Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 5377/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2860/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beim Kläger diagnostiziert Harnblasenkarzinom als Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) festzustellen ist.
Der 1948 geborene Kläger absolvierte nach Abschluss der Schulausbildung 1966 eine Lehre als Chemielaborant und war im Ausbildungsbetrieb bis Juni 1973 und danach bei der Firma B in seinem Ausbildungsberuf tätig. Ab 01.01.1975 war er bei der Firma G GmbH in P. beschäftigt, wo er in der Eingangskontrolle und als Compounder (Verantwortlicher der Qualitätssicherung) an der Mischanlage eingesetzt wurde.
Nach ärztlicher Anzeige des beim Kläger diagnostizierten Harnblasenkarzinoms als Berufskrankheit (Anzeige von Dr. Se. vom 20.06.2000 und Stellungnahme vom 29.09.2000) leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren ein. Bei einem Hausbesuch am 01.08.2000 wurde der Kläger zum beruflichen Werdegang und den Arbeitsbedingungen befragt (Bericht des Sachbearbeiters G. vom 08.08.2000). Der Kläger gab an, er habe während seiner Lehrzeit im Labor Kontakt zu Benzidin als aromatisches Amin gehabt. Bei der Firma B sei es nach seiner Erinnerung nicht zu einem Schadstoffkontakt, insbesondere zu aromatischen Aminen gekommen, dagegen bei der Firma G , was im einzelnen ausgeführt wurde. Im Fragebogen der Beklagten erteilte die Firma G unter dem 05.09.2000 Auskunft zu den vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten (vom 01.01.1975 bis 01.01.1998 Chemielabor-Gruppenleiter, ab 01.01.1998 Mischungsentwicklung [Compounder]) mit Beschreibung der Arbeitsplatzbedingungen und des Umgangs mit Werkstoffen, was der Arbeitgeber auf Veranlassung der Beklagten mit Schreiben vom 18.09.2000 ergänzte. Danach sei das vom Kläger erwähnten Produkte Anax, chemische Bezeichnung Phenyl-beta-naphtylamin, nur bis zum 19.10.1972 eingekauft worden und hätte im 1. Quartal 1973 gänzlich verbraucht gewesen sein dürfen. Gestützt auf eine Betriebsbesichtigung des früheren Ausbildungsbetriebes des Klägers, an der der Kläger teilgenommen hatte, verneinte der Technische Aufsichtsbeamten Dr. S. eine gefährdende berufliche Tätigkeit. Eine Gefährdung im Ausbildungsbetrieb könne ausgeschlossen werden. Diese Einschätzung werde vom Kläger geteilt. Zusammenfassend sei auch nicht wahrscheinlich, dass der Kläger während seiner Tätigkeit für die Firma G mit gesundheitsgefährdenden Substanzen im Sinne der Berufskrankheit-Nr. 1301 in Berührung gekommen sei. Phenyl-beta-naphtylamin sei nur bis 1972 bei der Firma G eingesetzt worden, weshalb bis zur Tätigkeitsaufnahme des Klägers 1975 die Restmengen verarbeitet gewesen seien. Bei dem vom Kläger genannten weiteren Produkt Tartax, bestehend aus der Substanz N-nitroso-diphenylamin, sei davon auszugehen, dass sie nicht mit Beta-naphtylamin verunreinigt sei. Die Substanz selbst sei nicht krebserzeugend (Stellungnahme vom 14.03.2001).
Mit Bescheid vom 07.06.2001 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 (Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine) ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2001 zurückgewiesen.
Der Kläger erhob hiergegen Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (S 14 U 4393/01) und übersandte mehrere Listen der Arbeitsstoffe, mit denen er bei der Firma G Umgang gehabt habe. Er verwies auf die Verwendung von AZO-Farbstoffen, die bislang nicht berücksichtigt worden seien. Das Sozialgericht hörte die Firma G zeugenschaftlich schriftlich an (Schreiben der Firma vom 30.09.2002). Sie benannte die aromatischen Amine, die in ihrem Werk eingesetzt würden, und legte hierzu die Sicherheitsdatenblätter vor. In dem von Amts wegen eingeholten Gutachten von Prof. Dr. Dr. Bo. vom 05.08.2003 wurden die Voraussetzungen für eine Feststellung der Berufskrankheit nach Nummer 1301 verneint, denn das aromatische Amin Phenyl-beta-naphtylamin sei im Betrieb praktisch nicht mehr verwendet worden, der Stoff 1-amino-2-hydroxynaphthalinsulfonsäure stelle zwar ein aromatisches Amin dar, von dem aber eine krebs-erzeugende Wirkung auf die Blase nicht zu erwarten sei. Weitere Stoffe seien aromatische Amine, denen aber eine krebserzeugende Wirkung nicht zukämen. Kein aromatisches Amin sei N-nitroso-diphenylamin. P-phenylendiamin sei im Tierversuch als krebsverdächtiger Stoffe eingruppiert worden, eine hinreichende Kausalität sei für den vorliegenden Fall hieraus nicht abzuleiten. Die Kausalität sei durch das angegebene Zigarettenrauchen des Klägers als weit überwiegend wahrscheinlich einzustufen. In der mündlichen Verhandlung am 07.11.2003 schlossen die Beteiligten zur Beendigung des Rechtsstreits den Vergleich, wonach die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide sich verpflichtete, aufgrund des Vortrags des Klägers mit Schriftsatz vom 17.10.2003 die Berufskrankheit nach Nr. 1301 erneut zu prüfen und rechtsbehelfsfähig zu bescheiden.
Auf der Grundlage einer gemeinsamen Besprechung am 16.12.2004 bei der Firma G mit deren Fachkraft für Arbeitssicherheit und einem Vertreter des Betriebsrats erläuterte der Technische Aufsichtsbeamten Dr. S. dem anwesenden Kläger, dass in den bisherigen Stellungnahmen des Aufsichtsdienstes auf die jeweils vom Kläger nachgereichten Stofflisten eingegangen worden sei, wobei diese auch Stoffe enthielten, die für seine Erkrankung nicht relevant seien. Es wurde vereinbart, dass der Kläger dem Betrieb eine abschließende Liste der Stoffe zuleite, mit denen er Umgang gehabt habe (Stellungnahme von Dr. S. vom 20.12.2004). Mit Schreiben vom 24.08.2006 übermittelte die Firma G eine auf Angaben des Klägers beruhende Liste der aromatischen Amine, die im Bericht von Dr. S. vom 19.10.2006 ausgewertet wurden. Hinsichtlich des Stoffes Phenyl-beta-naphtylamin habe die Firma G erneut darauf hingewiesen, dass der Kläger damit keinen Umgang gehabt habe. Diskussionswürdig sei der Stoff Pontax (di-o-toluylguanidin), von dem bekannt sei, dass er kleine Mengen an o-Toluidin abgebe. Dieser sei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft(DFG)-Kommission als K1-Stoff benannt. Der Umgang des Klägers mit diesem Stoff bis etwa 1989 sei vergleichbar mit dem Umgang von Beschäftigten im Produktionsbereich, bei denen aber keine höheren Konzentrationen von o-Toluidin im Urin gefunden worden seien.
In dem von der Beklagten veranlassten arbeitsmedizinisch-toxikologischen Gutachten nach Aktenlage vom 27.08.2007 führte Prof. Dr. B. aus, obwohl von der Firma G ein Umgang mit Phenyl-beta-naphtylamin verneint worden sei, werde auf der Grundlage allgemeiner Erfahrungswerte entsprechend der Anlage 3 zur Stellungnahme des technischen Aufsichtsdienstes vom 28.06.2004 die kumulative Belastung des Klägers mit diesem Stoff mit 937 µg in der Zeit von 1975 bis 2000 angenommen. O-Toluidin könne inhalativ oder dermal aufgenommen worden sein. Messwerte von entsprechenden Arbeitsplätzen lägen jedoch nicht vor. Auch gebe es keine ausreichenden Erkenntnisse, welche Rolle die dermale Exposition tatsächlich spiele. Im Sinne einer worst-case-Betrachtung könne von einer o-Toluidin-Aufnahme in Höhe von ca. 122 mg ausgegangen werden. Das erst im Jahre 2006 nach K1 eingestufte o-Toluidin weise eine geringere harnblasenkrebserzeugende Potenz auf als Beta-naphtylamin und 4-Aminodiphenyl. Die zur Orientierungshilfe zur Beurteilung einer gefährdungsrelevanten Exposition erstellten "Äquivalente der Verdoppelungsdosis" betrage 30.000 mg, weshalb die auch nur in einer worst-case-Berechnung abgeleitete Exposition des Klägers zu vernachlässigen sei. Die in der Akte befindlichen Hinweise auf beruflichen Umgang mit weiteren aromatischen Aminen, wie Anilin oder Azo-Farbstoffe seien entweder nicht nach K1 eingestuft bzw. setzten keine aromatischen Amine frei. Außerberuflich liege ein langjähriger Nikotinabusus mit mehr als 30 Packungsjahren vor, wonach bereits ein Nikotinabusus in Höhe von 15 Packungsjahren mit einer Risikoverdoppelung für die Entwicklung eines Harnblasenkarzinoms assoziiert sei. Ein Ursachenzusammenhang zwischen Tabakkonsum und Harnblasenkarzinom sei hinreichend wahrscheinlich anzunehmen.
Mit Bescheid vom 12.02.2008 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 und eine Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2008 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 05.12.2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe mit der Begründung, die Rezepturen für die ab 1975 produzierten Gummimischungen seien nicht ermittelt worden. Er sei mit zahlreichen aromatischen Aminen und mit weiteren K1-Stoffen wie z.B. Arsenik in der Laboranalytik in Kontakt gekommen. Pontax habe außerdem herstellungsbedingt bis zu 2 % o-Toluidin als Verunreinigung enthalten. Zusätzlich sei bekannt, dass Pontax, d.h. di-ortho-Toluylguanidindin, in der Hitze o-Toluidin abspalte. Sein Vorgänger und dessen Vorgänger, die Kollegen Kornas und Eudenbach seien ebenfalls an Blasenkrebs erkannt gewesen und beim Kollegen Kornas sei dies als Berufskrankheit anerkannt worden. Unter Hinweis auf den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszug eines vom Kläger Prof. Dr. Bo. zugeschriebenen Beitrages machte er außerdem geltend, dass seit Mitte der Achtzigerjahre eine innere metabolische Aktivierung von Kanzerogenen für das Harnblasenkarzinom als erwiesen angesehen werden müsse, wenn leicht lösliche Azo-Farbstoffe inkorporiert würden. Dabei fände im Körper eine enzymatische Umbaureaktion statt, die krebsauslösendes Amin freisetze. Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf ihre Ermittlungen entgegen. Die Erkrankungen der Kollegen seien nicht vergleichbar, denn der Kläger sei nicht wie diese den schädigenden Einwirkungen von Beta-naphtylamin, das nur bis 1973 verwendet worden sei, ausgesetzt gewesen.
Nach schriftlicher Anhörung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen (Aussagen von PD Dr. W. vom 26.06.2009, Dr. F. vom 02.07.2009, Internist H. vom 10.08.2009 und PD Dr. K. vom 23.10.2009) wies das Sozialgericht mit Urteil vom 18.05.2010 die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf die Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. B ... Im Hinblick auf die relativ geringe Höhe der nachgewiesenen Exposition gegenüber den kanzerogenen aromatischen Aminen sei dies nicht wesentlich kausal für das Harnblasenkarzinom gewesen, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für berufliche Gründe als Teilursache sei nicht belegt. Der Einwand des Klägers, die Verwendung von Azo-Farbstoffen sei nicht berücksichtigt worden, trage demgegenüber nicht. Der erhebliche Nikotinkonsum als konkurrierende Ursache eines Harnblasenkarzinoms werde hierdurch nicht beseitigt.
