S 52 R 319/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
52
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 52 R 319/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die notwengen außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Säumniszuschlägen auf Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 17.998,50 EUR streitig.

In der Zeit vom 5. April 1988 bis 4. April 1991 stand der ehemalige Soldat auf Zeit N M-G in einem versicherungsfreien Dienstverhältnis bei der Klägerin. Seine Dienstbezüge erhielt er vom damaligen Wehrbereichsgebührnisamt I, I. Nach der zum Dienstzeitende des Soldaten bestehenden Zuständigkeitsregelung oblag die Durchführung der Beitragszahlung für die Nachversicherung dem Wehrbereichsgebührnisamt III, Sachgebiet Nachversicherung, in E.

Mit Wertstellung zum 27. Januar 2009 ging der Nachversicherungsbeitrag in Höhe von 13.998,50 EUR bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 18. September 2009 forderte die Beklagte von der Klägerin Säumniszuschläge in Höhe von 17.998,50 EUR für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 27. Januar 2009.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 15. Oktober 2009 Widerspruch ein. Sie berief sich auf die Einrede der Verjährung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2009 wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung des Ausgangsbescheides zurück.

Die Klägerin hat am 17. Dezember 2009 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt sie vor: Das vor dem 1. Juli 1997 zuständige Wehrbereichsgebührnisamt, das zuletzt die Dienstbezüge an den Soldaten gezahlt habe, sei angewiesen worden, festzustellen, ob ein Anspruch auf lebenslängliche Versorgung bestehe. Sofern dies nicht zugetroffen habe, sei diese Stelle beauftragt gewesen, dem für die Nachversicherung zuständigen Sachgebiet der Wehrbereichsverwaltung eine "Mitteilung zur Nachversicherung" und eine "Bescheinigung über das Diensteinkommen" zu übersenden. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen seien diese Mitteilungen in dem og. Fall nicht an das Wehrbereichsgebührnisamt III in E weitergeleitet worden, so dass die Nachversicherung nicht erfolgt sei. Wegen der nicht mehr vorhandenen Besoldungsakte, die 10 Jahre nach dem Ausscheiden des Soldaten vernichtet worden sei, habe eine fiktive Berechnung für die Nachversicherung durchgeführt werden müssen. Erst mit Schreiben der Beklagten vom 19. November 2008 habe die Klägerin als Wehrbereichsverwaltung West Kenntnis von ihrer Verpflichtung zur Nachversicherung erhalten. Sie berufe sich auf die Einrede der Verjährung. Es sei ein bedauerlicher Einzelfall, dass die Nachversicherung hier aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen vergessen worden sei. Sie als Wehrbereichsverwaltung West habe unverschuldet keine Kenntnis vom Nachversicherungsfall gehabt (in der Person der für die Bearbeitung der Nachversicherung zuständigen Bediensteten der Klägerin). Sie habe auch durch den Erlass vom 12. September 1988 ausreichende Vorkehrungen getroffen, um ein Organisationsverschulden auszuschließen. Im Übrigen habe im Jahre 1991 der Arbeitsbestand der Nachversicherung bei ca. 44.000 Fällen gelegen; monatlich seien ca. 2000 Fälle hinzugekommen. Sie berufe sich zudem auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17. April 2008 – B 13 R 123/07 -. Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Hinterziehung der Nachversicherungsbeiträge könne ihr nicht vorgeworfen werden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres klageabweisenden Antrages nimmt die Beklagte unter Vertiefung ihres Vorbringens auf die angefochtenen Bescheide Bezug. Ergänzend trägt die Beklagte vor: Die Argumentation der Klägerin im Hinblick auf das von ihr zitierte BSG-Urteil gehe an den dort aufgestellten Rechtsgrundsätzen vorbei. Die Klägerin könne im vorliegenden Fall nicht mehr nachvollziehen, aus welchen Gründen die Mitteilungen den Nachversicherungsschuldner nicht mehr erreicht hätten und daher die Nachversicherung nicht durchgeführt worden sei. Allein mit dieser Behauptung sei die unverschuldete Kenntnis von der Zahlungspflicht nicht glaubhaft gemacht.

