Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SB 3179/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2893/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Das Landratsamt Alb-Donau-Kreis stellte zuletzt unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Sch. vom 14.09.2006, in der dieser als Behinderungen eine seelische Störung und eine Persönlichkeitsstörung (Teil-GdB 50), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) sowie eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10) berücksichtigt und den Gesamt-GdB mit 50 bewertet hatte, mit Abhilfebescheid vom 14.09.2006 den GdB des am 17.07.1977 geborenen Klägers mit 50 seit 15.05.2006 fest.
Das Landratsamt Alb-Donau-Kreis lehnte den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 25.10.2006 mit Bescheid vom 13.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 02.01.2007 und den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 01.10.2008 mit Bescheid vom 16.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.02.2009 ab.
Der Kläger beantragte am 06.07.2009 erneut die Neufeststellung des GdB und legte Bescheinigungen der ihn behandelnden Ärzte vor. Die Neurologin und Psychiaterin H. berichtete über einen Verdacht auf einen hypochondrischen Wahn oder eine schizoaffektive Psychose, eine qualifizierte Behandlung finde nicht statt. Der Psychiater Prof. Dr. St. führte aufgrund einer einmaligen Untersuchung aus, angesichts der grundlegenden Frustrationsintoleranz und der erheblichen Anpassungsschwierigkeiten müsse der GdB allein auf psychiatrischem Fachgebiet mit 70 bis 80 bewertet werden. Dr. H. hielt in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.07.2009 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest. Mit Bescheid vom 20.07.2009 lehnte das Landratsamt den Antrag des Klägers ab.
Der Kläger erhob hiergegen am 23.07.2009 Widerspruch und legte weitere ärztliche Bescheinigungen der ihn behandelnden Ärzte (insb. Prof. Dr. H., Universitätsklinikum H. - Psychosomatische Ambulanz: Zeichen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung sowie rezidivierend depressive Episode, derzeit schweres Ausmaß bei übermäßigem Inanspruchnahmeverhalten) vor. Das Landratsamt zog über den Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. Schrammel und die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Kreuzer weitere Arztbriefe bei. Dr. H. hielt in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.08.2009 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2009 wies das Regierungspräsidium den Widerspruch mit der Begründung zurück, eine Verschlimmerung lasse sich nicht feststellen.
Hiergegen erhob der Kläger am 03.09.2009 Klage beim Sozialgericht Ulm.
Das Sozialgericht hörte zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Prof. Dr. St. führte am 17.08.2009 aus, bei dem Kläger, den er nun einmalig gesehen habe, bestehe eine schwere Pathologie, die in gravierenden Traumatisierungen in Kindheit und Jugend ihre Ursache habe. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie H. berichtete unter dem 06.10.2009 über einen Verdacht auf eine paranoide Schizophrenie bei mittelschweren bis schweren Anpassungsstörungen und führte aus, die letzte Behandlung habe im Juli 2009 stattgefunden. Dres. Schübel und Mattiesen von der Fachklinik für Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses Günzburg sahen unter dem 12.10.2009 eine seit Juli 2009 unveränderte mittelgradige Persönlichkeitsstörung und ein chronisches Schmerzsyndrom und schätzten den GdB auf 50 bis 70. Dr. Zastrow vom Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums H. berichtete am 13.10.2009 über eine einmalige Vorstellung des Klägers in der psychosomatischen Ambulanz bei chronifiziert somatoformen und depressiven Symptomen und einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung mittelschwerer Ausprägung.
Sodann holte das Sozialgericht das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 04.02.2010 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histronischen und narzistischen Anteilen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, jeweils mittelschwer, sowie ein diskretes intellektuelles Defizit und schätzte hierfür den GdB mit 50 ein. Damit sei die mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeit hinreichend berücksichtigt. Denn der Kläger führe keine regelmäßige nervenärztliche Behandlung durch. Er stelle sich vor, dass er eine Erwerbsminderungsrente bekomme und danach eine Psychotherapie mache. Auf die Idee, eine Erhöhung des GdB zu beantragen, sei er gekommen, da ihn die Rentengutachter immer gefragt hätten, welchen GdB er habe. Der Kläger sei bewusstseinsklar und allseits orientiert ohne Nachweis produktivpsychotischer Erlebniswelten. Er sei gut über seine finanziellen Verhältnisse informiert, kenne den Rechtsweg und habe auch unproblematisch mit dem Fahrrad die Praxis gefunden.
Mit Urteil vom 06.05.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass die beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen als schwere seelische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu klassifizieren seien, die sich noch nicht im Übergang zu schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten befänden, so dass der GdB hierfür mit 50 zu bemessen sei. Ferner seien die Teil-GdB-Werte von jeweils 10 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und der Beine angemessen.
Gegen das ihm am 09.06.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 10.06.2010 Berufung eingelegt. Er leide an schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten im beruflichen, privaten sowie sozialen Bereich und sei deswegen seit September 2008 ununterbrochen bis auf Weiteres arbeitsunfähig.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. Mai 2010 und den Bescheid vom 20. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2009 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 14. September 2006 abzuändern und den GdB mit 100 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der vorliegende medizinische Sachverhalt sei vom Sozialgericht zutreffend gewürdigt worden.
Der Senat hat das im Rahmen eines auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichteten Verfahrens eingeholte Gerichtgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie an der Donau-Ries-Klinik D. Dr. M. vom 29.12.2009 (somatoforme Schmerzstörung, kombinierte Persönlichkeitsstörung mit unreifen und histrionischen Anteilen) und das im vorangegangenen Verwaltungsverfahren erstellte Gutachten des Facharztes für Innere und Psychotherapeutische Medizin Dr. W. vom 18.02.2009 (anhaltende somatoforme Schmerzstörung, gemischte Persönlichkeitsproblematik mit vor allem hypertymen Aspekten, endgradige Funktionseinschränkung im linken Handgelenk bei posttraumatischer Arthrose) beigezogen.
Dr. W. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.11.2010 ausgeführt, die beigezogenen Gutachten führten zu keiner höheren GdB-Beurteilung.
Die Beteiligten haben sich in dem Erörterungstermin vom 02.12.2010 mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB des Klägers 50 beträgt.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für eine Aufhebung von Verwaltungsakten wegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Eine wesentliche Änderung im Vergleich zu seinem Gesundheitszustand im Mai 2006, der bereits zu einer Höherstufung des Gesamt-GdB auf 50 geführt hat, ist nicht eingetreten. Der Beklagte hat es daher zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 14.09.2006 abzuändern.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden.
Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung in Auswertung der sachverständigen Zeugenaussagen wie des eingeholten Gutachtens von Dr. Wiberg zutreffend und umfassend ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren ein höherer GdB als 50 nicht festzustellen ist. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren und der vom Senat beigezogenen Gutachten ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Die von Dres. W. und M. in ihren Gutachten erhobenen Befunde und gestellten Diagnosen zwingen nicht zu der Annahme, den nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 für mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten eröffneten GdB-Rahmen von 50 bis 70 nach oben auszuschöpfen oder gar von einen GdB von 80 bis 100 rechtfertigenden schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen. Vielmehr konnte die Verdachtsdiagnose der Neurologin und Psychiaterin H. einer schizoaffektiven Psychose nicht bestätigt werden. Der Sachverständige Dr. M., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, hat ebenso wie der Gutachter Dr. W. akustische, optische oder zönästhische Wahrnehmungs-, Ich- oder wahnhafte Störungen ausschließen können. Der Kläger präsentierte sich lediglich in merklicher psychomotorischer Unruhe bei gesteigertem Antrieb. Ein schweres Ausmaß der Persönlichkeitsstörung konnten beide Sachverständige ausschließen. Insofern war für den Senat die abweichende Beurteilung von Prof. Dr. H. nicht überzeugend, zumal die von ihnen beschriebenen Gesundheitsstörungen offenbar nur episodenhaften Charakter haben. Die Richtigkeit der Einschätzung von Dr. W. wird auch dadurch bestätigt, dass der Kläger in der Lage ist allein zu leben, dabei gut über seine finanziellen Verhältnisse und mögliche sozialrechtliche Ansprüche informiert ist. Hierbei kennt er genau den Rechtsweg und vermag auch seine sozialgerichtlichen Streitigkeiten zielgerichtet zu führen. Gegen eine stärkere Beeinträchtigung durch die seelischen Leiden, denen nicht ausreichend mit dem GdB von 50 Rechnung getragen würde, spricht schließlich, dass der Kläger keine ausreichende und angemessene Therapie in Anspruch nimmt, obwohl dadurch nach Einschätzung der Ärzte eine Besserung seines Zustandes in absehbarer Zeit erreicht werden könnte (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10, zit. nach juris). Hieraus ergibt sich, dass der Leidensdruck und mithin auch die Ausprägung seiner psychischen Beeinträchtigung nicht gravierend sein kann.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Das Landratsamt Alb-Donau-Kreis stellte zuletzt unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Sch. vom 14.09.2006, in der dieser als Behinderungen eine seelische Störung und eine Persönlichkeitsstörung (Teil-GdB 50), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) sowie eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10) berücksichtigt und den Gesamt-GdB mit 50 bewertet hatte, mit Abhilfebescheid vom 14.09.2006 den GdB des am 17.07.1977 geborenen Klägers mit 50 seit 15.05.2006 fest.
Das Landratsamt Alb-Donau-Kreis lehnte den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 25.10.2006 mit Bescheid vom 13.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 02.01.2007 und den Neufeststellungsantrag des Klägers vom 01.10.2008 mit Bescheid vom 16.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.02.2009 ab.
Der Kläger beantragte am 06.07.2009 erneut die Neufeststellung des GdB und legte Bescheinigungen der ihn behandelnden Ärzte vor. Die Neurologin und Psychiaterin H. berichtete über einen Verdacht auf einen hypochondrischen Wahn oder eine schizoaffektive Psychose, eine qualifizierte Behandlung finde nicht statt. Der Psychiater Prof. Dr. St. führte aufgrund einer einmaligen Untersuchung aus, angesichts der grundlegenden Frustrationsintoleranz und der erheblichen Anpassungsschwierigkeiten müsse der GdB allein auf psychiatrischem Fachgebiet mit 70 bis 80 bewertet werden. Dr. H. hielt in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.07.2009 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest. Mit Bescheid vom 20.07.2009 lehnte das Landratsamt den Antrag des Klägers ab.
Der Kläger erhob hiergegen am 23.07.2009 Widerspruch und legte weitere ärztliche Bescheinigungen der ihn behandelnden Ärzte (insb. Prof. Dr. H., Universitätsklinikum H. - Psychosomatische Ambulanz: Zeichen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung sowie rezidivierend depressive Episode, derzeit schweres Ausmaß bei übermäßigem Inanspruchnahmeverhalten) vor. Das Landratsamt zog über den Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. Schrammel und die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Kreuzer weitere Arztbriefe bei. Dr. H. hielt in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.08.2009 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2009 wies das Regierungspräsidium den Widerspruch mit der Begründung zurück, eine Verschlimmerung lasse sich nicht feststellen.
Hiergegen erhob der Kläger am 03.09.2009 Klage beim Sozialgericht Ulm.
Das Sozialgericht hörte zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Prof. Dr. St. führte am 17.08.2009 aus, bei dem Kläger, den er nun einmalig gesehen habe, bestehe eine schwere Pathologie, die in gravierenden Traumatisierungen in Kindheit und Jugend ihre Ursache habe. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie H. berichtete unter dem 06.10.2009 über einen Verdacht auf eine paranoide Schizophrenie bei mittelschweren bis schweren Anpassungsstörungen und führte aus, die letzte Behandlung habe im Juli 2009 stattgefunden. Dres. Schübel und Mattiesen von der Fachklinik für Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses Günzburg sahen unter dem 12.10.2009 eine seit Juli 2009 unveränderte mittelgradige Persönlichkeitsstörung und ein chronisches Schmerzsyndrom und schätzten den GdB auf 50 bis 70. Dr. Zastrow vom Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums H. berichtete am 13.10.2009 über eine einmalige Vorstellung des Klägers in der psychosomatischen Ambulanz bei chronifiziert somatoformen und depressiven Symptomen und einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung mittelschwerer Ausprägung.
Sodann holte das Sozialgericht das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 04.02.2010 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit histronischen und narzistischen Anteilen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, jeweils mittelschwer, sowie ein diskretes intellektuelles Defizit und schätzte hierfür den GdB mit 50 ein. Damit sei die mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeit hinreichend berücksichtigt. Denn der Kläger führe keine regelmäßige nervenärztliche Behandlung durch. Er stelle sich vor, dass er eine Erwerbsminderungsrente bekomme und danach eine Psychotherapie mache. Auf die Idee, eine Erhöhung des GdB zu beantragen, sei er gekommen, da ihn die Rentengutachter immer gefragt hätten, welchen GdB er habe. Der Kläger sei bewusstseinsklar und allseits orientiert ohne Nachweis produktivpsychotischer Erlebniswelten. Er sei gut über seine finanziellen Verhältnisse informiert, kenne den Rechtsweg und habe auch unproblematisch mit dem Fahrrad die Praxis gefunden.
