Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 10 AL 64/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 136/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Die bloße Hinnahme einer (rechtswidrigen) Arbeitgeberkündigung rechtfertigt ohne aktive Mitwirkung des Arbeitnehmers nicht den Eintritt einer Sperrzeit.
2) Ein so genannter verdeckter Aufhebungsvertrag im Sinne des Sperrzeitrechts liegt nicht vor, wenn die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Abfindung trotz betriebsbedingter Kündigung allein auf einer vorangegangenen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat beruht.
3) Auf die Frage der sozialen Rechtfertigung der ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung kommt es in derartigen Fällen jedenfalls dann nicht mehr an, solange die Kündigung aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht offensichtlich rechtswidrig erfolgte.
2) Ein so genannter verdeckter Aufhebungsvertrag im Sinne des Sperrzeitrechts liegt nicht vor, wenn die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Abfindung trotz betriebsbedingter Kündigung allein auf einer vorangegangenen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat beruht.
3) Auf die Frage der sozialen Rechtfertigung der ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung kommt es in derartigen Fällen jedenfalls dann nicht mehr an, solange die Kündigung aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht offensichtlich rechtswidrig erfolgte.
1. Der Sperrzeitbescheid vom 11.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2010 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger das für den Zeitraum 01.01.2010 bis 25.03.2010 einbehaltene Arbeitslosengeld auszuzahlen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen der Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.
Der 1955 geborene Kläger, welcher zuvor seit dem 30.08.1976 bei der Firma E. GmbH in A-Stadt (im Folgenden: E.) beschäftigt war, meldete sich nach vorheriger Arbeitsuchendmeldung vom 01.12.2008 am 10.12.2009 mit Wirkung zum 01.01.2010 bei der Beklagten arbeitslos, nachdem sein Beschäftigungsverhältnis seitens der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 21.11.2008 zum 31.12.2009 fristgemäß gekündigt worden war. Ausweislich des im Zusammenhang mit der Antragstellung der Beklagten vorgelegten Kündigungsschreibens wurde die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Anhörung des Betriebsrates aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochen, weitere Ausführungen zum Vorliegen der betriebsbedingten Kündigungsgründe enthält das Kündigungsschreiben nicht. Ausweislich der durch die ehemalige Arbeitgeberin vorgelegten Arbeitsbescheinigung wurde dem Kläger daneben im Januar 2010 eine Abfindung in Höhe von 178.772,61 EUR gezahlt. Die Pflicht der vormaligen Arbeitgeberin zur Zahlung der Abfindung beruht auf Ziff. 3 der Anlage 1 zu der zwischen der E. Aktiengesellschaft und dem Gesamt- sowie dem Konzernbetriebsrat der E. Aktiengesellschaft geschlossenen Rahmenbetriebsvereinbarung vom 26.01.2004.
Nach Vorlage eines durch den Kläger ausgefüllten Fragebogens der Beklagten "bei Kündigung durch den Arbeitgeber mit Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen" teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11.01.2010 mit, dass in dem Zeitraum 01.01.2010 bis 25.03.2010 eine Sperrzeit eingetreten sei, da der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis bei der E. durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst habe. Zwar sei formal eine arbeitgeberseitige Kündigung ausgesprochen worden, entscheidend sei aber der wirkliche Wille des Klägers, welcher auf Auflösung und nicht auf den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses ausgerichtet gewesen sei. Bei älteren Arbeitnehmern sei die Interessenlage typischerweise durch den gemeinsamen Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gekennzeichnet. Insbesondere die Inanspruchnahme finanzieller Zuwendungen sei als Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit als Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Kläger zu bewerten. Die Inanspruchnahme finanzieller Vergünstigungen stehe zudem im Widerspruch dazu, das Beschäftigungsverhältnis nicht auflösen zu wollen. Schließlich müsse ein Aufhebungsvertrag auch nicht ausdrücklich und schriftlich geschlossen werden, sondern komme auch durch mündliche oder stillschweigende Erklärungen zu Stande, so dass nach dem tatsächlichen Geschehensablauf die von der Arbeitgeberin ausgesprochene Kündigung keine eigenständige Bedeutung für den Eintritt der Sperrzeit mehr gehabt habe.
