L 13 AS 2276/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 1407/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2276/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers vom 30. Mai 2011 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2011 im Verfahren S 17 AS 1407/11 ER wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag des Antragstellers vom 30. Mai 2011 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. E. wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes das Begehren des Antragstellers streitig, der Antragsgegner solle die Zahlung der Miete und Nebenkosten an seinen Vermieter einstellen und die Kosten für die Renovierung seiner jetzigen Wohnung, für eine neue Wohnung in Karlsruhe, für den Umzug (ein LKW und drei Helfer für ca. 1000,00 Euro), für seine zwischenzeitliche Unterbringung in einem Hotel, für eine Haushaltshilfe (24 Stunden täglich) und für ein Notrufsystem übernehmen, sowie die jeweiligen Beträge direkt auf das Konto des Antragstellers bei der Stadtsparkasse überweisen.

Der Antragsteller (geboren am 16. Oktober 1949) steht seit Jahren im Bezug von Leistungen des Antragsgegners. Nachdem ihm sein Vermieter wegen Mietrückständen in den Monaten August und September 2006 gekündigt hatte, gewährte der Antragsgegner ihm ein Darlehen zur Begleichung der Mietrückstände in Höhe von 1365,00 Euro und überwies die Kosten für Unterkunft und Heizung seit dem 1. November 2006 direkt an den Vermieter.

Zwischen dem Antragsteller und seinem Vermieter ist beim Amtsgericht Karlsruhe ein Verfahren anhängig (4 C 109/11).

Am 1. April 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er benötige dringend eine andere Unterkunft. Der Antragsgegner müsse die Kosten übernehmen und dürfe die Miete nicht mehr an seinen Vermieter überweisen. Er bitte darum, dass aus der Baustelle eine Wohnung werde, er verfüge bisher nicht über Heizung und Strom, die Wohnung weise weitere Mängel auf.

Der Antragsgegner hat vor dem SG mitgeteilt, eine zweckentsprechende Verwendung der Miet- und Heizkosten durch den Antragsteller sei nicht gesichert. Die Kostenübernahme für eine neue, noch nicht konkrete Unterkunft könne nicht erfolgen. Die Schäden in der Wohnung habe der Antragsteller selbst angerichtet. Eine Behebung der Schäden an der Stromversorgung habe der Vermieter nicht erreichen können, da überall in der Wohnung Müll und Gegenstände herumlägen.

Mit Beschluss vom 27. April 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Nach summarischer Prüfung fehle das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Anträge auf Kostenübernahme für die Renovierung der jetzigen Wohnung, eine neue Wohnung in Karlsruhe, den Umzug (ein LKW und drei Helfer für ca. 1000,00 Euro), die zwischenzeitliche Unterbringung in einem Hotel, eine Haushaltshilfe (24 Stunden täglich) und ein Notrufsystem. Hier müsse der Antragsteller zunächst versuchen, seine Ziele ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu erreichen, indem er einen Antrag bei dem Antragsgegner stelle. Im Übrigen sei ein gesetzlicher Anspruch gegenüber der Antragstellerin auf Bezahlung eines Hotels, einer Haushaltshilfe für 24 Stunden und eines Notrufsystems nicht glaubhaft gemacht. Vorliegend könnten auch keine Umzugskosten überkommen werden, da ein Umzug nicht ersichtlich sei. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass er eine neue Wohnung gefunden habe. Bei der Wohnungssuche könne ihm der Antragsgegner zwar helfen, sei aber nicht verpflichtet, dem Antragsteller eine neue Wohnung zu suchen. Die Reparaturen der Wände und der Elektrik sei im Verhältnis von Vermieter und Mieter zu klären. Vorliegend habe der Antragsteller auch noch keinen konkreten Antrag auf Erteilung einer Zusicherung zu einem Umzug bei der Antragsgegnerin gestellt und habe sich auch noch keine neue Wohnung gesucht. Eine Zusicherung könne damit nicht erfolgen. Nach summarischer Prüfung stehe dem Antragsteller auch kein Anspruch auf Überweisung der Miete und Nebenkosten auf sein eigenes Konto zu. Vorliegend habe der Antragsteller im Jahr 2006 bereits die Miete nicht an den Vermieter weitergeleitet, so dass ihm von diesem fristlos gekündigt worden sei. Um zu vermeiden, dass die Unterkunft dadurch gefährdet werde, dass der Antragsteller die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht an den Vermieter weiterleite, sondern die Leistungen für sich verbrauche, sei die Zahlung der Miete an den Vermieter vorliegend zulässig und ermessensfehlerfrei. Zudem habe der Antragsteller den für den Erlass einer Regelungsanordnung erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Dafür sei erforderlich, dass der Antragsteller glaubhaft mache, alle zumutbaren Möglichkeiten der Selbsthilfe erfolglos ausgeschöpft zu haben. Vorliegend habe der Antragsteller die Möglichkeit, seine Wohnung selber in einen Zustand zu bringen, indem die Reparatur der Elektrik und - falls nötig - der Heizung durch den Vermieter möglich sei. Nach Auskunft des Amtsgerichts Karlsruhe habe die vom Kläger erhobene Klage auch schon dazu geführt, dass Handwerker beauftragt worden seien.

