am 28. Oktober 2009 ging bei der Beklagten ein weiterer Rentenantrag des Klägers für die Zeit ab 1999 ein. Seit dem Unfall sei er zu 60 % schwerbehindert und leide unter posttraumatischen Belastungsstörungen, einem Hörsturz sowie weiteren Symptomen aufgrund der erlittenen Verbrennung.
Mit Bescheid vom 18. November 2009 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag ab. Eine Änderung der Unfallfolgen sei nicht nachgewiesen. Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte u.a. die in den Rentenverfahren vom Sozialgericht Augsburg (Az.: S 2 R 779/08; S 2 R 747/08) eingeholten ärztlichen Berichte sowie das im Rahmen dieser Verfahren eingeholte nervenärztliche Gutachten des Dr. H. vom 2. Juni 2009 bei. Dr. H. hatte eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine Dysthymia, anhaltende kognitive Beeinträchtigungen bei chronischer Alkoholabhängigkeit (gegenwärtig abstinent), eine alkoholtoxische zerebelläre Ataxie, ein Zervikalsyndrom ohne radikuläre Symptomatik sowie einen beidseitigen Tinnitus diagnostiziert. Auf Nachfrage der Beklagte teilte Dr. H. am 22. Februar 2010 in einer beratungsärztlichen Stellungnahme mit, dass keine der von ihm im Juni 2009 festgestellten Gesundheitsstörungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Unfallereignis vom 29. Mai 1999 zurückzuführen sei, weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung. Aus dem Schwerbehindertenverfahren zog die Beklagte ein nervenärztliches Gutachten des Dr. H. vom 22. Oktober 2007 bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung der Klage beim Sozialgericht Augsburg hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass drei Hörstürze, eine posttraumatische Belastungsstörung, Koordinationsstörungen, eine Schlafstörung, eine Schwellneigung im Beinbereich, Kopfschmerzen und ein Schwindel als Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Mai 1999 anzuerkennen seien. Das Sozialgericht hat die Klage ohne weitere gutachterliche Ermittlung mit Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2010 abgewiesen. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger infolge des Unfalls zwar Verbrennungen am rechten distalen Unterschenkel erlitten habe; die geltend gemachten weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen seien hingegen nicht als unfallbedingt anzusehen. Dies gelte vor allem für die Ohrgeräusche und das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die MdE richte sich danach allein nach den Folgen der Verbrennungen am rechten Unterschenkel und erreiche keinen rentenberechtigenden Umfang.
Einen gleichzeitig gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 21. April 2010 abgelehnt (Az.: S 5 U 5010/10 L ER). Die Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 18. Mai 2010 zurückgewiesen (Az.: L 2 U 214/10 B ER).
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung auf bestehende Schmerzen und Beschwerden verwiesen. Er leide an Schwindel und Koordinationsschwierigkeiten, so dass er Fahrten zu einem Gutachter nicht unternehmen könne. Der Senat hat ein nervenärztliches Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Dr. B., eingeholt, das diese nach Hausbesuch am 11. November 2010 gefertigt hat. Sie hat Albträume, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Dysthymie, einen Alkoholismus in der Abstinenz mit diskreter kognitiver Beeinträchtigung und diskreter zerebellärer Ataxie, eine diskrete Sensibilitätsstörung im Verbrennungsnarbenbereich rechter Unterschenkel, ein Zervikalsyndrom mit Tinnitus und Kopfschmerzen sowie Kniebeschwerden links diagnostiziert. Auf den Unfall seien allein die diskrete Sensibilitätsstörung im Verbrennungsnarbenbereich des rechten Unterschenkels sowie die Albträume zurückzuführen. Dies gelte jedoch nicht für die kombinierte Persönlichkeitsstörung mit begleitender leichter depressiver Verstimmung. Der Ausgangspunkt hierfür läge bereits ca. 10 Jahre früher und drücke sich durch eine manifeste Alkoholabhängigkeit und massive Auseinandersetzungen mit seiner Umgebung aus. Der damit verbundene soziale Abstieg und finanzielle Schwierigkeiten hätten die Entwicklung nach dem Unfall verstärkt. Der langjährige Alkoholkonsum habe außerdem zu einer sehr diskreten kognitiven Beeinträchtigung mit psychopathologischen Auffälligkeiten geführt. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine schwerergradige Depression oder eine klinisch relevante Angsterkrankung ergeben. Auch würden die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht erreicht. Es fehlten eine Situation einer außergewöhnlichen Bedrohung sowie klinische Symptome wie flash backs, ein Zustand vegetativer Übererregbarkeit, dramatische Ausbrüche von Angst, Panik etc. Hinsichtlich der Symptome Hörminderung, Tinnitus und Schwindel hat sie auf die Vorgutachten verwiesen. Zudem habe der Kläger bei mindestens drei Unfällen (Skiunfall in den achtziger Jahren mit Verletzung im Bereich C 6/7; Autounfall 2003 mit Bruch des Brustbeins und Verletzung der HWS; Schädel-Hirn-Trauma 2007) Beeinträchtigungen der Halswirbelsäule (HWS) und des Kopfes erlitten, die damit sehr viel eher diese Symptome erklären könnten; diese könnten aber auch ohne jegliche äußere Einwirkung aufgrund einer inneren Anspannung entstanden sein. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 11. Juli 1999 bestanden. Eine messbare MdE sei nicht gegeben. Dies gelte auch für die Albträume, die alle drei bis fünf Tage aufträten und keine relevanten Folgen für die Erwerbsfähigkeit hätten.
Der Kläger hat die Berufung aufrecht erhalten. Das Vorbringen zur Kindheit und zum Alkohol sei übertrieben. Es stelle sich die Frage, ob die Gutachterin befangen sei; ihm dränge sich der Verdacht der Befangenheit auf. Fakt sei, dass er seit dem Unfall massive Schmerzen, Beschwerden und vor allem eine posttraumatische Störung habe.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2011 hat der Senat einen Antrag des Klägers auf Ablehnung der Sachverständigen Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Mai 2010 und unter Abänderung des Bescheides vom 18. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2010 zu verurteilen, als weitere Unfallfolgen insbesondere einen Tinnitus rechts und Schwerhörigkeit beidseits, eine posttraumatische Belastungsstörung, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen am Fuß sowie Kopfschmerzen als Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Mai 1999 anzuerkennen und ihm eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakte des Sozialgerichts Konstanz, der Klage- und Berufungsakte sowie der Gerichtsakten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber nur insoweit begründet als die aufgetretenen Albträume als weitere Unfallfolge anzuerkennen sind.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 18. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März
2010.
Der Kläger begehrt, wie es bereits in dem Antrag vom 28. Oktober 2009 zum Ausdruck kommt, die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des ursprünglichen ablehnenden Verwaltungsaktes bzw. die rückwirkende Rentengewährung ab dem Jahre 1999. Mit Ausgangsbescheid vom 23. Juni 2000 hat die Beklagte den Arbeitsunfall vom 29. Mai 1999 anerkannt und als Unfallfolge leichte Empfindungsstörungen im Bereich der Hautverbrennung am rechten Unterschenkel anerkannt. Die übrigen, nun auch teilweise vom Kläger erneut vorgebrachten Gesundheitsbeeinträchtigungen, hat die Beklagte nach dem Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung nicht als Unfallfolgen anerkannt. Der Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2000 wurde vom Sozialgericht Konstanz mit Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2001 rechtskräftig bestätigt.
Die Gerichte sind sowohl an bestandskräftige Verwaltungsakte als auch an rechtskräftige Urteile gebunden, soweit nicht die prozessrechtlichen Voraussetzungen für ein gerichtliches Wiederaufnahmeverfahren erfüllt sind. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst die Möglichkeit, sich über frühere negative Entscheidungen zu Gunsten der Sozialleistungsberechtigten kraft besserer Erkenntnisse hinwegzusetzen. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2000 ist jedoch nicht rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X, soweit er die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines Arbeitsunfalls (§ 8 SGB VI) ablehnte, wie dies im Folgenden durch die Entscheidungen des Sozialgerichts Konstanz bestätigt wurde.
Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.
Allerdings sind die beim Kläger aufgetretenen Albträume als Unfallfolge anzuerkennen. Dies ergibt sich aus dem vom Senat eingeholten Gutachten der Dr. B ... Die Sachverständige führte aus, dass der Kläger unter Alb- bzw. Angstträumen, die alle drei bis fünf Tage auftreten und den Brandvorgang zum Inhalt haben, leidet. Es handelt sich hierbei um eine nach der Beschreibung der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (10. Revision, German Modification, Version 2011) ICD 10 F 51.5 anzuerkennende, unfallbedingte Gesundheitsbeeinträchtigung. Der Kläger schildert als Inhalt der Träume den Brandvorgang. Dabei hatte er bereits im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. von B. im Juni 2000 die Brandträume geschildert; der damalige Sachverständige äußerte bereits den Verdacht, dass möglicherweise eine psychische Traumatisierung stattgefunden hat. Bislang hat die Beklagte diese Unfallfolge noch nicht als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt.
Dies führt jedoch, auch in Verbindung mit den anerkannten leichten Empfindungsstörungen im Bereich der Hautverbrennungen am rechten Unterschenkel, nicht zu einer messbaren MdE in Höhe von mindestens 20 v.H. Die Gutachterin belegt überzeugend, dass die Albträume keine relevanten Folgen für die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben - zumal nach der ICD 10 F 51.5 der Patient nach dem Aufwachen rasch lebhaft und orientiert wird. Es besteht weder eine psychisch-emotionale Beeinträchtigung noch eine sozial-kommunikative oder körperlich-funktionelle Beeinträchtigung.
Darüber hinaus liegt keine posttraumatische Belastungsstörung vor. Hierfür müsste nach den anerkannten Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ein "belastendes außergewöhnliches Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde" (ICD 10 F 43.1) vorgelegen haben. Ein derartig schwerwiegendes Ereignis ist in dem Unfall vom 29. Mai 1999 nicht zu sehen, das der Kläger im Übrigen auch nach der eigenen Schilderung vor der Sachverständigen nach dem von ihm selbst wahrgenommenen Ablauf als nicht so "katastrophenartig" darstellt. Auch fehlt es an den klinischen Symptomen auftretender flash backs oder dramatischen Ausbrüchen von Angst, Panik o.ä.
Die von der Sachverständigen diagnostizierten psychischen Beeinträchtigungen, die beim Kläger in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung bzw. Angsterkrankung und Dysthymie beschrieben werden und auch von Dr. H. diagnostiziert wurden, sind nicht durch das Unfallereignis wesentlich im Sinne der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung verursacht, sondern sind in der Person und Lebensgeschichte des Klägers verwurzelt. Sie zeigten sich in den schon viele Jahre vor dem Unfall aufgetretenen Auseinandersetzungen des Klägers mit seiner Umwelt, aber auch in der manifesten Alkoholabhängigkeit mit Entzug z.B. im Mai 1997 und im Jahre 1998. Auch Dr. H. vermochte keinen Hinweis auf eine seelische Folge des Unfalls zu erkennen. Leichte kognitive Beeinträchtigungen sind auf den langjährigen Alkoholkonsum zurückzuführen.
Zu den vom Kläger geschilderten Ohrgeräuschen rechts und der beidseitigen Schwerhörigkeit hatte der HNO-Arzt Dr. M. ausgeführt, dass sich in der medizinischen Fachliteratur keine Hinweise auf verbrennungsbedingte Hörstörungen finden lassen, zumal der Kläger erst vier Wochen nach der Läsion der Haut über Hörstörungen geklagt hat und diese nur als leicht- bis mittelgradig einzustufen sind. Die möglichen Ursachen für die Hörstörungen sind vielfältig, liegen jedoch nach gegenwärtigen medizinischen Erkenntnissen nicht in den hier eingetretenen Verbrennungsverletzungen.