Mit Urteil vom 06.05.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass die beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen als schwere seelische Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu klassifizieren seien, die sich noch nicht im Übergang zu schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten befänden, so dass der GdB hierfür mit 50 zu bemessen sei. Ferner seien die Teil-GdB-Werte von jeweils 10 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und der Beine angemessen.
Gegen das ihm am 09.06.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 10.06.2010 Berufung eingelegt. Er leide an schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten im beruflichen, privaten sowie sozialen Bereich und sei deswegen seit September 2008 ununterbrochen bis auf Weiteres arbeitsunfähig.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. Mai 2010 und den Bescheid vom 20. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2009 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 14. September 2006 abzuändern und den GdB mit 100 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der vorliegende medizinische Sachverhalt sei vom Sozialgericht zutreffend gewürdigt worden.
Der Senat hat das im Rahmen eines auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichteten Verfahrens eingeholte Gerichtgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie an der Donau-Ries-Klinik D. Dr. M. vom 29.12.2009 (somatoforme Schmerzstörung, kombinierte Persönlichkeitsstörung mit unreifen und histrionischen Anteilen) und das im vorangegangenen Verwaltungsverfahren erstellte Gutachten des Facharztes für Innere und Psychotherapeutische Medizin Dr. W. vom 18.02.2009 (anhaltende somatoforme Schmerzstörung, gemischte Persönlichkeitsproblematik mit vor allem hypertymen Aspekten, endgradige Funktionseinschränkung im linken Handgelenk bei posttraumatischer Arthrose) beigezogen.
Dr. W. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.11.2010 ausgeführt, die beigezogenen Gutachten führten zu keiner höheren GdB-Beurteilung.
Die Beteiligten haben sich in dem Erörterungstermin vom 02.12.2010 mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB des Klägers 50 beträgt.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für eine Aufhebung von Verwaltungsakten wegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Eine wesentliche Änderung im Vergleich zu seinem Gesundheitszustand im Mai 2006, der bereits zu einer Höherstufung des Gesamt-GdB auf 50 geführt hat, ist nicht eingetreten. Der Beklagte hat es daher zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 14.09.2006 abzuändern.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden.
Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung in Auswertung der sachverständigen Zeugenaussagen wie des eingeholten Gutachtens von Dr. Wiberg zutreffend und umfassend ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren ein höherer GdB als 50 nicht festzustellen ist. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren und der vom Senat beigezogenen Gutachten ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Die von Dres. W. und M. in ihren Gutachten erhobenen Befunde und gestellten Diagnosen zwingen nicht zu der Annahme, den nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 für mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten eröffneten GdB-Rahmen von 50 bis 70 nach oben auszuschöpfen oder gar von einen GdB von 80 bis 100 rechtfertigenden schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen. Vielmehr konnte die Verdachtsdiagnose der Neurologin und Psychiaterin H. einer schizoaffektiven Psychose nicht bestätigt werden. Der Sachverständige Dr. M., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, hat ebenso wie der Gutachter Dr. W. akustische, optische oder zönästhische Wahrnehmungs-, Ich- oder wahnhafte Störungen ausschließen können. Der Kläger präsentierte sich lediglich in merklicher psychomotorischer Unruhe bei gesteigertem Antrieb. Ein schweres Ausmaß der Persönlichkeitsstörung konnten beide Sachverständige ausschließen. Insofern war für den Senat die abweichende Beurteilung von Prof. Dr. H. nicht überzeugend, zumal die von ihnen beschriebenen Gesundheitsstörungen offenbar nur episodenhaften Charakter haben. Die Richtigkeit der Einschätzung von Dr. W. wird auch dadurch bestätigt, dass der Kläger in der Lage ist allein zu leben, dabei gut über seine finanziellen Verhältnisse und mögliche sozialrechtliche Ansprüche informiert ist. Hierbei kennt er genau den Rechtsweg und vermag auch seine sozialgerichtlichen Streitigkeiten zielgerichtet zu führen. Gegen eine stärkere Beeinträchtigung durch die seelischen Leiden, denen nicht ausreichend mit dem GdB von 50 Rechnung getragen würde, spricht schließlich, dass der Kläger keine ausreichende und angemessene Therapie in Anspruch nimmt, obwohl dadurch nach Einschätzung der Ärzte eine Besserung seines Zustandes in absehbarer Zeit erreicht werden könnte (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10, zit. nach juris). Hieraus ergibt sich, dass der Leidensdruck und mithin auch die Ausprägung seiner psychischen Beeinträchtigung nicht gravierend sein kann.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved