Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AL 267/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4033/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. April 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung berechtigt ist.
Die 1957 geborene Klägerin war vom 01.06.1986 bis 31.03.1996 als Ärztin in verschiedenen Kliniken beschäftigt. Vom 01.04.1996 bis 30.06.1997 war sie, unterbrochen durch eine Zeit der Arbeitslosigkeit vom 01.04. bis 30.04.2007, als Praxisvertretung in verschiedenen Arztpraxen bzw. im Notfalldienst tätig. Seit dem 01.07.1997 übt sie eine selbständige Tätigkeit als Kinderärztin in der eigenen Praxis aus.
Am 13.09.2006 stellte sie bei der Beklagten den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung als Selbständige mit sofortiger Wirkung. Mit Bescheid vom 04.10.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, seit 01.02.2006 bestehe für Selbständige und Auslandsbeschäftigte die Möglichkeit nach § 28 a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag zu begründen. Der Antrag müsse spätestens innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtige, gestellt werden. Für Personen, die bereits längere Zeit eine selbständige Tätigkeit ausübten, sehe eine Übergangsregelung vor, dass sie die freiwillige Weiterversicherung in Anspruch nehmen könnten, wenn sie den Antrag bis zum 31.12.2006 stellten. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (GSiFoG) seien die Voraussetzungen ab dem 01.06.2006 genauer definiert worden. Danach könnten Personen, die wegen einer selbständigen Tätigkeit oder Auslandsbeschäftigung nach dem 01.06.2006 einen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung stellten, nur dann in die freiwillige Weiterversicherung aufgenommen werden, wenn sie ihre Tätigkeit oder Beschäftigung nach dem 31.12.2003 aufgenommen hätten. Da die Klägerin ihre selbständige Tätigkeit bereits vor diesem Zeitpunkt aufgenommen habe lägen die Voraussetzungen für die Aufnahme in ein freiwilliges Versicherungsverhältnis nicht vor.
Den hiergegen am 24.10.2006 mit der Begründung erhobenen Widerspruch, die Übergangsregelung für bereits vor dem 31.12.2003 selbständig Tätige sei zunächst auf den 31.12.2006 begrenzt gewesen, diese Frist habe sie eingehalten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.12.2006 zurück. Die angefochtene Entscheidung entspreche dem geltenden Recht.
Die hiergegen am 29.01.2007 erhobene Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) hat das SG mit Urteil vom 27.04.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe in zutreffender Weise die fristverkürzende Regelung des § 434 j Abs. 2 Satz 2 SGB III ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Bedenken gegen die Verfassungswidrigkeit dieser Norm seien nicht durchgreifend. Insbesondere liege kein Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Artikel 20 Abs. 3 GG) sowie dem Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG vor. § 434 j Abs. 2 Satz 2 SGB III, der eine nachträgliche Verkürzung der Antragsfrist vorsehe, stelle zwar eine echte Rückwirkung dar. Hierbei sei jedoch zu berücksichtigen, dass ein potenzielles Versicherungspflichtverhältnis nach § 28 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III ohnehin am 31.12.2010 enden würde.
Gegen das am 02.08.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.08.2010 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die rückwirkende Verkürzung der Antragsfrist sei verfassungswidrig. Sie verstoße zum einen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da ein Grund für die Ungleichbehandlung von selbständigen, die ihre Tätigkeit vor dem 01.01.2004 aufgenommen hätten, nicht ersichtlich sei. Die Regelung verstoße auch gegen den grundgesetzlich gewährten Vertrauensschutz. Durch das Änderungsgesetz habe der Gesetzgeber eine Übergangsregelung vor deren Ablauf beseitigt. Die Gesetzesänderung könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur gerechtfertigt sein, wenn ansonsten schwere Nachteile für ein wichtiges Gemeinschaftsgut zu befürchten seien. Solche Gründe seien im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Das SG sei zudem unzutreffend davon ausgegangen, dass die Versicherungspflicht für Selbständige in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung zum 31.12.2010 ende. Zwischenzeitlich habe der Bundestag die Fortführung der Arbeitslosenversicherung für Selbständige beschlossen. Die Klägerin hat weiter mitgeteilt, den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung ca. Mitte 2006 gestellt zu haben. Weitere Unterlagen hierüber lägen ihr nicht mehr vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2006 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin seit dem 13. September 2006 in einem Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag gem. § 28a SGB III steht, hilfsweise, dass Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die Vorschrift des § 434 j Abs. 2 Satz 2 SGB III mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht den Antrag auf freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung abgelehnt.
Nach § 28 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III können ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag Personen begründen, die eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Zwar ist die ursprünglich in § 28a Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III geregelte zeitliche Befristung, wonach das Versicherungsverhältnis in Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 spätestens mit Ablauf des 31.12.2010 endet, zwischenzeitlich aufgehoben worden, so dass auch über den 31.12.2010 hinaus ein Versicherungspflichtverhältnis bestehen kann. Die Klägerin hat jedoch die Anspruchsvoraussetzung des § 28a Abs. 1 Satz 3 SGB III nicht erfüllt, wonach der Antrag spätestens innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt gestellt werden muss. Die Klägerin hat ihren Antrag am 13.09.2006 und damit weit nach der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gestellt, die spätestens am 01.07.1997 erfolgt ist.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aufgrund der Übergangsregelung in § 434 j Abs. 2 SGB III.
§ 28a SGB III wurde als Art. 1 Nr. 20 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) am 27.12.2003 im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Regelungen zur freiwilligen Weiterversicherung traten jedoch gem. Art. 124 Abs. 4 dieses Gesetzes erst am 01.02.2006 in Kraft. Dadurch waren aufgrund der Antragsfrist des § 28a Abs. 2 Satz 2 SGB III von einem Monat nach Aufnahme der Beschäftigung oder Tätigkeit alle Personen ausgeschlossen, die die Beschäftigung oder Tätigkeit vor dem 01.01.2006 aufgenommen hatten.
Um dies zu vermeiden, sollte mit der Übergangsregelung in § 434 j Abs. 2 SGB III die zeitlich befristete Möglichkeit der Inanspruchnahme für einen weiteren Personenkreis geschaffen werden. Danach konnte ursprünglich der Antrag innerhalb einer bis zum 31.12.2006 laufenden Übergangsfrist gestellt werden. In der gesetzlichen Begründung zu § 434 j Abs. 2 SGB III in der ab dem 01.02.2006 geltenden Fassung (BT-Drucks. 15/1515 S. 111) wird hierzu ausgeführt: "Die Regelungen zur freiwilligen Weiterversicherung treten mit Wirkung vom 01.02.2006 in Kraft. Personen, die zu diesem Zeitpunkt den Tatbestand für die Versicherungspflicht dem Grunde nach erfüllen, könnten aufgrund der Antragsfrist des § 28 a Abs. 2 Satz 2 gleichwohl von der Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung ausgeschlossen sein. Die Regelung eröffnet den Betroffenen die Möglichkeit, die freiwillige Weiterversicherung bis Ende des Jahres 2006 zu beantragen.
Durch das am 20.07.2006 verkündete Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende - GSiFoG -(BGBl. I S. 1707) wurde § 434j Abs. 2 SGB III wie folgt neu gefasst: "§ 28 a Abs. 2 gilt mit der Maßgabe, dass ein Antrag auf freiwillige Weiterversicherung ungeachtet der Voraussetzungen des Satzes 2 bis zum 31.12.2006 gestellt werden kann. Stellt eine Person, deren Tätigkeit oder Beschäftigung gemäß § 28 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, den Antrag nach dem 31.05.2006, gilt Satz 1 mit der Einschränkung, dass die Tätigkeit oder Beschäftigung nach dem 31. Dezember 2003 aufgenommen worden sein muss."
Die jetzige Gesetzesfassung beruht auf der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages vom 31.05.2006 (BT-Drucks. 16/1696). Dem ist folgende Begründung beigefügt: "Durch die Anfügung soll für die antragsberechtigten Personenkreise der selbständig Tätigen und der Auslandsbeschäftigten der enge Zusammenhang zur bisherigen Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft stärker betont werden. Die Möglichkeit, die freiwillige Weiterversicherung bis zum 31. Dezember 2006 zu beantragen, soll demnach nur noch solchen Personen zugutekommen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (01. Januar 2004) oder danach die Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, aufgenommen haben".