Zum auftretenden Schwindel hat Dr. B. als Neurologin darauf hingewiesen, dass die Ursache hierfür in einer Verletzung oder Beeinträchtigung der HWS liegen kann, die sich der Kläger z.B. bei einen der drei sonstigen erlittenen Unfälle zugezogen hat, oder auf innere Ursachen zurückzuführen ist. Ein Zusammenhang des Schwindels mit der Verbrennungsverletzung ist medizinisch nicht belegbar.
Schließlich lassen sich auch die bestehenden Kopfschmerzen sowie die Kniebeschwerden nicht auf den Arbeitsunfall zurückführen. Eine Kopfverletzung fand bei diesem Unfall nicht statt. Auch hier können die Ursachen vielfältig sein. Dabei liegt es nicht an der Beklagten oder dem Senat, die konkurrierende Ursache zu belegen. Der Gutachter Prof.
Dr. B. hatte jedoch auf einen möglichen Ursachenzusammenhang mit der Medikamenteneinnahme oder der Suchtneigung angenommen.
Die Kniebeschwerden bzw. Beschwerden beim Gehen sowie in den Fingern sind in dieser Deutlichkeit erst ca. ein halbes Jahr nach dem Unfall aufgetreten, wie die Schilderung der Beschwerden bei Prof. Dr. B. ergab. Ferner verwies der Kläger im Rahmen der Anamnese durch Dr. B. darauf, dass er seit Jahren erhebliche Beschwerden in beiden Hüften und dem linken Knie habe. Dies führte der Kläger auf verschiedene erlittene Brüche zurück. Da die HWS schon vor der Verbrennung "kaputt gewesen" sei, klagte er über brennende Beschwerden bis hinein in den linken Daumen.
Das Gutachten der Dr. B. ist für den Senat überzeugend. Es deckt sich weitgehend mit den Vorgutachten.
Insgesamt kommt der Senat damit zu dem Ergebnis, dass keine sonstigen neuen medizinischen Erkenntnisse über die zu berücksichtigenden Unfallfolgen vorliegen.
Die Berufung ist deshalb im Wesentlichen - insbesondere zur Gewährung einer Verletztenrente - zurückzuweisen.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Im Übrigen wird die Berufung gegen den Gerichtsbescheid zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei dem Kläger und Berufungskläger weitere Folgen eines Arbeitsunfalls vom 29. Mai 1999 anzuerkennen sind und ihm hieraus eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Der Kläger hatte sich am 29. Mai 1999 auf dem landwirtschaftlichen Betrieb seines Bruders Verbrennungen des rechten Unterschenkels zugezogen, als beim Schnapsbrennen eine abgefüllte Flasche platzte und der Schnaps von der Holzfeuerung Feuer fing. Der Durchgangsarzt Dr. M. diagnostizierte Verbrennungen 1. und 2. Grades.
Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 23. Juni 2000 den Unfall als Arbeitsunfall mit der Folge noch leichter Empfindungsstörungen im Bereich der Hautverbrennung am rechten Unterschenkel anerkannt, die Gewährung einer Rente jedoch abgelehnt, da zu Beginn der 27. Woche nach dem Unfall die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) weniger als 20 v.H. betragen habe. Keine Unfallfolgen seien chronische Kopfschmerzen, eine halbseitige Empfindungsstörung, eine Schwerhörigkeit mit Ohrensausen, eine Gehstörung der Beine sowie das Zusammenziehen der Finger. Dem war u.a. ein Gutachten des HNO-Arztes Dr. M. vom 2. März 2000 zugrunde gelegen, der zu dem Ergebnis gelangt war, dass der geklagte Tinnitus nicht auf einen verbrennungsbedingten Eiweißschock zurückzuführen sei. Die Nervenärzte Prof. Dr. von B./Dr. K. hatten in ihrem Gutachten vom 5. Juni 2000 als Unfallfolgen leichte Empfindungsstörungen im Bereich der Hautverbrennungen am rechten Unterschenkel und eine posttraumatische Angstsymptomatik als wahrscheinlich unfallbedingt eingeschätzt. Als unfallunabhängig bestünden Kopfschmerzen, halbseitige Empfindungsstörungen, eine angebliche Beinschwäche sowie eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung. Eine unfallbedingte MdE liege auf neurologischem Fachgebiet nicht vor.
