Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 18 RA 133/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 352/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. Juli 2003 und 27. August 2003 werden aufgehoben.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger wegen einer Nebentätigkeit als Dozent versicherungspflichtig ist.
Am 2. März 2002 zeigte der Kläger bei der Beklagten an, dass er als selbständiger Rechtsanwalt nebenberuflich unter anderem bei einigen Bildungsträgern als freier Mitarbeiter (Dozent im Bereich Recht) tätig ist und reichte in diesem Zusammenhang sieben Honorarverträge ein. Zugleich beantragte er die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2002 fest, dass der Kläger die Tätigkeit als Dozent für das Technologie- und Berufsbildungszentrum M. Bitte Eintrag suchen und anpassen. (tbz) seit dem 3. September 2001 selbständig ausübe, also nicht abhängig beschäftigt sei. Im Folgenden prüfte die Beklagte, ob der Kläger aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit versicherungspflichtig ist. Sie stellte mit – dem Kläger nach seinen Angaben im Klageverfahren nicht zugegangenen – Bescheid vom 9. Mai 2003 fest, dass er ab dem 3. September 2001 nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) versicherungspflichtig sei, und fügte eine Beitragsrechnung bei. Mit weiteren Bescheiden vom 27. Juni 2003, 28. Juli 2003 und 27. August 2003 forderte die Beklagte vom Kläger Pflichtbeiträge und Säumniszuschläge. Zur Begründung führte die Beklagte in diesen Bescheiden jeweils unter anderem aus, der Kläger unterliege als Selbständiger der Versicherungspflicht nach §§ 2, 4 Abs. 2 bzw. 229a SGB VI. Gegen den Bescheid vom 27. Juni 2003, der ihm nach eigenen Angaben am 28. Juli 2003 zuging, legte der Kläger am 28. August 2003 Widerspruch ein, den er jedoch nicht begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Juni 2003 zurück. Da der Kläger seinen Widerspruch nicht begründet habe, sei lediglich eine Überprüfung nach Aktenlage möglich gewesen. Danach sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 16. März 2004 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Ihm gehe es um die Feststellung, dass er als selbständiger Dozent nicht versicherungspflichtig sei. Deshalb greife er die Bescheide auch nicht hinsichtlich der Beitragshöhe an. Seine Tätigkeit als Dozent falle nicht unter den eng auszulegenden Lehrerbegriff des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Mit Urteil vom 18. Juli 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Bescheide vom 27. Juni 2003, 28. Juli 2003 und 27. August 2003 seien Gegenstand des Klageverfahrens. Der Bescheid vom 9. Mai 2003 sei dagegen nicht rechtswirksam, da nicht belegt werden könne, dass er dem Kläger bekannt gegeben worden sei. Dem Kläger seien jedoch die oben genannten Beitragsbescheide zugegangen. In diesen Bescheiden sei neben der Beitragshöhe auch noch einmal ausdrücklich die Versicherungspflicht des Klägers festgestellt worden. Diese Feststellung sei nicht zu beanstanden, denn der Kläger sei als selbständig tätiger Dozent in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Gegen das ihm am 30. Juli 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. August 2007 Berufung beim SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weiter geleitet hat. Er hat unter anderem mitgeteilt, dass er gegen die Bescheide der Beklagten vom 28. Juli 2003 und vom 27. August 2003 gesondert Widerspruch erhoben habe, worüber noch nicht entschieden worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. Juli 2003 und 27. August 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2007 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat Erfolg.
Die Bescheide vom 28. Juli 2003 und vom 27. August 2003 sind in entsprechender Anwendung des § 96 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden. Davon ist das SG offensichtlich ausgegangen, ohne diese Norm im Urteil zu nennen. Eine Einbeziehung in direkter Anwendung war nicht möglich, weil die Bescheide vom 28. Juli 2003 und vom 27. August 2003 nicht erst – wie der Wortlaut verlangte – nach Klageerhebung ergangen sind. Bescheide, die aufgrund der bis zum 31. März 2008 eröffneten Möglichkeit in das Verfahren einbezogen wurden, bleiben trotz der ab 1. April 2008 eingetretenen Gesetzesänderung, wodurch eine analoge Anwendung des § 96 SGG ausgeschlossen werden soll, Gegenstand des Verfahrens (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 96 Rdnr. 1).
Der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2004 sowie die Bescheide vom 28. Juli 2003 und 27. August 2003 sind jedoch rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Denn es existiert keine bestandskräftige Feststellung der Versicherungspflicht, auf die die genannten Bescheide gestützt werden könnten. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass die Bekanntgabe des aktenkundigen Bescheides vom 9. Mai 2003, der die Frage der Versicherungspflicht regeln sollte, nicht belegt werden kann. Damit ist dieser Bescheid gegenüber dem Kläger nicht existent und damit nicht rechtswirksam (Engelmann in: von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Aufl. 2010, § 37 Rdnr. 21).
Entgegen der Auffassung des SG ist in den Bescheiden vom 27. Juni 2003, 28. Juli 2003 und 27. August 2003 die Frage der Versicherungspflicht nicht geregelt. Den Bescheiden ist ein entsprechender Regelungswille nicht zu entnehmen. Dies wird schon daran deutlich, dass die Beklagte die Versicherungspflicht nicht im Tenor festgestellt, sondern lediglich in der Begründung auf sie verwiesen hat. Sie wollte hinsichtlich der Frage der Versicherungspflicht keine Rechtsfolge setzen, weil sie – irrtümlich – davon ausging, dies sei bereits durch den Bescheid vom 9. Mai 2003 erfolgt. Die Bescheide vom 27. Juni 2003, 28. Juli 2003 und 27. August 2003 stellen also keine Verwaltungsakte hinsichtlich der Versicherungspflicht dar, auf die Beitragsforderungen gestützt werden könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger wegen einer Nebentätigkeit als Dozent versicherungspflichtig ist.
