L 3 R 222/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 12 RJ 417/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 222/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI).

Die am ... 1971 geborene Klägerin begann nach der 10. Schulklasse im September 1987 eine Ausbildung zur Schweinezüchterin, die sie im Januar 1988 vorzeitig wegen Schwangerschaft abbrach. Vom 8. Februar bis zum 26. Mai 1990 war sie als Versandarbeiterin versicherungspflichtig tätig. Vom 1. August 1992 bis zum 31. Dezember 1993 erhielt sie Krankengeld. Die Klägerin hat drei 1988, 1994 und 1996 geborene Kinder. Vom 1. Januar 1994 bis zum 30. April 2004 ergeben sich aus ihrem Versicherungsverlauf Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung/Schwangerschaft/ Mutterschutz. Ab dem 31. März 1998 war die Klägerin in der Arbeitsvermittlung arbeitssuchend gemeldet, bezog aber keine Leistungen der Arbeitsverwaltung. Seit dem 1. Januar 2005 erhält sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende – SGB II).

Seit dem 22. April 2002 sind bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie die Merkzeichen "G" und "B" anerkannt. Sie verfügt über keinen Führerschein.

Die Klägerin hatte bereits am 12. Dezember 2000 erfolglos bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt (LVA), deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beantragt. Den dem Streitverfahren zugrundeliegenden Antrag auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung stellte sie am 6. März 2002 und machte geltend, wegen einer seit 1979 bestehenden Epilepsie keinerlei Arbeiten mehr verrichten zu können. Die LVA zog zunächst das im ersten Rentenverfahren von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. erstellte nervenärztliche Gutachten vom 27. Mai 2001 bei. Als Diagnosen benannte diese ein epileptisches Anfallsleiden sowie den Verdacht auf frühkindliche Hirnschädigung mit leichter Intelligenzminderung und frühkindlicher emotionaler Mangelsituation. Die nervenärztliche Behandlung habe erst im Februar 2000 begonnen; bisher sei noch keine optimale medikamentöse Einstellung des Anfallsleidens – mit ein bis drei Grand-mal-Anfällen monatlich ausweislich des vorgelegten Anfallskalenders – erreicht. Die Klägerin sei durchaus unter Berücksichtigung der sich aufgrund der Epilepsie ergebenden Einschränkungen vollschichtig beruflich einsetzbar.

Im zweiten Rentenverfahren holte die LVA zunächst Befundberichte von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 19. März 2002 und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. S. vom 1. Oktober 2002 ein. Dipl.-Med. S. berichtete über fünf bis sechs Anfälle monatlich, teilweise mehreren Anfällen an einem Tag, seit April 2001. Die Elektroencephalografie (EEG) vom 15. März 2002 zeige eine leichte bis mäßige bitemporale linksbetonte Thetafunktionsstörung ohne cerebrale Erregbarkeitsstörung. Die LVA ließ daraufhin den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Z. das Gutachten vom 17. Januar 2003 nach einer Untersuchung der Klägerin am 15. Januar 2003 erstatten. Ausweislich des vorgelegten Anfallskalenders seien von Januar bis März 2002 keine Eintragungen vorgenommen worden; von April bis Dezember 2002 seien 54 Anfälle, auch bis zu drei Anfälle an einem Tag und von September 2000 bis August 2001 28 Anfälle eingetragen; 2003 habe die Klägerin erst einen Anfall erlitten. Der Gutachter verwies auf einen normalen EEG-Befund; insbesondere in der Untersuchung seien keine Zeichen epileptischer Aktivität erkennbar gewesen. Er zeigte auf, vor allem im Jahr zuvor habe sich eine dramatische Anfallshäufung mit durchschnittlich ein bis zwei großen Krampfanfällen pro Woche ergeben. Die Anfälle träten vollkommen stochastisch auf und begründeten eine ein- bis mehrstündige Arbeitsunfähigkeit. Ließe sich die derzeitige Anfallshäufigkeit durch eine ambulante Verbesserung des antiepileptischen Regimes nicht deutlich senken, sei eine berufliche Tätigkeit sowohl der Klägerin als auch jedem potentiellen Arbeitgeber nicht zumutbar. Bei einer Häufigkeit von mehr als ein bis zwei Anfällen pro Monat sei eine Berufstätigkeit ausgeschlossen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Wechsel-/Nachtschicht, besonderen Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließarbeit), Absturzgefahr, Gefährdung durch Hitze und starke Temperaturschwankungen sowie mit zusätzlichen durch die Anfälle erzwungenen Pausen vollschichtig verrichten. Bei der weiter bestehenden Anfallshäufigkeit betrage die Minderung der Leistungsfähigkeit zwei Drittel. Die Klägerin sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln und auch alleine reisefähig.

Die LVA zog ferner die Epikrise des Städtischen Krankenhauses Martha-Maria H.-D über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 13. November bis zum 4. Dezember 2002 bei. Die stationäre Einweisung sei aufgrund einer Anfallshäufung zur medikamentösen Einstellung bei bekannter generalisierter Epilepsie erfolgt. Während in den letzten Jahren maximal fünf Anfälle pro Monat aufgetreten seien, sei ab Juni 2002 eine Anfallshäufung mit fünf bis zehn Anfällen pro Monat zu verzeichnen gewesen. Im Rahmen der hochdosierten Monotherapie mit Valproat seien in der zweiten Woche zwei generalisierte Anfälle aufgetreten. Im weiteren Verlauf habe sich die Klägerin anfallsfrei gezeigt. Bei Entlassung habe der Medikamentenspiegel noch nicht im optimalen Wirkbereich gelegen. Die LVA holte weitere Befundberichte von Dipl.-Med. S. vom 13. Oktober 2003 und Dr. P. – Eingang am 1. Dezember 2003 – ein. Letzterer gab an, die Klägerin habe über zwei bis drei Anfälle pro Woche berichtet, er selbst habe keinen Anfall miterlebt.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2003 lehnte die LVA den Rentenantrag der Klägerin ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 7. März 2003 Widerspruch und machte insbesondere geltend, dass sie in Anbetracht der anerkannten Schwerbehinderung und der Notwendigkeit ständiger Begleitung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zumindest 30 Stunden je Woche nicht erwerbstätig sei.

