S 14 KA 246/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 246/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Beschlusses vom 14.04.2010 verur-teilt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 03.09.2009 die Anstellung der Psy-chologischen Psychotherapeutin Frau Dr. phil. Dipl.-Psych. U V anstelle der ausscheidenden, für die Klägerin psychotherapeutisch tätig gewesenen Frau F N im Umfang von 15 Wochenstunden zu genehmigen. Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte und die Beigeladene zu 7) je zur Hälfte.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Genehmigung der Anstellung einer psychologischen Psychotherapeutin als Nachfolgerin einer ärztlichen Psychotherapeutin.

Die Klägerin ist Trägerin des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) "b" mit Sitz in E.

Sie beantragte beim Zulassungsausschuss für Ärzte - Bereich Psychotherapie - in E die Genehmigung der Anstellung der Dr. phil. Dipl.-Psych. U V in Nachfolge der psychotherapeutisch tätigen Ärztin F N im Umfang von 15 Wochenstunden. Diesen Antrag lehnte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 23.09.2009 ab. Für die Nachbesetzung einer angestellten Ärztin gemäß § 95 Abs. 2 Satz 7 ff SGB V i.V.m. § 32 b Ärzte-ZV sei grundsätzlich eine fachliche Identität zwischen ausscheidendem und anzustellendem Leistungserbringer erforderlich. Eine Nachfolgeanstellung sei daher jeweils nur innerhalb der Gruppen der Ärzte und der psychologischen Psychotherapeuten zulässig.

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und verwies darauf, dass eine Nach-besetzung mit einem entsprechend qualifizierten Arzt trotz intensiven Bemühens auf dem einschlägigen Markt nicht möglich gewesen sei. Soweit der Zulassungsausschuss die er¬satzweise gelungene Nachbesetzung mit einem bzw. einer psychologischen Psychothera¬peut/in ablehne, verweise sie auf einen Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 05.05.2009 (L 5 KA 599/09 ER-B), wonach dies als durchaus statthaft angesehen worden sei.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 14.04.2010 zurück. Zur Begrün-dung nahm er Bezug auf seine Entscheidung vom 16.09.2009 in einem Parallelverfahren der Klägerin (s. S 14 KA 184/09). Darin führte er u.a. aus: "Für den hier vergleichbaren Fall der Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V schließe er sich der Auffassung an, dass die Fortführung einer ärztlichen Praxis durch einen Psychotherapeuten schon im Hinblick auf dessen fehlende Zulassung in einem ärztlichen Fachgebiet scheitere. Die aus guten Gründen verfolgte Absicht des Gesetzgebers, durch die Regelung des § 101 Abs. 4 Satz 5 SGB V einen bestimmten Anteil von ärztlichen Psychotherapeuten an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten zu gewährleisten, würde konterkariert, wenn nichtärztliche Psychotherapeuten Arztstellen in Anspruch nehmen könnten. Dies würde ihnen den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung ermöglichen, obwohl der Planungsbereich für sie gesperrt ist. Dies würde wiederum die Überversorgung ungewollt noch verstärken. Die bedarfsplanungsrechtlichen Vorgaben würden vollends unterlaufen, wenn später zulassungswillige ärztliche Psychotherapeuten unter Berufung auf die Quotenregelung den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung suchen würden. Dadurch würde die Überversorgung noch weiter verstärkt." An dieser Auffassung halte er auch in Kenntnis der Gründe des Beschlusses vom 16.11.2009 in dem Verfahren S 14 KA 183/09 ER und des Inhalts der Verfügung des Vorsitzenden des 11. Senats des LSG NRW in dem (noch nicht abgeschlossenen) Beschwerdeverfahren L 11 B 26/09 KA ER vom 26.02.2010 fest.

Die Klägerin hat am 04.06.2010 Klage erhoben.

Sie hat zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Mit Beschluss vom 02.08.2010 ist der Beklagte verpflichtet worden, der Klägerin vorläufig bis zum rechtskräf-tigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die begehrte Genehmigung zu erteilen (SG Düsseldorf Beschluss vom 02.08.2010 – S 14 KA 245/10 ER -).

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass der Beklagte sich mit seiner Entscheidung gegen die sozialgerichtlichen Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg und des Hessischen LSG stelle. Danach sei die Behörde nach § 95 Abs. 2 Satz 8 SGB V zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet, wenn - wie im vorlie-genden Falle gegeben - die Voraussetzungen nach § 95 Abs. 2 Satz 5 SGB V erfüllt sei-en.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Beschlusses vom 14.04.2010 zu verurteilen, auf ihren Antrag vom 03.09.2009 auf Anstellung der psychologischen Psychotherapeutin Frau Dr. phil. Dipl.-Psych. U V anstelle der ausscheidenden für die Klägerin psychotherapeutisch tätig gewesenen Frau F N im Umfang von 15 Wochenstunden eine entsprechende Genehmigung zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss.

Die Beigeladene zu 7) schließt sich dem Antrag und Vorbringen des Beklagten an.

Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich nicht zum Verfahren geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte des Beklagten und der beigezogenen Vorprozessakte S 14 KA 245/10 ER Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl für die Beigeladenen zu 1) bis 6) niemand am Termin zur mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Die Beigeladenen sind in den ihnen ordnungsgemäß bekannt gegebenen Terminsmitteilungen auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Beschluss des Beklagten im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser Beschluss ist rechts-widrig. Die Klägerin hat Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zur Anstellung der Dr. phil. Dipl.-Psych.V als Nachfolgerin der ärztlichen Psychotherapeutin N.

Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 103 Abs. 4a Satz 5 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 SGB V. § 103 Abs. 4a SGB V regelt die Fortführung von Vertragsarztsitzen in Planungs-bereichen, für die Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, in Zusammenhang mit Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). So ist einerseits die Übernahme des Vertragsarztsitzes bei gleichzeitiger Anstellung des verzichtenden Vertragsarztes möglich. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass bei Fortführung der Praxis durch einen Praxisnachfolger nach § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V die Praxis auch in der Form weitergeführt werden kann, dass ein MVZ den Vertragsarztsitz übernimmt und die vertragsärztliche Tätigkeit durch einen angestellten Arzt in der Einrichtung weitergeführt wird. Für beide Varianten wird in § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V sichergestellt, dass das MVZ die Arztstelle nachbesetzen kann, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. Darüber hinaus sind die Vorgaben für die Anstellung von Ärzten in einem MVZ in § 95 Abs. 2 Sätze 5 bis 10 SGB V enthalten.

Nachdem der Beklagte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit dem Vorbehalt, dass die Bewerberin die persönlichen Anforderungen an eine Anstellung nach § 95 Abs. 2 Satz 8 in Verbindung mit Satz 5 SGB V erfüllt, verpflichtet worden war, die begehrte Genehmigung vorläufig zu erteilen und er dieser Verpflichtung in der Folge nachgekommen ist, steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Bewerberin sämtliche persönlichen Voraussetzungen für die Anstellung im MVZ der Klägerin erfüllt. Allein streitig bleibt daher die Frage, ob der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen zu 7) zu folgen ist, nach der zwischen dem abgebenden Vertragsarzt und dem potentiellen Nachfolger eine Fachgebietsidentität bestehen muss. Diese Frage ist zu verneinen. Eine solche Voraussetzung ist den gesetzlichen Regelungen zur Nachbesetzung einer Arztstelle im MVZ bei angeordneten Zulassungsbeschränkungen weder nach Wortlaut noch nach Systematik zu entnehmen

Soweit sich der Beklagte und die Beigeladene zu 7) zur Stützung ihrer Auffassung auf § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V berufen, könnte bereits zweifelhaft sein, ob dessen Vorgaben im Rahmen der Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V überhaupt Anwendung finden. Insoweit könnte die Auffassung vertreten werden, dass die Nachfolgezulassung nach § 103 Abs. 4a SGB V nicht auf die Voraussetzungen des § 103 Abs. 4 SGB V Bezug nehme, sondern vielmehr hiervon suspendiere (vgl. LSG NRW Beschluss vom 21.06.2010 – L 11 B 26/09 KA ER – im Ergebnis offen gelassen). Dagegen könnte allerdings sprechen, dass nach § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V, soweit sich die Vorschriften dieses Kapitels auf Ärzte beziehen, diese entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren gelten, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist. Da § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V keine konkreten Voraussetzungen für die Nachbesetzung der Arztstelle enthält, wäre ebenfalls eine Auslegung denkbar, nach der die Möglichkeit der Nachbesetzung lediglich dem Grunde nach gesetzlich geregelt werden sollte, im Übrigen aber die Voraussetzungen für die Nachbesetzung gelten, wie sie für Vertragsärzte in § 103 Abs. 4 SGB V vorgesehen sind. Die Gesetzesbegründung gibt insofern keine konkreten Anhaltspunkte. Danach ist die Änderung in § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V erfolgt, um ähnlich wie die Praxisübergabe einer Vertragsarztpraxis in überversorgten Gebieten den Gesundheitszentren zu ermöglichen, frei gewordene Arztstellen trotz Überversorgung neu zu besetzen (vgl. BT-Drucks. 15/1170, S. 86 zu § 103). Diese Begründung lässt ebenso den Schluss zu, dass für MVZ eine eigenständige Regelung getroffen werden sollte, als auch den Schluss, dass eine entsprechende Regelung zu § 103 Abs. 4 SGB V unter vergleichbaren Voraussetzungen geschaffen werden sollte. Im Ergebnis kann das letztlich aber dahinstehen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Voraussetzungen der Nachfolgezulassung nach § 103 Abs. 4 SGB V auch für Stellennachbesetzungen im MVZ nach Maßgabe des § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V anzuwenden sind, ist der Anspruch der Klägerin begründet.

