Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 46 AS 3610/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 54/11 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine Behörde hat die in einer einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts verfügte Leistung zu erbringen, wenn nicht die Vollziehung durch das Sozialgericht nach § 175 Satz 2 SGG oder das Landessozialgericht nach § 199 Abs. 2 SGG ausgesetzt wird.
Wenn die Behörde der erstinstanzlichen Leistungsverpflichtung vollständig nachgekommen ist, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die dagegen gerichtete Beschwerde. Es ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten zu klären, ob der Anspruch tatsächlich besteht oder nicht.
Wenn die Behörde der erstinstanzlichen Leistungsverpflichtung vollständig nachgekommen ist, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die dagegen gerichtete Beschwerde. Es ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten zu klären, ob der Anspruch tatsächlich besteht oder nicht.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgericht München vom 5. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob Unterhaltszahlungen, die auf einem Rechtsanwaltskonto eingegangen sind, auf einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II anzurechnen sind.
Die 1961 geborene Antragstellerin und Beschwerdegegnerin bewohnte zunächst zusammen mit ihren Kindern eine Mietwohnung. Sie pfändet seit Jahren wegen Unterhaltsforderungen das Arbeitseinkommen ihres geschiedenen Ehemannes. Seit März 2010 bewohnt die Antragstellerin die Wohnung allein, für die eine Kaltmiete von 500,- Euro sowie Neben-/Heizkosten von 157,- Euro anfallen. Sie ist geringfügig erwerbstätig bei einem monatlichen Einkommen von 400,- Euro. Ab Juli 2010 wurden monatlich 544,46 Euro Unterhalt auf das Konto der Antragstellerin überwiesen.
Mit Schreiben vom 16.09.2010 forderte die Antragstellerin ihren geschiedenen Ehemann auf, das Geld nunmehr auf ein Konto des Sohnes M. zu überweisen, da es sich um rückständigen Kindesunterhalt handle. Dies lehnte der Unterhaltsschuldner ab. Daraufhin veranlasste der Rechtsanwalt der Antragstellerin in deren Auftrag "zur besseren Übersichtlichkeit und Kontrolle" Zahlungen auf ein Rechtsanwaltskonto.
Die Antragstellerin bezog bis 30.11.2010 Leistungen der Grundsicherung für Arbeit suchenden nach SGB II von der Antragsgegnerin, zuletzt monatlich 245,17 Euro. Am 11.11.2010 beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der Leistungen ab Dezember 2010.
Am 20.12.2010 stellt die Antragstellerin beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Rechtsanwalt verwalte die Unterhaltszahlungen treuhändisch. Es bestünden erhebliche Differenzen über die Unterhaltsansprüche und deren Höhe zwischen der Antragstellerin und ihrem ehemaligen Ehemann.
Mit Beschluss vom 05.01.2011 verpflichtete das Sozialgericht München die Antragsgegnerin vorläufig, der Antragstellerin in der Zeit vom 20.12.2010 bis 31.01.2011 Leistungen in Höhe von monatlich 684,- Euro zu erbringen. Vom Bedarf in Höhe von 995,50 Euro (Regelleistung 359,- Euro plus Kosten für Unterkunft und Heizung von 636,50 Euro) seien 240,- Euro (bereinigtes Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung) abzuziehen. Vom Regelbedarf werde ein Abschlag von 20 % vorgenommen. Die Unterhaltszahlungen stünden tatsächlich nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung.
Am 25.01.2011 hat die Antragsgegnerin Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgericht eingelegt. Es sei nicht glaubhaft, dass die Antragstellerin auf die Unterhaltszahlungen nicht zugreifen können. Die Antragstellerin habe selbst die Zahlung auf das Rechtsanwaltskonto veranlasst. Der Sohn P. lebe seit dem Jahr 2003 nicht mehr im Haushalt der Mutter. Die Zuordnung der Zahlungen an den Sohn wirke konstruiert.