Die Klägerin nahm sodann an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 11. Mai bis zum 8. Juni 2004 in der Rehabilitationsabteilung für Anfallskranke im Krankenhaus M. gGmbH des Epilepsie-Zentrums B. in B. teil. In dem Entlassungsbericht vom 21. Juli 2004 wurden als Diagnosen eine idiopathische generalisierte Epilepsie und eine chronisch-rezidivierende Arthritis beider Sprunggelenke bei statischer Fehlbelastung berücksichtigt. Nach den Angaben der Klägerin liege die derzeitige Frequenz bei ca. einem Anfall pro Monat. Bei den überwiegend am Morgen auftretenden Anfällen komme es auch zum Zungen- und Wangenbiss. In der Vergangenheit habe sie sich bei anfallsbedingten Stürzen auch Verletzungen zugezogen. Sie benötige dann eine lange Reorientierungsphase und brauche Nachschlaf, meist bis zum darauffolgenden Tag, und leide an Kopfschmerzen. Während des stationären Aufenthalts sei kein Anfall registriert worden. Die Klägerin habe sich in ihrem Verhalten und ihrer Lebensgrundhaltung in einem weitgehend abgeschotteten familiären System eingerichtet. Weder im Hinblick auf ihre anfallsbezogenen Ängste noch auf ihre Zurückgezogenheit bestehe ein Leidensdruck bzw. eine Veränderungsmotivation. Bislang habe bei der Klägerin keine hinreichende Anfallskontrolle erzielt werden können. Die während der Rehabilitationsmaßnahme begonnene Umstellung der Medikation sollte ambulant im Rahmen regelmäßiger neurologischer Mitbehandlungen fortgesetzt werden, was offenbar im Jahr vor der Rehabilitation nicht der Fall gewesen sei. Eine Optimierung durch eine konsequente antiepileptische Behandlung sei notwendig. Die Anfälle der Klägerin entsprächen der Gefährdungskategorie "C" nach BGI 585 des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG). Die Klägerin verfüge über genügende Ressourcen, die eine erfolgreiche Wiedereingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichten, sofern eine anhaltende Veränderung ihrer derzeitigen Einstellung gelungen sei. Die Entlassung aus der Rehabilitation sei als arbeitsfähig erfolgt. Die Klägerin sei in der Lage, mittelschwere Tätigkeiten im Stehen, Gehen oder Sitzen in Tages- und Früh- oder Spätschicht sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Es bestünden keine Einwände gegen Tätigkeiten an Bildschirmarbeitsplätzen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Bei der Klägerin bestehe ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für mittelschwere Arbeiten ohne Nachtschicht, ohne häufiges Klettern und Steigen, erhöhte Unfallgefahr (z.B. Absturzgefahr, ungesicherte Maschinen) sowie ohne berufliches Führen eines Kfz unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Die Feststellung eines GdB von 70 sage nichts über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine volle oder teilweise Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI aus. Der GdB werde entsprechend den Bestimmungen des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – SGB IX) festgestellt. Die besonderen Vorschriften des SGB VI würden hierdurch nicht berührt.

Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 30. Dezember 2004 beim Sozialgericht Dessau erhobenen Klage gewandt. Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte beigezogen. Dr. P. hat unter dem 3. Mai 2005 mitgeteilt, die Klägerin erscheine regelmäßig zur Verordnung der Epilepsie-Dauermedikation. Der Befund sei konstant. Fraglich sei die Compliance der Klägerin. Dipl.-Med. S. hat unter dem 9. Mai 2005 ein schwankendes Befinden der Klägerin aufgezeigt. Die Anfälle träten alle zwei bis drei Wochen vorwiegend nachts oder morgens auf. Die EEG vom 14. März 2000 habe eine epileptische Aktivität, die EEG vom 15. März 2002 habe keine Erregbarkeitssteigerung gezeigt.

Das Sozialgericht Dessau hat mit Urteil vom 2. April 2007 die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Wechsel- oder Nachtschicht, besonderen Zeitdruck, Absturzgefahr, Selbst- oder Fremdgefährdung und ohne die Notwendigkeit, ein Fahrzeug zu führen, täglich mindestens sechs Stunden zu verrichten. Dies folge aus dem Gutachten von Dr. Z. vom 18. Januar 2003 und dem Entlassungsbericht des Epilepsiezentrums B. vom 21. Juli 2004.