Das von dem Beklagten und der Beigeladenen zu 7) verlangte Kriterium der Fachgebietsidentität zwischen Praxisübergeber und Praxisnachfolger ist in § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V als Auswahl- und damit als Zulassungskriterium anders als etwa in den Richtlinienermächtigungen des § 101 Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB V (Jobsharing bzw. Anstellung von Ärzten) nicht ausdrücklich genannt. In § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V ist lediglich festgelegt, dass bei der Auswahl der Bewerber die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit zu berücksichtigen sind, und ferner, ob der Bewerber der Ehegatte, ein Kind, ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich ausgeübt wurde. Soweit das Merkmal der "beruflichen Eignung" betroffen ist, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt (vgl. LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 05.05.2009 - L 5 KA 599/09 ER-B – zitiert nach juris). Ein Beurteilungsspielraum ist den Zulassungsgremien insoweit nicht eröffnet. Autonome, nur eingeschränkt kontrollierbare Entscheidungsspielräume haben sie allein bei der Ermessensentscheidung über die Bewerberauswahl als solche, nicht jedoch bei der inhaltlichen Festlegung der für die Ermessensausübung geltenden Maßstäbe, die zugleich rechtliche Grenzen des Ermessensspielraums darstellen (vgl. BSG Urteile vom 05.11.2008 – B 6 KA 56/07 R – und – B 6 KA 10/08 R -; LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Der Begriff der "beruflichen Eignung" ist nach Auffassung der Kammer nicht einschränkend dahin auszulegen, dass zwischen ausscheidendem Leistungserbringer und anzustellendem Leistungs-erbringer eine Fachgebietsidentität bestehen müsste. Zwar fehlt einem psychologischen Psychotherapeuten die Zulassung in einem ärztlichen Fachgebiet (Schallen, Ärzte-ZV, 7. Auflage 2009, §16b Rz. 79), indessen kommt es hierauf nicht an. Mit dem weiter gefassten Merkmal der "beruflichen Eignung" in § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V ist nicht gefordert, dass zwischen Praxisübergeber und Praxisübernehmer eine nach Maßgabe des (landesrechtlichen) ärztlichen Weiterbildungsrechts festzulegende "Fachgebietsidentität" oder "Zulassungsidentität" bestehen muss (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.2005 - L 10 KA 29/05 -). Hätte der Gesetzgeber eine in diesem Sinne enge Anbindung des "Zulassungsrechts" der Praxisnachfolge an das zum Berufsrecht zählende Weiterbildungsrecht anordnen wollen, hätte er dies in § 103 Abs. 4 SGB V klar zum Ausdruck bringen müssen. Alle Einschränkungen des Schutzbereichs der Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) und Art. 14 Abs. 1 GG müssen den einfachrechtlichen Gesetzen mit der "notwendigen Klarheit" entnommen werden (vgl. LSG NRW Beschluss vom 21.06.2010 – L 11 B 26/09 KA ER – m.w.N. zitiert nach Juris). Das ist hier nicht gegeben. Das Merkmal der "beruflichen Eignung" ist damit aus dem Blickwinkel des Vertragsarztrechts unter Beachtung der besonderen Versorgungserfordernisse im Fall der Übernahme und Fortführung einer Vertragsarzt- bzw. Vertragspsychotherapeutenpraxis zu bestimmen. Maßgebend ist danach nur die partielle oder gänzliche Identität des Tätigkeitsspektrums (vgl. LSG NRW, Beschluss 17.06.2009 - L 11 B 6/09 KA ER - Juris). An das Weiterbildungsrecht anknüpfende berufsrechtliche Unterschiede zwischen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten sind dabei nicht ausschlaggebend. Beide Psychotherapeu-tengruppen erbringen psychotherapeutische Behandlungsleistungen für gesetzlich Versicherte nach Maßgabe der dafür geltenden Psychotherapierichtlinien. Zur Anwendung der dort genannten "Richtlinienverfahren" sind ärztliche und psychologische Psychotherapeuten grundsätzlich in gleichem Maße beruflich geeignet. Eine weit überwiegend bestehende Identität im Tätigkeitsspektrum zwischen beiden Psychotherapeutengruppen ist somit zu bejahen.

Darüber hinaus hätte ein Vorrang der ärztlichen vor den psychologischen Psychothera-peuten im Nachbesetzungsverfahren gesetzlich festgelegt werden müssen, nachdem eine entsprechende Vorrangregelung (zugunsten der Allgemeinärzte) in § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V nur für die Nachbesetzung von Hausarztsitzen getroffen wurde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.05.2009 - L 5 KA 599/09 KA ER-B -).

Für eine zulässige Nachbesetzung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass ärztliche und nichtärztliche Psychotherapeuten nach § 101 Abs. 4 Satz 1 SGB V bedarfsplanungs¬rechtlich in einer Arztgruppe zusammengefasst sind. Angesichts des oben dargestellten gemeinsamen Tätigkeitsspektrums ist eine derartige Zusammenfassung nicht zu beanstanden (vgl. LSG NRW Beschluss vom 21.06.2010 – L 11 B 26/09 KA ER -). Für die Zugehörigkeit des ärztlichen Psychotherapeuten zu dieser Arztgruppe ist dabei entscheidend, dass er überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätig ist. Wesentliches Merkmal für die Zugehörigkeit zu dieser Arztgruppe ist somit, in welchem Umfang an der Sicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung der gesetzlich Versicherten teilgenommen wird, und nicht, welche Berufsbezeichnung – Arzt oder Psychotherapeut – er trägt. Dass der Gesetzgeber an das Merkmal der Tätigkeit anknüpft, wird auch durch folgende Überlegung belegt. Das MVZ ist definitionsgemäß eine fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtung, in der Ärzte, die in das Arztregister nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB V eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Ein MVZ ist dann eine fachübergreifende Einrichtung, wenn in ihm Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind; es ist nicht fachübergreifend, wenn die Ärzte der hausärztlichen Arztgruppe nach § 101 Abs. 5 ange¬hören und wenn die Ärzte oder Psychotherapeuten der psychotherapeutischen Arztgruppe nach § 101 Abs. 4 angehören (vgl. § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Diese Klarstellung lässt ebenfalls vermuten, dass der Gesetzgeber von einer grundsätzlichen Überschneidung der Versorgungsinhalte von ärztlichen und nichtärztlichen Psychotherapeuten ausgeht.