Das Gericht hat um Übersendung der Akten von N M – G gebeten. Die Klägerin hat dazu mitgeteilt, dass eine Nachversicherungsakte nicht angelegt worden sei. Die Besoldungsakte sei bereits vernichtet worden. Weitere Akten betreffend N M-G gebe es nicht.

Das Gericht hat die Beteiligten zur ergänzenden Stellungnahme unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 1. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R – aufgefordert. Die Beteiligten haben wechselseitig ergänzend dazu Stellung genommen. Insofern wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Mit Richterbrief vom 1. Oktober 2010 hat das Gericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Wegen der Einzelheiten des Richterbriefs wird auf Bl. 38 – 39 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Klage aufrecht erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Rentenversicherungsträger ist zuständig und befugt, auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern (Dienstherrn) die Entrichtung der Säumniszuschläge durch Verwaltungsakt einzufordern. Dies ist ständige Rechtsprechung und zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 ist rechtmäßig und be¬schwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Die Kammer schließt sich insofern der Rechtsprechung des LSG Hamburg in seinem Urteil vom 23. Juli 2008 - L 6 R 64/06 – an und der Entscheidung des BSG in seinem Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R - an.

Die nachfolgenden Entscheidungsgründe sind im Wesentlichen an die Rechtsprechung des LSG Hamburg in seinem Urteil vom 23. Juli 2008 L 6 R 64/06 – angelehnt.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 24 Abs. 1 SGB IV. Nach dieser Vorschrift ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV gelten die Vorschriften dieses Buches auch für den Versicherungszweig der gesetzlichen Rentenversicherung, die im SGB VI geregelt ist. Eine eigenständige - abweichende - Regelung über die Erhebung von Säumniszuschlägen für fällig gewordene Beiträge, die nach § 1 Abs. 3 SGB IV unberührt bliebe, enthält das SGB VI nicht. Der Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 Abs. 1 SGB IV stehen auch nicht die Regelungen der Nachversicherung in den §§ 181 bis 186 SGB VI entgegen. Insbesondere verdrängen § 181 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI nicht als Spezialvorschriften die allgemeinen Säumnisregeln. Die in § 181 Abs. 1, Abs. 4 SGB VI enthaltene Regelung verfolgt nicht denselben Sinn und Zweck wie die Bestimmung über die Festsetzung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV und ist somit nicht geeignet, die Anwendung der allgemeinen Vorschrift über die Erhebung von Säumniszuschlägen auf fällige (Nachentrichtungs-)Beiträge auszuschließen. § 24 SGB IV sanktioniert die verspätete Beitragszahlung, indem durch die säumnisbedingte Erhöhung des Zahlbetrages einerseits Druck auf den Schuldner ausgeübt, andererseits aber auch ein standardisierter Mindestschadensausgleich vorgenommen wird. Es soll sichergestellt werden, dass die Sozialleistungsträger die entstandenen Beiträge zum Fälligkeitstermin auch tatsächlich zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten zur Verfügung haben, und zudem ausgeschlossen werden, dass sich der Beitragsschuldner durch rechtswidriges Verhalten ein "zinsloses" Darlehen verschafft oder durch eine verspätete Beitragszahlung selbst einen Zinsvorteil erlangt. Demgegenüber modifiziert § 181 SGB VI die allgemeinen Vorschriften über die Beitragsermittlung und bestimmt die Berechnungsgrundlagen der zu zahlenden Beiträge, wenn der Dienstherr die in der Vergangenheit liegende und bis zum Ausscheiden des Nachzuversichernden gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI versicherungsfreie Beschäftigung nachträglich in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Als Tatbestandsvoraussetzungen für die Ermittlung der Beiträge werden gemäß § 181 Abs. 2 Satz 1 SGB VI der Eintritt des Nachversicherungsfalls und die Erzielung beitragspflichtiger Einnahmen im Nachversicherungszeitraum vorausgesetzt. Die Vorschrift dient somit allein dazu, die Höhe der Beitragsschuld zu ermitteln; sie ist jedoch nicht als Sanktion ausgestaltet für eine verspätete Beitragszahlung, und es fehlt dieser Regelung der mit § 24 SGB IV bezweckte Zahlungsanreiz. Ebenso wenig dient sie einem standardisierten Mindestschadensausgleich. Dies entspricht der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 12.02.2004 - B 13 RJ 28/03 R, SozR 4-2400 § 24 Nr. 2).