Gegen das ihr am 3. Mai 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31. Mai 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und den Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung weiter verfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 2. April 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. April 2002 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Behandlungs- und Befundberichte eingeholt. Dr. P. hat unter dem 9. Juni 2008 einen seit März 2005 stabil gebliebenen Gesundheitszustand angegeben. Die Klägerin sei mit hochdosierten Medikamenten gut eingestellt. Der letzte epileptische Anfall liege lange zurück (Juli 2007). Dipl.-Med. S. hat unter dem 1. August 2008 mitgeteilt, die Klägerin habe über eine unterschiedliche Anfallsfrequenz von ca. zwei Anfällen monatlich geklagt. Sie fühle sich mit der Betreuung der beiden Kinder überlastet. Seit der Unterstützung durch eine Familienhelferin fühle sie sich besser. Der Valproinsäurespiegel liege unter dem therapeutischen Bereich. Die EEG von 2006 habe keine epileptische Dysregulation gezeigt. Der Gesundheitszustand sei konstant. Die Compliance der Klägerin sei nicht optimal; diese habe seit Oktober 2007 fünf von acht Terminen nicht eingehalten.

Im Erörterungstermin am 21. Februar 2009 hat die Klägerin angegeben, das Haus grundsätzlich nur in Begleitung zu verlassen; lediglich im Garten oder auf dem Hof halte sie sich gelegentlich alleine auf. Jeder Anfall sei mit einem Zungen- bzw. Wangenbiss verbunden, sie sei orientierungslos und habe kein Zeitgefühl. Die kleineren Anfälle, bei denen ein Zittern ohne Umfallen auftrete, dauerten 10 bis 15 Minuten. Die größeren Anfälle, bei denen sie bewusstlos werde und zu Boden falle, dauerten in der Regel eine halbe bis dreiviertel Stunde. Genau die gleiche Zeit benötige sie zur Erholung. Da ihr nicht immer eine Begleitperson zur Verfügung stehe, habe sie nicht alle Termine bei Dipl.-Med. S. wahrnehmen können.

Die Klägerin hat dem Senat Auszüge ihres Anfallskalenders, der nach ihren Angaben in dieser Form erst seit 2006 geführt werde, für die Zeit von August 2005 bis August 2009 vorgelegt. Insoweit wird auf Blatt 121 bis 130, 161 bis 162 und 218 bis 219 der Gerichtsakte verwiesen. Auf Nachfrage der Berichterstatterin hat die Klägerin mitgeteilt, die Unterscheidungsmerkmale bzw. Kriterien der Anfälle – ob große oder kleine Anfälle/Absencen oder psychomotorische Anfälle oder Jackson-Anfälle – könne sie nicht benennen, da ihr Ehemann die Eintragungen vorgenommen habe, von dem sie getrennt lebe.

Der Senat hat sodann einen Befundbericht des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie Dipl.-Med. G., Chefarzt der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Gesundheitszentrums B./W: gGmbH, vom 4. März 2010 eingeholt, der die Epikrise vom 3. Februar 2010 über die stationäre tagesklinische Behandlung der Klägerin vom 29. Juni bis zum 2. Oktober 2009 beigefügt hat. Grund für die tagesklinische Therapie seien massive soziale Konflikte mit entsprechenden schweren psychischen Störungen gewesen. Die Klägerin habe starke Angstgefühle bis hin zu Panikattacken angegeben; deshalb verlasse sie seit vier Jahren die eigene Wohnung nicht mehr. Ihr Ex-Mann, von dem sie seit 2007 "pro forma" getrennt lebe, habe alle Einkäufe und sonstigen Angelegenheiten außer Haus erledigt. Trotz der ambulant begonnenen Umstellung der antikonvulsiven Medikation komme es etwa drei- bis viermal monatlich zu nächtlichen epileptischen Anfällen. Dipl.-Med. G. hat als Diagnosen eine Agoraphobie mit Panikstörung bei einer chronisch posttraumatischen Belastungsstörung, dissoziative Krampfanfälle, eine Epilepsie, eine leichte Intelligenzminderung (leichte Minderbegabung) sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung genannt. Im Rahmen des Angstbewältigungstrainings sei es der Klägerin innerhalb kurzer Zeit gelungen, wieder Bus zu fahren und zunächst kleine Wege und zunehmend größere Strecken auf der Straße, außerhäusliche Aktivitäten wie Einkäufe und Behördengänge zunehmend wieder allein zu bewältigen. Es sei zu einem deutlichen Rückgang der Angstsymptomatik mit guter Besserung des Selbstwertgefühls gekommen. In diesem Rahmen sei es dann der Klägerin möglich gewesen, sich endgültig von ihrem Ex-Ehemann zu trennen. Die Klägerin sei am Rande ihrer emotional psychischen Leistungsfähigkeit, begründet durch leichte Minderbegabung, frühkindliche Epilepsie und Aufwachsen in einem brutal-aggressiven familiären Milieu. Eine Tätigkeit außerhalb der Familie, auch nicht weniger als drei Stunden, könne sie derzeit nicht verrichten. Eine Berentung würde der begonnenen positiven Entwicklung sehr förderlich sein. Trotz der erreichten Stabilisierung in Form einer deutlichen Reduzierung der Anfallshäufigkeit und Ängste sowie einer deutlichen Erhöhung der Alltagskompetenzen bestünden erhebliche Einschränkungen in allen Funktionsbereichen sowie eine erhebliche psychosoziale Belastung weiter fort. Während der gesamten Therapiezeit in der Klinik hätten sich keine Anfälle ereignet. Die Klägerin habe aber über nächtliche Anfälle und Anfälle im häuslichen Umfeld berichtet. Neben epileptischen Anfällen habe es sich um posttraumatisch bedingte dissoziative Anfälle gehandelt.

Der Senat hat sodann ein nervenfachärztliches Gutachten von dem Facharzt für Neurologie/Psychiatrie Dr. V., Chefarzt der Neurologischen Klinik und Ärztlicher Leiter des Sächsischen Krankenhauses (SKH) A., vom 8. Juli 2010 erstatten lassen. Bei der Untersuchung am 2. Juli 2010 hat die Klägerin Auszüge aus dem Anfallskalender ab März 2010 vorgelegt. Seit Mai 2010 leide sie an anfallsartigen Störungen – drei bis vier Minuten –, mit einem plötzlichen Gefühl des Einschlafens der Zunge (= Z im Anfallskalender). Von März bis Mai 2010 sei jeweils ein Anfall monatlich nachts mit Bewusstlosigkeit und anschließender Müdigkeit aufgetreten. Außerhalb des Hauses habe sie bislang keinen Anfall erlitten. Zum Tagesablauf befragt habe sie angegeben, gegen 6.00 Uhr morgens aufzustehen, sie treffe dann die Vorbereitungen für den Schulbesuch der Kinder, später erledige sie die Hausarbeiten und befasse sich im Laufe des Vormittags mit Rätselaufgaben oder spiele mit dem Hund. Ihr Ehemann erledige die notwendigen Einkäufe. Zur Mittagszeit halte sie einen eineinhalbstündigen Mittagsschlaf. Nach der Rückkehr der Kinder aus der Schule helfe sie diesen bei den Hausaufgaben. Nach dem Abendessen schaue sie fern und gehe gegen 22.00 Uhr zu Bett. Der Ehemann habe berichtet, die Klägerin sei seit der tagesklinischen Behandlung ein anderer Mensch geworden. Einkaufen gehe sie alleine; sie nehme auch Veranstaltungen und Besuche in der Schule alleine wahr; sie sei im Elternrat. In der durchgeführten Testpsychologie hätten sich Hinweise auf das Vorliegen von Angststörungen, aber auch von emotionaler Labilität und Empfindlichkeit mit Neigung zu Erregbarkeit, Aggressivität und psychosomatischen Störungen einerseits sowie Hemmungen und Introversion andererseits gefunden. Die EEG sei ohne pathologischen Befund gewesen. Derzeit erhalte die Klägerin eine antiepileptische Medikation in Dreifachkombination. Die leichte psychomotorische Verlangsamung sei mit der Medikamenteneinnahme erklärbar. Hinweise auf ein hirnorganisches Leiden oder eine deutliche intellektuelle Minderbegabung lägen nicht vor. Die tagesklinische Behandlung 2009 habe das Störungsbild nachhaltig bessern und hierüber auch die Anfallsfrequenz und Art und Häufigkeit psychogener Anfälle positiv beeinflussen können. Zur weiteren Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes sei eine fortlaufende ambulante Psychotherapie erforderlich. Darüber hinaus sei eine erneute psychiatrische tagesklinische Behandlung zu empfehlen. Mit dem Erreichen psychischer Stabilität wäre durchaus auch eine Reduktion der antiepileptischen Medikation gerechtfertigt. Unter diesen Bedingungen sei das Leistungsvermögen der Klägerin für einfache berufliche Anforderungen, auch für vollschichtige Tätigkeiten, zu erhalten.

Dr. V. hat als Diagnosen eine Grand-mal-Epilepsie, eine chronische posttraumatische Belastungsstörung mit Panikstörungen und flashback-Erlebnissen sowie eine generalisierte Angststörung angeführt. Die Klägerin könne noch körperlich leichte und mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Sie könne Arbeiten mit längeren einseitigen körperlichen Belastungen oder Zwangshaltungen im Freien mit Vermeidung von Lärm, sowie Arbeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände erforderten, verrichten. Arbeiten in Wechselschicht sowie mit gelegentlichem bis häufigem Publikumsverkehr seien möglich. Die Klägerin sei Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, mit geistig einfachen Anforderungen und mit geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gewachsen. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Nachtschicht, mit besonderem Zeitdruck, Stressbelastungen und emotionalem Druck sowie mit Steuern oder Bedienen von Maschinen mit Verletzungsgefahr seien zu meiden. Die Klägerin könne Arbeiten mit einfachen körperlichen Verrichtungen wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen ohne Verletzungsgefahr, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen verrichten. Die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Sie sei nicht auf eine ständige Begleitung angewiesen. Sie könne ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen. Die Klägerin könne sich auf eine einfache, für sie gesundheitlich geeignete Tätigkeit noch insoweit umstellen, dass sie diese innerhalb von drei Monaten vollwertig verrichten könne. Krankheitsbedingte Ausfallzeiten von ein bis zwei Tagen pro Monat seien möglich. Die festgestellten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bestünden seit März 2002, aber nicht durchgängig. Es seien zwischenzeitlich längere Phasen geringerer Leistungsfähigkeit bei Anfallshäufungen oder der Notwendigkeit stationärer oder teilstationärer Behandlungen eingetreten. Die jetzt festgestellte Leistungsfähigkeit sei seit Oktober 2009 als stabil anzunehmen und bestehe voraussichtlich auf Dauer, wenn die Klägerin durch kontinuierliche optimierte Behandlungsmaßnahmen in psychotherapeutischer und neurologischer Hinsicht begleitet werde.

Die Klägerin hat sodann an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik B.a K. vom 12. August bis zum 16. September 2010 teilgenommen. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 20. September 2010 habe die Klägerin angegeben, mittlerweile habe die Ängstlichkeit wieder zugenommen und sie überlasse die außerhäuslichen Besorgungen ihrem Ex-Ehemann. Sie habe keine sozialen Kontakte außer zu ihm und zur Familienhelferin. Aufgrund eines ausgeprägten Strukturdefizits sei die Klägerin früh in ein Arbeits- und Belastungstraining in der H.-M.-Stiftung mit dem Ziel der Erstellung eines aktuellen Leistungsbildes und der Verbesserung der sozialen Integration eingegliedert worden. Zweimalig habe die Klägerin über epileptische Anfälle ohne Verletzungsfolgen, die sie jeweils allein in ihrem Zimmer erlitten habe, berichtet. In der durchgeführten EEG hätten sich unter der aktuellen antiepileptischen Medikation keine Zeichen einer erhöhten Anfallsbereitschaft gezeigt. Bezüglich ihrer sozialen und häuslichen Situation habe die Klägerin keine Änderungsmotivation gezeigt. Ausgeprägte agoraphobische Ängste sowie Panikattacken seien während des Rehabilitationsaufenthaltes nicht aufgetreten. Die Klägerin sei aktuell in der Lage, längere Spaziergänge alleine zurückzulegen und angstfrei einkaufen zu gehen. Unbekannte Situationen und an sie gestellte Anforderungen hätten bei der Klägerin ein mit dysfunktionalen Überzeugungen einhergehendes Vermeidensverhalten ausgelöst. Dieses habe jedoch durch therapeutischen Zuspruch vermindert werden können.

Als Diagnosen sind in dem Entlassungsbericht eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung und eine generalisierte idiopathische Epilepsie angeführt. Die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Stehen, Gehen oder Sitzen auf einfachem kognitivem Niveau in Tages-, Früh- und Spätschicht (positives Leistungsbild 10.3.) drei bis unter sechs Stunden zu verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten im Gefahrenbereich laufender Maschinen, mit Steuerungs- und Überwachungsaufgaben, Absturzgefahr, erhöhter Unfallgefahr, in Nachtschicht, ohne besonderen Anspruch an die psychische Belastbarkeit, Zeitdruck, besondere Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit sowie komplexe Arbeitsvorgänge (Negatives Leistungsbild 10.3). Ab einer quantitativen Arbeitsbelastung von sechs Stunden fühle sich die Klägerin zunehmend überfordert. Die Fähigkeit zur Flexibilität und Umstellung sei kaum gegeben gewesen. Es sei zunehmend zur Selbstlimitation und Ablehnung von Arbeitsanforderungen gekommen. Es bestünden ausgeprägte Defizite der sozialen Kompetenzen sowie eine ausgeprägte körperliche Dekonditionierung, welche jedoch durch entsprechende Maßnahmen kompensierbar seien. Unter Maßgabe der aufgeführten quantitativen (muss heißen qualitativen) Einschränkungen (unter Punkt 10.3) betrage das anzunehmende quantitative Leistungsvermögen sechs Stunden und mehr täglich, sofern sich die Klägerin nicht demonstrativ selbst limitiere. Zusammenfassend werde es für wahrscheinlich gehalten, dass mit intensiver psychotherapeutischer Behandlung, möglichst im Rahmen einer Rehabilitation für psychisch Kranke (RPK)-Maßnahme, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin gesteigert werden könne. Voraussetzung wäre die Erarbeitung einer Veränderungsmotivation.

Auf Nachfrage des Senates hat der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialmedizin - Suchtmedizin - Rehawesen Dr. H., Chefarzt der B. K. Klinik, mit Schreiben vom 5. November 2010 mitgeteilt, trotz der ausgeprägten Defizite der Klägerin bezüglich der sozialen Kompetenz, der ausgeprägten körperlichen Dekonditionierung sowie der eingeschränkten Fähigkeiten zur Flexibilität und Umstellung könne bei der Klägerin bei ausreichender Mitwirkung unter Ausschöpfung von "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA)– Hilfen" ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen festgestellt werden. Die Teilnahme an einer RPK-Maßnahme könne dieses Leistungsbild entsprechend stabilisieren und die Erwerbsfähigkeit auch prognostisch positiv gestalten. Die von der Klägerin gezeigte Selbstlimitation und das Ablehnen von Arbeitsanforderungen könne kaum mit einer ihr abzuverlangenden Anstrengungsbereitschaft überwunden werden, solange z.B. ein Rentenverfahren anhängig sei. Diese Symptome seien im Rahmen des Rentenwunsches als Ausdruck ihrer Krankheit zu sehen.

Die Klägerin hat dem Senat Protokolle über Notfalleinsätze am 22. Oktober 2010 (ausgelöster Alarm 8.44 Uhr) und 24. November 2010 (Alarm 6.07 Uhr) mit Versorgung nach Zustand eines erlittenen Anfalls vor Ort sowie eine Bescheinigung über die Überführung der Klägerin als Notfall durch den Rettungsdienst in das Gesundheitszentrums B./W. gGmbH am 10. November 2010 (ausgelöster Alarm 7.19 Uhr) vorgelegt. Darüber hinaus hat sie einen unter dem 15. November 2010 freiwillig ausgefüllten Fragebogen zur Reha-Qualitätssicherung der Beklagten und Auszüge aus dem Anfallskalender von April 2010 bis Januar 2011 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Schwerbehindertenakte des Landesverwaltungsamtes (Az.: 37 161 87-09130), die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung zusteht. Der insoweit ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Klägerin ist bei der Beklagten versichert und hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung am 6. März 2002 die allgemeine Wartezeit nach § 50 Abs. 1 SGB VI von fünf Jahren (60 Monaten) erfüllt. Ausweislich der in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Wartezeitaufstellung lagen bis zu diesem Zeitpunkt 106 Monate mit Beitragszeiten vor. Im maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vor dem Rentenantrag sind 38 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt, sodass auch die so genannte Drei-Fünftel-Belegung erfüllt ist.

Die Klägerin ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Die Klägerin kann körperlich leichte und mittelschwere Tätigkeiten im Stehen, Gehen oder Sitzen, auch im Freien, in Tages-, Früh- und Spätschicht mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Arbeiten mit längeren einseitigen körperlichen Belastungen oder Zwangshaltungen und mit gelegentlichem bis häufigem Publikumsverkehr sind möglich. Tätigkeiten mit Klettern und Steigen, Absturzgefahr, erhöhter Unfallgefahr, Steuern oder Bedienen von Maschinen mit Verletzungsgefahr, Lärmexposition, Zeitdruck, Stressbelastungen, emotionalem Druck und in Nachtschicht sind ausgeschlossen. Die Klägerin ist Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, mit geistig einfachen Anforderungen und geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gewachsen. Komplexe Arbeitsvorgänge kann die Klägerin nicht bewältigen. Es besteht eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände.

Der Senat stützt sich im Wesentlichen auf die schlüssigen und überzeugenden Feststellungen im Gutachten von Dr. V. vom 8. Juli 2010, im Entlassungsbericht der Klinik B. K. vom 20. September 2010 und in der ergänzenden Stellungnahme von Dr. H. vom 5. November 2010. Die Feststellungen zum Leistungsbild werden insbesondere auch durch den Rehabilitationsentlassungsbericht des Epilepsie-Zentrums B.l vom 21. Juli 2004 und die Gutachten Dr. Z. vom 17. Januar 2003 und Dr. D. vom 27. Mai 2001 sowie den Entlassungsbericht des Epilepsie-Zentrums B. vom 21. Juli 2004 gestützt.

Bei der Klägerin liegen eine Grand-mal-Epilepsie, eine chronische posttraumatische Belastungsstörung mit Panikstörungen sowie eine generalisierte Angststörung vor. Seit Oktober 2009 besteht eine stabile psychische Situation der Klägerin. Durch die tagesklinische Behandlung vom 29. Juni bis zum 2. Oktober 2009 ist eine nachhaltige Besserung des psychischen Störungsbildes eingetreten; auch die Anfallsfrequenz und Art und Häufigkeit der psychogenen Anfälle im häuslichen Umfeld konnten reduziert sowie eine verbesserte Alltagskompetenz der Klägerin erzielt werden. Das Vorliegen eines hirnorganisches Psychosyndroms oder einer deutlichen intellektuellen Minderbegabung ist nicht feststellbar gewesen. Die leichte psychomotorische Verlangsamung der Klägerin ist auf die Medikamenteneinnahme zurückzuführen.

Zwar bestehen ausgeprägte Defizite der Klägerin bezüglich ihrer sozialen Kompetenz, eine erhebliche körperliche Dekonditionierung aufgrund von Arbeitsentwöhnung sowie eine eingeschränkte Fähigkeit zu Flexibilität und Umstellung. Gleichwohl liegt zur Überzeugung des Senats ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen der Klägerin vor. Dr. H. hat nachvollziehbar dargestellt, dass die von der Klägerin während der Arbeitstherapie/Belastungserprobung gezeigte Selbstlimitierung auf ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden und die Ablehnung von Arbeitsanforderungen im Rahmen des Rechtsstreites zu sehen und nicht krankheitsspezifischer Natur sei. Besondere psychotherapeutische Maßnahmen sind nicht indiziert, da damit die Grundproblematik der Klägerin nicht ausreichend zu beeinflussen ist. Vielmehr ist vordergründig ein arbeitstherapeutischer Ansatz anzugehen, der bereits während der Rehabilitationsmaßnahme in der B. K. Klinik zum Tragen gekommen ist. Die Klägerin kann schrittweise auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wiedereingegliedert werden. Unter entsprechenden beruflich-rehabilitativ unterstützenden therapeutischen Maßnahmen kann die Klägerin bei einer ihr abzuverlangenden Anstrengungsbereitschaft die Selbstlimitierung überwinden und eine Arbeitsleistung in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich erbringen. Dr. V. hat zudem ausdrücklich einen zu erwartenden positiven Effekt bei einer Berufstätigkeit auf die Selbstsicherheit, die Eigenständigkeit und den Selbstwert der Klägerin aufgezeigt.

Auch besteht zur Überzeugung des Senats seit der Rentenantragstellung am 6. März 2002 bis zu der tagesklinischen Behandlung der Klägerin 2009 ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen unter Berücksichtigung der Einschätzungen von Dr. Z. im Gutachten vom 17. Januar 2003 und in dem Entlassungsbericht des Epilepsie-Zentrums B. vom 21. Juli 2004. Der Einschätzung von Dr. G. vom 4. März 2010 eines bei der Klägerin bestehenden Leistungsvermögens von unter drei Stunden täglich vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Innerhalb kurzer Zeit konnten die während der stationären tagesklinischen Behandlung vom 29. Juni bis zum 2. Oktober 2009 im Rahmen eines Angstbewältigungstrainings die Ängste der Klägerin deutlich reduziert und ihre Alltagskompetenzen erhöht werden. Darüber hinaus stützt die Tatsache, dass die Klägerin die jahrelang vermiedenen Einkäufe und Alltagsaktivitäten alleine bewältigen konnte, als ihr Ex-Ehemann aufgrund einer Krebserkrankung stationär behandelt wurde und sie allein auf sich gestellt war, die Einschätzung von Dr. H ... Die Klägerin hat ihre Selbstlimitierung in Anbetracht der existentiellen Notwendigkeit durch den Ausfall des Ex-Exmannes als Versorger überwunden. Zur Überzeugung des Senats kann sie bei einer ihr abzuverlangenden Anstrengungsbereitschaft die sich selbst auferlegten Beschränkungen bezüglich der Arbeitsbereitschaft beherrschen und Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich mit den oben genannten qualitativen Einschränkungen bewältigen.

Im Falle der Klägerin liegt ferner kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 35). Der Senat ist der Auffassung, dass die Klägerin seit Rentenantragstellung in der Lage gewesen ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes regelmäßig sechs Stunden täglich Arbeiten entsprechend dem oben genannten Leistungsbild zu verrichten und einen Arbeitsplatz auch zu erreichen. Inwieweit das Anfallsleiden die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt, bestimmt sich einerseits nach der Häufigkeit, andererseits nach Art und Schwere der epileptischen Anfälle der Klägerin. Maßgebende Kriterien sind z.B. Bewusstsein, Willkürmotorik, Sturz, Verhalten im Anfall, Verhalten nach dem Anfall, Dauer des Anfalls, Ursache bzw. auslösende Faktoren, Vorhersehbarkeit ("Auren"), tageszeitliche Bindung und Verlauf der Erkrankung (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2006 – B 13 R 27/06 R –, SozR 4-2600 § 43 Nr. 10). Auf den von der Klägerin – ihren Angaben nach erst seit 2006 – geführten Anfallskalender kann sich der Senat zur Feststellung der Anfallsfrequenz und Schwere der epileptischen Anfälle nicht stützen, da der Anfallskalender nicht verwertbar ist. Er ist ausschließlich von dem von ihr seit 2007 getrennt lebenden Ex-Ehemann geführt worden. Nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits hat ihr Ex-Ehemann, sofern er sich nicht gerade bei ihr aufgehalten hat und bei den Anfällen anwesend gewesen ist, die Eintragungen im Nachhinein entsprechend den Angaben der Kinder bzw. bei Abwesenheit der Kinder nach den Angaben der Klägerin selbst vorgenommen. Bei den eingetragenen Kreuzen und Fragezeichen konnten die Anfälle nicht klassifiziert werden. Da die Eintragungen des Ex-Ehemannes im Anfallskalender überwiegend nicht auf dem eigenen Erleben der Anfälle im Beisein der Klägerin beruhen, können die dort enthaltenen Angaben nicht der Entscheidung des Senats zugrunde gelegt werden. Der Senat konnte sich bei seiner Beurteilung auch nicht auf die Angaben der Klägerin stützen, da diese ausdrücklich vorgetragen hat, die Anfälle selbst nicht klassifizieren und beschreiben zu können. Zudem sind die Angaben der Klägerin, die Anfälle vorwiegend nachts und aus dem Schlaf heraus zu erleiden, nicht vereinbar mit der Behauptung, an manchen Tagen bis zu drei Anfälle erlitten zu haben und unvereinbar mit den Eintragungen im Anfallskalender, wonach die meisten Anfälle tagsüber aufgetreten sind.

Abgesehen von der stationären Behandlung der Klägerin vom 13. November bis 4. Dezember 2002 im Städtischen Krankenhaus Martha-Maria H.-D, wo die Klägerin in der zweiten Woche des Aufenthaltes zwei generalisierte Anfälle erlitten hatte, konnten weder während der Rehabilitationsmaßnahme vom 11. Mai bis zum 8. Juni 2004 noch während des tagesklinischen Aufenthaltes vom 29. Juni bis zum 2. Oktober 2009 oder während der Rehabilitationsmaßnahme vom 12. August bis zum 16. September 2010 Anfälle der Klägerin beobachtet werden. Auch die behandelnden Ärzte Dr. P. und Dipl.-Med. S. haben Anfälle der Klägerin nicht miterlebt. Die Anfälle sind nach den Angaben der Klägerin ausschließlich in ihrem häuslichen Umfeld aufgetreten, nach der Beurteilung von Dr. V. bedingt durch den familiären Stress und die emotionale Belastungssituation zu Hause aufgrund der aggressiven Auseinandersetzungen zwischen dem Ex-Ehemann der Klägerin und ihrem Sohn und des massiven Alkoholismus des Ex-Ehemannes. Die Klägerin hat auch nach ihrem Vorbringen noch nie einen Anfall außerhalb der Häuslichkeit erlitten. Eine weitere Sachaufklärung bezüglich der Anfallssituation bei der Klägerin war für den Senat nicht möglich. Wenn nach Ausschöpfung aller Beweismittel und Erkenntnisquellen die Tatsachen für den geltend gemachten Anspruch nicht mehr feststellbar sind, trägt die Klägerin entsprechend den allgemeinen Regelungen des Prozessrechts die Feststellungslast für die Nichterweislichkeit der anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 43 SBG VI (BSG, Urteil vom 8. November 2005 – 1 KR 18/04 R –, SozR 4 - 2500 § 44 Nr. 7 Rdnr. 19). Da die Klägerin sich darauf beruft, wegen des Anfallsleidens nicht unter Arbeitsmarkt üblichen Bedingungen erwerbstätig sein zu können, trägt sie die Folgen der objektiven Beweislosigkeit. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, dass Dr. Z. in seinem Gutachten vom 17. Januar 2003 seine Leistungseinschätzung im Sinne einer Nichteinsetzbarkeit der Klägerin – trotz Vorliegens eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen – allein auf die Häufigkeit der epileptischen Anfälle gestützt hat. Die Anfallssituation hat nicht im Sinne der von diesem Arzt angenommenen Anfallsfrequenz bestätigt werden können.

Der Senat folgt der Klägerin auch nicht in ihrer Beurteilung, sie sei nicht mehr in der Lage, zumutbar einen Arbeitsplatz zu erreichen, da sie das Haus nur noch im Hinblick auf das zuerkannte Merkzeichen "B" in Begleitung verlassen könne. Vielmehr sieht es der Senat als zumutbar an, wenn die Klägerin viermal knapp mehr als 500 Meter täglich zu Fuß zurücklegt, um einen Arbeitsplatz zu erreichen.

Ein Katalogfall liegt in der Regel bezogen auf das Zurücklegen der Wegstrecken zur Arbeit nicht vor, soweit eine Versicherte täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße einschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß erreichbar, zum Beispiel mit dem eigenen Kraftfahrzeug bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitmarkt ebenfalls nicht verschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 –, SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10).

Nach Auffassung des 13. Senats des BSG (Urteil vom 12. Dezember 2006 – B 13 R 27/06 R –, SozR 4-2600 § 43 Nr. 10) ist bei der Prüfung der Wegefähigkeit einer an Epilepsie erkrankten Versicherten die Feststellung der Merkzeichen "G" (Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) ein Indiz für eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit. Vorliegend sind bei der Klägerin zwar beide Merkzeichen zuerkannt worden. Die im Schwerbehindertenrecht angewandten Maßstäbe können als solche für die Beurteilung der Wegefähigkeit im Rentenrecht jedoch nicht von vornherein bindend sein (BSG, a.a.O.). Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke gilt in diesem Sinne eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in einer halben Stunde zurückgelegt wird. Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tag auftreten. Dies setzt generalisierte (große) und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen oder kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Tagen voraus (vgl. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, 2004, im Folgenden: Anhaltspunkte, Nr. 30, S. 138 i.V.m. Nr. 26.3., S. 43). In Anbetracht der vorliegend ungeklärten Anfallssituation ist für den Senat eine Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im vorgenannten Sinn bei der Klägerin nicht erwiesen. Da die Feststellung des Merkzeichens "B" die Anerkennung des Merkzeichens "G" voraussetzt (Anhaltspunkte Nr. 32, S. 140), ist in Anbetracht der nicht nachgewiesen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit auch nicht die Notwendigkeit ständiger Begleitung gegeben.

Der Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" lagen ausweislich der beigezogenen Schwerbehindertenakte ein Befundbericht von Dr. P. vom 29. Februar 2000, Befundberichte von Dipl.-Med S. vom 23. Mai 2000, 14. Mai 2002 und 22. September 2004 sowie ein Kurzbefund ohne Datum, dem eine letztmalige Behandlung der Klägerin vom 31. Juli 2007 zugrunde gelegen hat, sowie die Epikrise der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Gesundheitszentrums B./W. gGmbH vom 4. März 2010 zugrunde. Diese Unterlagen geben nicht abschließend Aufschluss über die Anfallsfrequenz und die Art und Schwere des Anfallsleidens der Klägerin. Denn nach Auffassung des Senats ist es der Klägerin zumutbar, das Haus allein zu verlassen und einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Diesbezüglich ist besonders zu berücksichtigen, dass die Klägerin bislang keinen Anfall außerhalb des häuslichen Bereichs erlitten hat. Seit der tagesklinischen Behandlung ist die Frequenz der Anfälle zudem rückläufig. Dr. V. hat die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung auch ausdrücklich verneint. Ausweislich des Entlassungsberichts der Klinik B. K. vom 20. September 2010 war die Klägerin in der Lage, während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 12. August bis zum 16. September 2010 längere Spaziergänge alleine zurückzulegen und angstfrei einkaufen zu gehen. Auch Dr. Z. hat die Klägerin mit öffentlichen Verkehrsmitteln und auch alleine als reisefähig erachtet.

Es liegt hier auch kein besonderer Katalogfall vor. Der Senat sieht sich insoweit bestätigt durch die Rechtsprechung des BSG in der Entscheidung vom 8. November 1995 (Az.: 13/4 RA 93/94, SozR 3-2600 § 44 Nr. 5). Auch für einen Versicherten, der an einer Grand-mal-Epilepsie mit seltenen großen Anfällen leidet, ist nach dieser Entscheidung der Arbeitsmarkt nicht deshalb stets praktisch verschlossen, da bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern große Vorbehalte gegenüber Anfallsleidenden bestünden und Arbeitgeber heutzutage nicht mehr bereit seien, solche Kranken einzustellen. Bei der Klägerin liegt keine Anfallsfrquenz vor, die eine Unzumutbarkeit der Beschäftigung durch einen Arbeitgeber offenkundig werden ließe.

Ferner ist die Klägerin trotz ihrer epileptischen Erkrankung in der Lage, regelmäßig an fünf Tagen in der Woche erwerbstätig sein, ohne dass unzumutbare vermehrte Ausfallzeiten zu erwarten sind. Nach der Einschätzung von Dr. V. ist prognostisch mit maximal ein bis zwei Ausfalltagen monatlich wegen des Anfallsleidens zu rechnen, sodass eine Erwerbstätigkeit der Klägerin ohne eine längere als insgesamt sechs Monate (pro Jahr) währende Arbeitsunfähigkeitszeit möglich ist.

Darüber hinaus liegt eine Summierung so genannter ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht vor. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht nach überzeugender Darstellung des Sachverständigen Dr. V. und auch in dem Entlassungsbericht der Klinik B. K. vielmehr noch für leichte bis mittelschwere körperliche Verrichtungen im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, leichten Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten, aus (vgl. BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996, a.a.O.) Die Gebrauchsfähigkeit der Hände der Klägerin ist nicht eingeschränkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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