Ferner folgt aus § 101 Abs. 4 SGB V eine weitere entscheidende Wertung des Gesetzge-bers. Der Gesetzgeber hat die Weitergeltung dieser durch Art. 2 Nr. 13 PsychThG bis 31.12.2008 befristeten Vorschrift in modifizierter Form durch das Gesetz zur Weiterent-wicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKVOrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl. I 2426) mit Wirkung vom 01.01.2009 angeordnet. Ist - wie dargelegt - das Merkmal der "beruflichen Eignung" aus dem Blickwinkel des Ver-tragsarztrechts unter Beachtung der besonderen Versorgungserfordernisse im Fall der Übernahme und Fortführung einer Vertragsarzt- bzw. Vertragspsychotherapeutenpraxis zu bestimmen, so kann Fachidentität nur nach Maßgabe des normativen Zwecks der Zulassungssperre nach § 103 Abs. 2 SGB V und den von § 103 Abs. 4 SGB V hiervon festgelegten Ausnahmen von Bedeutung sein. Zulassungsbeschränkungen sind nach § 103 Abs. 2 Satz 2 SGB V grundsätzlich arztgruppenbezogen anzuordnen. Dies hat zur Folge, dass im Falle der Nachfolgebesetzung gemäß § 103 Abs. 4 SGB V grundsätzlich ein Arzt einer anderen Arztgruppe für die Besetzung nicht in Betracht kommt, weil dies zu einer Umgehung der Zulassungsbeschränkungen dieser anderen Arztgruppe führen und dort zu weiterer Überversorgung beitragen würde. Nur die Besetzung mit dem Arzt der gleichen Fachgruppe wird dem in § 103 Abs. 2 und Abs. 4 SGB V geregelten Zusammenspiel von grundsätzlicher Zulassungssperre und ausnahmsweiser Nachfolgebesetzung gerecht. Maßgebend ist somit auf die Arztgruppe abzustellen. Hierzu bestimmt § 101 Abs. 4 Satz 1 SGB V, dass überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte und Psychotherapeuten eine Arztgruppe bilden. Diese grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers gilt mangels anderweitiger gesetzlicher Vorgaben auch für die Nachfolgebesetzung, sodass grundsätzlich ein psychologischer Psychotherapeut den Vertragsarztsitz eines ärztlichen Psychotherapeuten einnehmen kann (vgl. LSG NRW Beschluss vom 21.06.2010 – L 11 B 26/09 KA ER – m.w.N.).

Schließlich steht der Nachbesetzung die Quotenregelung in § 101 Abs. 4 Satz 5 SGB V nicht entgegen. Danach ist in den Richtlinien nach Absatz 1 für die Zeit bis zum 31.12.2013 sicherzustellen, dass mindestens ein Versorgungsanteil in Höhe von 25% der allgemeinen Verhältniszahl den überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten und mindestens ein Versorgungsanteil in Höhe von 20% der allgemeinen Verhältniszahl den Leistungserbringern nach Satz 1, die ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch betreuen, vorbehalten ist. Nach der Ge¬setzesbegründung für die bis zum 31.12.2008 geltende Fassung (Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.06.1998, BGBl I S. 1311) sollte für die Anfangsphase der Integration der Psychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung den psychotherapeutisch tätigen Ärzten und den Psychothe¬rapeuten jeweils ein bestimmter Versorgungsanteil vorbehalten werden, um zu ermögli¬chen, dass beide Gruppen in einem zahlenmäßig ausgewogenen Verhältnis an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten teilnehmen können. Die Quotierung bewir¬ke - so die Gesetzesbegründung -, dass für diesen Zeitraum in jedem Planungsbereich jeweils 40% des Soll-Bedarfs den psychotherapeutisch tätigen Ärzten und den Psychotherapeuten zur Deckung vorbehalten bleiben. Das bedeute, dass in einem gesperrten Pla-nungsbereich (Versorgungsgrad über 110%) dennoch psychotherapeutisch tätige Leis-tungserbringer zugelassen werden kön¬nen, sofern die für sie geltende Quote noch nicht ausgeschöpft ist (vgl. BT-Drucksache 13/8035 S. 22 zu § 101 Abs. 4). Im Entwurf zum GKV-OrgWG vom 16.06.2008 (vgl. BT-Drucksache 16/9559 S. 17f zu § 101) ist die vor-genannte Quotenrege¬lung im Hinblick auf eine zwischenzeitliche Prüfung der Verhältniszahlen überarbeitet wor¬den. Hierbei wurde der Mindestversorgungsanteil für die überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte in Höhe von 40 Prozent auf 20 Prozent (- endgültig 25% - vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) vom 15.10.2008, BT-Drucksache 16/10609, S. 56 zu § 101) gesenkt, weil diese Quote im Wesentlichen den derzeit bestehenden Versorgungsanteilen im Bereich der psychotherapeutischen Leistungserbringer entspreche. Ohne eine Quotenregelung sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass die überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte nach und nach fast ganz innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zurückgedrängt werden. Mit der Beibehaltung einer Mindestquote für ärztliche Psychotherapeuten nimmt der Gesetzgeber demnach weiterhin bewusst sowohl eine Erhöhung einer bereits bestehenden Überversorgung als auch die Nichtbesetzung von an sich für eine ausreichende psychotherapeutische Versorgung erforderlichen Vertragsarztsitzen durch geeignete psychologische Psychotherapeuten in Kauf (vgl. auch BSG Urteil vom 05.11.2008 - B 6 KA 13/07 R -). Gerade dem letztgenannten Umstand der Nichtbesetzung von Vertragsarztsitzen trotz entsprechendem Bedarf wollte der Gesetzgeber mit der Ab-senkung der Quote für ärztliche Psychotherapeuten entgegenwirken (s. BT-Drucksache 16/9559 S. 18 zu § 101). Der Gesetzgeber hat hiermit deutlich gemacht, dass psychologische Psychotherapeuten anstelle ärztlicher Psychotherapeuten tätig werden können (vgl. LSG NRW Beschluss vom 21.06.2010 a.a.O.). Ansonsten würde die Auf-nahme von Quotenregelungen für die beiden Behandlergruppen jeglicher Grundlage entbehren (vgl. Jahn, ZMGR 4/2009, 221, Anmerkung zu LSG Baden-Württemberg Be-schluss vom 05.05.2009 – L 5 KA 599/09 ER-B -).

Zusammenfassend hat die Klägerin daher einen Anspruch auf Genehmigung der Anstellung der Dr. phil. Dipl.-Psych. U V als Nachfolgerin der Ärztin F N. V ist die einzige Bewerberin auf die Anstellung und sie erfüllt – wie oben dargelegt – hierfür die persönlichen Voraussetzungen. Der Einwand der fehlenden Fachgebietsidentität greift – wie ebenfalls dargelegt – nicht. Ebensowenig steht die Quote nach § 101 Abs. 4 Satz 5 SGB V der Anstellung entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass durch die Nachbesetzung die gesetzlich vorgegebene Quote unterlaufen werden könnte, bestehen nicht. Im Gegenteil war der Beklagte durch die Vorgabe im Beschluss der erkennenden Kammer vom 02.08.2010 – S 14 KA 245/10 ER – bereits verpflichtet worden, die Einhaltung der Quote zu prüfen. Nachdem er entsprechend dieser Verpflichtung die Genehmigung erteilt hat, ist es als unstreitig anzusehen, dass die Quote von 25% durch die vorliegend begehrte Nachfolgeanstellung nicht betroffen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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