Die Klägerin hat ihre selbständige Tätigkeit spätestens am 01.07.1997 und damit nicht nach dem 31.12.2003 aufgenommen. Sie hat den Antrag auch nicht vor dem 01.06.2006 gestellt, sondern erst am 13.09.2006. Die Klägerin hat im Widerspruchsschreiben zwar vorgetragen, noch im August 2006 bei der Beklagten Unterlagen mit einer Antragsfrist 31.12.2006 erhalten zu haben. Für eine Antragsstellung bereits im August 2006 oder gar zu einem früheren Zeitpunkt liegen jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Die Klägerin konnte hierüber keine Unterlagen vorlegen. Auch aus den Verwaltungsakten ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Im schriftlichen Antrag ist als Tag der Antragstellung der 13.09.2006 vermerkt. Der Antrag ist am 17.09.2006 von der Klägerin unterschrieben und am 20.09.2006 persönlich abgegeben worden. Damit liegen Anhaltspunkte für eine frühere Antragstellung nicht vor.
Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung in § 434 j Abs. 2 Satz 2 SGB III. Deshalb war auch dem Hilfsantrag nicht stattzugeben.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des SG Dortmund im Vorlagebeschluss vom 10.12.2010 (S 33 AL 259/09 WA - in juris), die gesetzliche Regelung verstoße gegen das Rückwirkungsverbot und gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG statuierten Gleichbehandlungsgrundsatz. Insbesondere liegt nach Auffassung des Senats keine echte Rückwirkung vor. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn der Gesetzgeber nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift (BVerfGE 114, 258, 300), wenn der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand vor der Verkündung des Gesetzes nicht nur begonnen hat, sondern bereits abgewickelt war (BVerfGE 89, 48, 66). Demgegenüber liegt eine unechte Rückwirkung vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 123, 186, 227), z.B. durch die Verkürzung befristeter Gesetze (BVerfGE 55, 185, 204).
Ein abgeschlossener Sachverhalt in diesem Sinne lag noch nicht vor, denn die Klägerin hatte vor Antragstellung lediglich eine Anwartschaft auf Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses, aber noch keine gesicherte Rechtsposition inne. Ein abgeschlossener Sachverhalt hätte erst mit Antragstellung vorgelegen, so dass vorliegend eine unechte Rückwirkung gegeben ist. Diese ist in der Regel zulässig (BVerfGE 103, 392, 403; 109, 96, 122) und nur ausnahmsweise unzulässig, wenn zum einen der Betroffene mit dem Eingriff nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 68, 287, 307/ und zudem das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger ist als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen (BVerfGE 89, 48, 66). Mit der dritten Lesung des Fortentwicklungsgesetzes im Bundestag am 01.06.2006 musste damit gerechnet werden, dass die Frist zur Antragstellung neu gefasst wird. Dahingestellt bleiben kann, ob bereits zu diesem Zeitpunkt ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der Regelung entfallen ist (BVerfGE 31, 222, 227), da sie jedenfalls bis zur Gesetzesverkündung am 20.07.2006 den Antrag noch nicht gestellt hatte.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000 (BVerfGE 102, 68) ist nicht ohne weiteres übertragbar, da jener Entscheidung eine andere Fallkonstellation zugrunde lag. Das BVerfG hatte über die Verfassungsmäßigkeit der übergangsrechtlichen Regelung in Artikel 56 Abs. 3 Gesundheits-Reformgesetz (GRG) zu befinden. Darin wurde solchen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung der Zugang zur Krankenversicherung der Rentner im Rentenfall gesichert, die aufgrund des vor dem Inkrafttreten des GRG geltenden Rechts Zugangsberechtigt waren und ihren Rentenantrag vor dem 01.01.1994 stellten. Aufgrund der Neufassung dieser Vorschrift vom 21.12.1992 war ein Zugang nicht mehr möglich, wenn die Rente nicht noch bis zum Jahresende 1992 beantragt worden war. Danach war ein Zugang nur noch unter den verschärften Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 Halbs. 1 SGB V oder des Art. 56 Abs. 3 Halbs. 1 GRG möglich. Das BVerfG hat offengelassen, ob ein Eingriff dieser Art den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer echten Rückwirkung genügen müsse (BVerfG, a.a.O., in juris, RdNr. 96). Es hat weiter ausgeführt, in einem solchen Fall gehe es nicht allgemein um den Schutz des Vertrauens des Bürgers in den Fortbestand geltenden Rechts. Hier vertraue der Bürger vielmehr auf die Kontinuität einer Regelung, aufgrund deren altes Recht noch für eine bestimmte Zeit in Bezug auf einen eingegrenzten Personenkreis nach Prüfung der Vereinbarkeit der Fortgeltung mit dem öffentlichen Interesse aufrecht erhalten werde. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen.
Der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt ist gerade umgekehrt gelagert. Es soll nicht ein bisheriger Rechtszustand für eine Übergangszeit noch beibehalten werden. Vielmehr sollte für eine Übergangszeit einem weiteren Personenkreis die Zugangsmöglichkeit zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung eröffnet werden. Während in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall rentennahe Versicherte von der Regelung betroffen waren, die vielfach nicht mehr änderbare Dispositionen getroffen hatten und die ohne Alternative auf die freiwillige Versicherung verwiesen wurden, ist im vorliegenden Fall der Eintritt zur einer für Selbständige bisher nicht bestehenden Risikoversicherung im Streit. Der Gesetzgeber wollte mit der Übergangsregelung des § 434j Abs. 2 SGB III wie dargelegt auch keine zeitlich befristete Möglichkeit der Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses für alle selbständig Tätigen unabhängig vom Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit schaffen, sondern primär dem Umstand Rechnung tragen, dass auch die Personen, die sich seit der Verkündung des Gesetzes am 27.12.2003 selbständig gemacht hatten, die Möglichkeit der Versicherungspflicht auf Antrag erhalten bleiben sollte. Dies war nur möglich durch eine entsprechende Verlängerung der Antragsfrist.
Dies lässt es noch als gerechtfertigt erscheinen, die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die nachträgliche Begrenzung der Antragsfrist als nicht durchgreifend anzusehen (vgl. Bieback in v. Maydell/Ruland/Becker, Sozialrechtshandbuch, 4.Aufl. 2008, S. 952), jedenfalls für die Fälle, in denen der Antrag nicht nur nach dem 31.05.2006, sondern erst nach Verkündung des Gesetzes am 20.07.2006 gestellt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist die Klägerin, die den Status als Versicherte anstrebt, dem in § 183 SGG genannten Personenkreis gleichzustellen mit der Folge, dass das Verfahren gerichtskostenfrei ist.
Die Revision wird zugelassen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung berechtigt ist.
Die 1957 geborene Klägerin war vom 01.06.1986 bis 31.03.1996 als Ärztin in verschiedenen Kliniken beschäftigt. Vom 01.04.1996 bis 30.06.1997 war sie, unterbrochen durch eine Zeit der Arbeitslosigkeit vom 01.04. bis 30.04.2007, als Praxisvertretung in verschiedenen Arztpraxen bzw. im Notfalldienst tätig. Seit dem 01.07.1997 übt sie eine selbständige Tätigkeit als Kinderärztin in der eigenen Praxis aus.
Am 13.09.2006 stellte sie bei der Beklagten den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung als Selbständige mit sofortiger Wirkung. Mit Bescheid vom 04.10.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, seit 01.02.2006 bestehe für Selbständige und Auslandsbeschäftigte die Möglichkeit nach § 28 a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag zu begründen. Der Antrag müsse spätestens innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtige, gestellt werden. Für Personen, die bereits längere Zeit eine selbständige Tätigkeit ausübten, sehe eine Übergangsregelung vor, dass sie die freiwillige Weiterversicherung in Anspruch nehmen könnten, wenn sie den Antrag bis zum 31.12.2006 stellten. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (GSiFoG) seien die Voraussetzungen ab dem 01.06.2006 genauer definiert worden. Danach könnten Personen, die wegen einer selbständigen Tätigkeit oder Auslandsbeschäftigung nach dem 01.06.2006 einen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung stellten, nur dann in die freiwillige Weiterversicherung aufgenommen werden, wenn sie ihre Tätigkeit oder Beschäftigung nach dem 31.12.2003 aufgenommen hätten. Da die Klägerin ihre selbständige Tätigkeit bereits vor diesem Zeitpunkt aufgenommen habe lägen die Voraussetzungen für die Aufnahme in ein freiwilliges Versicherungsverhältnis nicht vor.
Den hiergegen am 24.10.2006 mit der Begründung erhobenen Widerspruch, die Übergangsregelung für bereits vor dem 31.12.2003 selbständig Tätige sei zunächst auf den 31.12.2006 begrenzt gewesen, diese Frist habe sie eingehalten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.12.2006 zurück. Die angefochtene Entscheidung entspreche dem geltenden Recht.