Den Widerspruch hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2000 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte das Sozialgericht Konstanz mit Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2001 (Az.: ) rechtskräftig abgewiesen, nachdem es u.a. die behandelnden Ärzte Dr. M. und Dr. H. als sachverständige Zeugen gehört hatte.
Einen erneuten Antrag des Klägers hatte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2003 abgelehnt. Nach der Art der Verletzung könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich in medizinischer Hinsicht seitdem eine Änderung der Verhältnisse eingestellt habe. Einen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente hatte das Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 2. Juni 2003 (Az.: S 5 U 5006/03 ER) abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte das Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 17. September 2003 (Az.: L 3 B 247/03 U ER) zurückgewiesen.
Am 28. Oktober 2009 ging bei der Beklagten ein weiterer Rentenantrag des Klägers für die Zeit ab 1999 ein. Seit dem Unfall sei er zu 60 % schwerbehindert und leide unter posttraumatischen Belastungsstörungen, einem Hörsturz sowie weiteren Symptomen aufgrund der erlittenen Verbrennung.
Mit Bescheid vom 18. November 2009 lehnte die Beklagte auch diesen Antrag ab. Eine Änderung der Unfallfolgen sei nicht nachgewiesen. Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte u.a. die in den Rentenverfahren vom Sozialgericht Augsburg (Az.: S 2 R 779/08; S 2 R 747/08) eingeholten ärztlichen Berichte sowie das im Rahmen dieser Verfahren eingeholte nervenärztliche Gutachten des Dr. H. vom 2. Juni 2009 bei. Dr. H. hatte eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine Dysthymia, anhaltende kognitive Beeinträchtigungen bei chronischer Alkoholabhängigkeit (gegenwärtig abstinent), eine alkoholtoxische zerebelläre Ataxie, ein Zervikalsyndrom ohne radikuläre Symptomatik sowie einen beidseitigen Tinnitus diagnostiziert. Auf Nachfrage der Beklagte teilte Dr. H. am 22. Februar 2010 in einer beratungsärztlichen Stellungnahme mit, dass keine der von ihm im Juni 2009 festgestellten Gesundheitsstörungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Unfallereignis vom 29. Mai 1999 zurückzuführen sei, weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung. Aus dem Schwerbehindertenverfahren zog die Beklagte ein nervenärztliches Gutachten des Dr. H. vom 22. Oktober 2007 bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung der Klage beim Sozialgericht Augsburg hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass drei Hörstürze, eine posttraumatische Belastungsstörung, Koordinationsstörungen, eine Schlafstörung, eine Schwellneigung im Beinbereich, Kopfschmerzen und ein Schwindel als Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Mai 1999 anzuerkennen seien. Das Sozialgericht hat die Klage ohne weitere gutachterliche Ermittlung mit Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2010 abgewiesen. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger infolge des Unfalls zwar Verbrennungen am rechten distalen Unterschenkel erlitten habe; die geltend gemachten weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen seien hingegen nicht als unfallbedingt anzusehen. Dies gelte vor allem für die Ohrgeräusche und das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die MdE richte sich danach allein nach den Folgen der Verbrennungen am rechten Unterschenkel und erreiche keinen rentenberechtigenden Umfang.
Einen gleichzeitig gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 21. April 2010 abgelehnt (Az.: S 5 U 5010/10 L ER). Die Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 18. Mai 2010 zurückgewiesen (Az.: L 2 U 214/10 B ER).