Die Voraussetzungen, unter denen § 24 SGB IV die Erhebung von Säumniszuschlägen (zwingend) vorschreibt, liegen hier vor. Die Säumnisregeln für Beiträge sind - ebenso wie diejenigen zur Verjährung - auf nachzuentrichtende Beiträge uneingeschränkt anwendbar (BSG a. a. O.). Durch die erst zum 27. Januar 2009 erfolgte Wertstellung und Zahlung ist auch Säumnis eingetreten, denn die Klägerin hat die Beiträge zur Nachversicherung nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt.

Die Fälligkeit der Beiträge zur Nachversicherung richtet sich gemäß § 23 Abs. 4 SGB IV nach § 184 Abs. 1 SGB VI. Danach werden die Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten und insbesondere keine Gründe für den Aufschub der Beitragszahlung vorhanden sind. Der Nachversicherungsbeitragsanspruch des Rentenversicherungsträgers entsteht mit Eintritt des Nachversicherungsfalls und wird in der Regel zugleich fällig (BSG 20.12.2001 – B 4 RA 38/01 R, SozR 3-2600 § 181 Nr. 1). Für den Fall der Nachversicherung enthält § 184 Abs. 1 SGB VI gemäß § 23 Abs. 4 SGB IV eine Sonderregelung zu der allgemeinen Regelung des § 23 Abs. 1 bis 3 SGB IV über die Fälligkeit von Beiträgen. Der "Nachversicherungsfall" war hier mit dem unversorgten Ausscheiden des Soldaten mit dem Ablauf des 4. April 1991 eingetreten. Er war nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 181 Abs. 5 SGB VI mit Wirkung vom 5. April 1991 durch die Klägerin nachzuversichern, weil Aufschubtatbestände im Sinne des § 184 Abs. 2 SGB VI nicht ersichtlich geworden sind. Sie werden im Übrigen von der Klägerin auch nicht substantiiert geltend gemacht. Seit dem 5. April 1991 war die Klägerin hinsichtlich der Beiträge säumig, wobei nach der Vorschrift des § 184 Abs. 1 Satz 3 SGB VI für Beiträge , die - wie hier - vor dem 1. Oktober 1994 fällig geworden sind, die Säumnis erst am 1. Januar 1995 beginnt. Daher hatte die Klägerin ab dem 1. Januar 1995 für jeden angefangenen Monat der Säumnis den gesetzlichen Zuschlag zu entrichten.

Der Erhebung des Säumniszuschlages steht auch nicht § 24 Abs. 2 SGB IV entgegen. Nach dieser Vorschrift ist - wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird - ein hierauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. a. a. O.) ist es geboten, diese Vorschrift entsprechend in den Fällen anzuwenden, in denen - wie hier - die Beitragsschuld vom Beitragsschuldner selbst ermittelt und durch die Zahlung dokumentiert wird. Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung, dass Beitragsforderungen zwar regelmäßig bereits mit Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes entstehen und auf Grund gesetzlicher Regelungen fällig werden, dem Beitragsschuldner aber unter Umständen die Unkenntnis der Beitragspflicht nicht vorgeworfen werden kann. Eine solche Situation kann gerade bei der Nachversicherung eintreten, weil zwar objektiv der Nachversicherungsfall und die Fälligkeit der Beiträge bereits mit dem unversorgten Ausscheiden vorliegen, der Versorgungsträger aber unter Umständen noch nicht feststellen kann, ob etwaige Aufschubgründe gegeben sind, weil etwa der Nachzuversichernde noch keine hinreichend sicheren Angaben über seine weitere Beschäftigung machen kann. Dieser Rechtsprechung folgt die Kammer, weil sie - anders als die offenbar entgegenstehende Praxis der Versicherungsträger - den Schwierigkeiten in Nachversicherungsfällen Rechnung trägt.

