L 2 U 486/09 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 25/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 486/09 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Übernahme der Kosten eines Gutachtens auf die Staatskasse.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 5. November 2009 wird aufgehoben und die Kosten für das Gutachten des Dr. H. B. R. vom 4. November 2008 werden auf die Staatskasse übernommen.
II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 5. November 2009 wird zurückgewiesen.
III. Dem Kläger und Beschwerdeführer werden die außergerichtlichen Kosten in dem Beschwerdeverfahren Az. L 2 U 486/09 B erstattet.




Gründe:


I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) wendet sich gegen die Ablehnung der Anträge auf Übernahme der durch die Beauftragung des Dr. R. und Dr. T. entstandenen Kosten auf die Staatskasse.

Er begehrte in dem Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Landshut die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v.H. über den 31. Mai 2004 hinaus. Dabei machte er vor allem die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung und depressive Störungen als Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. Mai 2003 geltend.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2005 erkannte die Beklagte einen Anspruch auf eine Rente als vorläufige Entschädigung für den Zeitraum vom 16. Juli 2003 bis 14. September 2003 nach einer MdE um 40 v.H. und für den Zeitraum vom 15. September 2003 bis 31. Mai 2004 nach einer MdE um 20 v.H. an; über den 31. Mai 2004 hinaus lehnte sie einen Rentenanspruch ab.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Dr. W. vom 15. Februar 2008 sowie des Chirurgen Dr. M. vom 24. April 2008 eingeholt. Beide Gutachter sind zu dem Ergebnis gelangt, dass keine rentenberechtigende MdE vorliege. Dr. Dr. W. hat als Unfallfolge lediglich eine Schädelprellung als Unfallfolge beschrieben; eine posttraumatische Belastungsstörung sei nicht gegeben. Dr. M. konnte auf chirurgischem Fachgebiet keine Unfallfolgen feststellen.

Der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Dr. R., bei dem der Bf. bereits in Behandlung gewesen ist, hat in seinem nervenfachärztlichen Gutachten vom 24. November 2008 das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung angenommen und die MdE auf 20 v.H. eingeschätzt. Demgegenüber ist der ebenfalls nach § 109 SGG gehörte Orthopäde Dr. T. im Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass - auf orthopädischem Fachgebiet - keine MdE vorliege.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. September 2009 abgewiesen und es mit Beschlüssen vom 5. November 2009 abgelehnt, die Kosten für die Gutachten auf die Staatskasse zu übernehmen. Der Sachverhalt sei durch die von Amts wegen eingeholten Gutachten umfassend aufgeklärt gewesen. Dies gelte auch für das Gutachten des Dr. R., der lediglich zu einer anderen Bewertung des Kausalitätszusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten psychischen Beschwerden gekommen sei. Das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sei von Dr. R. bereits im Verwaltungsverfahren bejaht worden.

Zur Begründung der Beschwerden (Az.: L 2 U 486/09 B und L 2 U 487/09 B) hat der Bf. ausgeführt, das Gutachten des Dr. R. habe dargelegt, dass die bestehenden psychischen Beschwerden auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen seien und eine MdE von 20 v.H. rechtfertigten. Dr. T. bestätige zwar die Leistungsbeurteilung des Dr. M., zeige jedoch die Problematik einer funktionellen Dysphonie auf, auf die der Vorgutachter nicht näher eingegangen sei.

Der Senat hat mit Beschluss vom 26. August 2010 die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Ferner ist die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts anhängig (Az.: L 2 U 478/09).

II.

Die Beschwerde ist zulässig und zum Teil begründet. Lediglich die Kosten für das Gutachten des Dr. R. sind auf die Staatskasse zu übernehmen.

Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Kosten einer Begutachtung nach § 109 SGG von dem Antragsteller zu tragen sind, steht im Ermessen des Gerichts. Die Ermessensentscheidung ist im Beschwerdeverfahren beschränkt darauf nachprüfbar, ob die Voraussetzungen und die Grenzen des Ermessens richtig bestimmt und eingehalten sind.

Die Übernahme der für ein Gutachten nach § 109 SGG verauslagten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" ist gerechtfertigt, wenn das Gutachten die Aufklärung objektiv gefördert hat und somit Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung gewonnen hat bzw. hätte. Dabei spielt weder der Ausgang des Verfahrens noch die Frage eine Rolle, ob das Gutachten die Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil gefördert und damit dem Rechtsfrieden gedient hat. Entscheidend ist vielmehr, ob durch das Gutachten beispielsweise neue beweiserhebliche Gesichtspunkte zu Tage getreten sind oder die Leistungsbeurteilung auf eine wesentlich breitere und für das Gericht und die Prozessbeteiligten überzeugendere Grundlage gestellt wurde.

Diese Voraussetzungen liegen bei dem Gutachten des Dr. R., nicht jedoch des Dr. T. vor. Auf nervenärztlich-psychiatrischem Fachgebiet ist entscheidend, ob es durch den anerkannten Arbeitsunfall zu einer fortdauernden Gesundheitsbeeinträchtigung, insbesondere zu einer posttraumatischen Belastungsstörung, gekommen ist, die eine rentenberechtigende MdE verursacht. Insoweit stehen sich die Gutachten des Dr. Dr. W. einerseits und des Dr. R. andererseits gegenüber. Zwar ist das Sozialgericht im Ergebnis der Ansicht des Dr. Dr. W. gefolgt. Dabei hat es sich aber auch eingehend mit dem Gutachten des Dr. R. auseinandergesetzt. Der Senat sah hierbei weiteren medizinischen Klärungsbedarf und hat, auch unter ausdrücklichen Hinweis auf das Gutachten des Dr. R., ein weiteres Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet in Auftrag gegeben. Das Gutachten des Dr. R. hat damit die Aufklärung objektiv gefördert und die medizinische Beurteilung auf eine wesentlich breitere Grundlage gestellt.

Dies gilt jedoch nicht für das Gutachten des Dr. T., der im Ergebnis lediglich das Vorgutachten des Dr. M. bestätigte; dies gilt auch für die Diagnose und Beurteilung einer funktionellen Dysphonie, die vom HNO-Arzt Dr. S. am 16. Juni 2003 diagnostiziert worden war und dessen Bericht auch von Dr. M. berücksichtigt wurde. Wie Dr. M. sah auch Dr. T. auf chirurgisch/orthopädischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen gegeben, die eine MdE über den 31. Mai 2004 rechtfertigen könnten. Das Sozialgericht konnte sich deshalb auch im Rahmen der Entscheidungsfindung auf das Gutachten des Dr. M. beziehen. Die Einholung eines weiteren orthopädischen Gutachtens durch Dr. T. erfolgte ausschließlich im Hinblick auf die dem Bf. nach § 109 SGG zustehenden Rechte.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved