Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 10 KA 295/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Rechtsbehelfsbelehrung, in der nicht auf die Möglichkeit zur Klageerhebung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs hingewiesen wird, ist nicht fehlerhaft (a.A. VG Neustadt , Urt. v. 10.09.2010 - 2 K 156/10.NW – juris Rdnr. 27; VG Trier, Urt. v. 22.09.2009 - 1 K 365/09 - juris Rdnr. 23 ff.).
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen Verfahrenskosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwerts in den elf Quartalen III/03 bis I/06 in Höhe von insgesamt 27.587,56 EUR quotiert
Der Klägerin ist als praktische Ärztin bzw. jetzt als Fachärztin für Allgemeinmedizin seit 1976 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
In den streitbefangenen Quartalen entwickelten sich die Fallkosten der Klägerin (Kl.) im Vergleich zu ihrer Fachgruppe der Fachärzte für Allgemeinmedizin (VG), gewichtet nach Rentneranteilen, wie folgt:
III/03 IV/03 I/04 II/04
Fallzahl Kl./VG 285/1.075 284/1.109 237/1.021 136/1.009
Rentneranteil in % Kl./VG 40/33 42/32 42/32 40/33
Fallkosten in EUR Kl./VG 288,31/52,14 298,05/53,10 396,73/56,81 249,80/55,21
Überschreitung in EUR 236,17 244,95 339.92 194,59
Überschreitung in % 453 461 598 352
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
III/04 IV/04 I/05 II/05
Fallzahl Kl./VG 304/1.024 218/1.045 193/1.081 171/1.032
Rentneranteil in % Kl./VG 50/34 46/33 45/32 44/34
Fallkosten in EUR Kl./VG 421,67/54,41 339,91/55,86 298,76/55,23 284,11/61,59
Überschreitung in EUR 367,26 284,05 243,53 222,52
Überschreitung in % 675 509 441 361
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
III/05 IV/05 I/06
Fallzahl Kl./VG 161/1.054 179/1.085 175/1.091 Rentneranteil in % Kl./VG 44/36 39/35 35/341
Fallkosten in EUR Kl./VG 368,25/62,45 301,69/63,91 300,22/65,34 Überschreitung in EUR 305,80 237,78 234,88
Überschreitung in % 490 372 359
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen führte aufgrund eines Auswahlverfahrens ein Prüfverfahren für die streitbefangenen Quartale durch.
Der Prüfungsausschuss nahm mit Bescheid vom 09.03.2007 aufgrund der Sitzung am 11.10.2006 eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bei den Gesamtleistungen für die Quartale III/03 bis I/05 vor. Im Einzelnen setzte er eine Honorarkürzung im Quartal III/03 vor Quotierung um 45,00 EUR pro Fall bei 265 Gesamtfällen, im Quartal IV/03 um 176,00 EUR bei 284 Gesamtfällen, im Quartal I/04 um 250,00 EUR bei 237 Gesamtfällen, im Quartal II/04 um 110,00 EUR bei 136 Gesamtfällen, im Quartal III/04 um 280,00 EUR bei 304 Gesamtfällen, im Quartal IV/04 um 200,00 EUR bei 218 Gesamtfällen und im Quartal I/05 um 160,00 EUR bei 193 Gesamtfällen fest. Zur Begründung führte er aus, er habe in den Quartalen III und IV/03 jeweils eine repräsentative Einzelfallprüfung durch einen sachverständigen Arzt veranlasst. Dies bedeute, dass jeweils 100 Behandlungsscheine in fortlaufender Reihenfolge, aufgeteilt nach Mitgliedern, Familienversicherten und Rentnern durchgesehen worden seien, um festzustellen, ob die Notwendigkeit der abgerechneten Leistungen in Zusammenhang mit den angegebenen Diagnosen nachvollziehbar seien. Die Klägerin habe in ihrer Stellungnahme vom 04.05.2005 auf ihre geringe Fallzahl mit hohem Anteil von Schwerstbedürftigen der Pflegestufe 2 und 3 hingewiesen. Die Praxisgröße und das Klientel hätten Einfluss auf ihre Behandlungsweise. Es würden vorwiegend multimorbide und demenzkranke Patienten behandelt werden, die engmaschig hausärztlich betreut würden. Diese Patienten würden einen erhöhten intensivierten Zeitaufwand mit sich bringen. Ferner würde Herr A. als Weiterbildungsassistent und Frau Z. in Vertretung in der Praxis mitarbeiten. Der Prüfreferent habe festgestellt, dass sich Überschreitungen bei den Gesprächsleistungen nach den Nrn. 10 und 18, in den Besuchsleistungen nach Nr. 25 und insbesondere Nr. 32, sowie der psychosomatischen Intervention nach Nr. 851 fänden. In Bezug auf die psychosomatische Intervention falle auf, dass die Ziffer 850 zur differenzialdiagnostischen Klärung völlig fehle, obwohl die exakte Diagnosestellung Voraussetzung für eine wirtschaftliche und effektive Gesprächstherapie sei. Weiterhin würden regelmäßig samstags Sprechstunden bzw. Visiten in Altenheimen bei klinisch stabilen Patienten durchgeführt werden, ohne dass die Notwendigkeit hierfür aus den Diagnosen erkennbar sei. Insgesamt sei u. a. der schematische Ansatz der Gebührenordnungsnummern 1, 10, 18 oder 1, 11, 60 bzw. 1, 851 bei der ersten Konsultation zu beanstanden. Ebenso die täglichen Beratungsgespräche in Verbindung mit der Anwendung physikalischer Leistungen nach den Nrn. 501 oder 530 bzw. Sonderleistungen wie z. B. Nr. 2020. Ferner ließen die angegebenen Diagnosen auf den Behandlungsscheinen die Notwendigkeit eines mindestens 30minütigen Gesprächs (z. B. Nr. 10 und 18) meist nicht erkennen. Bei regelmäßigen Visiten – bis zu 52mal im Quartal – bei klinisch stabilen Patienten würden fast immer die Nrn. 10 und 851 im Wechsel kombiniert, ohne dass hierfür eine Indikation erkennbar wäre. Ebenso lasse sich die Notwendigkeit einer Fremdanamnese nach Nr. 19 nicht in jedem Fall nachvollziehen. In den übrigen Quartalen habe er aufgrund des vorliegenden offensichtlichen Missverhältnisses jeweils eine orientierende Durchsicht der Behandlungsscheine durch den sachverständigen Arzt veranlasst, die analog zu den Vorquartalen Beanstandungen ergeben hätten. Die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen seien der Klägerin zur Kenntnis gebracht worden, die hierzu keine Stellung genommen habe. Neben der kleinen Fallzahl sei ein erhöhter Rentneranteil festzustellen, auch nehme die Klägerin am DMP-Programm (Diabetes Mellitus Typ 2, koronare Herzkrankheit) als koordinierende Ärztin teil und besitze die Genehmigung zur Diabetikerschulung mit und ohne Insulin. Sie betreue weiterhin Patienten im Alten- und Pflegeheim. Er habe jedoch der Argumentation der Ärztin, dass diese Patienten einen erhöhten intensiven Zeitaufwand erforderten, gerade bei stabilen Patienten nicht ganz folgen können. Die Betreuung von Alten- und Pflegeheimpatienten müsse nicht zwangsläufig einen wesentlichen Mehraufwand gegenüber einem in der häuslichen Umgebung lebenden Rentner bedeuten, da durch die Betreuung des Pflegepersonals eine nicht so aufwändige ärztliche Behandlung erforderlich sein könne. Er schließe sich den Ausführungen des Prüfreferenten an. In allen Quartalen sei der Klägerin ein erheblicher Mehrbetrag zugestanden worden. Ferner weise er auf die zum Bescheid beigefügten Auflistungen der beanstandeten Fälle bezüglich der Quartale III und IV/03 hin, die im Übrigen auf die Grundlage für die Berechnung der Kürzungssumme darstellten.
Hiergegen legte die Klägerin am 10.04.2007 Widerspruch ein. Unter Datum vom 28.06.2007 führte die Klägerin aus, durchschnittlich werde die Hälfte bis zu 2/3 ihrer Patienten unter LG-LUG 11-3200 geführt, auch seien diese Patienten besonders kosten- und behandlungsintensiv. Psychiatrisch oder psychosomatisch erkrankte Patienten würden von dieser Kategorisierung gar nicht erfasst werden, aber auch diese Patienten seien besonders beratungs- und behandlungsintensiv. Unter Datum vom 05.03.2007 führte sie aus, Herr A. sei im letzten Jahr überwiegend privatärztlich in der Praxis tätig gewesen. Die Notwendigkeit einer schriftlichen Erlaubnis über die reguläre Weiterbildungszeit hinaus sei im zurückliegenden Genehmigungsverfahren von der Landesärztekammer leider nicht mitgeteilt worden. Sie entschuldige sich daher für das Versäumnis. Zum Jahresbeginn habe er mit seiner Praxistätigkeit aufgehört.
Der Prüfungsausschuss setzte ferner mit Bescheid vom 23.04.2007 aufgrund der Sitzung am 06.12.2006 eine Honorarkürzung für das Quartal II/05 im Bereich der Gesamtleistungen vor Quotierung um 135,00 EUR pro Fall bei 171 Gesamtfällen fest. Zur Begründung verwies er auf seine Ausführungen im Bescheid für die Vorquartale. Ergänzend führte er aus, in Anlehnung an die Honorarkürzungen der Vorquartale habe er der Klägerin einen Mehrbetrag gegenüber der Fachgruppe von 87,52 EUR belassen.
Hiergegen legte die Klägerin am 18.05.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie erneut auf ihre geringe Fallzahl. Dadurch würden sich die Verhältnismäßigkeiten verschieben. Die psychosomatische Grundversorgung mit den Ziffern 35100 und 35110 werde nicht so vergütet wie die Versorgung durch einen Psychotherapeuten. In Hinsicht auf die ganzheitliche Beurteilung und Behandlung eines Patienten habe der Hausarzt hier einen Behandlungsvorteil. Bei vier genannten Patienten hätten sowohl schwerwiegende internistische Erkrankungen als auch psychische bzw. psychiatrische Erkrankungen, die immer wieder zu gesundheitlichen Problemen geführt hätten, vorgelegen. Diese Patienten suchten den Hausarzt häufig auf. Auch anhand der Zahl der Krankenhauseinweisungen werde die Schwere der Krankheitsbilder deutlich und erkläre auch die häufig dringenden Hausbesuche. Verhältnismäßig behandele sie mehr Patienten mit Tumorerkrankungen. Kompensatorische Einsparungen ergeben sich bei den Medikamenten und den physikalischen Maßnahmen. Die Patienten seien nicht klinisch stabil, wie von dem Prüfungsausschuss behauptet.
Der Prüfungsausschuss setzte mit Bescheid vom 06.09.2007 aufgrund der Sitzung am 23.05.2007 eine Honorarkürzung für das Quartal III/05 in Höhe von 240,00 EUR pro Fall bei 161 Gesamtfällen vor Quotierung und für das Quartal IV/05 in Höhe von 170,00 EUR bei 179 Gesamtfällen fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 05.10.2007 Widerspruch ein.
Der Prüfungsausschuss setzte weiter mit Beschluss vom 18.10.2007 aufgrund der Sitzung am 25.06.2007 für das Quartal I/06 eine Honorarkürzung bei den Gesamtleistungen vor Quotierung um 169,00 EUR pro Fall bei 175 Gesamtfällen fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 13.11.2007 Widerspruch ein. Die Klägerin ergänzte ihre Ausführungen unter Datum vom 16.12.2009. Sie führte aus, soweit nunmehr nach vier Jahren Forderungen geltend gemacht würden, sei dies verjährt. Es müsste auch die Honorarkürzung aufgrund der Honorarverteilung berechnet werden. Es sei der aktuelle Punktwert zu berücksichtigen. Sie habe auch nur verringerte Vorauszahlungen und zum Teil keine Restzahlungen mehr erhalten. Ihre Arbeit sei seit jeher durch die psychosomatische Orientierung geprägt. Deshalb sei auch ihre Patientenzahl so gering. Ihre Verordnungskosten seien unterdurchschnittlich. Sie führe eine kleine psychosomatische und psychiatrisch orientierte Praxis, mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern – aber hauptsächlich: onkologische, diabetologische, dermatologische, kardiologische, rheumatologische und gastroenterologische Krankheitsbilder -, die in direktem Zusammenhang mit der Psyche zu sehen und auch zu behandeln seien. Aufgrund der komplexen zeitaufwändigen Behandlung ihrer Patienten und der daraus resultierenden geringen Scheinzahl sei ihre Praxis nicht mit einer durchschnittlichen allgemeinmedizinischen Praxis zu vergleichen.
Der Beklagte verband alle Widerspruchsverfahren und lud die Klägerin zu einer Prüfsitzung am 16.12.2009, an der die Klägerin teilnahm.
Der Beklagte wies mit Bescheid vom 24.03.2010 aufgrund des Beschlusses vom 16.12.2009 die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Abrechnungswerte der Gesamthonorarforderung seien dem Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses zuzuordnen. Vom Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses sei bei Überschreitungswerten von 40 bis 50 % auszugehen. Weder anhand der Gesamtfallzahl noch anhand des Rentneranteils seien mögliche Erklärungen für die hohen Überschreitungswerte im Bereich der Gesamthonoraranforderung zu erkennen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den Überschreitungen bei der Gesamthonoraranforderung und den Überschreitungen innerhalb der Krankenhausüberweisungen und der Arbeitsunfähigkeitsfälle seien nicht erkennbar. Die Arzneiverordnungskosten und die veranlassten physikalisch-therapeutischen Leistungen ließen aufgrund der von Quartal zu Quartal sehr unterschiedlich abweichenden Werte zur Fachgruppe keine direkten Rückschlüsse auf etwaige Kausalität im Hinblick auf die Gesamthonoraranforderung zu. Der Prüfungsausschuss habe neben dem Prüfbericht für die Quartale III und IV/03 jeweils eine orientierende Durchsicht für die Folgequartale veranlasst. Für die Quartale I/04 bis I/05 hätten sich Beanstandungen wie in den Vorquartalen ergeben. Bezüglich des Quartals II/05 sei dem Prüfreferenten aufgefallen, dass die Überschreitungen durch ältere Patienten ausgelöst worden seien. Ursache hierfür seien die regelmäßigen Visiten, die bis zu 52mal im Quartal (davon 13mal am Samstag) bei klinisch stabilen Patienten erfolgt seien. Die Überschreitungen bei den Mitgliedern und Familienversicherten lägen im häufigen Ansatz der Nrn. 03120, 03210, 03211 und 35110. Anhand der angegebenen Diagnosen sei deren Notwendigkeit nicht in jedem Fall zu erkennen. Für die Quartale III und IV/05 habe der Prüfungsausschuss festgestellt, es sei unverständlich, dass 335mal die Inanspruchnahme an Samstagen abgerechnet worden sei. Eine Vielzahl von Leistungen sei vermerkt, für die keine ausreichende diagnostische Begründung erkennbar sei. Ferner sei die Überschreitung der Besuche im Rahmen der Heimbetreuung auffällig. Die Vielzahl der Besuche erscheine nicht gerechtfertigt, zumal lediglich achtmal Nr. 03001 (Koordination der häuslichen Betreuung) und in keinem Fall Nr. 03002 (häusliche Betreuung im Pflegeheim) abgerechnet worden sei. In Quartal I/06 habe der Sachverständige festgestellt, dass die Überschreitung bei den Gesamtleistungen durch den Ansatz zahlreicher Gebührenordnungspositionen am gleichen Tag bedingt sei. Gegenüber den Vorquartalen sei ein dreimaliger Ansatz der Ziffer 35110 am gleichen Behandlungstag erfolgt, ohne dass dieser diagnostisch begründet sei. Ferner sei wie in den Vorquartalen eine große Anzahl an Besuchen, insbesondere an Samstagen festzustellen gewesen. Besonderheiten bzw. schwere Fälle in erhöhtem Maße habe er nicht erkennen können. Im Gespräch mit der Klägerin habe sich herausgestellt, dass bei der Nr. 35110 ein Interpretationsfehler seitens der Klägerin vorliege, sodass der Ansatz der Nr. in vielen Fällen unwirtschaftlich sei. Er habe daher die Entscheidung des Prüfungsausschusses sowohl dem Grunde als auch bezüglich der Höhe nach bestätigt. Eine weitergehende Quantifizierung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes sei nicht erforderlich, da der Klägerin nach Abzug der Kürzungen jeweils mehr Beträge verblieben, die in Quartal III/03 bei der Gesamthonoraranforderung bei 174,86 %, in IV/03 bei 129,85 %, in I/04 bei 158,28 %, in II/04 bei 153,21 %, in III/04 bei 160,37 %, in IV/04 bei 150,47 %, in I/05 bei 151,24 %, in II/05 bei 142,10 %, in III/05 bei 105,36 %, in IV/05 bei 106,06 % und in I/06 bei 100,83 % gegenüber der Vergleichsgruppe der Allgemeinärzte liege.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.04.2010 die Klage erhoben. Sie weist erneut auf ihre psychosomatische Orientierung hin. Im Jahr 2002 sei ihr von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen die Genehmigung für die psychotherapeutischen Ziffern 850 und 851 erteilt worden. Es sei ausreichend dokumentiert, dass sie psychotherapeutische Leistungen erbringe. Mittlerweile sei mitgeteilt worden, dass die tatsächliche Honorarrückforderung 27.587,56 EUR betrage. Mit einem so hohen Betrag habe sie nicht gerechnet. Je nach Quartal würde sich die Regressforderung auf 50 bis über 70 % pro Behandlungsfall belaufen. Monatlich hätten ihr in der Vergangenheit 3.700,00 EUR zur Verfügung gestanden. Damit habe sie die Kosten nicht begleichen können. Es sei jetzt mitgeteilt worden, die Abschlagszahlungen würden von 4.400,00 EUR auf 3.500,00 EUR angepasst werden, um eine Überzahlung zu vermeiden. Dies bedrohe die Existenz ihrer Praxis massiv. Die Betreuung der Patienten im Pflegeheim X. habe sich nach dem Tod ihres Mannes nach und nach verringert, was zu einer geringeren Patientenzahl geführt habe, aber gleichzeitig den Rentneranteil verkleinert habe. Sie lege den Steuerbescheid für das Jahr 2007 vor. Dieser zeige einen Nettogewinn von 17.525,65 EUR. Die Regressforderung übersteige ihr Jahreseinkommen um mehr als 10.000,00 EUR. Es müsse eine Ausgleichsregelung greifen. Es sei jetzt eine Tilgungsvereinbarung zugesandt worden, wonach ab dem Quartal II/10 bis IV/12 jeweils ein Rückzahlungsbetrag von 2.300,00 EUR zur Tilgung der Gesamthonorarrückforderung von ihrem Konto abgezogen werde. Eine Rückzahlung in dieser Höhe sei in jedem Fall eine Gefährdung für ihren Praxisbetrieb.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 24.03.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über ihre Widersprüche erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unzulässig,
hilfsweise
als unbegründet abzuweisen.
Er weist darauf hin, Patienten mit onkologischen, diabetologischen, dermatologischen, kardiologischen, rheumatologischen gastroenterologischen Krankheitsbildern seien in der Vergleichsgruppe der voll zugelassenen Ärzte für Allgemeinmedizin/praktische Ärzte ebenfalls vorhanden. Eine orientierende Durchsicht der Behandlungsscheine habe eine nicht nachvollziehbare Häufung von Gesprächsleistungen ergeben. Hingegen sei eine differenzialdiagnostische Klärung nicht häufig abgerechnet worden. Die Behandlungsausrichtungen und Behandlungsmethoden der Klägerin unterschieden sich nicht von denen der Fachgruppe. Eine Vergleichbarkeit sei gegeben. Kompensatorische Einsparungen seien nicht feststellbar gewesen. Der Klägerin sei bereits ein Mehrbehalt gegenüber der Fachgruppe in Höhe von 100,83 % bis 174,83 % belassen worden. Im Übrigen verweise sie auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Die übrigen Beteiligten haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die übrigen Beteiligten haben keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die Kammer konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der zu 2) bis 8) beigeladenen Krankenkassen bzw. Landesverbänden der Krankenkassen verhandeln und entscheiden, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die Klage ist unzulässig. Die am 28.04.2010 erhobene Klage ist verfristet.
Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG).
Der angefochtene Beschluss vom 24.03.2010 wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 25.03.2010 durch persönliche Übergabe zugestellt. Die Klagefrist lief daher vom 26.03. bis zum Montag, den 26.04.2010. Die Klage wurde aber erst mit Datum vom 27.04.2010 am 28.04.2010 beim Sozialgericht erhoben. Dies zeigt das Datum des Eingangstempels des Gerichts. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin nicht geltend gemacht.
Der angefochtene Beschluss war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die nicht fehlerhaft ist, so dass die Monatsfrist für die Erhebung der Klage gilt.
Soweit nunmehr elektronische Dokumente an das Gericht übermittelt werden können und damit auch eine Klage elektronisch erhoben werden kann (vgl. § 65a SGG), was in Hessen für das Sozialgericht Marburg seit 17.12.2007 möglich ist (Verordnung vom 26.10.2007, GVBl. 2007, 699; vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, § 65a, Rdnr. 7), bestehen erhebliche Anforderungen an Übermittlungsart und Signatur der Dokumente.
Elektronische Dokumente sind an die elektronischen Briefkästen der genannten Gerichte und Staatsanwaltschaften zu übermitteln, die über die von der hessischen Justiz zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar sind. Die Software kann über die Internetseite http://www.justiz.hessen.de lizenzfrei heruntergeladen werden (Nr. 1 der Anlage 2 zu § 2 zur Verordnung vom 26.10.2007). Die qualifizierte elektronische Signatur muss dem Profil ISISMTT entsprechen und das ihr zugrunde liegende Zertifikat muss durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft, welche mit einer automatisierten Überprüfung andere Stellen beauftragen können, prüfbar sein. Auf der Internetseite http://www.justiz.hessen.de sind beispielhaft Zertifizierungsdiensteanbieter bekannt gegeben, die von den Gerichten und Staatsanwaltschaften prüfbare Zertifikate herausgeben (Nr. 2 der Anlage 2 zu § 2 zur Verordnung vom 26.10.2007). Von daher wird von dieser Möglichkeit bisher nur ganz vereinzelt von Rechtsanwälten Gebrauch gemacht. Von daher braucht auf diese zusätzliche Möglichkeit der Klageerhebung in einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht hingewiesen zu werden. Es ist nicht erforderlich, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung alle im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten zur Fristwahrung enthalten muss. Der notwendige Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung muss ihrem Zweck Rechnung tragen, insbesondere Rechtsunkundige vor Rechtsnachteilen durch Unwissenheit zu schützen. Durch die Rechtsbehelfsbelehrung soll dem Beteiligten der richtige und regelmäßige Weg des Widerspruchs bzw. der Klageerhebung gezeigt werden. Dieser Zweck darf nicht dadurch verwässert werden, dass die Rechtsbehelfsbelehrung auch alle anderen Möglichkeiten, die das Gesetz zur Fristwahrung genügen lässt, aufzählen muss. Die Rechtsbehelfsbelehrung wird dadurch nicht übersichtlicher, sondern länger und verwirrend. Gerade im Interesse des rechtsungewandten Leistungsbewerbers liegt es, wenn er eine möglichst kurze, übersichtliche und leicht verständliche Rechtsbehelfsbelehrung erhält (vgl. BSG, Urt. v. 11.08.1976 - 10 RV 225/75 - SozR 1500 § 84 Nr. 1 = BSGE 42, 140 = USK 76226, juris Rdnr. 15 – 18 m.w.N.). Von daher muss auf die Möglichkeit der Klageerhebung in elektronischer Form nicht gesondert hingewiesen werden (a.A. VG Neustadt (Weinstraße), Urt. v. 10.09.2010 - 2 K 156/10.NW - juris Rdnr. 27; VG Trier, Urt. v. 22.09.2009 - 1 K 365/09 - juris Rdnr. 23 ff.).
Zweifel an der Richtigkeit der an die Klägerin adressierten Postzustellungsurkunde sind nicht ersichtlich. Der Beschluss des Beklagten mit dem Az.: BA 84/07 fras wurde danach der Klägerin persönlich ergeben. Der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie könne sich hieran nicht erinnern, vermag dies nicht zu widerlegen.
Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (§ 63 Abs. 1 SGG). Die Zustellung kann durch die Post erfolgen (§ 176 ZPO). Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO – das ist die Ersatzzustellung in der Wohnung oder in Geschäftsräumen durch Übergabe an einen dort anwesenden Angehörigen bzw. Beschäftigten - nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 ZPO). Die Zustellurkunde genügt auch den Anforderungen nach § 182 ZPO.
Substantiierte Einwände gegen die Zustellung hat der Kläger nicht vorgetragen. Der Hinweis auf eine spätere Bekanntgabe ihr gegenüber ist allgemein gehalten. So weit der Kläger im Schriftsatz vom 07.09.2010 ausführt, der Beschluss des Prüfungsausschusses sei ihr am 27.08.2010 per Fax überstellt worden, die Sitzung, die diesen Beschluss hervorgebracht habe, habe am 16.12.2009 stattgefunden, so ist dies unverständlich. Zum Einen fand die Sitzung des Beklagten, also des Beschwerdeausschusses am 16.12.2009 statt. Zum Anderen widerspricht die späte Zustellung der bereits am 28.04.2010 erfolgten Klageerhebung, in der der Kläger ausführt, sie erheben vorsorglich Widerspruch gegen den ihr zugestellten Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 24.03.2010.
Die Klage ist daher verfristet und unzulässig. Von daher kann dahinstehen, ob der angefochtene Bescheid im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts steht. Ein statistischer Kostenvergleich kann dann nicht durchgeführt werden, wenn die Fallzahl des zu prüfenden Arztes so gering ist, als sie (Fall-)Zahlenbereiche unterschreitet, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Die Prüfung nach Durchschnittswerten geht von der Grundannahme aus, dass es die Ärzte der Vergleichsgruppe unter Einbeziehung des geprüften Arztes im Durchschnitt mit dem gleichen Krankengut zu tun haben und deshalb im Durchschnitt aller Fälle in etwa die gleichen Behandlungskosten benötigen. Diese Annahme ist aber nur gerechtfertigt, wenn für den Vergleich einerseits eine hinreichend große Anzahl vergleichbarer Ärzte und andererseits bei dem zu prüfenden Arzt eine hinreichende Zahl von Behandlungsfällen zur Verfügung stehen. Zwar ist es statistisch genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, dass der zu prüfende Arzt mit geringer Fallzahl dieselbe Patientenstruktur aufweist wie die Ärzte seiner Vergleichsgruppe, so dass die Relation von behandlungsintensiven und weniger aufwändigen Behandlungsfällen in kleinen Praxen nicht notwendig anders sein muss als bei großen. Eine in Relation zur Vergleichsgruppe besonders niedrige Fallzahl des zu prüfenden Arztes kann aber zur Folge haben, dass einzelne schwere, besonders aufwändige Behandlungsfälle den Fallwert des betroffenen Arztes überproportional in die Höhe treiben Deshalb ist zu verlangen, dass der mit einer sehr geringen Fallzahl einhergehenden Vergröberung des Aussagewerts der statistischen Vergleichsprüfung durch die Einführung einer Mindestquote der in die Prüfung einzubeziehenden Fälle zu begegnen ist. Dabei ist an ein objektives Kriterium, nämlich die durchschnittliche Fallzahl der Vergleichsgruppe anzuknüpfen. Die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Krankenkasse ist daher nur mit der Einschränkung zugelassen worden, dass diese mindestens 20 v. H. der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ausmachen. Die Mindestquote von 20 % der Durchschnittsfallzahl der Vergleichsgruppe ist nicht nur bei der auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Kasse beschränkten Prüfung zu beachten, sondern muss auch dann erreicht sein, wenn die Zahl der insgesamt vom zu prüfenden Arzt behandelten Patienten besonders niedrig ist. Soweit seit 1995 die Wirtschaftlichkeit der (nunmehr einheitlichen) vertragsärztlichen Versorgung für den (früheren) RVO-Kassen- und den Ersatzkassenbereich einheitlich geprüft wird, hat dies zur Folge, dass die in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehenden Behandlungsfälle nunmehr das gesamte Spektrum der vertragsärztlichen Tätigkeit des zu prüfenden Arztes abdecken und nicht mehr - wie zuvor - jeweils nur einen Teilbereich. Dies spricht dafür, die absoluten Fallzahlenuntergrenzen bei einer die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit erfassenden Prüfung höher anzusetzen, als das bisher in besonderen Konstellationen für den einen oder anderen Kassenbereich für zulässig gehalten worden ist. Gegen eine starre Grenzziehung etwa bei 100 Fällen spricht, dass dann die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei kleineren Arztpraxen aus solchen Arztgruppen, deren Durchschnittsfallzahlen unter 500 liegen, häufig nicht als statische Vergleichsprüfung durchgeführt werden könnte. Angesichts der ständig verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z. B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht (vgl. BSG, Urt. v. 09.09.1998 - B 6 KA 50/97 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 45 = NZS 1999, 310 = Breith 1999, 664 = USK 98174, juris Rdnr. 15 bis 19). In den Quartalen II/04 und I/05 bis I/06 lagen die Fallzahlen der Klägerin jedenfalls unterhalb dieser 20 %-Grenze.
Im Ergebnis war die Klage daher bereits als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen Verfahrenskosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwerts in den elf Quartalen III/03 bis I/06 in Höhe von insgesamt 27.587,56 EUR quotiert
Der Klägerin ist als praktische Ärztin bzw. jetzt als Fachärztin für Allgemeinmedizin seit 1976 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
In den streitbefangenen Quartalen entwickelten sich die Fallkosten der Klägerin (Kl.) im Vergleich zu ihrer Fachgruppe der Fachärzte für Allgemeinmedizin (VG), gewichtet nach Rentneranteilen, wie folgt:
III/03 IV/03 I/04 II/04
Fallzahl Kl./VG 285/1.075 284/1.109 237/1.021 136/1.009
Rentneranteil in % Kl./VG 40/33 42/32 42/32 40/33
Fallkosten in EUR Kl./VG 288,31/52,14 298,05/53,10 396,73/56,81 249,80/55,21
Überschreitung in EUR 236,17 244,95 339.92 194,59
Überschreitung in % 453 461 598 352
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
III/04 IV/04 I/05 II/05
Fallzahl Kl./VG 304/1.024 218/1.045 193/1.081 171/1.032
Rentneranteil in % Kl./VG 50/34 46/33 45/32 44/34
Fallkosten in EUR Kl./VG 421,67/54,41 339,91/55,86 298,76/55,23 284,11/61,59
Überschreitung in EUR 367,26 284,05 243,53 222,52
Überschreitung in % 675 509 441 361
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
III/05 IV/05 I/06
Fallzahl Kl./VG 161/1.054 179/1.085 175/1.091 Rentneranteil in % Kl./VG 44/36 39/35 35/341
Fallkosten in EUR Kl./VG 368,25/62,45 301,69/63,91 300,22/65,34 Überschreitung in EUR 305,80 237,78 234,88
Überschreitung in % 490 372 359
Nr. 17 EBM
Abrechnungshäufigkeit auf 100 Behandlungsfälle
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen führte aufgrund eines Auswahlverfahrens ein Prüfverfahren für die streitbefangenen Quartale durch.
Der Prüfungsausschuss nahm mit Bescheid vom 09.03.2007 aufgrund der Sitzung am 11.10.2006 eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bei den Gesamtleistungen für die Quartale III/03 bis I/05 vor. Im Einzelnen setzte er eine Honorarkürzung im Quartal III/03 vor Quotierung um 45,00 EUR pro Fall bei 265 Gesamtfällen, im Quartal IV/03 um 176,00 EUR bei 284 Gesamtfällen, im Quartal I/04 um 250,00 EUR bei 237 Gesamtfällen, im Quartal II/04 um 110,00 EUR bei 136 Gesamtfällen, im Quartal III/04 um 280,00 EUR bei 304 Gesamtfällen, im Quartal IV/04 um 200,00 EUR bei 218 Gesamtfällen und im Quartal I/05 um 160,00 EUR bei 193 Gesamtfällen fest. Zur Begründung führte er aus, er habe in den Quartalen III und IV/03 jeweils eine repräsentative Einzelfallprüfung durch einen sachverständigen Arzt veranlasst. Dies bedeute, dass jeweils 100 Behandlungsscheine in fortlaufender Reihenfolge, aufgeteilt nach Mitgliedern, Familienversicherten und Rentnern durchgesehen worden seien, um festzustellen, ob die Notwendigkeit der abgerechneten Leistungen in Zusammenhang mit den angegebenen Diagnosen nachvollziehbar seien. Die Klägerin habe in ihrer Stellungnahme vom 04.05.2005 auf ihre geringe Fallzahl mit hohem Anteil von Schwerstbedürftigen der Pflegestufe 2 und 3 hingewiesen. Die Praxisgröße und das Klientel hätten Einfluss auf ihre Behandlungsweise. Es würden vorwiegend multimorbide und demenzkranke Patienten behandelt werden, die engmaschig hausärztlich betreut würden. Diese Patienten würden einen erhöhten intensivierten Zeitaufwand mit sich bringen. Ferner würde Herr A. als Weiterbildungsassistent und Frau Z. in Vertretung in der Praxis mitarbeiten. Der Prüfreferent habe festgestellt, dass sich Überschreitungen bei den Gesprächsleistungen nach den Nrn. 10 und 18, in den Besuchsleistungen nach Nr. 25 und insbesondere Nr. 32, sowie der psychosomatischen Intervention nach Nr. 851 fänden. In Bezug auf die psychosomatische Intervention falle auf, dass die Ziffer 850 zur differenzialdiagnostischen Klärung völlig fehle, obwohl die exakte Diagnosestellung Voraussetzung für eine wirtschaftliche und effektive Gesprächstherapie sei. Weiterhin würden regelmäßig samstags Sprechstunden bzw. Visiten in Altenheimen bei klinisch stabilen Patienten durchgeführt werden, ohne dass die Notwendigkeit hierfür aus den Diagnosen erkennbar sei. Insgesamt sei u. a. der schematische Ansatz der Gebührenordnungsnummern 1, 10, 18 oder 1, 11, 60 bzw. 1, 851 bei der ersten Konsultation zu beanstanden. Ebenso die täglichen Beratungsgespräche in Verbindung mit der Anwendung physikalischer Leistungen nach den Nrn. 501 oder 530 bzw. Sonderleistungen wie z. B. Nr. 2020. Ferner ließen die angegebenen Diagnosen auf den Behandlungsscheinen die Notwendigkeit eines mindestens 30minütigen Gesprächs (z. B. Nr. 10 und 18) meist nicht erkennen. Bei regelmäßigen Visiten – bis zu 52mal im Quartal – bei klinisch stabilen Patienten würden fast immer die Nrn. 10 und 851 im Wechsel kombiniert, ohne dass hierfür eine Indikation erkennbar wäre. Ebenso lasse sich die Notwendigkeit einer Fremdanamnese nach Nr. 19 nicht in jedem Fall nachvollziehen. In den übrigen Quartalen habe er aufgrund des vorliegenden offensichtlichen Missverhältnisses jeweils eine orientierende Durchsicht der Behandlungsscheine durch den sachverständigen Arzt veranlasst, die analog zu den Vorquartalen Beanstandungen ergeben hätten. Die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen seien der Klägerin zur Kenntnis gebracht worden, die hierzu keine Stellung genommen habe. Neben der kleinen Fallzahl sei ein erhöhter Rentneranteil festzustellen, auch nehme die Klägerin am DMP-Programm (Diabetes Mellitus Typ 2, koronare Herzkrankheit) als koordinierende Ärztin teil und besitze die Genehmigung zur Diabetikerschulung mit und ohne Insulin. Sie betreue weiterhin Patienten im Alten- und Pflegeheim. Er habe jedoch der Argumentation der Ärztin, dass diese Patienten einen erhöhten intensiven Zeitaufwand erforderten, gerade bei stabilen Patienten nicht ganz folgen können. Die Betreuung von Alten- und Pflegeheimpatienten müsse nicht zwangsläufig einen wesentlichen Mehraufwand gegenüber einem in der häuslichen Umgebung lebenden Rentner bedeuten, da durch die Betreuung des Pflegepersonals eine nicht so aufwändige ärztliche Behandlung erforderlich sein könne. Er schließe sich den Ausführungen des Prüfreferenten an. In allen Quartalen sei der Klägerin ein erheblicher Mehrbetrag zugestanden worden. Ferner weise er auf die zum Bescheid beigefügten Auflistungen der beanstandeten Fälle bezüglich der Quartale III und IV/03 hin, die im Übrigen auf die Grundlage für die Berechnung der Kürzungssumme darstellten.