Die Klägerin hat nicht im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV glaubhaft gemacht, dass sie unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Sie hat keine Gründe dafür vorgebracht, dass sie auf Grund ihr nicht zurechenbarer Umstände keine Kenntnis von dieser Zahlungspflicht erlangt hat. Dass diese Zahlungspflicht möglicherweise bestehen würde, wusste die Klägerin bereits mit Ausscheiden des Soldaten aus dem Dienst. Da die Klägerin es offensichtlich bei Ausscheiden des Soldaten aus dem Wehrdienst damals unterließ, unverzüglich abzuklären, ob ein Aufschubgrund hinsichtlich der Nachversicherung vorlag, verblieb sie (sofern bei ihr überhaupt diesbezüglich Unkenntnis vorlag) zumindest fahrlässig, also schuldhaft, in Unkenntnis der Zahlungsverpflichtung. Diese schuldhafte Unkenntnis war dafür ursächlich, dass eine alsbaldige Nachentrichtung unterblieb, die Klägerin insoweit säumig war. Es entlastet die Klägerin zunächst nicht, dass sie - wie die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angaben - nicht mehr über alle Verwaltungsvorgänge aus der Vergangenheit verfügt, da diese von der Klägerin nur zehn Jahre aufbewahrt wurden und die Klägerin daher heute nicht mehr feststellen kann, ob damals nicht vielleicht eine Aufschubbescheinigung erteilt bzw. andere Maßnahmen veranlasst wurden. Zum einen ist der Kammer aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt, dass Personalunterlagen in der Regel 30 Jahre bzw. über die Vollendung des 65. Lebensjahres der (ehemaligen) Beschäftigten öffentlicher Arbeitgeber hinaus aufbewahrt werden. Im Übrigen ergibt sich heute die Aufbewahrungspflicht der Akten aus § 113 des Bundesbeamtengesetzes (BBG), wonach die Personalakten noch eine gewisse Zeit über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus aufzubewahren sind. Zum anderen ergibt sich gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 444 der Zivilprozessordnung (ZPO), dass bei einer Urkundenvernichtung - wie hier - die Behauptungen des Gegners über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen angesehen werden können. Die Vorschrift des § 444 ZPO gilt über ihren Wortlaut hinaus nicht nur für Urkunden, die in der Absicht, ihre Benutzung dem Gegner zu entziehen, beseitigt oder untauglich gemacht wurden, sondern gilt nach der Rechtsprechung des BSG auch im Falle der fahrlässigen Vereitelung des Urkundsbeweises (vgl. nur BSG, Urteil vom 27. April 1972 - 7 RU 17/69 -). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass das Gericht mit der Beklagten davon ausgehen kann, dass keine weiteren Unterlagen als die von der Klägerin vorgelegten Auszüge aus der Personalakte mehr vorliegen und eben keine weiteren Dinge - welcher Art auch immer - von der Klägerin veranlasst wurden. Insbesondere geht zu Lasten der Klägerin, dass die Originalnachversicherungsakte nicht mehr vorliegt und dementsprechend nicht mehr überprüft werden konnte, ob die von der Klägerin überreichten Erlasse, Schreiben des Bundesverteidigungsministerium sowie der Leitfaden der damaligen Ausbildungsbeauftragen für Bezügerechner diesbezüglich im konkreten Fall überhaupt von den Mitarbeitern der Beklagten beachtet wurde, ob tatsächlich Wiedervorlagefristen notiert und kontrolliert wurden und ob nicht - zumindest stichprobenartig - die Mitarbeiter der Beklagten, die mit Nachversicherungsfällen befasst waren, kontrolliert wurden. Die von der Klägerin vorgelegten allgemeinen Unterlagen betreffend die damalige Erlasslage etc. entlasten sie insoweit nicht. Denn allein die Aufstellung von Erlassen, Rundschreiben und Leitfäden besagt nichts darüber, dass tatsächlich alle betreffenden Mitarbeiter geschult und kontrolliert wurden. Beim Sozialgericht Düsseldorf sind jedenfalls mehrere Verfahren der Klägerin diesbezüglich anhängig. Ob dies allein an einem Fehlverhalten eines einzelnen Mitarbeiters lag oder vielleicht auch der Arbeitsüberlastung durch mangelnde Personalausstattung geschuldet ist, konnte das Gericht nicht feststellen und ist für die Entscheidung des Rechtsstreits aber auch bedeutungslos. Das Gericht ist zusammen mit der Beklagten überzeugt davon, dass die Klägerin ein Organisationsverschulden trifft, weil nicht nachvollziehbar erkennbar geworden ist, dass die Klägerin alles ihr Zumutbare unternommen hat, um die Nachversicherungsfälle korrekt abzuwickeln. Auch insoweit geht die Nichtvorlage von Akten bzw. das Nichtvorhandensein alter Unterlagen entsprechend § 202 SGG in Verbindung mit § 444 ZPO zu Lasten der Klägerin.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Verjährung gemäß § 25 SGB IV berufen, denn im vorliegenden Fall ist die nach Auffassung der Kammer laufende 30-jährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen - diese würde im konkreten Fall erst im Jahre 2022 ablaufen. Insoweit stützt sich die Kammer auch auf das Urteil des BSG vom 17. April 2008 - B 13 R 123/07 R -. Nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Dies gilt auch für die auf die Nachversicherungsbeiträge entfallenden Nebenforderungen wie u.a. Säumniszuschläge (vgl BSG vom 8.4.1992, BSGE 70, 261, 264 = SozR 3-2400 § 25 Nr 4). Der Beitragsschuldner kann auch zwar auf die Hauptleistung zahlen - etwa weil er hierzu nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verpflichtet ist -, sich jedoch nur wegen einer Nebenforderung auf Verjährung berufen.

Hingegen verjähren, wie die Beiträge, auch die Nebenleistungen in 30 Jahren (§ 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV), wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind (BSG aaO). Ob die Klägerin die Nachversicherungsbeiträge in diesem Sinne vorsätzlich vorenthalten hat, ist im Ergebnis nicht anders zu beurteilen wie die Frage, ob er i.S. des § 24 Abs 2 SGB IV von seiner Zahlungspflicht Kenntnis hatte. Dies hat die Kammer aber bereits zuvor bejaht.

Der Begriff "vorsätzlich" schließt den bedingten Vorsatz ein (BSG vom 30.3.2000, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 S. 35 m.w.N). Der subjektive Tatbestand ist bezogen auf die konkreten Umstände des Einzelfalls und den betreffenden Beitragsschuldner individuell zu ermitteln (a.a.O. S. 35 f). Für den bedingten Vorsatz, wie ihn diese Vorschrift zumindest voraussetzt, ist ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 35). Ferner reicht aus, wenn ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden ist (BSG aaO S 34). Jedenfalls dann aber, wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt - innerhalb der kurzen Verjährungsfrist (s BSG vom 30.3.2000, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 S. 34) - Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den i.S. des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz. Dann mag der Schuldner besondere, im Einzelnen zu prüfende Umstände vortragen, die diesen Vorwurf aus seiner Sicht entkräften und ein ähnliches Gewicht haben wie eine Zahlungsunfähigkeit oder ein nicht zuzurechnendes Verschulden Dritter. Andernfalls liefe die Verlängerung der Verjährung in § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch bei bedingtem Vorsatz (nach § 29 RVO war insoweit noch eine "absichtliche" Hinterziehung erforderlich; s BSG vom 21.6.1990 - 12 RK 13/89, USK 90106 = Die Beiträge 1991, 112) weitgehend ins Leere. Denn dann könnte sich ein Schuldner nach Ablauf von vier Jahren seiner Zahlungspflicht stets mit der Behauptung entziehen, er habe zwar zunächst von seiner Zahlungspflicht gewusst, die geplante Zahlung sei jedoch unterblieben, weil er die Unterlagen verlegt und dann den Vorgang vergessen habe. Ein derartiger Vortrag wäre kaum zu widerlegen, wobei die Feststellungslast bei demjenigen liegt, der sich auf die Verlängerung der Verjährungsfrist beruft (BSG vom 30.3.2000, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 S. 35). Im Gegenteil obliegt dem früheren Dienstherrn des nachzuversichernden Beamten diesem gegenüber eine nachwirkende Fürsorgepflicht, die Nachversicherung nicht nur überhaupt, sondern auch unverzüglich durchzuführen. Denn der Betroffene bedarf bereits unmittelbar nach dem Ausscheiden einer tragfähigen Absicherung gegen die Risiken einer Erwerbsminderung oder des Todes (insoweit für die Hinterbliebenen). Auch der Realisierung dieser Verpflichtung dient ihre möglichst effektive Bewehrung mit Säumniszuschlägen. Wenn daher der Klägerin die Kenntnis von der Beitrags-(Nachentrichtungs-)pflicht zuzurechnen ist, was bereits im Zusammenhang mit der Frage der unverschuldeten Unkenntnis i.S. des § 24 Abs. 2 SGB IV erläutert wurde, folgt hieraus auch (für den Regelfall), dass i.S. des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV die verlängerte Verjährungsfrist eingreift. Diese war hier aber - wie bereits ausgeführt - noch nicht abgelaufen.

Nach der durch das Gesetz vom 13. Juni 1994 (BGBl. I S. 1229) eingeführten und mit Wirkung vom 1. Januar 1995 geltenden Fassung des § 24 SGB IV steht es auch nicht mehr im Ermessen des Versicherungsträgers, einen Säumniszuschlag festzusetzen, vielmehr "ist dieser zu zahlen". Dem entspricht im Rahmen ihrer aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Bindung an Recht und Gesetz die Verpflichtung der Beklagten zur entsprechenden Festsetzung, wie sie einfachgesetzlich in § 76 Abs. 1 SGB IV in dem Gebot der rechtzeitigen und vollständigen Einnahmeerhebung ihren Ausdruck findet. Der Gesetzgeber hat des Weiteren angeordnet, dass besonderen Umständen, aus denen sich im Einzelfall die Unbilligkeit der Abgabeerhebung ergeben könnte, gesondert, nämlich durch Stundung oder Erlass nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 SGB IV Rechnung zu tragen ist. Die Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen bleibt dem Einziehungsverfahren und hier namentlich der Entscheidung über Erlass und Stundung der Forderung vorbehalten. Beides ist vorliegend nicht im Streit.

Die getroffene Festsetzung wird von der Klägerin auch der Höhe nach nicht beanstandet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als erfolglose Beteiligte hat die Klägerin, die als als Bund nach § 2 Abs. 1 Gerichtskostengesetz von der Zahlung der Gerichtskosten befreit ist, dem Grunde nach auch die Kosten des Verfahrens erster Instanz, d. h. nach § 162 VwGO auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beklagten, zu tragen, da weder diese noch sie zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört.
Rechtskraft
Aus
Saved