Gegen das dem Kläger am 22.05.2010 zugestellte Urteil hat er am 18.06.2010 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die als Spaltprodukte von Azofarbstoffen aufgetretenen Gefahrstoffe Dichlor- und Dimethoxybenzidin seien nicht gewürdigt worden. O-Toluidin werde im Gutachten von Prof. Dr. B. verharmlost, denn es sei als Verunreinigung auch im Rohmaterial von Code Nailax enthalten. Zudem seien Konzentrationswerte für O-Toluidin im Tabakrauch nicht zu finden. Konzentrationen in Höhe von 0,16 µg seien nach Untersuchungen durch Professor Hermann von der Universität Ulm nachgewiesen, doch dies sei äußerst fragwürdig. Zudem seien Messwerte von 30-337 ng O-Toluidin in Zigarettenrauchen nicht zu vergleichen mit den dargelegten O-Toluidinwerten im Rohstoff Pontax im Milligrammbereich. Im übrigen wird auf das Schreiben des Klägers vom 23.05.2011 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.05.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 12.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2008 aufzuheben und sein Harnblasenkarzinom als Berufskrankheit nach Nummer 1301 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung des Klägers seien die von ihm genannten Stoffe berücksichtigt worden. Dichlor- und Dimethoxybenzidin seien nicht als humankanzerogen klassifiziert. Dem Gutachter von Prof. Dr. B. seien die Chemikalienlisten, die nach den vom Kläger aufgeführten Stoffe erstellt worden seien, zur Verfügung gestellt worden. Darin sei auch Code Nailax enthalten gewesen. Der Gutachter habe in seinem Gutachten auch zu den Aminen Stellung genommen und eine krebserzeugende Wirkung der Stoffe verneint. Eine kumulative Exposition im Sinne einer additiv-synkanzerogenen Wirkung der Stoffe o-Toluidin und Beta-naphtylamin sei nach Prof. Dr. B. nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Auch bei einer möglichen Verunreinigung von Code Nailax mit o-Toluidin könne im Laborbereich keine ausreichende Einwirkung festgestellt werden.
Mit richterlicher Verfügung vom 02.05.2011 sind die Beteiligten auf eine mögliche Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen sowie auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
II
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und insgesamt zulässig.
Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2008, mit dem sie es abgelehnt hat, eine Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen, ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung dieser Gesundheitsstörung als Berufskrankheit.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 12.02.2008/Widerspruchsbescheids vom 05.11.2008 und die begehrte Feststellung einer Listen-Berufskrankheit nach Nr. 1301. Die Auslegung des Klagebegehrens des bei der Antragstellung nicht mehr anwaltlich vertretenen Klägers ergibt, dass eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 07.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2001 nicht erhoben wurde, denn zur Aufhebung dieser Bescheide hat sich die Beklagte bereits mit gerichtlichem Vergleich vom 07.11.2003 verpflichtet. Im streitgegenständlichen Bescheid vom 12.02.2008 ist auch zutreffend ausgeführt, dass diese Bescheide in Ausführung des Vergleichs aufgehoben werden, weshalb insoweit keine neue Regelung getroffen und damit auch kein anfechtbarer Verwaltungsakt erlassen wurde. Insoweit wäre die Anfechtungsklage bereits unzulässig. Ebenso wenig ist Streitgegenstand die unter Nr. 2 der im Bescheid vom 12.02.2008 getroffene Verfügung, wonach die Feststellung als Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII abgelehnt wird. Zwar hatte der Kläger noch unbeschränkt Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt und ausweislich seiner Widerspruchsbegründung von 12.03.2008 auch unter Hinweis auf § 9 Abs. 2 SGB VII Neuermittlungen beantragt. Dem Klagevorbringen des zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch anwaltlich vertretenen Klägers ist dagegen nicht zu entnehmen, dass er auch - gegebenenfalls hilfsweise - eine Feststellung als Wie-Berufskrankheit begehrt bzw. unter welchen Gesichtspunkten eine solche Feststellung verfolgt wird. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 18.05.2010 wurde eine Feststellung als Wie-Berufskrankheit nicht beantragt und der formulierte Antrag in seiner Berufungsschrift vom 15.06.2010 enthält keinen solchen Antrag, wie auch mit der Berufungsbegründung kein vom Sozialgericht übergangener Klageantrag gerügt wird. Hinsichtlich der Ablehnung als Wie-Berufskrankheit ist der Bescheid vom 12.02.2008 daher bestandskräftig geworden.
Die Voraussetzungen zur Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 liegen dagegen auch zur Überzeugung des Senats nicht vor.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Im Anhang 1 zur BKV sind Erkrankungen durch Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine als Berufskrankheit nach Nr. 1301 enthalten.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 Rdnr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Nach diesen Grundsätzen ist die haftungsbegründende Kausalität nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen. Ebenso wie das Sozialgericht geht der Senat nach den erschöpfenden Ermittlungen der Beklagten davon aus, dass der Kläger in dem infrage kommenden Expositionszeitraum Einwirkungen der im Tatbestand der Berufskrankheit nach Nr. 1301 aufgeführten Stoffe ausgesetzt war, da der Kläger bei seiner Tätigkeit als Chemielaborant bei der Firma G ab 1975 Umgang mit vielfältigen Aminen hatte. Dagegen ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Einwirkung von Arbeitsstoffen den beim Kläger diagnostizierten Blasenkrebs verursacht hat, nicht gegeben.
Aus dem auch für den Senat überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. B. ergibt sich, dass die in der Akte der Beklagten enthaltenen Angaben des Klägers zu den genannten Arbeitsstoffen gesichtet und auf Hinweise geprüft wurden, inwieweit damit ein Umgang mit aromatischen Aminen, die in die Kategorie 1 als krebserzeugende Stoffe eingruppiert sind, verbunden war (vgl. Seite 3 ff des Gutachtens von 24.08.2007). Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Gutachter auf die von ihm im Berufungsverfahren genannten Stoffe Di-o-Tolylguanidin (DOTG) und Dichlor- und Dimethoxybenzidin eingegangen. Benzidin ist ausdrücklich als K1-Amin aufgeführt, hierzu wird aber im weiteren dargelegt, dass außer den vom Gutachter diskutierten Aminen Phenyl-Beta-naphtylamin und o-Toluidin keine sonst reduktiv abspaltbaren aromatische Amine oder solche mit nachgewiesener krebserzeugender Wirkung aus den aufgelisteten Stoffen ersichtlich ist. Dies deckt sich mit der aus arbeitsmedizinischer-technischer Sicht gegebenen Darlegungen von Dr. S. in seinen Berichten vom 19.10.2006 und 02.06.2008.
Der Senat lässt dahinstehen, ob hinsichtlich des von Gutachter Prof. Dr. B. diskutierten Stoffs Beta-naphtylamin der erforderliche Nachweis einer Einwirkung überhaupt erbracht ist. Dr. S. hat darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber des Klägers der Berufsgenossenschaft bereits 1976, also lange vor Beginn des dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Feststellungsverfahrens, mitgeteilt hatte, dass dieser Stoff seit 1974 nicht mehr verwendet wird. Soweit Prof. Dr. B. eine Exposition annimmt, stützt er sich hierbei auf die Hinweise vom 24.10.2000 zur Exposition in der Gummi-Industrie von Dr. E. , die dem Bericht von Dr. S. vom 28.06.2007 beigefügt waren. Danach ist nach dem Ergebnis einer Erfassungsaktion des Technischen Aufsichtsdienstes die Verwendung von Phenyl-2-naphtylamin und Phenyl-1-naphtylamin bis 1980 in vielen Gummifabriken eingestellt und die Produktion und der Verkauf dieses Stoffes längstens bis 1992/1994 betrieben worden, weshalb Prof. Dr. B. ungeachtet der Erklärung des Arbeitgebers orientierend eine Exposition des Klägers unterstellt hat und zwar bis Juni 2006. Ob damit ein Nachweis einer Exposition gegenüber Beta-naphtylamin zu führen ist, mag dahinstehen. Eine gesundheitsgefährdende kumulative Dosis ist von Prof. Dr. B. auch bei unterstellter Exposition nicht zu ermitteln gewesen. Dies gilt auch für O-Toluidin, worauf das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend abgestellt hat. Hierauf wird nach eigener Überprüfung des Senats verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Entsprechend eines 2007 erstellten Modells, basierend auf den bislang erfolgten Veröffentlichung empirischer Untersuchungen in Abhängigkeit zu den Inhaltsstoffen von Tabakrauch, ist eine gesundheitsgefährdende Exposition gegenüber o-Toluidin mit 30.000 mg und Beta-naphtylamin mit 6 mg anzunehmen, da der Verdoppelungseffekt als valides Ergebnis eines signifikanten Unterschieds zwischen Vergleichs- und Kontrollgruppe einer Studie mit dieser Exposition ermittelt wurde bzw. zu erwarten ist. Eine solche Exposition war für die berufliche Tätigkeit des Klägers nach Prof. Dr. B. nicht wahrscheinlich zu machen. In einer worst-case-Betrachtung errechnete Prof. Dr. B. eine Belastung von nur 937 Mikrogramm Beta-naphtylamin und von 122 Milligramm o-Toluidin. Die Ausführungen des Klägers in seinem Schreiben vom 23.05.2011 zur Konzentration von o-Toluidin in Tabakrauch und der von ihm hochgerechneten Exposition beim Umgang mit Pontax ist daher nicht überzeugend. Abgesehen davon, dass seine durch keine Studie belegte Behauptung einer unbewiesenen Konzentration von o-Toluidin im Tabakrauch den von Prof. Dr. B. zu Grunde gelegten Untersuchungen zu den Inhaltsstoffen von Tabak entgegensteht, wovon aber auch die mit richterlicher Verfügung vom 02.05.2011 in das Verfahren eingeführten Auszüge einer wissenschaftlichen Arbeit und der Entschließung des Europäischen Parlaments ausgehen und was die Einschätzung von Prof. Dr. B. belegt, wäre nach den Darlegungen des Klägers jedenfalls eine kanzerogene Potenz von o-Toluidin überhaupt nicht nachgewiesen und könnte daher auch nicht als relevante berufliche Exposition berücksichtigt werden. Weitere Ausführungen hierzu wären bereits aus diesem Grund entbehrlich.
Bei den vom Kläger angeführten Azo-Farbstoffen handelt es sich nach Prof. Dr. B. teilweise nicht um aromatische Amine, weshalb die entsprechenden chemischen Verbindungen bereits nicht den Tatbestand der Berufskrankheit Nr. 1301 erfüllen. Soweit sie selbst oder von ihnen freigesetzte Spaltsstoffe den aromatischen Aminen zugeordnet werden, sind sie nach Prof. Dr. B. nicht nach K 1, d.h. als humankanzerogen eingestuft. Auch diese Bewertung deckt sich mit dem von Dr. S. in seinem Bericht vom 28.06.2004 mitgeteilten Erkenntnisstand.
Dass Azo-Farbstoffe, die selbst nicht aromatische Amine sind, nach inhalativer oder dermaler Aufnahme durch metabolische Prozesse aromatische Amine abspalten, und ob diese eine humankanzerogene Wirkung haben, kann dahinstehen. Nach der Berufskrankheit-Nr. 1301 ist die Einwirkung von aromatischen Aminen auf den Körper erforderlich. Stoffwechselvorgänge des Körpers selbst werden von dieser Listenkrankheit nicht erfasst. Denkbar wäre daher allenfalls eine Feststellung als Wie-Berufskrankheit, die vorliegend aber nicht Streitgegenstand ist.
Darüber hinaus wäre ein solcher Klageantrag wohl unbegründet. Voraussetzung einer Wie-Berufskrankheit ist, dass seit der letzten Änderung der Berufskrankheitenliste neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die die Annahme einer "Berufskrankheitenreife" der diskutierten Erkrankung rechtfertigen (vgl. BSG, Urt. vom 04.06.2002 - B 2 U 16/01 R m. w. N.). Nach dem vom Kläger selbst vorgelegten Auszug eines Berichts von Prof. Dr. Bo. ist dieser durch Inkorporation von Azo-Farbstoffen induzierte Stoffwechselvorgang bereits seit Mitte der Achtzigerjahre bekannt, gleichwohl sind diese Stoffe nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden. Danach sind diese Erkenntnisse nicht mehr neu im erforderlichen Rechtssinne. Auch mit der letzten Änderung der Anlage 1 zur BKV im Juni 2009 (BKV i.d.F. vom 11.06.2009) ist eine solche Erweiterung nicht erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beim Kläger diagnostiziert Harnblasenkarzinom als Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) festzustellen ist.
Der 1948 geborene Kläger absolvierte nach Abschluss der Schulausbildung 1966 eine Lehre als Chemielaborant und war im Ausbildungsbetrieb bis Juni 1973 und danach bei der Firma B in seinem Ausbildungsberuf tätig. Ab 01.01.1975 war er bei der Firma G GmbH in P. beschäftigt, wo er in der Eingangskontrolle und als Compounder (Verantwortlicher der Qualitätssicherung) an der Mischanlage eingesetzt wurde.
Nach ärztlicher Anzeige des beim Kläger diagnostizierten Harnblasenkarzinoms als Berufskrankheit (Anzeige von Dr. Se. vom 20.06.2000 und Stellungnahme vom 29.09.2000) leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren ein. Bei einem Hausbesuch am 01.08.2000 wurde der Kläger zum beruflichen Werdegang und den Arbeitsbedingungen befragt (Bericht des Sachbearbeiters G. vom 08.08.2000). Der Kläger gab an, er habe während seiner Lehrzeit im Labor Kontakt zu Benzidin als aromatisches Amin gehabt. Bei der Firma B sei es nach seiner Erinnerung nicht zu einem Schadstoffkontakt, insbesondere zu aromatischen Aminen gekommen, dagegen bei der Firma G , was im einzelnen ausgeführt wurde. Im Fragebogen der Beklagten erteilte die Firma G unter dem 05.09.2000 Auskunft zu den vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten (vom 01.01.1975 bis 01.01.1998 Chemielabor-Gruppenleiter, ab 01.01.1998 Mischungsentwicklung [Compounder]) mit Beschreibung der Arbeitsplatzbedingungen und des Umgangs mit Werkstoffen, was der Arbeitgeber auf Veranlassung der Beklagten mit Schreiben vom 18.09.2000 ergänzte. Danach sei das vom Kläger erwähnten Produkte Anax, chemische Bezeichnung Phenyl-beta-naphtylamin, nur bis zum 19.10.1972 eingekauft worden und hätte im 1. Quartal 1973 gänzlich verbraucht gewesen sein dürfen. Gestützt auf eine Betriebsbesichtigung des früheren Ausbildungsbetriebes des Klägers, an der der Kläger teilgenommen hatte, verneinte der Technische Aufsichtsbeamten Dr. S. eine gefährdende berufliche Tätigkeit. Eine Gefährdung im Ausbildungsbetrieb könne ausgeschlossen werden. Diese Einschätzung werde vom Kläger geteilt. Zusammenfassend sei auch nicht wahrscheinlich, dass der Kläger während seiner Tätigkeit für die Firma G mit gesundheitsgefährdenden Substanzen im Sinne der Berufskrankheit-Nr. 1301 in Berührung gekommen sei. Phenyl-beta-naphtylamin sei nur bis 1972 bei der Firma G eingesetzt worden, weshalb bis zur Tätigkeitsaufnahme des Klägers 1975 die Restmengen verarbeitet gewesen seien. Bei dem vom Kläger genannten weiteren Produkt Tartax, bestehend aus der Substanz N-nitroso-diphenylamin, sei davon auszugehen, dass sie nicht mit Beta-naphtylamin verunreinigt sei. Die Substanz selbst sei nicht krebserzeugend (Stellungnahme vom 14.03.2001).
Mit Bescheid vom 07.06.2001 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 (Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine) ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2001 zurückgewiesen.
Der Kläger erhob hiergegen Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (S 14 U 4393/01) und übersandte mehrere Listen der Arbeitsstoffe, mit denen er bei der Firma G Umgang gehabt habe. Er verwies auf die Verwendung von AZO-Farbstoffen, die bislang nicht berücksichtigt worden seien. Das Sozialgericht hörte die Firma G zeugenschaftlich schriftlich an (Schreiben der Firma vom 30.09.2002). Sie benannte die aromatischen Amine, die in ihrem Werk eingesetzt würden, und legte hierzu die Sicherheitsdatenblätter vor. In dem von Amts wegen eingeholten Gutachten von Prof. Dr. Dr. Bo. vom 05.08.2003 wurden die Voraussetzungen für eine Feststellung der Berufskrankheit nach Nummer 1301 verneint, denn das aromatische Amin Phenyl-beta-naphtylamin sei im Betrieb praktisch nicht mehr verwendet worden, der Stoff 1-amino-2-hydroxynaphthalinsulfonsäure stelle zwar ein aromatisches Amin dar, von dem aber eine krebs-erzeugende Wirkung auf die Blase nicht zu erwarten sei. Weitere Stoffe seien aromatische Amine, denen aber eine krebserzeugende Wirkung nicht zukämen. Kein aromatisches Amin sei N-nitroso-diphenylamin. P-phenylendiamin sei im Tierversuch als krebsverdächtiger Stoffe eingruppiert worden, eine hinreichende Kausalität sei für den vorliegenden Fall hieraus nicht abzuleiten. Die Kausalität sei durch das angegebene Zigarettenrauchen des Klägers als weit überwiegend wahrscheinlich einzustufen. In der mündlichen Verhandlung am 07.11.2003 schlossen die Beteiligten zur Beendigung des Rechtsstreits den Vergleich, wonach die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide sich verpflichtete, aufgrund des Vortrags des Klägers mit Schriftsatz vom 17.10.2003 die Berufskrankheit nach Nr. 1301 erneut zu prüfen und rechtsbehelfsfähig zu bescheiden.
Auf der Grundlage einer gemeinsamen Besprechung am 16.12.2004 bei der Firma G mit deren Fachkraft für Arbeitssicherheit und einem Vertreter des Betriebsrats erläuterte der Technische Aufsichtsbeamten Dr. S. dem anwesenden Kläger, dass in den bisherigen Stellungnahmen des Aufsichtsdienstes auf die jeweils vom Kläger nachgereichten Stofflisten eingegangen worden sei, wobei diese auch Stoffe enthielten, die für seine Erkrankung nicht relevant seien. Es wurde vereinbart, dass der Kläger dem Betrieb eine abschließende Liste der Stoffe zuleite, mit denen er Umgang gehabt habe (Stellungnahme von Dr. S. vom 20.12.2004). Mit Schreiben vom 24.08.2006 übermittelte die Firma G eine auf Angaben des Klägers beruhende Liste der aromatischen Amine, die im Bericht von Dr. S. vom 19.10.2006 ausgewertet wurden. Hinsichtlich des Stoffes Phenyl-beta-naphtylamin habe die Firma G erneut darauf hingewiesen, dass der Kläger damit keinen Umgang gehabt habe. Diskussionswürdig sei der Stoff Pontax (di-o-toluylguanidin), von dem bekannt sei, dass er kleine Mengen an o-Toluidin abgebe. Dieser sei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft(DFG)-Kommission als K1-Stoff benannt. Der Umgang des Klägers mit diesem Stoff bis etwa 1989 sei vergleichbar mit dem Umgang von Beschäftigten im Produktionsbereich, bei denen aber keine höheren Konzentrationen von o-Toluidin im Urin gefunden worden seien.
In dem von der Beklagten veranlassten arbeitsmedizinisch-toxikologischen Gutachten nach Aktenlage vom 27.08.2007 führte Prof. Dr. B. aus, obwohl von der Firma G ein Umgang mit Phenyl-beta-naphtylamin verneint worden sei, werde auf der Grundlage allgemeiner Erfahrungswerte entsprechend der Anlage 3 zur Stellungnahme des technischen Aufsichtsdienstes vom 28.06.2004 die kumulative Belastung des Klägers mit diesem Stoff mit 937 µg in der Zeit von 1975 bis 2000 angenommen. O-Toluidin könne inhalativ oder dermal aufgenommen worden sein. Messwerte von entsprechenden Arbeitsplätzen lägen jedoch nicht vor. Auch gebe es keine ausreichenden Erkenntnisse, welche Rolle die dermale Exposition tatsächlich spiele. Im Sinne einer worst-case-Betrachtung könne von einer o-Toluidin-Aufnahme in Höhe von ca. 122 mg ausgegangen werden. Das erst im Jahre 2006 nach K1 eingestufte o-Toluidin weise eine geringere harnblasenkrebserzeugende Potenz auf als Beta-naphtylamin und 4-Aminodiphenyl. Die zur Orientierungshilfe zur Beurteilung einer gefährdungsrelevanten Exposition erstellten "Äquivalente der Verdoppelungsdosis" betrage 30.000 mg, weshalb die auch nur in einer worst-case-Berechnung abgeleitete Exposition des Klägers zu vernachlässigen sei. Die in der Akte befindlichen Hinweise auf beruflichen Umgang mit weiteren aromatischen Aminen, wie Anilin oder Azo-Farbstoffe seien entweder nicht nach K1 eingestuft bzw. setzten keine aromatischen Amine frei. Außerberuflich liege ein langjähriger Nikotinabusus mit mehr als 30 Packungsjahren vor, wonach bereits ein Nikotinabusus in Höhe von 15 Packungsjahren mit einer Risikoverdoppelung für die Entwicklung eines Harnblasenkarzinoms assoziiert sei. Ein Ursachenzusammenhang zwischen Tabakkonsum und Harnblasenkarzinom sei hinreichend wahrscheinlich anzunehmen.
Mit Bescheid vom 12.02.2008 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 und eine Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2008 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 05.12.2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe mit der Begründung, die Rezepturen für die ab 1975 produzierten Gummimischungen seien nicht ermittelt worden. Er sei mit zahlreichen aromatischen Aminen und mit weiteren K1-Stoffen wie z.B. Arsenik in der Laboranalytik in Kontakt gekommen. Pontax habe außerdem herstellungsbedingt bis zu 2 % o-Toluidin als Verunreinigung enthalten. Zusätzlich sei bekannt, dass Pontax, d.h. di-ortho-Toluylguanidindin, in der Hitze o-Toluidin abspalte. Sein Vorgänger und dessen Vorgänger, die Kollegen Kornas und Eudenbach seien ebenfalls an Blasenkrebs erkannt gewesen und beim Kollegen Kornas sei dies als Berufskrankheit anerkannt worden. Unter Hinweis auf den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszug eines vom Kläger Prof. Dr. Bo. zugeschriebenen Beitrages machte er außerdem geltend, dass seit Mitte der Achtzigerjahre eine innere metabolische Aktivierung von Kanzerogenen für das Harnblasenkarzinom als erwiesen angesehen werden müsse, wenn leicht lösliche Azo-Farbstoffe inkorporiert würden. Dabei fände im Körper eine enzymatische Umbaureaktion statt, die krebsauslösendes Amin freisetze. Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf ihre Ermittlungen entgegen. Die Erkrankungen der Kollegen seien nicht vergleichbar, denn der Kläger sei nicht wie diese den schädigenden Einwirkungen von Beta-naphtylamin, das nur bis 1973 verwendet worden sei, ausgesetzt gewesen.
Nach schriftlicher Anhörung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen (Aussagen von PD Dr. W. vom 26.06.2009, Dr. F. vom 02.07.2009, Internist H. vom 10.08.2009 und PD Dr. K. vom 23.10.2009) wies das Sozialgericht mit Urteil vom 18.05.2010 die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf die Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. B ... Im Hinblick auf die relativ geringe Höhe der nachgewiesenen Exposition gegenüber den kanzerogenen aromatischen Aminen sei dies nicht wesentlich kausal für das Harnblasenkarzinom gewesen, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für berufliche Gründe als Teilursache sei nicht belegt. Der Einwand des Klägers, die Verwendung von Azo-Farbstoffen sei nicht berücksichtigt worden, trage demgegenüber nicht. Der erhebliche Nikotinkonsum als konkurrierende Ursache eines Harnblasenkarzinoms werde hierdurch nicht beseitigt.
Gegen das dem Kläger am 22.05.2010 zugestellte Urteil hat er am 18.06.2010 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die als Spaltprodukte von Azofarbstoffen aufgetretenen Gefahrstoffe Dichlor- und Dimethoxybenzidin seien nicht gewürdigt worden. O-Toluidin werde im Gutachten von Prof. Dr. B. verharmlost, denn es sei als Verunreinigung auch im Rohmaterial von Code Nailax enthalten. Zudem seien Konzentrationswerte für O-Toluidin im Tabakrauch nicht zu finden. Konzentrationen in Höhe von 0,16 µg seien nach Untersuchungen durch Professor Hermann von der Universität Ulm nachgewiesen, doch dies sei äußerst fragwürdig. Zudem seien Messwerte von 30-337 ng O-Toluidin in Zigarettenrauchen nicht zu vergleichen mit den dargelegten O-Toluidinwerten im Rohstoff Pontax im Milligrammbereich. Im übrigen wird auf das Schreiben des Klägers vom 23.05.2011 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.05.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 12.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2008 aufzuheben und sein Harnblasenkarzinom als Berufskrankheit nach Nummer 1301 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung des Klägers seien die von ihm genannten Stoffe berücksichtigt worden. Dichlor- und Dimethoxybenzidin seien nicht als humankanzerogen klassifiziert. Dem Gutachter von Prof. Dr. B. seien die Chemikalienlisten, die nach den vom Kläger aufgeführten Stoffe erstellt worden seien, zur Verfügung gestellt worden. Darin sei auch Code Nailax enthalten gewesen. Der Gutachter habe in seinem Gutachten auch zu den Aminen Stellung genommen und eine krebserzeugende Wirkung der Stoffe verneint. Eine kumulative Exposition im Sinne einer additiv-synkanzerogenen Wirkung der Stoffe o-Toluidin und Beta-naphtylamin sei nach Prof. Dr. B. nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Auch bei einer möglichen Verunreinigung von Code Nailax mit o-Toluidin könne im Laborbereich keine ausreichende Einwirkung festgestellt werden.
Mit richterlicher Verfügung vom 02.05.2011 sind die Beteiligten auf eine mögliche Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen sowie auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
II
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und insgesamt zulässig.
Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.11.2008, mit dem sie es abgelehnt hat, eine Berufskrankheit nach Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen, ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung dieser Gesundheitsstörung als Berufskrankheit.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 12.02.2008/Widerspruchsbescheids vom 05.11.2008 und die begehrte Feststellung einer Listen-Berufskrankheit nach Nr. 1301. Die Auslegung des Klagebegehrens des bei der Antragstellung nicht mehr anwaltlich vertretenen Klägers ergibt, dass eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 07.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.11.2001 nicht erhoben wurde, denn zur Aufhebung dieser Bescheide hat sich die Beklagte bereits mit gerichtlichem Vergleich vom 07.11.2003 verpflichtet. Im streitgegenständlichen Bescheid vom 12.02.2008 ist auch zutreffend ausgeführt, dass diese Bescheide in Ausführung des Vergleichs aufgehoben werden, weshalb insoweit keine neue Regelung getroffen und damit auch kein anfechtbarer Verwaltungsakt erlassen wurde. Insoweit wäre die Anfechtungsklage bereits unzulässig. Ebenso wenig ist Streitgegenstand die unter Nr. 2 der im Bescheid vom 12.02.2008 getroffene Verfügung, wonach die Feststellung als Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII abgelehnt wird. Zwar hatte der Kläger noch unbeschränkt Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt und ausweislich seiner Widerspruchsbegründung von 12.03.2008 auch unter Hinweis auf § 9 Abs. 2 SGB VII Neuermittlungen beantragt. Dem Klagevorbringen des zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch anwaltlich vertretenen Klägers ist dagegen nicht zu entnehmen, dass er auch - gegebenenfalls hilfsweise - eine Feststellung als Wie-Berufskrankheit begehrt bzw. unter welchen Gesichtspunkten eine solche Feststellung verfolgt wird. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 18.05.2010 wurde eine Feststellung als Wie-Berufskrankheit nicht beantragt und der formulierte Antrag in seiner Berufungsschrift vom 15.06.2010 enthält keinen solchen Antrag, wie auch mit der Berufungsbegründung kein vom Sozialgericht übergangener Klageantrag gerügt wird. Hinsichtlich der Ablehnung als Wie-Berufskrankheit ist der Bescheid vom 12.02.2008 daher bestandskräftig geworden.
Die Voraussetzungen zur Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 liegen dagegen auch zur Überzeugung des Senats nicht vor.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Im Anhang 1 zur BKV sind Erkrankungen durch Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine als Berufskrankheit nach Nr. 1301 enthalten.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 Rdnr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Nach diesen Grundsätzen ist die haftungsbegründende Kausalität nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen. Ebenso wie das Sozialgericht geht der Senat nach den erschöpfenden Ermittlungen der Beklagten davon aus, dass der Kläger in dem infrage kommenden Expositionszeitraum Einwirkungen der im Tatbestand der Berufskrankheit nach Nr. 1301 aufgeführten Stoffe ausgesetzt war, da der Kläger bei seiner Tätigkeit als Chemielaborant bei der Firma G ab 1975 Umgang mit vielfältigen Aminen hatte. Dagegen ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Einwirkung von Arbeitsstoffen den beim Kläger diagnostizierten Blasenkrebs verursacht hat, nicht gegeben.
Aus dem auch für den Senat überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. B. ergibt sich, dass die in der Akte der Beklagten enthaltenen Angaben des Klägers zu den genannten Arbeitsstoffen gesichtet und auf Hinweise geprüft wurden, inwieweit damit ein Umgang mit aromatischen Aminen, die in die Kategorie 1 als krebserzeugende Stoffe eingruppiert sind, verbunden war (vgl. Seite 3 ff des Gutachtens von 24.08.2007). Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Gutachter auf die von ihm im Berufungsverfahren genannten Stoffe Di-o-Tolylguanidin (DOTG) und Dichlor- und Dimethoxybenzidin eingegangen. Benzidin ist ausdrücklich als K1-Amin aufgeführt, hierzu wird aber im weiteren dargelegt, dass außer den vom Gutachter diskutierten Aminen Phenyl-Beta-naphtylamin und o-Toluidin keine sonst reduktiv abspaltbaren aromatische Amine oder solche mit nachgewiesener krebserzeugender Wirkung aus den aufgelisteten Stoffen ersichtlich ist. Dies deckt sich mit der aus arbeitsmedizinischer-technischer Sicht gegebenen Darlegungen von Dr. S. in seinen Berichten vom 19.10.2006 und 02.06.2008.
Der Senat lässt dahinstehen, ob hinsichtlich des von Gutachter Prof. Dr. B. diskutierten Stoffs Beta-naphtylamin der erforderliche Nachweis einer Einwirkung überhaupt erbracht ist. Dr. S. hat darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber des Klägers der Berufsgenossenschaft bereits 1976, also lange vor Beginn des dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Feststellungsverfahrens, mitgeteilt hatte, dass dieser Stoff seit 1974 nicht mehr verwendet wird. Soweit Prof. Dr. B. eine Exposition annimmt, stützt er sich hierbei auf die Hinweise vom 24.10.2000 zur Exposition in der Gummi-Industrie von Dr. E. , die dem Bericht von Dr. S. vom 28.06.2007 beigefügt waren. Danach ist nach dem Ergebnis einer Erfassungsaktion des Technischen Aufsichtsdienstes die Verwendung von Phenyl-2-naphtylamin und Phenyl-1-naphtylamin bis 1980 in vielen Gummifabriken eingestellt und die Produktion und der Verkauf dieses Stoffes längstens bis 1992/1994 betrieben worden, weshalb Prof. Dr. B. ungeachtet der Erklärung des Arbeitgebers orientierend eine Exposition des Klägers unterstellt hat und zwar bis Juni 2006. Ob damit ein Nachweis einer Exposition gegenüber Beta-naphtylamin zu führen ist, mag dahinstehen. Eine gesundheitsgefährdende kumulative Dosis ist von Prof. Dr. B. auch bei unterstellter Exposition nicht zu ermitteln gewesen. Dies gilt auch für O-Toluidin, worauf das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend abgestellt hat. Hierauf wird nach eigener Überprüfung des Senats verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Entsprechend eines 2007 erstellten Modells, basierend auf den bislang erfolgten Veröffentlichung empirischer Untersuchungen in Abhängigkeit zu den Inhaltsstoffen von Tabakrauch, ist eine gesundheitsgefährdende Exposition gegenüber o-Toluidin mit 30.000 mg und Beta-naphtylamin mit 6 mg anzunehmen, da der Verdoppelungseffekt als valides Ergebnis eines signifikanten Unterschieds zwischen Vergleichs- und Kontrollgruppe einer Studie mit dieser Exposition ermittelt wurde bzw. zu erwarten ist. Eine solche Exposition war für die berufliche Tätigkeit des Klägers nach Prof. Dr. B. nicht wahrscheinlich zu machen. In einer worst-case-Betrachtung errechnete Prof. Dr. B. eine Belastung von nur 937 Mikrogramm Beta-naphtylamin und von 122 Milligramm o-Toluidin. Die Ausführungen des Klägers in seinem Schreiben vom 23.05.2011 zur Konzentration von o-Toluidin in Tabakrauch und der von ihm hochgerechneten Exposition beim Umgang mit Pontax ist daher nicht überzeugend. Abgesehen davon, dass seine durch keine Studie belegte Behauptung einer unbewiesenen Konzentration von o-Toluidin im Tabakrauch den von Prof. Dr. B. zu Grunde gelegten Untersuchungen zu den Inhaltsstoffen von Tabak entgegensteht, wovon aber auch die mit richterlicher Verfügung vom 02.05.2011 in das Verfahren eingeführten Auszüge einer wissenschaftlichen Arbeit und der Entschließung des Europäischen Parlaments ausgehen und was die Einschätzung von Prof. Dr. B. belegt, wäre nach den Darlegungen des Klägers jedenfalls eine kanzerogene Potenz von o-Toluidin überhaupt nicht nachgewiesen und könnte daher auch nicht als relevante berufliche Exposition berücksichtigt werden. Weitere Ausführungen hierzu wären bereits aus diesem Grund entbehrlich.
Bei den vom Kläger angeführten Azo-Farbstoffen handelt es sich nach Prof. Dr. B. teilweise nicht um aromatische Amine, weshalb die entsprechenden chemischen Verbindungen bereits nicht den Tatbestand der Berufskrankheit Nr. 1301 erfüllen. Soweit sie selbst oder von ihnen freigesetzte Spaltsstoffe den aromatischen Aminen zugeordnet werden, sind sie nach Prof. Dr. B. nicht nach K 1, d.h. als humankanzerogen eingestuft. Auch diese Bewertung deckt sich mit dem von Dr. S. in seinem Bericht vom 28.06.2004 mitgeteilten Erkenntnisstand.
Dass Azo-Farbstoffe, die selbst nicht aromatische Amine sind, nach inhalativer oder dermaler Aufnahme durch metabolische Prozesse aromatische Amine abspalten, und ob diese eine humankanzerogene Wirkung haben, kann dahinstehen. Nach der Berufskrankheit-Nr. 1301 ist die Einwirkung von aromatischen Aminen auf den Körper erforderlich. Stoffwechselvorgänge des Körpers selbst werden von dieser Listenkrankheit nicht erfasst. Denkbar wäre daher allenfalls eine Feststellung als Wie-Berufskrankheit, die vorliegend aber nicht Streitgegenstand ist.
Darüber hinaus wäre ein solcher Klageantrag wohl unbegründet. Voraussetzung einer Wie-Berufskrankheit ist, dass seit der letzten Änderung der Berufskrankheitenliste neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die die Annahme einer "Berufskrankheitenreife" der diskutierten Erkrankung rechtfertigen (vgl. BSG, Urt. vom 04.06.2002 - B 2 U 16/01 R m. w. N.). Nach dem vom Kläger selbst vorgelegten Auszug eines Berichts von Prof. Dr. Bo. ist dieser durch Inkorporation von Azo-Farbstoffen induzierte Stoffwechselvorgang bereits seit Mitte der Achtzigerjahre bekannt, gleichwohl sind diese Stoffe nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden. Danach sind diese Erkenntnisse nicht mehr neu im erforderlichen Rechtssinne. Auch mit der letzten Änderung der Anlage 1 zur BKV im Juni 2009 (BKV i.d.F. vom 11.06.2009) ist eine solche Erweiterung nicht erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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