Hiergegen legte die Klägerin am 10.04.2007 Widerspruch ein. Unter Datum vom 28.06.2007 führte die Klägerin aus, durchschnittlich werde die Hälfte bis zu 2/3 ihrer Patienten unter LG-LUG 11-3200 geführt, auch seien diese Patienten besonders kosten- und behandlungsintensiv. Psychiatrisch oder psychosomatisch erkrankte Patienten würden von dieser Kategorisierung gar nicht erfasst werden, aber auch diese Patienten seien besonders beratungs- und behandlungsintensiv. Unter Datum vom 05.03.2007 führte sie aus, Herr A. sei im letzten Jahr überwiegend privatärztlich in der Praxis tätig gewesen. Die Notwendigkeit einer schriftlichen Erlaubnis über die reguläre Weiterbildungszeit hinaus sei im zurückliegenden Genehmigungsverfahren von der Landesärztekammer leider nicht mitgeteilt worden. Sie entschuldige sich daher für das Versäumnis. Zum Jahresbeginn habe er mit seiner Praxistätigkeit aufgehört.
Der Prüfungsausschuss setzte ferner mit Bescheid vom 23.04.2007 aufgrund der Sitzung am 06.12.2006 eine Honorarkürzung für das Quartal II/05 im Bereich der Gesamtleistungen vor Quotierung um 135,00 EUR pro Fall bei 171 Gesamtfällen fest. Zur Begründung verwies er auf seine Ausführungen im Bescheid für die Vorquartale. Ergänzend führte er aus, in Anlehnung an die Honorarkürzungen der Vorquartale habe er der Klägerin einen Mehrbetrag gegenüber der Fachgruppe von 87,52 EUR belassen.
Hiergegen legte die Klägerin am 18.05.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie erneut auf ihre geringe Fallzahl. Dadurch würden sich die Verhältnismäßigkeiten verschieben. Die psychosomatische Grundversorgung mit den Ziffern 35100 und 35110 werde nicht so vergütet wie die Versorgung durch einen Psychotherapeuten. In Hinsicht auf die ganzheitliche Beurteilung und Behandlung eines Patienten habe der Hausarzt hier einen Behandlungsvorteil. Bei vier genannten Patienten hätten sowohl schwerwiegende internistische Erkrankungen als auch psychische bzw. psychiatrische Erkrankungen, die immer wieder zu gesundheitlichen Problemen geführt hätten, vorgelegen. Diese Patienten suchten den Hausarzt häufig auf. Auch anhand der Zahl der Krankenhauseinweisungen werde die Schwere der Krankheitsbilder deutlich und erkläre auch die häufig dringenden Hausbesuche. Verhältnismäßig behandele sie mehr Patienten mit Tumorerkrankungen. Kompensatorische Einsparungen ergeben sich bei den Medikamenten und den physikalischen Maßnahmen. Die Patienten seien nicht klinisch stabil, wie von dem Prüfungsausschuss behauptet.
Der Prüfungsausschuss setzte mit Bescheid vom 06.09.2007 aufgrund der Sitzung am 23.05.2007 eine Honorarkürzung für das Quartal III/05 in Höhe von 240,00 EUR pro Fall bei 161 Gesamtfällen vor Quotierung und für das Quartal IV/05 in Höhe von 170,00 EUR bei 179 Gesamtfällen fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 05.10.2007 Widerspruch ein.
Der Prüfungsausschuss setzte weiter mit Beschluss vom 18.10.2007 aufgrund der Sitzung am 25.06.2007 für das Quartal I/06 eine Honorarkürzung bei den Gesamtleistungen vor Quotierung um 169,00 EUR pro Fall bei 175 Gesamtfällen fest.
Hiergegen legte die Klägerin am 13.11.2007 Widerspruch ein. Die Klägerin ergänzte ihre Ausführungen unter Datum vom 16.12.2009. Sie führte aus, soweit nunmehr nach vier Jahren Forderungen geltend gemacht würden, sei dies verjährt. Es müsste auch die Honorarkürzung aufgrund der Honorarverteilung berechnet werden. Es sei der aktuelle Punktwert zu berücksichtigen. Sie habe auch nur verringerte Vorauszahlungen und zum Teil keine Restzahlungen mehr erhalten. Ihre Arbeit sei seit jeher durch die psychosomatische Orientierung geprägt. Deshalb sei auch ihre Patientenzahl so gering. Ihre Verordnungskosten seien unterdurchschnittlich. Sie führe eine kleine psychosomatische und psychiatrisch orientierte Praxis, mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern – aber hauptsächlich: onkologische, diabetologische, dermatologische, kardiologische, rheumatologische und gastroenterologische Krankheitsbilder -, die in direktem Zusammenhang mit der Psyche zu sehen und auch zu behandeln seien. Aufgrund der komplexen zeitaufwändigen Behandlung ihrer Patienten und der daraus resultierenden geringen Scheinzahl sei ihre Praxis nicht mit einer durchschnittlichen allgemeinmedizinischen Praxis zu vergleichen.
Der Beklagte verband alle Widerspruchsverfahren und lud die Klägerin zu einer Prüfsitzung am 16.12.2009, an der die Klägerin teilnahm.