Mit Beschluss vom 10.02.2011 lehnte das Sozialgericht München den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Sozialgerichts ab.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 05.01.2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht stattgegeben hat.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Antragstellerin die Umleitung der Unterhaltszahlungen selbst veranlasst hat und dass sie davon selbst unmittelbar begünstigt wird, wenn sie entsprechend höheres Arbeitslosengeld II erhält. Die Antragstellerin hatte ihren vormaligen Ehemann gebeten, die Zahlung auf das Konto des Sohnes M. zu leiten. Als dieser dies verweigerte, erfolgten die Zahlungen auf Anweisung der Antragstellerin auf ein Konto ihres Rechtsanwalts. Da der Rechtsanwalt auf Anweisung handelte und es nur um eine "bessere Übersichtlichkeit und Kontrolle" ging, dürfte die Antragstellerin auf diese Gelder zugreifen können. Allerdings würde die Antragstellerin dadurch eventuell gezwungen, Unterhaltszahlungen, die ihren Kindern zustehen, gesetzeswidrig für ihren eigenen Lebensunterhalt zu verbrauchen. Aus den im Beschwerdeverfahren nachgereichten Unterlagen zu amtsgerichtlichen Verfahren ergibt sich, dass erhebliche Streitigkeiten über Höhe und Zuordnung der Unterhaltzahlungen bestehen. In dieser unübersichtlichen Situation wäre eine vorläufige Bewilligung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 SGB III möglich gewesen. Angesichts dieser Unklarheiten war die vorläufige Leistungsverpflichtung im Beschluss des Sozialgerichts richtig und die Beschwerde abzuweisen.
Die Beschwerde kann aus einem weiteren Grund keinen Erfolg haben. Eine Beschwerde hat nach § 175 SGG nur für vom Sozialgericht festgesetzte Ordnungsmittel oder Zwangsmittel aufschiebende Wirkung. Ein Beschluss des Sozialgerichts in einem Eilverfahren, in dem eine Behörde zur vorläufigen Leistung verpflichtet wird, ist von der Behörde daher grundsätzlich zu vollziehen. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 175 Satz 2 SGG hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 10.02.2011 abgelehnt. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG wurde nicht gestellt. Da vom Sozialgericht lediglich Leistungen bis 31.01.2011 zugesprochen wurden, geht das Beschwerdegericht davon aus, dass diese Leistungen entsprechend des Gesetzes vollständig erbracht wurden. Für eine Beschwerde entfällt dann das Rechtsschutzbedürfnis. Es ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten zu klären, ob der Anspruch nach materiellem Recht tatsächlich besteht oder nicht (BayLSG, Beschluss vom 10.07.2009, L 7 AS 232/09 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob Unterhaltszahlungen, die auf einem Rechtsanwaltskonto eingegangen sind, auf einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II anzurechnen sind.
Die 1961 geborene Antragstellerin und Beschwerdegegnerin bewohnte zunächst zusammen mit ihren Kindern eine Mietwohnung. Sie pfändet seit Jahren wegen Unterhaltsforderungen das Arbeitseinkommen ihres geschiedenen Ehemannes. Seit März 2010 bewohnt die Antragstellerin die Wohnung allein, für die eine Kaltmiete von 500,- Euro sowie Neben-/Heizkosten von 157,- Euro anfallen. Sie ist geringfügig erwerbstätig bei einem monatlichen Einkommen von 400,- Euro. Ab Juli 2010 wurden monatlich 544,46 Euro Unterhalt auf das Konto der Antragstellerin überwiesen.
Mit Schreiben vom 16.09.2010 forderte die Antragstellerin ihren geschiedenen Ehemann auf, das Geld nunmehr auf ein Konto des Sohnes M. zu überweisen, da es sich um rückständigen Kindesunterhalt handle. Dies lehnte der Unterhaltsschuldner ab. Daraufhin veranlasste der Rechtsanwalt der Antragstellerin in deren Auftrag "zur besseren Übersichtlichkeit und Kontrolle" Zahlungen auf ein Rechtsanwaltskonto.
Die Antragstellerin bezog bis 30.11.2010 Leistungen der Grundsicherung für Arbeit suchenden nach SGB II von der Antragsgegnerin, zuletzt monatlich 245,17 Euro. Am 11.11.2010 beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der Leistungen ab Dezember 2010.
