Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 474/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 302/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 132/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Berufsgenossenschaft ist als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung verpflichtet, die Folgen einer beruflich bedingten Lärmschwerhörigkeit im Sinn der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) zu entschädigen. Sie ist jeoch für eine im Laufe der Jahre schicksalhaft bzw. altersbedingt hinzutretende Schwerhörigkeit nicht einstandspflichtig.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20.05.2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung einer höheren Verletztenrente gemäß § 56 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) wegen der Folgen der anerkannten Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Lärmschwerhörigkeit.
Der 1931 geborene Kläger ist von 1956 bis zu seiner Berentung im Jahr 1992 bei der Bundeswehr beschäftigt gewesen. Er ist dabei von 1959 bis 1965 am Flugplatz P. als Ausbilder für Soldaten und Zivilbedienstete auch an Triebwerken von Kampfflugzeugen eingesetzt gewesen. Ab 1965 bis zu seiner Ruhestandsversetzung im Jahr 1992 ist er als Heizungs- und Klimameister am Standort L. untertage tätig gewesen. In diesem Luftwaffen- und Versorgungsbunker ist er vor allem für Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten für die Stromversorgung verantwortlich gewesen.
Die Standortverwaltung L. hat am 15.07.1987 den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit (Lärmschwerhörigkeit) angezeigt. Der Kläger hat mit Begleitschreiben ergänzt, dass an den Flugzeugtypen Fouga Magister, Sabre F 86, Fiat G 91 und T 33 ausgebildet worden sei. Im Rahmen der Ausbildung seien täglich die Triebwerke an den Flugzeugen zwei bis drei Stunden in ständiger Wiederholung angefahren und im Intervall 5 bis 20 Sekunden auf Volllast betrieben worden. Zwar habe er sich an diesen Lärm gewöhnt, sei aber nach manchen Ausbildungstagen fast taub gewesen. Einen Gehörschutz habe er wegen des ständigen sicherheitsdienstlichen Kontakts zu den Auszubildenden nicht tragen können.
Nach entsprechenden Ermittlungen hat die Wehrbereichsverwaltung VI unter dem 25.02.1988 mitgeteilt, dass im Rahmen der Tätigkeit als Ausbilder von 1959 bis August 1965 eine Lärmbelastung bis maximal 115 dBA vorgelegen habe. Im Rahmen der Tätigkeit als Heizungs- und Klimameister ab September 1965 bis zur Ruhestandsversetzung ist der Kläger bis Mitte 1979 91 dBA ausgesetzt gewesen und ab Mitte 1979 88 dBA. Gestützt auf das Gutachten der HNO-Ärztin Dr. B. vom 26.05.1988 hat die Beklagte (damals Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung) mit Bescheid vom 06.07.1988 als Folgen einer Berufskrankheit anerkannt "symmetrische reine Innenohrschwerhörigkeit mit besonderem Betroffensein der hohen Frequenzen". Die Bewilligung einer Verletztenrente ist jedoch abgelehnt worden, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 10 v.H. betrage und somit eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht vorliege. Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.1991 zurückgewiesen worden.
Mit Bescheid vom 25.05.1993 hat die Beklagte ab dem 02.01.1990 eine Stützrente nach einer MdE von 10 v.H. bewilligt, weil die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft wegen des Arbeitsunfalles vom 07.01.1950 ab dem 01.01.1990 eine MdE von ebenfalls 10 v.H. anerkannt hat.
Der Kläger hat am 14.09.2008 Antrag auf Beihilfe für ein Hörgerät gestellt. Der HNO-Arzt Dr. H. hat mit Stellungnahme vom 07.11.2008 ausgeführt, die anerkannten BK-Folgen im Sinne einer beidseits knapp geringgradigen Innenohrschwerhörigkeit würden weiterhin unstrittig die wesentliche Teilursache der Versorgung mit Hörgeräten darstellen. Hierbei hat sich Dr. H. auf das Audiogramm des HNO-Arztes Dr. G. vom 09.07.2007 gestützt. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 12.11.2008 die Kosten für eine Hörgeräteversorgung beidseits in Höhe von insgesamt 868,00 Euro bewilligt.
Der Kläger hat aufgrund entsprechender Anregungen von Hörakustikern unter dem 05.12.2008 beantragt, die bisher gewährte Verletztenrente nach einer MdE von 10 v.H. den Gegebenheiten anzupassen und angemessen zu erhöhen. Auf Veranlassung der Beklagten hat Prof. Dr. W. am 19.05.2008 ein HNO-ärztliches Gutachten erstellt. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen neige eine geringgradige, professionell bedingte Innenohrschwerhörigkeit in der Regel nicht zur Progression. Allerdings potenziere sich jeder berufsbedingte Hörverlust mit Einsetzen der pathologischen Altersschwerhörigkeit, wie es offensichtlich bei dem Kläger der Fall sei. Dieser leide mittlerweile an einer hochgradigen an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit rechts sowie an einer Taubheit links. Die BK-bedingte MdE werde weiter mit 10 v.H. bewertet. Die Versorgung mit den Hörgeräten sei rechtlich wesentlich wegen der anerkannten BK-Folge geboten.
Hierauf gestützt hat die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 14.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2009 eine Erhöhung der Verletztenrente abgelehnt. Die beruflich bedingte Innenohrschwerhörigkeit sei weiterhin mit einer MdE von 10 v.H. einzuschätzen, auch wenn sich der beruflich bedingte Hörverlust mit Einsetzen der pathologischen Altersschwerhörigkeit potenziere.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht München Prof. Dr. S. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur ärztlichen Sachverständigen bestellt. Diese ist mit HNO-ärztlichem Gutachten vom 29.12.2009 nach Aktenlage zu dem Ergebnis gekommen, den Tonschwellenaudiogrammen sei zu entnehmen, dass sich etwa ab 1990 das Hörvermögen langsam verschlechtert habe. Der Kläger leide nunmehr an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit rechts sowie an einer Taubheit mit Hörresten links. Jedoch komme es selbst bei hohen Lärmexpositionen über Jahre und Jahrzehnte hinweg praktisch nie zu einer hochgradigen Schwerhörigkeit oder darüber. Eine charakteristische C 5-Senke sei auf keinem der vorliegenden Audiogramme erkennbar. Eine Erhöhung der beruflich bedingten MdE über 10 v.H. hinaus könne nicht befürwortet werden, auch wenn unabhängig von der Ursache eine MdE von 70 v.H. vorliege. Prof. Dr. S. hat mit ergänzender Stellungnahme vom 10.03.2010 darauf hingewiesen, dass sich gegenteiliges auch nicht dem Audiogramm der Dr. R. vom 19.09.1988 entnehmen lasse. Es habe sich hierbei nachweislich um eine Fehlmessung gehandelt.
Nach entsprechender Ankündigung hat das Sozialgericht München die Klage gegen den Bescheid vom 14.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2009 mit Gerichtsbescheid vom 20.05.2010 abgewiesen. Entsprechend den schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. S. sei die wesentliche Verschlimmerung des Hörvermögens nicht als berufsbedingt anzusehen. Die berufsbedingte MdE betrage unverändert 10 v.H ...
Der Kläger hat mit Berufung vom 08.06.2010 präzisiert, dass er als Lehrling im Klostergut W. beim Holzfällen einen Trümmerbruch am rechten Sprunggelenk erlitten habe, der von der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft auf Dauer mit einer MdE von 10 v.H. bewertet worden sei. Einen Schädelbasisbruch habe er bei der Bundesbahn erlitten. Noch im gleichen Jahr sei festgestellt worden, dass die Verletzungen ausgeheilt und wegen seiner Jugend keine Spätfolgen zu erwarten seien. In der Sache verwies der Kläger darauf, dass entgegen der Ausführungen von Prof. Dr. S. nicht davon auszugehen sei, dass Dr. R. bei der Gehöruntersuchung am 19.09.1988 im Sanitätsbereich des Flugplatzes L. eine Fehlmessung unterlaufen sei. Dem Gutachten der Prof. Dr. S., das nach Aktenlage erstellt worden sei, könne daher nicht gefolgt werden. Es sei ihm nicht anzulasten, dass er wegen Operationsfolgen der Vorladung am 03.11.2009 zu Prof. Dr. S. nicht habe folgen können und diese deswegen sehr verärgert gewesen sei.
Von Seiten des Senats wurden die Unfall-Akten der Beklagten sowie die Streitakten des Sozialgerichts München beigezogen. Im Folgenden bestellte der Senat Prof. Dr. B. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Dieser kam nach ambulanter Untersuchung mit HNO-ärztlichem Fachgutachten vom 03.01.2011 zu dem Ergebnis, dass der lärmbedingte Anteil an der aktuellen Schwerhörigkeit wie bisher nicht höher als mit einer MdE von 10 v.H. bewertet werden könne. Mit dem Eintritt in das Rentenalter und somit mit Beendigung der beruflichen Lärmexposition könne sich eine lärmbedingte weitere Verschlechterung des Gehörs nicht mehr entwickeln. Die erst nach dem Juli 2007 stark zunehmende Hörminderung, die knapp 1 1/2 Jahr später anlässlich eines weiteren Hörtestes im Rahmen der Verordnung einer Hörhilfe durch Dr. M. rechts bereits einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit und links einer knapp an Taubheit grenzenden Innenohrschwerhörigkeit entsprach und am 19.05.2009 (HNO-Gutachten Prof. Dr. W.) sprachaudiometrisch bereits mit einer beidseitigen Taubheit vereinbar sei, könne kausal nicht mit der früheren beruflichen Lärmexposition verknüpft werden.
Der Kläger hielt mit Schriftsätzen vom 09.02.2011 und 15.02.2011 an seiner gegenteiligen Auffassung fest und legte den Arztbrief des Dr. M. vom 05.12.2008 nochmals vor. Dort wurde im Tonschwellenaudiogramm eine mittel- bis hochgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits beschrieben. - Ausweislich Seite 7 des Gutachtens Prof. Dr. B. vom 03.01.2011 hat sich der gerichtlich bestellte Sachverständige hiermit bereits auseinandergesetzt. - Ergänzend führte der Kläger mit Schreiben vom 22.02.2011 aus, dass er einem Betriebslärm von mehr als 100 dBA entsprechend dem Betriebsschutzdezernat der Wehrbereichsverwaltung VI 1987 ausgesetzt gewesen sei. Die lärmbelastenden Schnellschluss-Vorrichtungen im Bunkerbereich seien in den 90iger Jahren durch selbsttätige Schnellschlussklappen ersetzt worden. Die Wartung habe sich damit in diesem Lärmbereichen erübrigt.
In der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2011 übergibt der Kläger ein Kompendium als Beweis für seine Untersuchungen bei der Bundeswehr und beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20.05.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach einer höheren MdE als 10 v.H. zu bewilligen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt entsprechend dem Schriftsatz vom 29.07.2010,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20.05.2010 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs. 2 SGG auf die beigezogenen Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage gegen den Bescheid vom 14.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2009 mit Gerichtsbescheid vom 20.05.2010 zutreffend abgewiesen. Dem Kläger steht aufgrund der anerkannten Lärmschwerhörigkeit (Berufskrankheit nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV) keine höhere Verletztenrente zu als die bereits bewilligte (§ 56 Abs. 1 und 2 SGB VII).
Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKV mit den Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach der Nr. 2301 auch eine Lärmschwerhörigkeit (Bekanntmachung des BMAS vom 01.07.2008, GMBL 2008, 798; BG-Grundsatz:
G 20 "Lärm").
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und er schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründete Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Beklagte nur für den beruflich bedingten Schaden im Sinne einer "beidseitigen knapp geringgradigen Hochtoninnenohrschwerhörigkeit" einstandspflichtig, nicht jedoch für die Gesamtheit der Funktionsstörungen im Bereich beider Ohren. Zuletzt hat Prof. Dr. B. mit HNO-fachärztlichem Gutachten vom 03.01.2011 insoweit eine Taubheit beidseits mit Hörresten sowie einen diskreten Hinweis für ein zentral-vestibuläres Funktionsdefizit feststellen können. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass alle am Verfahren beteiligten Gutachter zwischen der beruflichbedingten Lärmschwerhörigkeit und dem schicksalshaften Einsetzen der pathologischen Altersschwerhörigkeit differenziert haben (vgl. Gutachten des Prof. Dr. W. vom 19.05.2009, der Prof. Dr. S. vom 20.12.2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 10.03.2010 sowie des Prof. Dr. B. vom 03.01.2011).
Der Senat sieht keine Veranlassung hiervon abzuweichen. Denn vor allem Prof. Dr. S. hat auf Seite 12 ihres Gutachtens vom 29.12.2009 darauf hingewiesen, dass selbst bei hohen Lärmexpositionen über Jahre und Jahrzehnte hinweg es praktisch nie zu einer hochgradigen Schwerhörigkeit oder darüber kommt. Eine charakteristische C 5-Senke ist auf keinem der vorliegenden Audiogramme erkennbar. Dies gilt auch für das Audiogramm der Dr. R. vom 29.09.1988 (Bl. 100 Rücks. der Unfall-Akten). Auch Prof. Dr. B. hat sich mit HNO-fachärztlichem Gutachten vom 03.01.2011 auf Seite 6 hiermit auseinandergesetzt (annähernd hochgradige Innenohrschwerhörigkeit; zusätzlich bestehende beiderseitige Mittelohrschwerhörigkeit, links stärker ausgeprägt als rechts). Dies korrespondiert mit einer deutlichen Zunahme der Hörminderung im mittleren Frequenzbereich mit Senkenbildung beidseits bei 3000 Hz. Warum sich das Gehör innerhalb einer kurzen Zeitspanne von etwa fünf Monaten zwischen den beiden Hörtesten so massiv verändert hat und warum zusätzlich auch eine Schallleitungskomponente bestand, hat auch Prof. Dr. B. im Nachhinein nicht klären können. Als Lärmfolge kann das Ergebnis vom 29.09.1988 in keinem Fall gewertet werden, da sich Hörstörungen im Lärm nur ganz langsam entwickeln. Darüber hinaus ergab eine nachfolgende betriebsärztliche Überprüfung des Gehörs am 19.11.1990 für das rechte Ohr wiederum einen prozentualen Hörverlust von 35 %, vergleichbar mit einer geringgradigen Schwerhörigkeit. Für das linke Gehör ergab sich hingegen unter Berücksichtigung der 3-Frequenz-Tabelle nach Röser ein prozentualer Hörverlust von 50 %, entsprechend einer mittelgradigen Schwerhörigkeit (vgl. Seite 18 des HNO-fachärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. B. vom 03.01.2011).
Weiterhin haben Versicherte gemäß § 9 Abs. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Abweichend hiervon kommt dem Kläger der sogenannte Tatbestand der "Stützrente" gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII zu Gute. In Berücksichtigung des weiteren landwirtschaftlichen Unfalles genügt vorliegend eine MdE von 10 v.H. für die Bewilligung einer Verletztenrente.
Für die beruflichbedingte beidseitige knapp geringgradige Hochtoninnenohrschwerhörigkeit in Form einer symmetrischen reinen Innenohrschwerhörigkeit mit besonderem Betroffensein der hohen Frequenzen ist eine MdE von 10 v.H. angemessen und ausreichend. Denn die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf den gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Es wird also eine abstrakte Berechnung angestellt, nicht auf die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten abgestellt (Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56
Rn. 10.1).
Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang rügt, das Gutachten der Prof. Dr. S. vom 29.12.2009 sei nach Aktenlage erstellt worden und somit ungenügend, ist dies unbehelflich. Denn Prof. Dr. B. ist mit HNO-fachärztlichem Gutachten vom 03.01.2011 nach ambulanter Untersuchung vom 12.12.2010 zu dem nämlichen Ergebnis genommen. Der zweitinstanzlich gehörte Sachverständige hat abschließend schlüssig und überzeugend darauf hingewiesen, dass mit Eintritt in das Rentenalter und somit mit Beendigung der beruflichen Lärmexposition sich eine lärmbedingte weitere Verschlechterung des Gehörs nicht mehr entwickeln kann. Die erst nach dem Juli 2007 stark zunehmende Hörminderung, die knapp 1 1/2 Jahre später anlässlich eines weiteren Hörtests im Rahmen der Verordnung einer Hörhilfe durch Dr. M. vom 05.12.2008 rechts bereits einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit und links einer knapp an Taubheit grenzenden Innenohrschwerhörigkeit entsprach und am 19.05.2009 (vgl. Gutachten des Prof. Dr. W.) sprachaudiometrisch bereits mit einer beidseitigen Taubheit vereinbar war, kann kausal nicht mit der früheren beruflichen Lärmexposition verknüpft werden.
Dies entspricht den unfallrechtlich zu beachtenden "Erfahrungswerten" (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Rz. 7.3.3 ff). Denn sind wie bei dem Kläger aufgrund der beruflichbedingten Lärmschädigung besonders die hohen Frequenzen betroffen, wirkt sich dies auf die Kommunikationsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur untergeordnet aus. Im Übrigen fällt es wie bereits erwähnt nicht in den Risikobereich der Beklagten, dass es mit dem Einsetzen der pathologischen Altersschwerhörigkeit zu einer Potenzierung des berufsbedingten Hörverlustes gekommen ist.
Wenn der Kläger mit Schriftsatz vom 22.02.2011 nochmals auf seine beruflich bedingte Lärmexposition sowohl in dem Zeitraum bis August 1965 als Ausbilder und ab September 1965 als Heizungs- und Klimameister in der Untertage-Anlage in L. hingewiesen hat, haben diesem Umstand sowohl die Beklagte als auch alle am Verfahren beteiligten Sachverständigen in Berücksichtigung der Ausführungen der Wehrbereichsverwaltung VI vom 25.02.1988 bereits ausreichend Rechnung getragen. Unbehelflich ist auch, dass ärztliche Diagnosen und Beschreibungen im Laufe der Jahre sprachlich modifiziert verwendet worden sind, insbesondere dass Dr. M. mit Arztbrief vom 05.12.2008 den Begriff "pancochlear" nicht aufgeführt hat, Frau Prof. Dr. S. auf Seite 4 ihres Gutachtens vom 29.12.2009 diesen Begriff jedoch wertend einbringt. Insoweit ist vielmehr zu unterscheiden zwischen den Aufgaben eines niedergelassenen behandelnden HNO-Arztes mit dem Ziel einer geeigneten Hörgeräteversorgung und den Aufgaben gerichtlich bestellter Sachverständiger im Sinne einer Ursachenforschung und Differenzierung einer beruflich bedingten Lärmschwerhörigkeit in Abgrenzung von einer schicksalhaften hier mittlerweile alles überlagernden Altersschwerhörigkeit.
Auch das in der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2011 übergebene Kompendium enthält keine neuen Gesichtspunkte. Vor allem ist der Bericht des HNO-Arztes Dr. H. vom 04.02.1991 bereits aktenkundig gewürdigt worden. Wenn Dr. H. eine deutliche Hörverschlechterung überwiegend im Tieffrequenzbereich diagnostiziert hat, hat er dennoch nur eine geringfügige Zunahme der lärmbedingten Schwerhörigkeit bei nunmehr doch spürbarer berufsunabhängiger apicocochleärer Schwerhörigkeit beidseits, besonders links beschrieben. Eine wesentliche Änderung der MdE, die laut Gutachten auf 10 v.H. festgelegt war, ergibt sich hieraus nicht. Diese ist angesichts der nur noch selten vorhandenen Lärmexpositionen auch nicht wahrscheinlich, so Dr. H. bereits unter dem 04.02.1991.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20.05.2010 ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung einer höheren Verletztenrente gemäß § 56 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) wegen der Folgen der anerkannten Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Lärmschwerhörigkeit.