Gegen den ihm am 29. April 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 30. Mai 2011 beim SG Beschwerde eingelegt (Eingang beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 6. Juni 2011) und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter. Wegen der Ausführungen des Antragstellers wird auf dessen Schriftsatz auf Bl. 5 bis 11 der Beschwerdeakten Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, denn diese sei verfristet eingelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Beschwerdeakte des LSG Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit insgesamt zulässig. Nachdem der angefochtene Beschluss dem Antragsteller am 29. April 2011 zugestellt worden war, begann die einmonatige (§ 173 Satz 1 SGG) Beschwerdefrist am 30. April 2011 zu laufen. Da der 29. Mai 2011, der eigentlich letzte Tag der Beschwerdefrist ein Sonntag war, verlängerte sich die Frist bis zum Ablauf des nächsten Kalendertages (§ 64 Abs: 3 SGG), hier dem 30. Mai 2011. Die an diesem Tag beim SG eingegangene Beschwerde ist damit - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - noch fristgemäß.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

Prozessuale Grundlage des im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verfolgten Anspruchs ist § 86b Abs. 2 S. 2 SGG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorweg nehmenden Eilentscheidung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann auch bei Leistungen nach dem SGB II in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistungen für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 2005 - L 13 AS 4106/05 ER-B). Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen, also für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Eilverfahrens, ist, von einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B - veröffentlicht in juris). Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. BVerfG in NJW 2003, 1236f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - veröffentlicht in juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung, hier also der Entscheidung über die Beschwerde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. auch dazu Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 a.a.O. m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Zugrundelegung der (hier maßgeblichen) Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde hat der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht.

Hinsichtlich der begehrten Übernahme der Kosten für die Renovierung der jetzigen Wohnung des Antragstellers besteht weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Denn diese Kosten sind von der Regelleistung des § 20 SGB II abschließend erfasst. Sie stellen auch keine Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 SGB II dar. Vorliegend kommt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auch eine Leistungsgewährung nach den Tatbeständen des § 21 Abs. 6 bzw. § 24 Abs. 1 und 3 SGB II nicht in Betracht. Denn insoweit ist auch der Anordnungsgrund der Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht; nachdem der Antragsteller schon seit Jahren in der Wohnung lebt und eine Verschlechterung des - durch Vermüllung und eigenhändig vorgenommene bzw. selbst in Auftrag gegebene und nicht zu Ende geführte Umbauten selbst verursachten - Wohnungszustandes nicht eingetreten ist, kann es dem Antragsteller zugemutet werden, den Ausgang eines bei der Antragsgegnerin durchzuführenden Verwaltungs- bzw. eines anschließenden Klageverfahrens abzuwarten. Auch verfügt der Kläger über Strom und Gas in der Wohnung. Dies ergibt sich für den Senat bereits daraus, dass die Stadtwerke für monatliche Strom- und Gaslieferungen Abschläge in nicht unerheblicher Höhe erhalten (Bl. 2307 der Verwaltungsakte) und der Antragsteller auch seinen Gaslieferanten wechseln wollte (Bl. 2355 der Verwaltungsakte).