Die hiergegen am 29.01.2007 erhobene Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) hat das SG mit Urteil vom 27.04.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe in zutreffender Weise die fristverkürzende Regelung des § 434 j Abs. 2 Satz 2 SGB III ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Bedenken gegen die Verfassungswidrigkeit dieser Norm seien nicht durchgreifend. Insbesondere liege kein Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Artikel 20 Abs. 3 GG) sowie dem Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG vor. § 434 j Abs. 2 Satz 2 SGB III, der eine nachträgliche Verkürzung der Antragsfrist vorsehe, stelle zwar eine echte Rückwirkung dar. Hierbei sei jedoch zu berücksichtigen, dass ein potenzielles Versicherungspflichtverhältnis nach § 28 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III ohnehin am 31.12.2010 enden würde.
Gegen das am 02.08.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.08.2010 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die rückwirkende Verkürzung der Antragsfrist sei verfassungswidrig. Sie verstoße zum einen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da ein Grund für die Ungleichbehandlung von selbständigen, die ihre Tätigkeit vor dem 01.01.2004 aufgenommen hätten, nicht ersichtlich sei. Die Regelung verstoße auch gegen den grundgesetzlich gewährten Vertrauensschutz. Durch das Änderungsgesetz habe der Gesetzgeber eine Übergangsregelung vor deren Ablauf beseitigt. Die Gesetzesänderung könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur gerechtfertigt sein, wenn ansonsten schwere Nachteile für ein wichtiges Gemeinschaftsgut zu befürchten seien. Solche Gründe seien im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Das SG sei zudem unzutreffend davon ausgegangen, dass die Versicherungspflicht für Selbständige in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung zum 31.12.2010 ende. Zwischenzeitlich habe der Bundestag die Fortführung der Arbeitslosenversicherung für Selbständige beschlossen. Die Klägerin hat weiter mitgeteilt, den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung ca. Mitte 2006 gestellt zu haben. Weitere Unterlagen hierüber lägen ihr nicht mehr vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2006 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin seit dem 13. September 2006 in einem Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag gem. § 28a SGB III steht, hilfsweise, dass Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die Vorschrift des § 434 j Abs. 2 Satz 2 SGB III mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht den Antrag auf freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung abgelehnt.
Nach § 28 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III können ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag Personen begründen, die eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Zwar ist die ursprünglich in § 28a Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III geregelte zeitliche Befristung, wonach das Versicherungsverhältnis in Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 spätestens mit Ablauf des 31.12.2010 endet, zwischenzeitlich aufgehoben worden, so dass auch über den 31.12.2010 hinaus ein Versicherungspflichtverhältnis bestehen kann. Die Klägerin hat jedoch die Anspruchsvoraussetzung des § 28a Abs. 1 Satz 3 SGB III nicht erfüllt, wonach der Antrag spätestens innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt gestellt werden muss. Die Klägerin hat ihren Antrag am 13.09.2006 und damit weit nach der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gestellt, die spätestens am 01.07.1997 erfolgt ist.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aufgrund der Übergangsregelung in § 434 j Abs. 2 SGB III.
§ 28a SGB III wurde als Art. 1 Nr. 20 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) am 27.12.2003 im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Regelungen zur freiwilligen Weiterversicherung traten jedoch gem. Art. 124 Abs. 4 dieses Gesetzes erst am 01.02.2006 in Kraft. Dadurch waren aufgrund der Antragsfrist des § 28a Abs. 2 Satz 2 SGB III von einem Monat nach Aufnahme der Beschäftigung oder Tätigkeit alle Personen ausgeschlossen, die die Beschäftigung oder Tätigkeit vor dem 01.01.2006 aufgenommen hatten.
Um dies zu vermeiden, sollte mit der Übergangsregelung in § 434 j Abs. 2 SGB III die zeitlich befristete Möglichkeit der Inanspruchnahme für einen weiteren Personenkreis geschaffen werden. Danach konnte ursprünglich der Antrag innerhalb einer bis zum 31.12.2006 laufenden Übergangsfrist gestellt werden. In der gesetzlichen Begründung zu § 434 j Abs. 2 SGB III in der ab dem 01.02.2006 geltenden Fassung (BT-Drucks. 15/1515 S. 111) wird hierzu ausgeführt: "Die Regelungen zur freiwilligen Weiterversicherung treten mit Wirkung vom 01.02.2006 in Kraft. Personen, die zu diesem Zeitpunkt den Tatbestand für die Versicherungspflicht dem Grunde nach erfüllen, könnten aufgrund der Antragsfrist des § 28 a Abs. 2 Satz 2 gleichwohl von der Möglichkeit zur freiwilligen Weiterversicherung ausgeschlossen sein. Die Regelung eröffnet den Betroffenen die Möglichkeit, die freiwillige Weiterversicherung bis Ende des Jahres 2006 zu beantragen.
Durch das am 20.07.2006 verkündete Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende - GSiFoG -(BGBl. I S. 1707) wurde § 434j Abs. 2 SGB III wie folgt neu gefasst: "§ 28 a Abs. 2 gilt mit der Maßgabe, dass ein Antrag auf freiwillige Weiterversicherung ungeachtet der Voraussetzungen des Satzes 2 bis zum 31.12.2006 gestellt werden kann. Stellt eine Person, deren Tätigkeit oder Beschäftigung gemäß § 28 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, den Antrag nach dem 31.05.2006, gilt Satz 1 mit der Einschränkung, dass die Tätigkeit oder Beschäftigung nach dem 31. Dezember 2003 aufgenommen worden sein muss."
Die jetzige Gesetzesfassung beruht auf der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages vom 31.05.2006 (BT-Drucks. 16/1696). Dem ist folgende Begründung beigefügt: "Durch die Anfügung soll für die antragsberechtigten Personenkreise der selbständig Tätigen und der Auslandsbeschäftigten der enge Zusammenhang zur bisherigen Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft stärker betont werden. Die Möglichkeit, die freiwillige Weiterversicherung bis zum 31. Dezember 2006 zu beantragen, soll demnach nur noch solchen Personen zugutekommen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (01. Januar 2004) oder danach die Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, aufgenommen haben".
Die Klägerin hat ihre selbständige Tätigkeit spätestens am 01.07.1997 und damit nicht nach dem 31.12.2003 aufgenommen. Sie hat den Antrag auch nicht vor dem 01.06.2006 gestellt, sondern erst am 13.09.2006. Die Klägerin hat im Widerspruchsschreiben zwar vorgetragen, noch im August 2006 bei der Beklagten Unterlagen mit einer Antragsfrist 31.12.2006 erhalten zu haben. Für eine Antragsstellung bereits im August 2006 oder gar zu einem früheren Zeitpunkt liegen jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Die Klägerin konnte hierüber keine Unterlagen vorlegen. Auch aus den Verwaltungsakten ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Im schriftlichen Antrag ist als Tag der Antragstellung der 13.09.2006 vermerkt. Der Antrag ist am 17.09.2006 von der Klägerin unterschrieben und am 20.09.2006 persönlich abgegeben worden. Damit liegen Anhaltspunkte für eine frühere Antragstellung nicht vor.
Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung in § 434 j Abs. 2 Satz 2 SGB III. Deshalb war auch dem Hilfsantrag nicht stattzugeben.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des SG Dortmund im Vorlagebeschluss vom 10.12.2010 (S 33 AL 259/09 WA - in juris), die gesetzliche Regelung verstoße gegen das Rückwirkungsverbot und gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG statuierten Gleichbehandlungsgrundsatz. Insbesondere liegt nach Auffassung des Senats keine echte Rückwirkung vor. Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn der Gesetzgeber nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift (BVerfGE 114, 258, 300), wenn der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand vor der Verkündung des Gesetzes nicht nur begonnen hat, sondern bereits abgewickelt war (BVerfGE 89, 48, 66). Demgegenüber liegt eine unechte Rückwirkung vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 123, 186, 227), z.B. durch die Verkürzung befristeter Gesetze (BVerfGE 55, 185, 204).