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung auf bestehende Schmerzen und Beschwerden verwiesen. Er leide an Schwindel und Koordinationsschwierigkeiten, so dass er Fahrten zu einem Gutachter nicht unternehmen könne. Der Senat hat ein nervenärztliches Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Dr. B., eingeholt, das diese nach Hausbesuch am 11. November 2010 gefertigt hat. Sie hat Albträume, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Dysthymie, einen Alkoholismus in der Abstinenz mit diskreter kognitiver Beeinträchtigung und diskreter zerebellärer Ataxie, eine diskrete Sensibilitätsstörung im Verbrennungsnarbenbereich rechter Unterschenkel, ein Zervikalsyndrom mit Tinnitus und Kopfschmerzen sowie Kniebeschwerden links diagnostiziert. Auf den Unfall seien allein die diskrete Sensibilitätsstörung im Verbrennungsnarbenbereich des rechten Unterschenkels sowie die Albträume zurückzuführen. Dies gelte jedoch nicht für die kombinierte Persönlichkeitsstörung mit begleitender leichter depressiver Verstimmung. Der Ausgangspunkt hierfür läge bereits ca. 10 Jahre früher und drücke sich durch eine manifeste Alkoholabhängigkeit und massive Auseinandersetzungen mit seiner Umgebung aus. Der damit verbundene soziale Abstieg und finanzielle Schwierigkeiten hätten die Entwicklung nach dem Unfall verstärkt. Der langjährige Alkoholkonsum habe außerdem zu einer sehr diskreten kognitiven Beeinträchtigung mit psychopathologischen Auffälligkeiten geführt. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine schwerergradige Depression oder eine klinisch relevante Angsterkrankung ergeben. Auch würden die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht erreicht. Es fehlten eine Situation einer außergewöhnlichen Bedrohung sowie klinische Symptome wie flash backs, ein Zustand vegetativer Übererregbarkeit, dramatische Ausbrüche von Angst, Panik etc. Hinsichtlich der Symptome Hörminderung, Tinnitus und Schwindel hat sie auf die Vorgutachten verwiesen. Zudem habe der Kläger bei mindestens drei Unfällen (Skiunfall in den achtziger Jahren mit Verletzung im Bereich C 6/7; Autounfall 2003 mit Bruch des Brustbeins und Verletzung der HWS; Schädel-Hirn-Trauma 2007) Beeinträchtigungen der Halswirbelsäule (HWS) und des Kopfes erlitten, die damit sehr viel eher diese Symptome erklären könnten; diese könnten aber auch ohne jegliche äußere Einwirkung aufgrund einer inneren Anspannung entstanden sein. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 11. Juli 1999 bestanden. Eine messbare MdE sei nicht gegeben. Dies gelte auch für die Albträume, die alle drei bis fünf Tage aufträten und keine relevanten Folgen für die Erwerbsfähigkeit hätten.
Der Kläger hat die Berufung aufrecht erhalten. Das Vorbringen zur Kindheit und zum Alkohol sei übertrieben. Es stelle sich die Frage, ob die Gutachterin befangen sei; ihm dränge sich der Verdacht der Befangenheit auf. Fakt sei, dass er seit dem Unfall massive Schmerzen, Beschwerden und vor allem eine posttraumatische Störung habe.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2011 hat der Senat einen Antrag des Klägers auf Ablehnung der Sachverständigen Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Mai 2010 und unter Abänderung des Bescheides vom 18. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2010 zu verurteilen, als weitere Unfallfolgen insbesondere einen Tinnitus rechts und Schwerhörigkeit beidseits, eine posttraumatische Belastungsstörung, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen am Fuß sowie Kopfschmerzen als Folgen des Arbeitsunfalls vom 29. Mai 1999 anzuerkennen und ihm eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten, der Gerichtsakte des Sozialgerichts Konstanz, der Klage- und Berufungsakte sowie der Gerichtsakten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber nur insoweit begründet als die aufgetretenen Albträume als weitere Unfallfolge anzuerkennen sind.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 SGG).