Mit Schreiben vom 21.01.2010 erhob der Kläger am 26.01.2010 Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid vom 11.01.2010 und führte zur Begründung aus, dass er das Beschäftigungsverhältnis mit der Arbeitgeberin nicht selbst gelöst habe. Weder habe er einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen, noch an der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung selbst mitgewirkt. Vielmehr sei die betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden, nachdem dem Kläger zuvor zu verstehen gegeben worden sei, dass dessen Arbeitsplatz wegen Umstrukturierungen entfalle. Aufgrund fehlender Qualifikation habe der Kläger zudem nicht auf andere Positionen versetzt werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und vertiefte ihre Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid. Die Beklagte führte in diesem Zusammenhang aus, dass vorliegend von einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und dessen Arbeitgeberin über die Folgen einer noch auszusprechenden Arbeitgeberkündigung auszugehen sei, weil sich der Kläger nicht gegen die Kündigung gewandt habe. Die angeblich der Kündigung zu Grunde liegende Rahmenbetriebsvereinbarung vom 26.01.2004 sowie der Interessenausgleich und Sozialplan vom 14.11.2008 zielten vorrangig auf einvernehmliche Lösungen mit den betroffenen Arbeitnehmern ab. Zudem seien der Kündigung Gespräche mit der Geschäftsführung der E. und dem Betriebsrat vorausgegangen. Die Beklagte berief sich in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 03.02.2005 (Az.: L 11 AL 168/04), wonach bereits ein einem schlüssigen Verhalten bzw. in mündlichen Absprachen ein aktives Mitwirken an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und damit ein Beteiligungssachverhalt im Sinne der Sperrzeitvorschriften liege. Der Kläger, welcher keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt habe, habe die Arbeitslosigkeit daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Auch ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses sei nicht erkennbar, da - wie im vorliegenden Fall - bei einer Abfindung von mehr als 0,50 Monatsentgelten für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses die Arbeitgeberkündigung hätte sozial gerechtfertigt sein müssen, was allerdings nicht der Fall gewesen sei.
Mit seiner am 09.04.2010 durch den Prozessbevollmächtigten zum Sozialgericht Fulda erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Kläger vertieft seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und weist unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts darauf hin, dass allein der Umstand, dass er sich nicht gegen die Kündigung durch die Arbeitgeberin durch Einleitung arbeitsgerichtlicher Schritte gewandt habe, keinen Mitwirkungstatbestand begründe. Daneben sei der Vorwurf der Beklagten, dass es Absprachen zwischen ihm und seiner Arbeitgeberin gegeben haben soll, welche eine Sperrzeit begründen könnten, unzutreffend und beruhe auf reinen Mutmaßungen. Vielmehr seien im Zuge der Übernahme der E. durch die Firma A. (im Folgenden: A&Z) Umstrukturierungsmaßnahmen festgelegt worden, welche unter anderem auch in dem Tätigkeitsbereich des Klägers zu einem Stellenabbau geführt hätten und auch künftig führen würden. Zudem habe der Kläger in Gesprächen mit ehemaligen Kollegen erfahren, dass diese keine Sperrzeit erhalten hätten, bzw. eine solche nachträglich wieder aufgehoben worden sei. Darüber hinaus ist der Kläger der Auffassung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung durch die Arbeitgeberin vorgelegen hätten und trägt in diesem Zusammenhang zu der seines Erachtens erfolgten Sozialauswahl im Einzelnen vor. Schließlich trägt der Kläger vor, dass seitens der ehemaligen Arbeitgeberin auch weiterhin Arbeitsplätze im Lager abgebaut werden sollten, so dass er in jedem Fall im Rahmen eines weiteren Stellenabbaus betriebsbedingt entlassen worden wäre, und zwar gegebenenfalls ohne Erhalt einer Abfindung. Dies wäre allerdings ein für den Kläger nicht hinnehmbarer objektiver Nachteil im Sinne der Rechtsprechung des BSG gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Sperrzeitbescheid vom 11.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das für den Zeitraum 01.01.2010 bis 25.03.2010 einbehaltene Arbeitslosengeld auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung des Klageabweisungsantrages vertieft die Beklagte die Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid. Die Beklagte trägt vor, dass es, nachdem die Firma A&Z im Jahr 2003 die Mehrheit der E.-Aktien übernommen hatte, in der Folgezeit zu organisatorischen Veränderungen gekommen sei, welche seitens der E. sodann als Begründung für die Beendigung zahlreicher Arbeitsverhältnisse herangezogen worden seien. Bereits Anfang des Jahres 2009 sei es in diesem Zusammenhang zu Gesprächen seitens der Personalabteilung der E. und des Betriebsrates mit der Agentur für Arbeit Darmstadt und der Regionaldirektion Hessen gekommen. Die jeweiligen Gesprächspartner seien durch die Beklagte darüber informiert worden, unter welchen Voraussetzungen aus Sicht der Beklagten der Eintritt einer Sperrzeit festzustellen sei. Plausible und aussagefähige Unterlagen zur Prüfung der Sozialauswahl seien seitens der E. dagegen nie vorgelegt worden. Aus den Gesprächen sei vielmehr der Eindruck erweckt worden, dass bei konsequenter Anwendung der gesetzlichen Auswahlkriterien kaum die tatsächlich arbeitslos gewordenen Personen rechtmäßig hätten entlassen werden können. Auch seien in Gesprächen mit betroffenen Arbeitnehmern vereinzelt Absprachen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit der E. bestätigt worden; es habe jedoch keine Bereitschaft bestanden, dies schriftlich zu dokumentieren. Zwar liege der Kündigung des Klägers ein Interessenausgleich und Sozialplan vom 14.11.2008 zu Grunde und der Kläger sei auch in der dort beigefügten Namensliste aufgeführt. Es sei allerdings vor dem Hintergrund, dass dem Kläger eine um ein Vielfaches höhere Abfindung gezahlt wurde, als dies nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes erforderlich gewesen sei, nicht glaubhaft, dass hierüber keine zusätzliche Vereinbarung zur Kündigung geschlossen oder eine entsprechende Absprache getroffen worden sei. Auch die Einlassung des Klägers, dass dieser im Zuge des weiteren Stellenabbaus gegebenenfalls ohne eine Abfindung entlassen worden wäre, lasse nur den Schluss zu, dass mit ihm über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesprochen und Absprachen getroffen worden seien. Des Weiteren beruft sich die Beklagte auf Schriftverkehr zwischen ihr und der Firma A&Z aus anderen Widerspruchsverfahren, in welchem die Firma A&Z bestätigt habe, dass im Vorfeld mit jedem Mitarbeiter im Beisein des Betriebsrates und eines Vertreters der Geschäftsleitung ausführliche Gespräche geführt worden seien.
Für das weitere Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, einschließlich der durch die Beklagte vorgelegten "Zusatzakte E." verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Personalleiters der Firma A&Z, Herrn B. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Sperrzeitbescheid vom 11.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Beklagte hat zu Unrecht den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit festgestellt und daran anknüpfend das dem Kläger für den Zeitraum 01.01.2010 bis 25.03.2010 zustehende Arbeitslosengeld einbehalten.
Nach § 144 Abs. 1 S. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, sofern sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt gemäß § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III unter anderem dann vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt gemäß § 144 Abs. 3 S. 1 SGB III zwölf Wochen.
Die Kammer ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2011 zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis mit der Firma E. nicht gelöst und dementsprechend keinen Sperrzeittatbestand verwirklicht hat.
Nach dem Wortsinn und dem Sachzusammenhang ist unter dem Begriff "lösen" ein aktives Handeln des Arbeitnehmers und/oder Arbeitgebers zu verstehen, welches auf die rechtliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ausgerichtet ist (Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, § 144, Rn. 9). Die Sperrzeit knüpft dabei nicht an die bloße Hinnahme einer (rechtswidrigen) Kündigung im Hinblick auf eine zugesagte Vergünstigung an, sondern setzt eine aktive Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und eine dadurch verursachte Arbeitslosigkeit voraus, wobei dann von einer aktiven Mitwirkung auszugehen ist, wenn der Arbeitnehmer einen wesentlichen Beitrag zur Herbeiführung seiner Beschäftigungslosigkeit leistet (Bay. LSG, Urt. vom 03.02.2005 – L 11 AL 168/04, zit. nach juris).
Vorliegend sind zunächst keine Anhaltspunkte für ein einseitiges Handeln des Klägers durch Eigenkündigung ersichtlich. Gleiches gilt im Ergebnis für die Alternativen einer Lösung im vorgenannten Sinne durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages, also einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, § 144, Rn. 30 ff.) oder durch Abschluss eines Abwicklungsvertrages, also einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffend die Modalitäten der Abwicklung anlässlich des Ausscheidens des Arbeitnehmers als Folge einer Kündigung durch den Arbeitgeber (BSGE 77, 48-53; Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, § 144, Rn. 33). Zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitgeberin wurde weder ein als solcher bezeichneter Aufhebungsvertrag, noch ein Abwicklungsvertrag im vorgenannten Sinne geschlossen.
Schließlich wurde zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitgeberin zur Überzeugung der Kammer auch kein so genannter verdeckter Aufhebungsvertrag geschlossen.
Ein solches sperrzeitrelevantes Verhalten kommt in Betracht, wenn eine (angebliche) Kündigung einen Aufhebungsvertrag, mithin eine einverständliche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses verdeckt mit der Folge, dass derartige Zusammenhänge eine Kündigung des Arbeitgebers als Scheingeschäft i.S. von § 117 Abs. 2 BGB erscheinen lassen, wobei mit der Kündigung des Arbeitgebers verbundene Begünstigungen und das vorausgehende oder nachgehende Verhalten des Arbeitnehmers Anzeichen für ein entsprechendes Scheingeschäft sein können (BSGE 77, 48-53; 89, 250-254). Zur Abgrenzung eines sperrzeitbewehrten (verdeckten) Aufhebungsvertrages von der lediglich unschädlichen Hinnahme einer Kündigung durch den Arbeitgeber (BSGE 89, 250-254) ist der auf die angestrebte Rechtsfolge gerichtete wirkliche Wille der Arbeitsvertragsparteien zu ermitteln. Erforderlich sind daher Feststellungen über den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse, die zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geführt haben. Die Umstände des Einzelfalles sind daraufhin zu untersuchen, ob das Verhalten der Arbeitsvertragsparteien nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Abschluss eines Aufhebungsvertrages aufzufassen ist (vgl. zum Ganzen Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, § 144, Rn. 32 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG). Ist dies der Fall, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob eine Vereinbarung über die Hinnahme der Arbeitgeberkündigung vor oder nach deren Ausspruch getroffen wird (Bay. LSG, Urt. vom 03.02.2005 – L 11 AL 168/04, zit. nach juris).
Nach Auffassung der Beklagten war der wirkliche Wille des Klägers im vorliegenden Fall auf Auflösung und nicht auf den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses ausgerichtet. Daneben führt die Beklagte - in Anlehnung an die Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 09.11.1995 – 11 Rar 27/95 = BSGE 77, 48-53 - aus, dass bei älteren Arbeitnehmern die Interessenlage typischerweise durch den gemeinsamen Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gekennzeichnet sei. Insbesondere sei die Inanspruchnahme finanzieller Zuwendungen als Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit als Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zu bewerten. Zudem zielten die Rahmenbetriebsvereinbarung vom 26.01.2004 sowie der Interessenausgleich vom 14.11.2008 vorrangig auf einvernehmliche Lösungen mit den betroffenen Arbeitnehmern ab, und es seien Gespräche der Geschäftsführung der Firma E. mit den einzelnen Mitarbeitern und dem Betriebsrat der Kündigung vorausgegangen.
Die Kammer vermag dieser Auffassung nicht zu folgen und ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vielmehr zu der Überzeugung gelangt, dass das Verhalten des Klägers, welcher die Kündigung seiner Arbeitgeberin lediglich hingenommen hat, nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte gerade nicht im Sinne des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages aufzufassen ist.
Zwar haben sowohl der Kläger als auch der Zeuge im Termin der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass im Zusammenhang mit der Kündigung Gespräche zwischen dem Kläger und Mitarbeitern seiner Arbeitgeberin stattgefunden haben. Derartige Gespräche stellen aber kein treuwidriges Verhalten im vorgenannten Sinne dar, sondern dürften vielmehr gerade in Fällen, in denen ein Mitarbeiter entlassen werden soll, welcher - wie der Kläger - bereits seit mehr als 30 Jahren dem Unternehmen angehört, den Regelfall darstellen. Der Vortrag der Beklagten, dass der Kläger und seine Arbeitgeberin im Rahmen dieser Gespräche einen gemeinsamen Willen dahingehend gebildet haben, das Beschäftigungsverhältnis einvernehmlich zu lösen, konnte dagegen weder durch die Einlassungen des Klägers, noch durch die Aussage des Zeugen bestätigt werden. Soweit die Beklagte vorträgt, dass die Inanspruchnahme finanzieller Zuwendungen durch den Kläger als Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit als Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zu bewerten sei und auch die besagte Rahmenbetriebsvereinbarung sowie der Interessenausgleich vorrangig auf einvernehmliche Lösungen mit den betroffenen Arbeitnehmern abgezielt hätten, lässt die Beklagte außer Acht, dass die Zahlung der Abfindung gerade nicht auf eine Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitgeberin zurückgeht. Die Verpflichtung der ehemaligen Arbeitgeberin zur Zahlung der Abfindung als Folge der betriebsbedingten Kündigung ist vielmehr auf den Inhalt der Anlage 1 zur Rahmenbetriebsvereinbarung vom 26.01.2004 zurückzuführen. Nach der dortigen Ziff. 3 erhalten Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis seitens des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wird, eine Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes in dem dort im Detail geregelten Umfang. Dass der Kläger im Falle einer betriebsbedingten Kündigung seiner ehemaligen Arbeitgeberin eine Abfindung erhalten würde, stand daher bereits annähernd fünf Jahre vor Ausspruch der Kündigung und ohne Zutun des Klägers fest, so dass dieser die Zahlung der Abfindung von vornherein nur dadurch hätte vermeiden können, dass er sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung zur Wehr setzte. Ein solches Verhalten konnte dem Kläger allerdings nicht abverlangt werden, da die fehlende Bereitschaft des Arbeitnehmers, sich gegen den Willen des Arbeitgebers im Beschäftigungsverhältnis weiter zu behaupten, für sich allein eine Sperrzeit nicht rechtfertigt (Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, § 144, Rn. 37 m.w.N. zur Rspr. des BSG).
Nach alledem kann die Kammer einen wesentlichen Beitrag des Klägers zur Herbeiführung seiner Beschäftigungslosigkeit nicht erkennen, da die Gewährung der Abfindung unmittelbar aus der besagten Betriebsvereinbarung folgte, ohne dass es insoweit einer weiteren Individualvereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin bedurfte. Die bloße Hinnahme der Kündigung durch die Arbeitgeberin löst - wie bereits erwähnt - eine Sperrzeit gerade nicht aus, wobei es unerheblich ist, ob diese Kündigung eventuell rechtswidrig erfolgte (BSGE 89, 250-254). Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob die dem Kläger gegenüber ausgesprochene ordentliche betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt war.
Die Frage, ob eine Sperrzeit jedenfalls dann eintritt, wenn der Arbeitnehmer eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung im Hinblick auf eine zugesagte finanzielle Vergünstigung hinnimmt (vgl. hierzu ebenfalls BSGE 89, 250-254), braucht vorliegend ebenfalls nicht entschieden zu werden, da eine offensichtliche Rechtswidrigkeit im vorgenannten Sinne, welche letztlich aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers in der Position des Klägers zu beurteilen wäre, nicht erkannt werden kann. Der Kläger durfte insoweit auch ohne Weiteres von der Wirksamkeit der besagten Betriebsvereinbarung ausgehen.
Das vorgenannte Ergebnis entspricht schließlich auch dem Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, sich an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aktiv zu beteiligen und die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat (Hess. LSG, Urt. vom 27.11.2006 – L 7/10 AL 128/04, zit. nach juris). Dass der Kläger gegebenenfalls von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage auch vor dem Hintergrund der als Folge der bereits im Jahr 2004 geschlossenen Betriebsvereinbarung zu erwartenden Abfindung abgesehen hat, kann im Ergebnis ebenso wenig entscheidend sein, da auch ein solches Verhalten nichts anderes als die Hinnahme einer Kündigung und nicht etwa ein einvernehmliches und treuwidriges Handeln zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Nachteil der Versichertengemeinschaft darstellt.
Entscheidend bleibt damit, dass ein aktives Tätigwerden des Klägers im Hinblick auf die Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses zur Überzeugung der Kammer gerade nicht festgestellt werden kann, so dass nach alledem dem Klagebegehren in vollem Umfang zu entsprechen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen der Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.
Der 1955 geborene Kläger, welcher zuvor seit dem 30.08.1976 bei der Firma E. GmbH in A-Stadt (im Folgenden: E.) beschäftigt war, meldete sich nach vorheriger Arbeitsuchendmeldung vom 01.12.2008 am 10.12.2009 mit Wirkung zum 01.01.2010 bei der Beklagten arbeitslos, nachdem sein Beschäftigungsverhältnis seitens der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 21.11.2008 zum 31.12.2009 fristgemäß gekündigt worden war. Ausweislich des im Zusammenhang mit der Antragstellung der Beklagten vorgelegten Kündigungsschreibens wurde die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Anhörung des Betriebsrates aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochen, weitere Ausführungen zum Vorliegen der betriebsbedingten Kündigungsgründe enthält das Kündigungsschreiben nicht. Ausweislich der durch die ehemalige Arbeitgeberin vorgelegten Arbeitsbescheinigung wurde dem Kläger daneben im Januar 2010 eine Abfindung in Höhe von 178.772,61 EUR gezahlt. Die Pflicht der vormaligen Arbeitgeberin zur Zahlung der Abfindung beruht auf Ziff. 3 der Anlage 1 zu der zwischen der E. Aktiengesellschaft und dem Gesamt- sowie dem Konzernbetriebsrat der E. Aktiengesellschaft geschlossenen Rahmenbetriebsvereinbarung vom 26.01.2004.
Nach Vorlage eines durch den Kläger ausgefüllten Fragebogens der Beklagten "bei Kündigung durch den Arbeitgeber mit Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen" teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11.01.2010 mit, dass in dem Zeitraum 01.01.2010 bis 25.03.2010 eine Sperrzeit eingetreten sei, da der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis bei der E. durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst habe. Zwar sei formal eine arbeitgeberseitige Kündigung ausgesprochen worden, entscheidend sei aber der wirkliche Wille des Klägers, welcher auf Auflösung und nicht auf den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses ausgerichtet gewesen sei. Bei älteren Arbeitnehmern sei die Interessenlage typischerweise durch den gemeinsamen Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gekennzeichnet. Insbesondere die Inanspruchnahme finanzieller Zuwendungen sei als Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit als Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Kläger zu bewerten. Die Inanspruchnahme finanzieller Vergünstigungen stehe zudem im Widerspruch dazu, das Beschäftigungsverhältnis nicht auflösen zu wollen. Schließlich müsse ein Aufhebungsvertrag auch nicht ausdrücklich und schriftlich geschlossen werden, sondern komme auch durch mündliche oder stillschweigende Erklärungen zu Stande, so dass nach dem tatsächlichen Geschehensablauf die von der Arbeitgeberin ausgesprochene Kündigung keine eigenständige Bedeutung für den Eintritt der Sperrzeit mehr gehabt habe.
Mit Schreiben vom 21.01.2010 erhob der Kläger am 26.01.2010 Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid vom 11.01.2010 und führte zur Begründung aus, dass er das Beschäftigungsverhältnis mit der Arbeitgeberin nicht selbst gelöst habe. Weder habe er einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen, noch an der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung selbst mitgewirkt. Vielmehr sei die betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden, nachdem dem Kläger zuvor zu verstehen gegeben worden sei, dass dessen Arbeitsplatz wegen Umstrukturierungen entfalle. Aufgrund fehlender Qualifikation habe der Kläger zudem nicht auf andere Positionen versetzt werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und vertiefte ihre Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid. Die Beklagte führte in diesem Zusammenhang aus, dass vorliegend von einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und dessen Arbeitgeberin über die Folgen einer noch auszusprechenden Arbeitgeberkündigung auszugehen sei, weil sich der Kläger nicht gegen die Kündigung gewandt habe. Die angeblich der Kündigung zu Grunde liegende Rahmenbetriebsvereinbarung vom 26.01.2004 sowie der Interessenausgleich und Sozialplan vom 14.11.2008 zielten vorrangig auf einvernehmliche Lösungen mit den betroffenen Arbeitnehmern ab. Zudem seien der Kündigung Gespräche mit der Geschäftsführung der E. und dem Betriebsrat vorausgegangen. Die Beklagte berief sich in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 03.02.2005 (Az.: L 11 AL 168/04), wonach bereits ein einem schlüssigen Verhalten bzw. in mündlichen Absprachen ein aktives Mitwirken an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und damit ein Beteiligungssachverhalt im Sinne der Sperrzeitvorschriften liege. Der Kläger, welcher keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt habe, habe die Arbeitslosigkeit daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Auch ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses sei nicht erkennbar, da - wie im vorliegenden Fall - bei einer Abfindung von mehr als 0,50 Monatsentgelten für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses die Arbeitgeberkündigung hätte sozial gerechtfertigt sein müssen, was allerdings nicht der Fall gewesen sei.