Soweit der Antragsteller begehrt, die Kosten für eine neue Wohnung in Karlsruhe zu übernehmen, besteht weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Die Antragsgegnerin ist zwar nach § 22 Abs. 1 SGB II verpflichtet, Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Da sie jedoch die Kosten der vom Antragsteller bewohnten Wohnung tatsächlich übernimmt, besteht kein weiterer bzw. darüber hinausgehender Anspruch auf Übernahme von Kosten einer weiteren, neuen Wohnung; zumal der Antragsteller eine solche Wohnung noch nicht gefunden hat. Dabei ist die Antragsgegnerin auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller ein neue Wohnung zu beschaffen, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat.

Auch hinsichtlich des Begehrens der Kostenübernahme für den Umzug (ein LKW und drei Helfer für ca. 1000,00 Euro) besteht weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Nachdem der Antragsteller eine neue Wohnung, in die er umzuziehen beabsichtigt, nicht gefunden hat, ist auch ein Umzug nicht konkret geplant. Auch ist das Verfahren nach § 22 Abs. 6 SGB II nicht eingehalten. Schon aus diesem Grund besteht weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.

Für das Begehren, die Kosten für eine zwischenzeitliche Unterbringung in einem Hotel zu übernehmen hat der Antragsteller ebenfalls weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Da der Antragsteller eine von der Antragsgegnerin finanzierte Wohnung hat, die er in dem vorhandenen Zustand seit Jahren benutzt und eine Verschlechterung weder dargelegt wurde, noch die Unzumutbarkeit des weiteren Verbleibs des Antragstellers in der Wohnung dargetan ist, besteht kein Anspruch nach § 22 Abs. 1 SGB II. Auch ist nicht glaubhaft gemacht, dass eine Verschlechterung der Situation droht. Soweit die Wohnung vermüllt ist, ist es zunächst am Antragsteller, die Wohnung bewohnbar zu machen. Soweit die Wohnung wegen einer vom Vermieter veranlassten Renovierung unbewohnbar sein sollte, hat sich der Antragsteller zunächst an seinen Vermieter zu wenden.

Soweit der Antragsteller die Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe (24 Stunden täglich) und für ein Notrufsystem geltend macht, hat der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich nicht, dass überhaupt ein entsprechender Bedarf besteht. Leidglich Dr. Geßner hat die Installation eines Hausnotrufs für erforderlich gehalten (Bl. 2375 Verwaltungsakte). Sollte sich hieraus tatsächlich ein Bedarf ergeben, so ist es zunächst am Antragsteller diesen Bedarf gegenüber der Krankenkasse, die derartige Risiken absichert, geltend zu machen (vgl. § 12a SGB II). Da insoweit ein ungedeckter Bedarf nicht glaubhaft gemacht ist, kommt auch eine Leistungsgewährung nach § 21 (insbesondere Abs. 6) SGB II nicht in Betracht. Nachdem der Antragsteller sich bisher nicht an seine Krankenkasse gewandt hat, konnte der Senat auch eine Eilbedürftigkeit gegenüber der Antragsgegnerin nicht feststellen.

War den vorstehenden Begehren des Antragstellers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht nachzukommen, so hat er auch keinen Anspruch auf Auszahlung der jeweiligen Beträge direkt auf sein Konto bei der Stadtsparkasse.

Auch soweit der Antragsteller verlangt, die Zahlung der Miete und Nebenkosten an seinen Vermieter einzustellen und diese statt dessen an ihn auszubezahlen, hat er zumindest einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Maßgebliche Rechtsgrundlage ist insoweit § 22 Abs. 7 SGB II. Ob dessen Voraussetzungen vorliegen und ob die Antragsgegnerin wegen der im Jahr 2006 aufgetretenen Mietrückständen, die zu einer Kündigung der Wohnung geführt hatten, berechtigt ist, die Miete bzw. Nebenkosten direkt an den Vermieter bzw. die Stadtwerke zu bezahlen, ist in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Angesichts der auf Mietrückständen beruhenden Kündigung der Wohnung im Jahr 2006 dient die direkte Zahlung der Vermeidung von Wohnungslosigkeit und dem Erhalt der Strom- und Gaslieferungen. Damit ist es dem Antragsteller zuzumuten, hierzu eine Entscheidung in einem Klageverfahren abzuwarten, weshalb zumindest ein Anordnungsgrund nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

III.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) war abzulehnen, da angesichts der bereits dargelegten Erfolglosigkeit der Beschwerde die nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags nicht gegeben war.

IV.

Diese Entscheidungen können mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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