Der 1931 geborene Kläger ist von 1956 bis zu seiner Berentung im Jahr 1992 bei der Bundeswehr beschäftigt gewesen. Er ist dabei von 1959 bis 1965 am Flugplatz P. als Ausbilder für Soldaten und Zivilbedienstete auch an Triebwerken von Kampfflugzeugen eingesetzt gewesen. Ab 1965 bis zu seiner Ruhestandsversetzung im Jahr 1992 ist er als Heizungs- und Klimameister am Standort L. untertage tätig gewesen. In diesem Luftwaffen- und Versorgungsbunker ist er vor allem für Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten für die Stromversorgung verantwortlich gewesen.
Die Standortverwaltung L. hat am 15.07.1987 den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit (Lärmschwerhörigkeit) angezeigt. Der Kläger hat mit Begleitschreiben ergänzt, dass an den Flugzeugtypen Fouga Magister, Sabre F 86, Fiat G 91 und T 33 ausgebildet worden sei. Im Rahmen der Ausbildung seien täglich die Triebwerke an den Flugzeugen zwei bis drei Stunden in ständiger Wiederholung angefahren und im Intervall 5 bis 20 Sekunden auf Volllast betrieben worden. Zwar habe er sich an diesen Lärm gewöhnt, sei aber nach manchen Ausbildungstagen fast taub gewesen. Einen Gehörschutz habe er wegen des ständigen sicherheitsdienstlichen Kontakts zu den Auszubildenden nicht tragen können.
Nach entsprechenden Ermittlungen hat die Wehrbereichsverwaltung VI unter dem 25.02.1988 mitgeteilt, dass im Rahmen der Tätigkeit als Ausbilder von 1959 bis August 1965 eine Lärmbelastung bis maximal 115 dBA vorgelegen habe. Im Rahmen der Tätigkeit als Heizungs- und Klimameister ab September 1965 bis zur Ruhestandsversetzung ist der Kläger bis Mitte 1979 91 dBA ausgesetzt gewesen und ab Mitte 1979 88 dBA. Gestützt auf das Gutachten der HNO-Ärztin Dr. B. vom 26.05.1988 hat die Beklagte (damals Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung) mit Bescheid vom 06.07.1988 als Folgen einer Berufskrankheit anerkannt "symmetrische reine Innenohrschwerhörigkeit mit besonderem Betroffensein der hohen Frequenzen". Die Bewilligung einer Verletztenrente ist jedoch abgelehnt worden, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 10 v.H. betrage und somit eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht vorliege. Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.1991 zurückgewiesen worden.
Mit Bescheid vom 25.05.1993 hat die Beklagte ab dem 02.01.1990 eine Stützrente nach einer MdE von 10 v.H. bewilligt, weil die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft wegen des Arbeitsunfalles vom 07.01.1950 ab dem 01.01.1990 eine MdE von ebenfalls 10 v.H. anerkannt hat.
Der Kläger hat am 14.09.2008 Antrag auf Beihilfe für ein Hörgerät gestellt. Der HNO-Arzt Dr. H. hat mit Stellungnahme vom 07.11.2008 ausgeführt, die anerkannten BK-Folgen im Sinne einer beidseits knapp geringgradigen Innenohrschwerhörigkeit würden weiterhin unstrittig die wesentliche Teilursache der Versorgung mit Hörgeräten darstellen. Hierbei hat sich Dr. H. auf das Audiogramm des HNO-Arztes Dr. G. vom 09.07.2007 gestützt. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 12.11.2008 die Kosten für eine Hörgeräteversorgung beidseits in Höhe von insgesamt 868,00 Euro bewilligt.
Der Kläger hat aufgrund entsprechender Anregungen von Hörakustikern unter dem 05.12.2008 beantragt, die bisher gewährte Verletztenrente nach einer MdE von 10 v.H. den Gegebenheiten anzupassen und angemessen zu erhöhen. Auf Veranlassung der Beklagten hat Prof. Dr. W. am 19.05.2008 ein HNO-ärztliches Gutachten erstellt. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen neige eine geringgradige, professionell bedingte Innenohrschwerhörigkeit in der Regel nicht zur Progression. Allerdings potenziere sich jeder berufsbedingte Hörverlust mit Einsetzen der pathologischen Altersschwerhörigkeit, wie es offensichtlich bei dem Kläger der Fall sei. Dieser leide mittlerweile an einer hochgradigen an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit rechts sowie an einer Taubheit links. Die BK-bedingte MdE werde weiter mit 10 v.H. bewertet. Die Versorgung mit den Hörgeräten sei rechtlich wesentlich wegen der anerkannten BK-Folge geboten.
Hierauf gestützt hat die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 14.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2009 eine Erhöhung der Verletztenrente abgelehnt. Die beruflich bedingte Innenohrschwerhörigkeit sei weiterhin mit einer MdE von 10 v.H. einzuschätzen, auch wenn sich der beruflich bedingte Hörverlust mit Einsetzen der pathologischen Altersschwerhörigkeit potenziere.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht München Prof. Dr. S. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur ärztlichen Sachverständigen bestellt. Diese ist mit HNO-ärztlichem Gutachten vom 29.12.2009 nach Aktenlage zu dem Ergebnis gekommen, den Tonschwellenaudiogrammen sei zu entnehmen, dass sich etwa ab 1990 das Hörvermögen langsam verschlechtert habe. Der Kläger leide nunmehr an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit rechts sowie an einer Taubheit mit Hörresten links. Jedoch komme es selbst bei hohen Lärmexpositionen über Jahre und Jahrzehnte hinweg praktisch nie zu einer hochgradigen Schwerhörigkeit oder darüber. Eine charakteristische C 5-Senke sei auf keinem der vorliegenden Audiogramme erkennbar. Eine Erhöhung der beruflich bedingten MdE über 10 v.H. hinaus könne nicht befürwortet werden, auch wenn unabhängig von der Ursache eine MdE von 70 v.H. vorliege. Prof. Dr. S. hat mit ergänzender Stellungnahme vom 10.03.2010 darauf hingewiesen, dass sich gegenteiliges auch nicht dem Audiogramm der Dr. R. vom 19.09.1988 entnehmen lasse. Es habe sich hierbei nachweislich um eine Fehlmessung gehandelt.
Nach entsprechender Ankündigung hat das Sozialgericht München die Klage gegen den Bescheid vom 14.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2009 mit Gerichtsbescheid vom 20.05.2010 abgewiesen. Entsprechend den schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. S. sei die wesentliche Verschlimmerung des Hörvermögens nicht als berufsbedingt anzusehen. Die berufsbedingte MdE betrage unverändert 10 v.H ...
Der Kläger hat mit Berufung vom 08.06.2010 präzisiert, dass er als Lehrling im Klostergut W. beim Holzfällen einen Trümmerbruch am rechten Sprunggelenk erlitten habe, der von der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft auf Dauer mit einer MdE von 10 v.H. bewertet worden sei. Einen Schädelbasisbruch habe er bei der Bundesbahn erlitten. Noch im gleichen Jahr sei festgestellt worden, dass die Verletzungen ausgeheilt und wegen seiner Jugend keine Spätfolgen zu erwarten seien. In der Sache verwies der Kläger darauf, dass entgegen der Ausführungen von Prof. Dr. S. nicht davon auszugehen sei, dass Dr. R. bei der Gehöruntersuchung am 19.09.1988 im Sanitätsbereich des Flugplatzes L. eine Fehlmessung unterlaufen sei. Dem Gutachten der Prof. Dr. S., das nach Aktenlage erstellt worden sei, könne daher nicht gefolgt werden. Es sei ihm nicht anzulasten, dass er wegen Operationsfolgen der Vorladung am 03.11.2009 zu Prof. Dr. S. nicht habe folgen können und diese deswegen sehr verärgert gewesen sei.
Von Seiten des Senats wurden die Unfall-Akten der Beklagten sowie die Streitakten des Sozialgerichts München beigezogen. Im Folgenden bestellte der Senat Prof. Dr. B. gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Dieser kam nach ambulanter Untersuchung mit HNO-ärztlichem Fachgutachten vom 03.01.2011 zu dem Ergebnis, dass der lärmbedingte Anteil an der aktuellen Schwerhörigkeit wie bisher nicht höher als mit einer MdE von 10 v.H. bewertet werden könne. Mit dem Eintritt in das Rentenalter und somit mit Beendigung der beruflichen Lärmexposition könne sich eine lärmbedingte weitere Verschlechterung des Gehörs nicht mehr entwickeln. Die erst nach dem Juli 2007 stark zunehmende Hörminderung, die knapp 1 1/2 Jahr später anlässlich eines weiteren Hörtestes im Rahmen der Verordnung einer Hörhilfe durch Dr. M. rechts bereits einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit und links einer knapp an Taubheit grenzenden Innenohrschwerhörigkeit entsprach und am 19.05.2009 (HNO-Gutachten Prof. Dr. W.) sprachaudiometrisch bereits mit einer beidseitigen Taubheit vereinbar sei, könne kausal nicht mit der früheren beruflichen Lärmexposition verknüpft werden.
Der Kläger hielt mit Schriftsätzen vom 09.02.2011 und 15.02.2011 an seiner gegenteiligen Auffassung fest und legte den Arztbrief des Dr. M. vom 05.12.2008 nochmals vor. Dort wurde im Tonschwellenaudiogramm eine mittel- bis hochgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits beschrieben. - Ausweislich Seite 7 des Gutachtens Prof. Dr. B. vom 03.01.2011 hat sich der gerichtlich bestellte Sachverständige hiermit bereits auseinandergesetzt. - Ergänzend führte der Kläger mit Schreiben vom 22.02.2011 aus, dass er einem Betriebslärm von mehr als 100 dBA entsprechend dem Betriebsschutzdezernat der Wehrbereichsverwaltung VI 1987 ausgesetzt gewesen sei. Die lärmbelastenden Schnellschluss-Vorrichtungen im Bunkerbereich seien in den 90iger Jahren durch selbsttätige Schnellschlussklappen ersetzt worden. Die Wartung habe sich damit in diesem Lärmbereichen erübrigt.
In der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2011 übergibt der Kläger ein Kompendium als Beweis für seine Untersuchungen bei der Bundeswehr und beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20.05.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach einer höheren MdE als 10 v.H. zu bewilligen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt entsprechend dem Schriftsatz vom 29.07.2010,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20.05.2010 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs. 2 SGG auf die beigezogenen Unterlagen der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage gegen den Bescheid vom 14.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2009 mit Gerichtsbescheid vom 20.05.2010 zutreffend abgewiesen. Dem Kläger steht aufgrund der anerkannten Lärmschwerhörigkeit (Berufskrankheit nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV) keine höhere Verletztenrente zu als die bereits bewilligte (§ 56 Abs. 1 und 2 SGB VII).
Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKV mit den Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach der Nr. 2301 auch eine Lärmschwerhörigkeit (Bekanntmachung des BMAS vom 01.07.2008, GMBL 2008, 798; BG-Grundsatz:
G 20 "Lärm").
Mit der Aufnahme einer Krankheit in die Liste der Berufskrankheiten wird indes nur die mögliche Ursächlichkeit einer beruflichen Schädigung generell anerkannt und die Erkrankung als solche für entschädigungswürdig befunden. Im Einzelfall ist für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und er schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründete Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Beklagte nur für den beruflich bedingten Schaden im Sinne einer "beidseitigen knapp geringgradigen Hochtoninnenohrschwerhörigkeit" einstandspflichtig, nicht jedoch für die Gesamtheit der Funktionsstörungen im Bereich beider Ohren. Zuletzt hat Prof. Dr. B. mit HNO-fachärztlichem Gutachten vom 03.01.2011 insoweit eine Taubheit beidseits mit Hörresten sowie einen diskreten Hinweis für ein zentral-vestibuläres Funktionsdefizit feststellen können. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass alle am Verfahren beteiligten Gutachter zwischen der beruflichbedingten Lärmschwerhörigkeit und dem schicksalshaften Einsetzen der pathologischen Altersschwerhörigkeit differenziert haben (vgl. Gutachten des Prof. Dr. W. vom 19.05.2009, der Prof. Dr. S. vom 20.12.2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 10.03.2010 sowie des Prof. Dr. B. vom 03.01.2011).
Der Senat sieht keine Veranlassung hiervon abzuweichen. Denn vor allem Prof. Dr. S. hat auf Seite 12 ihres Gutachtens vom 29.12.2009 darauf hingewiesen, dass selbst bei hohen Lärmexpositionen über Jahre und Jahrzehnte hinweg es praktisch nie zu einer hochgradigen Schwerhörigkeit oder darüber kommt. Eine charakteristische C 5-Senke ist auf keinem der vorliegenden Audiogramme erkennbar. Dies gilt auch für das Audiogramm der Dr. R. vom 29.09.1988 (Bl. 100 Rücks. der Unfall-Akten). Auch Prof. Dr. B. hat sich mit HNO-fachärztlichem Gutachten vom 03.01.2011 auf Seite 6 hiermit auseinandergesetzt (annähernd hochgradige Innenohrschwerhörigkeit; zusätzlich bestehende beiderseitige Mittelohrschwerhörigkeit, links stärker ausgeprägt als rechts). Dies korrespondiert mit einer deutlichen Zunahme der Hörminderung im mittleren Frequenzbereich mit Senkenbildung beidseits bei 3000 Hz. Warum sich das Gehör innerhalb einer kurzen Zeitspanne von etwa fünf Monaten zwischen den beiden Hörtesten so massiv verändert hat und warum zusätzlich auch eine Schallleitungskomponente bestand, hat auch Prof. Dr. B. im Nachhinein nicht klären können. Als Lärmfolge kann das Ergebnis vom 29.09.1988 in keinem Fall gewertet werden, da sich Hörstörungen im Lärm nur ganz langsam entwickeln. Darüber hinaus ergab eine nachfolgende betriebsärztliche Überprüfung des Gehörs am 19.11.1990 für das rechte Ohr wiederum einen prozentualen Hörverlust von 35 %, vergleichbar mit einer geringgradigen Schwerhörigkeit. Für das linke Gehör ergab sich hingegen unter Berücksichtigung der 3-Frequenz-Tabelle nach Röser ein prozentualer Hörverlust von 50 %, entsprechend einer mittelgradigen Schwerhörigkeit (vgl. Seite 18 des HNO-fachärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. B. vom 03.01.2011).
Weiterhin haben Versicherte gemäß § 9 Abs. 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Abweichend hiervon kommt dem Kläger der sogenannte Tatbestand der "Stützrente" gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII zu Gute. In Berücksichtigung des weiteren landwirtschaftlichen Unfalles genügt vorliegend eine MdE von 10 v.H. für die Bewilligung einer Verletztenrente.
Für die beruflichbedingte beidseitige knapp geringgradige Hochtoninnenohrschwerhörigkeit in Form einer symmetrischen reinen Innenohrschwerhörigkeit mit besonderem Betroffensein der hohen Frequenzen ist eine MdE von 10 v.H. angemessen und ausreichend. Denn die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf den gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Es wird also eine abstrakte Berechnung angestellt, nicht auf die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten abgestellt (Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56
Rn. 10.1).
Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang rügt, das Gutachten der Prof. Dr. S. vom 29.12.2009 sei nach Aktenlage erstellt worden und somit ungenügend, ist dies unbehelflich. Denn Prof. Dr. B. ist mit HNO-fachärztlichem Gutachten vom 03.01.2011 nach ambulanter Untersuchung vom 12.12.2010 zu dem nämlichen Ergebnis genommen. Der zweitinstanzlich gehörte Sachverständige hat abschließend schlüssig und überzeugend darauf hingewiesen, dass mit Eintritt in das Rentenalter und somit mit Beendigung der beruflichen Lärmexposition sich eine lärmbedingte weitere Verschlechterung des Gehörs nicht mehr entwickeln kann. Die erst nach dem Juli 2007 stark zunehmende Hörminderung, die knapp 1 1/2 Jahre später anlässlich eines weiteren Hörtests im Rahmen der Verordnung einer Hörhilfe durch Dr. M. vom 05.12.2008 rechts bereits einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit und links einer knapp an Taubheit grenzenden Innenohrschwerhörigkeit entsprach und am 19.05.2009 (vgl. Gutachten des Prof. Dr. W.) sprachaudiometrisch bereits mit einer beidseitigen Taubheit vereinbar war, kann kausal nicht mit der früheren beruflichen Lärmexposition verknüpft werden.
Dies entspricht den unfallrechtlich zu beachtenden "Erfahrungswerten" (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Rz. 7.3.3 ff). Denn sind wie bei dem Kläger aufgrund der beruflichbedingten Lärmschädigung besonders die hohen Frequenzen betroffen, wirkt sich dies auf die Kommunikationsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur untergeordnet aus. Im Übrigen fällt es wie bereits erwähnt nicht in den Risikobereich der Beklagten, dass es mit dem Einsetzen der pathologischen Altersschwerhörigkeit zu einer Potenzierung des berufsbedingten Hörverlustes gekommen ist.
Wenn der Kläger mit Schriftsatz vom 22.02.2011 nochmals auf seine beruflich bedingte Lärmexposition sowohl in dem Zeitraum bis August 1965 als Ausbilder und ab September 1965 als Heizungs- und Klimameister in der Untertage-Anlage in L. hingewiesen hat, haben diesem Umstand sowohl die Beklagte als auch alle am Verfahren beteiligten Sachverständigen in Berücksichtigung der Ausführungen der Wehrbereichsverwaltung VI vom 25.02.1988 bereits ausreichend Rechnung getragen. Unbehelflich ist auch, dass ärztliche Diagnosen und Beschreibungen im Laufe der Jahre sprachlich modifiziert verwendet worden sind, insbesondere dass Dr. M. mit Arztbrief vom 05.12.2008 den Begriff "pancochlear" nicht aufgeführt hat, Frau Prof. Dr. S. auf Seite 4 ihres Gutachtens vom 29.12.2009 diesen Begriff jedoch wertend einbringt. Insoweit ist vielmehr zu unterscheiden zwischen den Aufgaben eines niedergelassenen behandelnden HNO-Arztes mit dem Ziel einer geeigneten Hörgeräteversorgung und den Aufgaben gerichtlich bestellter Sachverständiger im Sinne einer Ursachenforschung und Differenzierung einer beruflich bedingten Lärmschwerhörigkeit in Abgrenzung von einer schicksalhaften hier mittlerweile alles überlagernden Altersschwerhörigkeit.
Auch das in der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2011 übergebene Kompendium enthält keine neuen Gesichtspunkte. Vor allem ist der Bericht des HNO-Arztes Dr. H. vom 04.02.1991 bereits aktenkundig gewürdigt worden. Wenn Dr. H. eine deutliche Hörverschlechterung überwiegend im Tieffrequenzbereich diagnostiziert hat, hat er dennoch nur eine geringfügige Zunahme der lärmbedingten Schwerhörigkeit bei nunmehr doch spürbarer berufsunabhängiger apicocochleärer Schwerhörigkeit beidseits, besonders links beschrieben. Eine wesentliche Änderung der MdE, die laut Gutachten auf 10 v.H. festgelegt war, ergibt sich hieraus nicht. Diese ist angesichts der nur noch selten vorhandenen Lärmexpositionen auch nicht wahrscheinlich, so Dr. H. bereits unter dem 04.02.1991.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 20.05.2010 ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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