Der Beklagte wies mit Bescheid vom 24.03.2010 aufgrund des Beschlusses vom 16.12.2009 die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Abrechnungswerte der Gesamthonorarforderung seien dem Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses zuzuordnen. Vom Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses sei bei Überschreitungswerten von 40 bis 50 % auszugehen. Weder anhand der Gesamtfallzahl noch anhand des Rentneranteils seien mögliche Erklärungen für die hohen Überschreitungswerte im Bereich der Gesamthonoraranforderung zu erkennen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den Überschreitungen bei der Gesamthonoraranforderung und den Überschreitungen innerhalb der Krankenhausüberweisungen und der Arbeitsunfähigkeitsfälle seien nicht erkennbar. Die Arzneiverordnungskosten und die veranlassten physikalisch-therapeutischen Leistungen ließen aufgrund der von Quartal zu Quartal sehr unterschiedlich abweichenden Werte zur Fachgruppe keine direkten Rückschlüsse auf etwaige Kausalität im Hinblick auf die Gesamthonoraranforderung zu. Der Prüfungsausschuss habe neben dem Prüfbericht für die Quartale III und IV/03 jeweils eine orientierende Durchsicht für die Folgequartale veranlasst. Für die Quartale I/04 bis I/05 hätten sich Beanstandungen wie in den Vorquartalen ergeben. Bezüglich des Quartals II/05 sei dem Prüfreferenten aufgefallen, dass die Überschreitungen durch ältere Patienten ausgelöst worden seien. Ursache hierfür seien die regelmäßigen Visiten, die bis zu 52mal im Quartal (davon 13mal am Samstag) bei klinisch stabilen Patienten erfolgt seien. Die Überschreitungen bei den Mitgliedern und Familienversicherten lägen im häufigen Ansatz der Nrn. 03120, 03210, 03211 und 35110. Anhand der angegebenen Diagnosen sei deren Notwendigkeit nicht in jedem Fall zu erkennen. Für die Quartale III und IV/05 habe der Prüfungsausschuss festgestellt, es sei unverständlich, dass 335mal die Inanspruchnahme an Samstagen abgerechnet worden sei. Eine Vielzahl von Leistungen sei vermerkt, für die keine ausreichende diagnostische Begründung erkennbar sei. Ferner sei die Überschreitung der Besuche im Rahmen der Heimbetreuung auffällig. Die Vielzahl der Besuche erscheine nicht gerechtfertigt, zumal lediglich achtmal Nr. 03001 (Koordination der häuslichen Betreuung) und in keinem Fall Nr. 03002 (häusliche Betreuung im Pflegeheim) abgerechnet worden sei. In Quartal I/06 habe der Sachverständige festgestellt, dass die Überschreitung bei den Gesamtleistungen durch den Ansatz zahlreicher Gebührenordnungspositionen am gleichen Tag bedingt sei. Gegenüber den Vorquartalen sei ein dreimaliger Ansatz der Ziffer 35110 am gleichen Behandlungstag erfolgt, ohne dass dieser diagnostisch begründet sei. Ferner sei wie in den Vorquartalen eine große Anzahl an Besuchen, insbesondere an Samstagen festzustellen gewesen. Besonderheiten bzw. schwere Fälle in erhöhtem Maße habe er nicht erkennen können. Im Gespräch mit der Klägerin habe sich herausgestellt, dass bei der Nr. 35110 ein Interpretationsfehler seitens der Klägerin vorliege, sodass der Ansatz der Nr. in vielen Fällen unwirtschaftlich sei. Er habe daher die Entscheidung des Prüfungsausschusses sowohl dem Grunde als auch bezüglich der Höhe nach bestätigt. Eine weitergehende Quantifizierung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes sei nicht erforderlich, da der Klägerin nach Abzug der Kürzungen jeweils mehr Beträge verblieben, die in Quartal III/03 bei der Gesamthonoraranforderung bei 174,86 %, in IV/03 bei 129,85 %, in I/04 bei 158,28 %, in II/04 bei 153,21 %, in III/04 bei 160,37 %, in IV/04 bei 150,47 %, in I/05 bei 151,24 %, in II/05 bei 142,10 %, in III/05 bei 105,36 %, in IV/05 bei 106,06 % und in I/06 bei 100,83 % gegenüber der Vergleichsgruppe der Allgemeinärzte liege.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.04.2010 die Klage erhoben. Sie weist erneut auf ihre psychosomatische Orientierung hin. Im Jahr 2002 sei ihr von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen die Genehmigung für die psychotherapeutischen Ziffern 850 und 851 erteilt worden. Es sei ausreichend dokumentiert, dass sie psychotherapeutische Leistungen erbringe. Mittlerweile sei mitgeteilt worden, dass die tatsächliche Honorarrückforderung 27.587,56 EUR betrage. Mit einem so hohen Betrag habe sie nicht gerechnet. Je nach Quartal würde sich die Regressforderung auf 50 bis über 70 % pro Behandlungsfall belaufen. Monatlich hätten ihr in der Vergangenheit 3.700,00 EUR zur Verfügung gestanden. Damit habe sie die Kosten nicht begleichen können. Es sei jetzt mitgeteilt worden, die Abschlagszahlungen würden von 4.400,00 EUR auf 3.500,00 EUR angepasst werden, um eine Überzahlung zu vermeiden. Dies bedrohe die Existenz ihrer Praxis massiv. Die Betreuung der Patienten im Pflegeheim X. habe sich nach dem Tod ihres Mannes nach und nach verringert, was zu einer geringeren Patientenzahl geführt habe, aber gleichzeitig den Rentneranteil verkleinert habe. Sie lege den Steuerbescheid für das Jahr 2007 vor. Dieser zeige einen Nettogewinn von 17.525,65 EUR. Die Regressforderung übersteige ihr Jahreseinkommen um mehr als 10.000,00 EUR. Es müsse eine Ausgleichsregelung greifen. Es sei jetzt eine Tilgungsvereinbarung zugesandt worden, wonach ab dem Quartal II/10 bis IV/12 jeweils ein Rückzahlungsbetrag von 2.300,00 EUR zur Tilgung der Gesamthonorarrückforderung von ihrem Konto abgezogen werde. Eine Rückzahlung in dieser Höhe sei in jedem Fall eine Gefährdung für ihren Praxisbetrieb.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 24.03.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über ihre Widersprüche erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unzulässig,
hilfsweise
als unbegründet abzuweisen.
Er weist darauf hin, Patienten mit onkologischen, diabetologischen, dermatologischen, kardiologischen, rheumatologischen gastroenterologischen Krankheitsbildern seien in der Vergleichsgruppe der voll zugelassenen Ärzte für Allgemeinmedizin/praktische Ärzte ebenfalls vorhanden. Eine orientierende Durchsicht der Behandlungsscheine habe eine nicht nachvollziehbare Häufung von Gesprächsleistungen ergeben. Hingegen sei eine differenzialdiagnostische Klärung nicht häufig abgerechnet worden. Die Behandlungsausrichtungen und Behandlungsmethoden der Klägerin unterschieden sich nicht von denen der Fachgruppe. Eine Vergleichbarkeit sei gegeben. Kompensatorische Einsparungen seien nicht feststellbar gewesen. Der Klägerin sei bereits ein Mehrbehalt gegenüber der Fachgruppe in Höhe von 100,83 % bis 174,83 % belassen worden. Im Übrigen verweise sie auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Die übrigen Beteiligten haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die übrigen Beteiligten haben keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die Kammer konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der zu 2) bis 8) beigeladenen Krankenkassen bzw. Landesverbänden der Krankenkassen verhandeln und entscheiden, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die Klage ist unzulässig. Die am 28.04.2010 erhobene Klage ist verfristet.
Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG).
Der angefochtene Beschluss vom 24.03.2010 wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 25.03.2010 durch persönliche Übergabe zugestellt. Die Klagefrist lief daher vom 26.03. bis zum Montag, den 26.04.2010. Die Klage wurde aber erst mit Datum vom 27.04.2010 am 28.04.2010 beim Sozialgericht erhoben. Dies zeigt das Datum des Eingangstempels des Gerichts. Wiedereinsetzungsgründe sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin nicht geltend gemacht.
Der angefochtene Beschluss war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die nicht fehlerhaft ist, so dass die Monatsfrist für die Erhebung der Klage gilt.
Soweit nunmehr elektronische Dokumente an das Gericht übermittelt werden können und damit auch eine Klage elektronisch erhoben werden kann (vgl. § 65a SGG), was in Hessen für das Sozialgericht Marburg seit 17.12.2007 möglich ist (Verordnung vom 26.10.2007, GVBl. 2007, 699; vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, § 65a, Rdnr. 7), bestehen erhebliche Anforderungen an Übermittlungsart und Signatur der Dokumente.
Elektronische Dokumente sind an die elektronischen Briefkästen der genannten Gerichte und Staatsanwaltschaften zu übermitteln, die über die von der hessischen Justiz zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar sind. Die Software kann über die Internetseite http://www.justiz.hessen.de lizenzfrei heruntergeladen werden (Nr. 1 der Anlage 2 zu § 2 zur Verordnung vom 26.10.2007). Die qualifizierte elektronische Signatur muss dem Profil ISISMTT entsprechen und das ihr zugrunde liegende Zertifikat muss durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft, welche mit einer automatisierten Überprüfung andere Stellen beauftragen können, prüfbar sein. Auf der Internetseite http://www.justiz.hessen.de sind beispielhaft Zertifizierungsdiensteanbieter bekannt gegeben, die von den Gerichten und Staatsanwaltschaften prüfbare Zertifikate herausgeben (Nr. 2 der Anlage 2 zu § 2 zur Verordnung vom 26.10.2007). Von daher wird von dieser Möglichkeit bisher nur ganz vereinzelt von Rechtsanwälten Gebrauch gemacht. Von daher braucht auf diese zusätzliche Möglichkeit der Klageerhebung in einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht hingewiesen zu werden. Es ist nicht erforderlich, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung alle im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten zur Fristwahrung enthalten muss. Der notwendige Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung muss ihrem Zweck Rechnung tragen, insbesondere Rechtsunkundige vor Rechtsnachteilen durch Unwissenheit zu schützen. Durch die Rechtsbehelfsbelehrung soll dem Beteiligten der richtige und regelmäßige Weg des Widerspruchs bzw. der Klageerhebung gezeigt werden. Dieser Zweck darf nicht dadurch verwässert werden, dass die Rechtsbehelfsbelehrung auch alle anderen Möglichkeiten, die das Gesetz zur Fristwahrung genügen lässt, aufzählen muss. Die Rechtsbehelfsbelehrung wird dadurch nicht übersichtlicher, sondern länger und verwirrend. Gerade im Interesse des rechtsungewandten Leistungsbewerbers liegt es, wenn er eine möglichst kurze, übersichtliche und leicht verständliche Rechtsbehelfsbelehrung erhält (vgl. BSG, Urt. v. 11.08.1976 - 10 RV 225/75 - SozR 1500 § 84 Nr. 1 = BSGE 42, 140 = USK 76226, juris Rdnr. 15 – 18 m.w.N.). Von daher muss auf die Möglichkeit der Klageerhebung in elektronischer Form nicht gesondert hingewiesen werden (a.A. VG Neustadt (Weinstraße), Urt. v. 10.09.2010 - 2 K 156/10.NW - juris Rdnr. 27; VG Trier, Urt. v. 22.09.2009 - 1 K 365/09 - juris Rdnr. 23 ff.).
Zweifel an der Richtigkeit der an die Klägerin adressierten Postzustellungsurkunde sind nicht ersichtlich. Der Beschluss des Beklagten mit dem Az.: BA 84/07 fras wurde danach der Klägerin persönlich ergeben. Der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie könne sich hieran nicht erinnern, vermag dies nicht zu widerlegen.
Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (§ 63 Abs. 1 SGG). Die Zustellung kann durch die Post erfolgen (§ 176 ZPO). Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO – das ist die Ersatzzustellung in der Wohnung oder in Geschäftsräumen durch Übergabe an einen dort anwesenden Angehörigen bzw. Beschäftigten - nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 ZPO). Die Zustellurkunde genügt auch den Anforderungen nach § 182 ZPO.
Substantiierte Einwände gegen die Zustellung hat der Kläger nicht vorgetragen. Der Hinweis auf eine spätere Bekanntgabe ihr gegenüber ist allgemein gehalten. So weit der Kläger im Schriftsatz vom 07.09.2010 ausführt, der Beschluss des Prüfungsausschusses sei ihr am 27.08.2010 per Fax überstellt worden, die Sitzung, die diesen Beschluss hervorgebracht habe, habe am 16.12.2009 stattgefunden, so ist dies unverständlich. Zum Einen fand die Sitzung des Beklagten, also des Beschwerdeausschusses am 16.12.2009 statt. Zum Anderen widerspricht die späte Zustellung der bereits am 28.04.2010 erfolgten Klageerhebung, in der der Kläger ausführt, sie erheben vorsorglich Widerspruch gegen den ihr zugestellten Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 24.03.2010.
Die Klage ist daher verfristet und unzulässig. Von daher kann dahinstehen, ob der angefochtene Bescheid im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts steht. Ein statistischer Kostenvergleich kann dann nicht durchgeführt werden, wenn die Fallzahl des zu prüfenden Arztes so gering ist, als sie (Fall-)Zahlenbereiche unterschreitet, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Die Prüfung nach Durchschnittswerten geht von der Grundannahme aus, dass es die Ärzte der Vergleichsgruppe unter Einbeziehung des geprüften Arztes im Durchschnitt mit dem gleichen Krankengut zu tun haben und deshalb im Durchschnitt aller Fälle in etwa die gleichen Behandlungskosten benötigen. Diese Annahme ist aber nur gerechtfertigt, wenn für den Vergleich einerseits eine hinreichend große Anzahl vergleichbarer Ärzte und andererseits bei dem zu prüfenden Arzt eine hinreichende Zahl von Behandlungsfällen zur Verfügung stehen. Zwar ist es statistisch genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, dass der zu prüfende Arzt mit geringer Fallzahl dieselbe Patientenstruktur aufweist wie die Ärzte seiner Vergleichsgruppe, so dass die Relation von behandlungsintensiven und weniger aufwändigen Behandlungsfällen in kleinen Praxen nicht notwendig anders sein muss als bei großen. Eine in Relation zur Vergleichsgruppe besonders niedrige Fallzahl des zu prüfenden Arztes kann aber zur Folge haben, dass einzelne schwere, besonders aufwändige Behandlungsfälle den Fallwert des betroffenen Arztes überproportional in die Höhe treiben Deshalb ist zu verlangen, dass der mit einer sehr geringen Fallzahl einhergehenden Vergröberung des Aussagewerts der statistischen Vergleichsprüfung durch die Einführung einer Mindestquote der in die Prüfung einzubeziehenden Fälle zu begegnen ist. Dabei ist an ein objektives Kriterium, nämlich die durchschnittliche Fallzahl der Vergleichsgruppe anzuknüpfen. Die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Krankenkasse ist daher nur mit der Einschränkung zugelassen worden, dass diese mindestens 20 v. H. der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ausmachen. Die Mindestquote von 20 % der Durchschnittsfallzahl der Vergleichsgruppe ist nicht nur bei der auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Kasse beschränkten Prüfung zu beachten, sondern muss auch dann erreicht sein, wenn die Zahl der insgesamt vom zu prüfenden Arzt behandelten Patienten besonders niedrig ist. Soweit seit 1995 die Wirtschaftlichkeit der (nunmehr einheitlichen) vertragsärztlichen Versorgung für den (früheren) RVO-Kassen- und den Ersatzkassenbereich einheitlich geprüft wird, hat dies zur Folge, dass die in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehenden Behandlungsfälle nunmehr das gesamte Spektrum der vertragsärztlichen Tätigkeit des zu prüfenden Arztes abdecken und nicht mehr - wie zuvor - jeweils nur einen Teilbereich. Dies spricht dafür, die absoluten Fallzahlenuntergrenzen bei einer die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit erfassenden Prüfung höher anzusetzen, als das bisher in besonderen Konstellationen für den einen oder anderen Kassenbereich für zulässig gehalten worden ist. Gegen eine starre Grenzziehung etwa bei 100 Fällen spricht, dass dann die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei kleineren Arztpraxen aus solchen Arztgruppen, deren Durchschnittsfallzahlen unter 500 liegen, häufig nicht als statische Vergleichsprüfung durchgeführt werden könnte. Angesichts der ständig verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z. B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht (vgl. BSG, Urt. v. 09.09.1998 - B 6 KA 50/97 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 45 = NZS 1999, 310 = Breith 1999, 664 = USK 98174, juris Rdnr. 15 bis 19). In den Quartalen II/04 und I/05 bis I/06 lagen die Fallzahlen der Klägerin jedenfalls unterhalb dieser 20 %-Grenze.
Im Ergebnis war die Klage daher bereits als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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