Ein abgeschlossener Sachverhalt in diesem Sinne lag noch nicht vor, denn die Klägerin hatte vor Antragstellung lediglich eine Anwartschaft auf Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses, aber noch keine gesicherte Rechtsposition inne. Ein abgeschlossener Sachverhalt hätte erst mit Antragstellung vorgelegen, so dass vorliegend eine unechte Rückwirkung gegeben ist. Diese ist in der Regel zulässig (BVerfGE 103, 392, 403; 109, 96, 122) und nur ausnahmsweise unzulässig, wenn zum einen der Betroffene mit dem Eingriff nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 68, 287, 307/ und zudem das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger ist als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen (BVerfGE 89, 48, 66). Mit der dritten Lesung des Fortentwicklungsgesetzes im Bundestag am 01.06.2006 musste damit gerechnet werden, dass die Frist zur Antragstellung neu gefasst wird. Dahingestellt bleiben kann, ob bereits zu diesem Zeitpunkt ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der Regelung entfallen ist (BVerfGE 31, 222, 227), da sie jedenfalls bis zur Gesetzesverkündung am 20.07.2006 den Antrag noch nicht gestellt hatte.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000 (BVerfGE 102, 68) ist nicht ohne weiteres übertragbar, da jener Entscheidung eine andere Fallkonstellation zugrunde lag. Das BVerfG hatte über die Verfassungsmäßigkeit der übergangsrechtlichen Regelung in Artikel 56 Abs. 3 Gesundheits-Reformgesetz (GRG) zu befinden. Darin wurde solchen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung der Zugang zur Krankenversicherung der Rentner im Rentenfall gesichert, die aufgrund des vor dem Inkrafttreten des GRG geltenden Rechts Zugangsberechtigt waren und ihren Rentenantrag vor dem 01.01.1994 stellten. Aufgrund der Neufassung dieser Vorschrift vom 21.12.1992 war ein Zugang nicht mehr möglich, wenn die Rente nicht noch bis zum Jahresende 1992 beantragt worden war. Danach war ein Zugang nur noch unter den verschärften Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 Halbs. 1 SGB V oder des Art. 56 Abs. 3 Halbs. 1 GRG möglich. Das BVerfG hat offengelassen, ob ein Eingriff dieser Art den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer echten Rückwirkung genügen müsse (BVerfG, a.a.O., in juris, RdNr. 96). Es hat weiter ausgeführt, in einem solchen Fall gehe es nicht allgemein um den Schutz des Vertrauens des Bürgers in den Fortbestand geltenden Rechts. Hier vertraue der Bürger vielmehr auf die Kontinuität einer Regelung, aufgrund deren altes Recht noch für eine bestimmte Zeit in Bezug auf einen eingegrenzten Personenkreis nach Prüfung der Vereinbarkeit der Fortgeltung mit dem öffentlichen Interesse aufrecht erhalten werde. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen.
Der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt ist gerade umgekehrt gelagert. Es soll nicht ein bisheriger Rechtszustand für eine Übergangszeit noch beibehalten werden. Vielmehr sollte für eine Übergangszeit einem weiteren Personenkreis die Zugangsmöglichkeit zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung eröffnet werden. Während in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall rentennahe Versicherte von der Regelung betroffen waren, die vielfach nicht mehr änderbare Dispositionen getroffen hatten und die ohne Alternative auf die freiwillige Versicherung verwiesen wurden, ist im vorliegenden Fall der Eintritt zur einer für Selbständige bisher nicht bestehenden Risikoversicherung im Streit. Der Gesetzgeber wollte mit der Übergangsregelung des § 434j Abs. 2 SGB III wie dargelegt auch keine zeitlich befristete Möglichkeit der Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses für alle selbständig Tätigen unabhängig vom Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit schaffen, sondern primär dem Umstand Rechnung tragen, dass auch die Personen, die sich seit der Verkündung des Gesetzes am 27.12.2003 selbständig gemacht hatten, die Möglichkeit der Versicherungspflicht auf Antrag erhalten bleiben sollte. Dies war nur möglich durch eine entsprechende Verlängerung der Antragsfrist.
Dies lässt es noch als gerechtfertigt erscheinen, die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die nachträgliche Begrenzung der Antragsfrist als nicht durchgreifend anzusehen (vgl. Bieback in v. Maydell/Ruland/Becker, Sozialrechtshandbuch, 4.Aufl. 2008, S. 952), jedenfalls für die Fälle, in denen der Antrag nicht nur nach dem 31.05.2006, sondern erst nach Verkündung des Gesetzes am 20.07.2006 gestellt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist die Klägerin, die den Status als Versicherte anstrebt, dem in § 183 SGG genannten Personenkreis gleichzustellen mit der Folge, dass das Verfahren gerichtskostenfrei ist.
Die Revision wird zugelassen.
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