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 18. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März
2010.
Der Kläger begehrt, wie es bereits in dem Antrag vom 28. Oktober 2009 zum Ausdruck kommt, die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des ursprünglichen ablehnenden Verwaltungsaktes bzw. die rückwirkende Rentengewährung ab dem Jahre 1999. Mit Ausgangsbescheid vom 23. Juni 2000 hat die Beklagte den Arbeitsunfall vom 29. Mai 1999 anerkannt und als Unfallfolge leichte Empfindungsstörungen im Bereich der Hautverbrennung am rechten Unterschenkel anerkannt. Die übrigen, nun auch teilweise vom Kläger erneut vorgebrachten Gesundheitsbeeinträchtigungen, hat die Beklagte nach dem Ergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung nicht als Unfallfolgen anerkannt. Der Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2000 wurde vom Sozialgericht Konstanz mit Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2001 rechtskräftig bestätigt.
Die Gerichte sind sowohl an bestandskräftige Verwaltungsakte als auch an rechtskräftige Urteile gebunden, soweit nicht die prozessrechtlichen Voraussetzungen für ein gerichtliches Wiederaufnahmeverfahren erfüllt sind. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X gibt nur der Verwaltung selbst die Möglichkeit, sich über frühere negative Entscheidungen zu Gunsten der Sozialleistungsberechtigten kraft besserer Erkenntnisse hinwegzusetzen. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2000 ist jedoch nicht rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X, soweit er die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines Arbeitsunfalls (§ 8 SGB VI) ablehnte, wie dies im Folgenden durch die Entscheidungen des Sozialgerichts Konstanz bestätigt wurde.
Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.
Allerdings sind die beim Kläger aufgetretenen Albträume als Unfallfolge anzuerkennen. Dies ergibt sich aus dem vom Senat eingeholten Gutachten der Dr. B ... Die Sachverständige führte aus, dass der Kläger unter Alb- bzw. Angstträumen, die alle drei bis fünf Tage auftreten und den Brandvorgang zum Inhalt haben, leidet. Es handelt sich hierbei um eine nach der Beschreibung der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (10. Revision, German Modification, Version 2011) ICD 10 F 51.5 anzuerkennende, unfallbedingte Gesundheitsbeeinträchtigung. Der Kläger schildert als Inhalt der Träume den Brandvorgang. Dabei hatte er bereits im Rahmen der Begutachtung durch Prof. Dr. von B. im Juni 2000 die Brandträume geschildert; der damalige Sachverständige äußerte bereits den Verdacht, dass möglicherweise eine psychische Traumatisierung stattgefunden hat. Bislang hat die Beklagte diese Unfallfolge noch nicht als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt.
Dies führt jedoch, auch in Verbindung mit den anerkannten leichten Empfindungsstörungen im Bereich der Hautverbrennungen am rechten Unterschenkel, nicht zu einer messbaren MdE in Höhe von mindestens 20 v.H. Die Gutachterin belegt überzeugend, dass die Albträume keine relevanten Folgen für die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben - zumal nach der ICD 10 F 51.5 der Patient nach dem Aufwachen rasch lebhaft und orientiert wird. Es besteht weder eine psychisch-emotionale Beeinträchtigung noch eine sozial-kommunikative oder körperlich-funktionelle Beeinträchtigung.
Darüber hinaus liegt keine posttraumatische Belastungsstörung vor. Hierfür müsste nach den anerkannten Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ein "belastendes außergewöhnliches Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde" (ICD 10 F 43.1) vorgelegen haben. Ein derartig schwerwiegendes Ereignis ist in dem Unfall vom 29. Mai 1999 nicht zu sehen, das der Kläger im Übrigen auch nach der eigenen Schilderung vor der Sachverständigen nach dem von ihm selbst wahrgenommenen Ablauf als nicht so "katastrophenartig" darstellt. Auch fehlt es an den klinischen Symptomen auftretender flash backs oder dramatischen Ausbrüchen von Angst, Panik o.ä.
Die von der Sachverständigen diagnostizierten psychischen Beeinträchtigungen, die beim Kläger in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung bzw. Angsterkrankung und Dysthymie beschrieben werden und auch von Dr. H. diagnostiziert wurden, sind nicht durch das Unfallereignis wesentlich im Sinne der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung verursacht, sondern sind in der Person und Lebensgeschichte des Klägers verwurzelt. Sie zeigten sich in den schon viele Jahre vor dem Unfall aufgetretenen Auseinandersetzungen des Klägers mit seiner Umwelt, aber auch in der manifesten Alkoholabhängigkeit mit Entzug z.B. im Mai 1997 und im Jahre 1998. Auch Dr. H. vermochte keinen Hinweis auf eine seelische Folge des Unfalls zu erkennen. Leichte kognitive Beeinträchtigungen sind auf den langjährigen Alkoholkonsum zurückzuführen.
Zu den vom Kläger geschilderten Ohrgeräuschen rechts und der beidseitigen Schwerhörigkeit hatte der HNO-Arzt Dr. M. ausgeführt, dass sich in der medizinischen Fachliteratur keine Hinweise auf verbrennungsbedingte Hörstörungen finden lassen, zumal der Kläger erst vier Wochen nach der Läsion der Haut über Hörstörungen geklagt hat und diese nur als leicht- bis mittelgradig einzustufen sind. Die möglichen Ursachen für die Hörstörungen sind vielfältig, liegen jedoch nach gegenwärtigen medizinischen Erkenntnissen nicht in den hier eingetretenen Verbrennungsverletzungen.
Zum auftretenden Schwindel hat Dr. B. als Neurologin darauf hingewiesen, dass die Ursache hierfür in einer Verletzung oder Beeinträchtigung der HWS liegen kann, die sich der Kläger z.B. bei einen der drei sonstigen erlittenen Unfälle zugezogen hat, oder auf innere Ursachen zurückzuführen ist. Ein Zusammenhang des Schwindels mit der Verbrennungsverletzung ist medizinisch nicht belegbar.
Schließlich lassen sich auch die bestehenden Kopfschmerzen sowie die Kniebeschwerden nicht auf den Arbeitsunfall zurückführen. Eine Kopfverletzung fand bei diesem Unfall nicht statt. Auch hier können die Ursachen vielfältig sein. Dabei liegt es nicht an der Beklagten oder dem Senat, die konkurrierende Ursache zu belegen. Der Gutachter Prof.
Dr. B. hatte jedoch auf einen möglichen Ursachenzusammenhang mit der Medikamenteneinnahme oder der Suchtneigung angenommen.
Die Kniebeschwerden bzw. Beschwerden beim Gehen sowie in den Fingern sind in dieser Deutlichkeit erst ca. ein halbes Jahr nach dem Unfall aufgetreten, wie die Schilderung der Beschwerden bei Prof. Dr. B. ergab. Ferner verwies der Kläger im Rahmen der Anamnese durch Dr. B. darauf, dass er seit Jahren erhebliche Beschwerden in beiden Hüften und dem linken Knie habe. Dies führte der Kläger auf verschiedene erlittene Brüche zurück. Da die HWS schon vor der Verbrennung "kaputt gewesen" sei, klagte er über brennende Beschwerden bis hinein in den linken Daumen.
Das Gutachten der Dr. B. ist für den Senat überzeugend. Es deckt sich weitgehend mit den Vorgutachten.
Insgesamt kommt der Senat damit zu dem Ergebnis, dass keine sonstigen neuen medizinischen Erkenntnisse über die zu berücksichtigenden Unfallfolgen vorliegen.
Die Berufung ist deshalb im Wesentlichen - insbesondere zur Gewährung einer Verletztenrente - zurückzuweisen.
Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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