Mit seiner am 09.04.2010 durch den Prozessbevollmächtigten zum Sozialgericht Fulda erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Kläger vertieft seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und weist unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts darauf hin, dass allein der Umstand, dass er sich nicht gegen die Kündigung durch die Arbeitgeberin durch Einleitung arbeitsgerichtlicher Schritte gewandt habe, keinen Mitwirkungstatbestand begründe. Daneben sei der Vorwurf der Beklagten, dass es Absprachen zwischen ihm und seiner Arbeitgeberin gegeben haben soll, welche eine Sperrzeit begründen könnten, unzutreffend und beruhe auf reinen Mutmaßungen. Vielmehr seien im Zuge der Übernahme der E. durch die Firma A. (im Folgenden: A&Z) Umstrukturierungsmaßnahmen festgelegt worden, welche unter anderem auch in dem Tätigkeitsbereich des Klägers zu einem Stellenabbau geführt hätten und auch künftig führen würden. Zudem habe der Kläger in Gesprächen mit ehemaligen Kollegen erfahren, dass diese keine Sperrzeit erhalten hätten, bzw. eine solche nachträglich wieder aufgehoben worden sei. Darüber hinaus ist der Kläger der Auffassung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung durch die Arbeitgeberin vorgelegen hätten und trägt in diesem Zusammenhang zu der seines Erachtens erfolgten Sozialauswahl im Einzelnen vor. Schließlich trägt der Kläger vor, dass seitens der ehemaligen Arbeitgeberin auch weiterhin Arbeitsplätze im Lager abgebaut werden sollten, so dass er in jedem Fall im Rahmen eines weiteren Stellenabbaus betriebsbedingt entlassen worden wäre, und zwar gegebenenfalls ohne Erhalt einer Abfindung. Dies wäre allerdings ein für den Kläger nicht hinnehmbarer objektiver Nachteil im Sinne der Rechtsprechung des BSG gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Sperrzeitbescheid vom 11.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das für den Zeitraum 01.01.2010 bis 25.03.2010 einbehaltene Arbeitslosengeld auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung des Klageabweisungsantrages vertieft die Beklagte die Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid. Die Beklagte trägt vor, dass es, nachdem die Firma A&Z im Jahr 2003 die Mehrheit der E.-Aktien übernommen hatte, in der Folgezeit zu organisatorischen Veränderungen gekommen sei, welche seitens der E. sodann als Begründung für die Beendigung zahlreicher Arbeitsverhältnisse herangezogen worden seien. Bereits Anfang des Jahres 2009 sei es in diesem Zusammenhang zu Gesprächen seitens der Personalabteilung der E. und des Betriebsrates mit der Agentur für Arbeit Darmstadt und der Regionaldirektion Hessen gekommen. Die jeweiligen Gesprächspartner seien durch die Beklagte darüber informiert worden, unter welchen Voraussetzungen aus Sicht der Beklagten der Eintritt einer Sperrzeit festzustellen sei. Plausible und aussagefähige Unterlagen zur Prüfung der Sozialauswahl seien seitens der E. dagegen nie vorgelegt worden. Aus den Gesprächen sei vielmehr der Eindruck erweckt worden, dass bei konsequenter Anwendung der gesetzlichen Auswahlkriterien kaum die tatsächlich arbeitslos gewordenen Personen rechtmäßig hätten entlassen werden können. Auch seien in Gesprächen mit betroffenen Arbeitnehmern vereinzelt Absprachen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit der E. bestätigt worden; es habe jedoch keine Bereitschaft bestanden, dies schriftlich zu dokumentieren. Zwar liege der Kündigung des Klägers ein Interessenausgleich und Sozialplan vom 14.11.2008 zu Grunde und der Kläger sei auch in der dort beigefügten Namensliste aufgeführt. Es sei allerdings vor dem Hintergrund, dass dem Kläger eine um ein Vielfaches höhere Abfindung gezahlt wurde, als dies nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes erforderlich gewesen sei, nicht glaubhaft, dass hierüber keine zusätzliche Vereinbarung zur Kündigung geschlossen oder eine entsprechende Absprache getroffen worden sei. Auch die Einlassung des Klägers, dass dieser im Zuge des weiteren Stellenabbaus gegebenenfalls ohne eine Abfindung entlassen worden wäre, lasse nur den Schluss zu, dass mit ihm über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesprochen und Absprachen getroffen worden seien. Des Weiteren beruft sich die Beklagte auf Schriftverkehr zwischen ihr und der Firma A&Z aus anderen Widerspruchsverfahren, in welchem die Firma A&Z bestätigt habe, dass im Vorfeld mit jedem Mitarbeiter im Beisein des Betriebsrates und eines Vertreters der Geschäftsleitung ausführliche Gespräche geführt worden seien.
Für das weitere Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, einschließlich der durch die Beklagte vorgelegten "Zusatzakte E." verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Personalleiters der Firma A&Z, Herrn B. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2011 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Sperrzeitbescheid vom 11.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Beklagte hat zu Unrecht den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit festgestellt und daran anknüpfend das dem Kläger für den Zeitraum 01.01.2010 bis 25.03.2010 zustehende Arbeitslosengeld einbehalten.
Nach § 144 Abs. 1 S. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, sofern sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt gemäß § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III unter anderem dann vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt gemäß § 144 Abs. 3 S. 1 SGB III zwölf Wochen.
Die Kammer ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2011 zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis mit der Firma E. nicht gelöst und dementsprechend keinen Sperrzeittatbestand verwirklicht hat.
Nach dem Wortsinn und dem Sachzusammenhang ist unter dem Begriff "lösen" ein aktives Handeln des Arbeitnehmers und/oder Arbeitgebers zu verstehen, welches auf die rechtliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ausgerichtet ist (Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, § 144, Rn. 9). Die Sperrzeit knüpft dabei nicht an die bloße Hinnahme einer (rechtswidrigen) Kündigung im Hinblick auf eine zugesagte Vergünstigung an, sondern setzt eine aktive Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und eine dadurch verursachte Arbeitslosigkeit voraus, wobei dann von einer aktiven Mitwirkung auszugehen ist, wenn der Arbeitnehmer einen wesentlichen Beitrag zur Herbeiführung seiner Beschäftigungslosigkeit leistet (Bay. LSG, Urt. vom 03.02.2005 – L 11 AL 168/04, zit. nach juris).
Vorliegend sind zunächst keine Anhaltspunkte für ein einseitiges Handeln des Klägers durch Eigenkündigung ersichtlich. Gleiches gilt im Ergebnis für die Alternativen einer Lösung im vorgenannten Sinne durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages, also einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, § 144, Rn. 30 ff.) oder durch Abschluss eines Abwicklungsvertrages, also einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffend die Modalitäten der Abwicklung anlässlich des Ausscheidens des Arbeitnehmers als Folge einer Kündigung durch den Arbeitgeber (BSGE 77, 48-53; Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, § 144, Rn. 33). Zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitgeberin wurde weder ein als solcher bezeichneter Aufhebungsvertrag, noch ein Abwicklungsvertrag im vorgenannten Sinne geschlossen.
Schließlich wurde zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitgeberin zur Überzeugung der Kammer auch kein so genannter verdeckter Aufhebungsvertrag geschlossen.
Ein solches sperrzeitrelevantes Verhalten kommt in Betracht, wenn eine (angebliche) Kündigung einen Aufhebungsvertrag, mithin eine einverständliche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses verdeckt mit der Folge, dass derartige Zusammenhänge eine Kündigung des Arbeitgebers als Scheingeschäft i.S. von § 117 Abs. 2 BGB erscheinen lassen, wobei mit der Kündigung des Arbeitgebers verbundene Begünstigungen und das vorausgehende oder nachgehende Verhalten des Arbeitnehmers Anzeichen für ein entsprechendes Scheingeschäft sein können (BSGE 77, 48-53; 89, 250-254). Zur Abgrenzung eines sperrzeitbewehrten (verdeckten) Aufhebungsvertrages von der lediglich unschädlichen Hinnahme einer Kündigung durch den Arbeitgeber (BSGE 89, 250-254) ist der auf die angestrebte Rechtsfolge gerichtete wirkliche Wille der Arbeitsvertragsparteien zu ermitteln. Erforderlich sind daher Feststellungen über den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse, die zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geführt haben. Die Umstände des Einzelfalles sind daraufhin zu untersuchen, ob das Verhalten der Arbeitsvertragsparteien nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Abschluss eines Aufhebungsvertrages aufzufassen ist (vgl. zum Ganzen Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, § 144, Rn. 32 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG). Ist dies der Fall, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob eine Vereinbarung über die Hinnahme der Arbeitgeberkündigung vor oder nach deren Ausspruch getroffen wird (Bay. LSG, Urt. vom 03.02.2005 – L 11 AL 168/04, zit. nach juris).
Nach Auffassung der Beklagten war der wirkliche Wille des Klägers im vorliegenden Fall auf Auflösung und nicht auf den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses ausgerichtet. Daneben führt die Beklagte - in Anlehnung an die Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 09.11.1995 – 11 Rar 27/95 = BSGE 77, 48-53 - aus, dass bei älteren Arbeitnehmern die Interessenlage typischerweise durch den gemeinsamen Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gekennzeichnet sei. Insbesondere sei die Inanspruchnahme finanzieller Zuwendungen als Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit als Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zu bewerten. Zudem zielten die Rahmenbetriebsvereinbarung vom 26.01.2004 sowie der Interessenausgleich vom 14.11.2008 vorrangig auf einvernehmliche Lösungen mit den betroffenen Arbeitnehmern ab, und es seien Gespräche der Geschäftsführung der Firma E. mit den einzelnen Mitarbeitern und dem Betriebsrat der Kündigung vorausgegangen.
Die Kammer vermag dieser Auffassung nicht zu folgen und ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vielmehr zu der Überzeugung gelangt, dass das Verhalten des Klägers, welcher die Kündigung seiner Arbeitgeberin lediglich hingenommen hat, nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte gerade nicht im Sinne des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages aufzufassen ist.
Zwar haben sowohl der Kläger als auch der Zeuge im Termin der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass im Zusammenhang mit der Kündigung Gespräche zwischen dem Kläger und Mitarbeitern seiner Arbeitgeberin stattgefunden haben. Derartige Gespräche stellen aber kein treuwidriges Verhalten im vorgenannten Sinne dar, sondern dürften vielmehr gerade in Fällen, in denen ein Mitarbeiter entlassen werden soll, welcher - wie der Kläger - bereits seit mehr als 30 Jahren dem Unternehmen angehört, den Regelfall darstellen. Der Vortrag der Beklagten, dass der Kläger und seine Arbeitgeberin im Rahmen dieser Gespräche einen gemeinsamen Willen dahingehend gebildet haben, das Beschäftigungsverhältnis einvernehmlich zu lösen, konnte dagegen weder durch die Einlassungen des Klägers, noch durch die Aussage des Zeugen bestätigt werden. Soweit die Beklagte vorträgt, dass die Inanspruchnahme finanzieller Zuwendungen durch den Kläger als Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit als Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zu bewerten sei und auch die besagte Rahmenbetriebsvereinbarung sowie der Interessenausgleich vorrangig auf einvernehmliche Lösungen mit den betroffenen Arbeitnehmern abgezielt hätten, lässt die Beklagte außer Acht, dass die Zahlung der Abfindung gerade nicht auf eine Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner ehemaligen Arbeitgeberin zurückgeht. Die Verpflichtung der ehemaligen Arbeitgeberin zur Zahlung der Abfindung als Folge der betriebsbedingten Kündigung ist vielmehr auf den Inhalt der Anlage 1 zur Rahmenbetriebsvereinbarung vom 26.01.2004 zurückzuführen. Nach der dortigen Ziff. 3 erhalten Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis seitens des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wird, eine Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes in dem dort im Detail geregelten Umfang. Dass der Kläger im Falle einer betriebsbedingten Kündigung seiner ehemaligen Arbeitgeberin eine Abfindung erhalten würde, stand daher bereits annähernd fünf Jahre vor Ausspruch der Kündigung und ohne Zutun des Klägers fest, so dass dieser die Zahlung der Abfindung von vornherein nur dadurch hätte vermeiden können, dass er sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung zur Wehr setzte. Ein solches Verhalten konnte dem Kläger allerdings nicht abverlangt werden, da die fehlende Bereitschaft des Arbeitnehmers, sich gegen den Willen des Arbeitgebers im Beschäftigungsverhältnis weiter zu behaupten, für sich allein eine Sperrzeit nicht rechtfertigt (Karmanski in: Niesel/Brand, SGB III, § 144, Rn. 37 m.w.N. zur Rspr. des BSG).
Nach alledem kann die Kammer einen wesentlichen Beitrag des Klägers zur Herbeiführung seiner Beschäftigungslosigkeit nicht erkennen, da die Gewährung der Abfindung unmittelbar aus der besagten Betriebsvereinbarung folgte, ohne dass es insoweit einer weiteren Individualvereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin bedurfte. Die bloße Hinnahme der Kündigung durch die Arbeitgeberin löst - wie bereits erwähnt - eine Sperrzeit gerade nicht aus, wobei es unerheblich ist, ob diese Kündigung eventuell rechtswidrig erfolgte (BSGE 89, 250-254). Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob die dem Kläger gegenüber ausgesprochene ordentliche betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt war.
Die Frage, ob eine Sperrzeit jedenfalls dann eintritt, wenn der Arbeitnehmer eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung im Hinblick auf eine zugesagte finanzielle Vergünstigung hinnimmt (vgl. hierzu ebenfalls BSGE 89, 250-254), braucht vorliegend ebenfalls nicht entschieden zu werden, da eine offensichtliche Rechtswidrigkeit im vorgenannten Sinne, welche letztlich aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers in der Position des Klägers zu beurteilen wäre, nicht erkannt werden kann. Der Kläger durfte insoweit auch ohne Weiteres von der Wirksamkeit der besagten Betriebsvereinbarung ausgehen.
Das vorgenannte Ergebnis entspricht schließlich auch dem Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, sich an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aktiv zu beteiligen und die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat (Hess. LSG, Urt. vom 27.11.2006 – L 7/10 AL 128/04, zit. nach juris). Dass der Kläger gegebenenfalls von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage auch vor dem Hintergrund der als Folge der bereits im Jahr 2004 geschlossenen Betriebsvereinbarung zu erwartenden Abfindung abgesehen hat, kann im Ergebnis ebenso wenig entscheidend sein, da auch ein solches Verhalten nichts anderes als die Hinnahme einer Kündigung und nicht etwa ein einvernehmliches und treuwidriges Handeln zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Nachteil der Versichertengemeinschaft darstellt.
Entscheidend bleibt damit, dass ein aktives Tätigwerden des Klägers im Hinblick auf die Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses zur Überzeugung der Kammer gerade nicht festgestellt werden kann, so dass nach alledem dem Klagebegehren in vollem Umfang zu entsprechen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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