Am 2. März 2002 zeigte der Kläger bei der Beklagten an, dass er als selbständiger Rechtsanwalt nebenberuflich unter anderem bei einigen Bildungsträgern als freier Mitarbeiter (Dozent im Bereich Recht) tätig ist und reichte in diesem Zusammenhang sieben Honorarverträge ein. Zugleich beantragte er die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2002 fest, dass der Kläger die Tätigkeit als Dozent für das Technologie- und Berufsbildungszentrum M. Bitte Eintrag suchen und anpassen. (tbz) seit dem 3. September 2001 selbständig ausübe, also nicht abhängig beschäftigt sei. Im Folgenden prüfte die Beklagte, ob der Kläger aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit versicherungspflichtig ist. Sie stellte mit – dem Kläger nach seinen Angaben im Klageverfahren nicht zugegangenen – Bescheid vom 9. Mai 2003 fest, dass er ab dem 3. September 2001 nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) versicherungspflichtig sei, und fügte eine Beitragsrechnung bei. Mit weiteren Bescheiden vom 27. Juni 2003, 28. Juli 2003 und 27. August 2003 forderte die Beklagte vom Kläger Pflichtbeiträge und Säumniszuschläge. Zur Begründung führte die Beklagte in diesen Bescheiden jeweils unter anderem aus, der Kläger unterliege als Selbständiger der Versicherungspflicht nach §§ 2, 4 Abs. 2 bzw. 229a SGB VI. Gegen den Bescheid vom 27. Juni 2003, der ihm nach eigenen Angaben am 28. Juli 2003 zuging, legte der Kläger am 28. August 2003 Widerspruch ein, den er jedoch nicht begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Juni 2003 zurück. Da der Kläger seinen Widerspruch nicht begründet habe, sei lediglich eine Überprüfung nach Aktenlage möglich gewesen. Danach sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 16. März 2004 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Ihm gehe es um die Feststellung, dass er als selbständiger Dozent nicht versicherungspflichtig sei. Deshalb greife er die Bescheide auch nicht hinsichtlich der Beitragshöhe an. Seine Tätigkeit als Dozent falle nicht unter den eng auszulegenden Lehrerbegriff des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Mit Urteil vom 18. Juli 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Bescheide vom 27. Juni 2003, 28. Juli 2003 und 27. August 2003 seien Gegenstand des Klageverfahrens. Der Bescheid vom 9. Mai 2003 sei dagegen nicht rechtswirksam, da nicht belegt werden könne, dass er dem Kläger bekannt gegeben worden sei. Dem Kläger seien jedoch die oben genannten Beitragsbescheide zugegangen. In diesen Bescheiden sei neben der Beitragshöhe auch noch einmal ausdrücklich die Versicherungspflicht des Klägers festgestellt worden. Diese Feststellung sei nicht zu beanstanden, denn der Kläger sei als selbständig tätiger Dozent in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Gegen das ihm am 30. Juli 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. August 2007 Berufung beim SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weiter geleitet hat. Er hat unter anderem mitgeteilt, dass er gegen die Bescheide der Beklagten vom 28. Juli 2003 und vom 27. August 2003 gesondert Widerspruch erhoben habe, worüber noch nicht entschieden worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. Juli 2003 und 27. August 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2007 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat Erfolg.
Die Bescheide vom 28. Juli 2003 und vom 27. August 2003 sind in entsprechender Anwendung des § 96 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden. Davon ist das SG offensichtlich ausgegangen, ohne diese Norm im Urteil zu nennen. Eine Einbeziehung in direkter Anwendung war nicht möglich, weil die Bescheide vom 28. Juli 2003 und vom 27. August 2003 nicht erst – wie der Wortlaut verlangte – nach Klageerhebung ergangen sind. Bescheide, die aufgrund der bis zum 31. März 2008 eröffneten Möglichkeit in das Verfahren einbezogen wurden, bleiben trotz der ab 1. April 2008 eingetretenen Gesetzesänderung, wodurch eine analoge Anwendung des § 96 SGG ausgeschlossen werden soll, Gegenstand des Verfahrens (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 96 Rdnr. 1).
Der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2004 sowie die Bescheide vom 28. Juli 2003 und 27. August 2003 sind jedoch rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Denn es existiert keine bestandskräftige Feststellung der Versicherungspflicht, auf die die genannten Bescheide gestützt werden könnten. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass die Bekanntgabe des aktenkundigen Bescheides vom 9. Mai 2003, der die Frage der Versicherungspflicht regeln sollte, nicht belegt werden kann. Damit ist dieser Bescheid gegenüber dem Kläger nicht existent und damit nicht rechtswirksam (Engelmann in: von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Aufl. 2010, § 37 Rdnr. 21).
Entgegen der Auffassung des SG ist in den Bescheiden vom 27. Juni 2003, 28. Juli 2003 und 27. August 2003 die Frage der Versicherungspflicht nicht geregelt. Den Bescheiden ist ein entsprechender Regelungswille nicht zu entnehmen. Dies wird schon daran deutlich, dass die Beklagte die Versicherungspflicht nicht im Tenor festgestellt, sondern lediglich in der Begründung auf sie verwiesen hat. Sie wollte hinsichtlich der Frage der Versicherungspflicht keine Rechtsfolge setzen, weil sie – irrtümlich – davon ausging, dies sei bereits durch den Bescheid vom 9. Mai 2003 erfolgt. Die Bescheide vom 27. Juni 2003, 28. Juli 2003 und 27. August 2003 stellen also keine Verwaltungsakte hinsichtlich der Versicherungspflicht dar, auf die Beitragsforderungen gestützt werden könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vorliegen.
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