Am 20.12.2010 stellt die Antragstellerin beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Rechtsanwalt verwalte die Unterhaltszahlungen treuhändisch. Es bestünden erhebliche Differenzen über die Unterhaltsansprüche und deren Höhe zwischen der Antragstellerin und ihrem ehemaligen Ehemann.
Mit Beschluss vom 05.01.2011 verpflichtete das Sozialgericht München die Antragsgegnerin vorläufig, der Antragstellerin in der Zeit vom 20.12.2010 bis 31.01.2011 Leistungen in Höhe von monatlich 684,- Euro zu erbringen. Vom Bedarf in Höhe von 995,50 Euro (Regelleistung 359,- Euro plus Kosten für Unterkunft und Heizung von 636,50 Euro) seien 240,- Euro (bereinigtes Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung) abzuziehen. Vom Regelbedarf werde ein Abschlag von 20 % vorgenommen. Die Unterhaltszahlungen stünden tatsächlich nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung.
Am 25.01.2011 hat die Antragsgegnerin Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgericht eingelegt. Es sei nicht glaubhaft, dass die Antragstellerin auf die Unterhaltszahlungen nicht zugreifen können. Die Antragstellerin habe selbst die Zahlung auf das Rechtsanwaltskonto veranlasst. Der Sohn P. lebe seit dem Jahr 2003 nicht mehr im Haushalt der Mutter. Die Zuordnung der Zahlungen an den Sohn wirke konstruiert.
Mit Beschluss vom 10.02.2011 lehnte das Sozialgericht München den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Sozialgerichts ab.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 05.01.2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht stattgegeben hat.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Antragstellerin die Umleitung der Unterhaltszahlungen selbst veranlasst hat und dass sie davon selbst unmittelbar begünstigt wird, wenn sie entsprechend höheres Arbeitslosengeld II erhält. Die Antragstellerin hatte ihren vormaligen Ehemann gebeten, die Zahlung auf das Konto des Sohnes M. zu leiten. Als dieser dies verweigerte, erfolgten die Zahlungen auf Anweisung der Antragstellerin auf ein Konto ihres Rechtsanwalts. Da der Rechtsanwalt auf Anweisung handelte und es nur um eine "bessere Übersichtlichkeit und Kontrolle" ging, dürfte die Antragstellerin auf diese Gelder zugreifen können. Allerdings würde die Antragstellerin dadurch eventuell gezwungen, Unterhaltszahlungen, die ihren Kindern zustehen, gesetzeswidrig für ihren eigenen Lebensunterhalt zu verbrauchen. Aus den im Beschwerdeverfahren nachgereichten Unterlagen zu amtsgerichtlichen Verfahren ergibt sich, dass erhebliche Streitigkeiten über Höhe und Zuordnung der Unterhaltzahlungen bestehen. In dieser unübersichtlichen Situation wäre eine vorläufige Bewilligung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 SGB III möglich gewesen. Angesichts dieser Unklarheiten war die vorläufige Leistungsverpflichtung im Beschluss des Sozialgerichts richtig und die Beschwerde abzuweisen.
Die Beschwerde kann aus einem weiteren Grund keinen Erfolg haben. Eine Beschwerde hat nach § 175 SGG nur für vom Sozialgericht festgesetzte Ordnungsmittel oder Zwangsmittel aufschiebende Wirkung. Ein Beschluss des Sozialgerichts in einem Eilverfahren, in dem eine Behörde zur vorläufigen Leistung verpflichtet wird, ist von der Behörde daher grundsätzlich zu vollziehen. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 175 Satz 2 SGG hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 10.02.2011 abgelehnt. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG wurde nicht gestellt. Da vom Sozialgericht lediglich Leistungen bis 31.01.2011 zugesprochen wurden, geht das Beschwerdegericht davon aus, dass diese Leistungen entsprechend des Gesetzes vollständig erbracht wurden. Für eine Beschwerde entfällt dann das Rechtsschutzbedürfnis. Es ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten zu klären, ob der Anspruch nach materiellem Recht tatsächlich besteht oder nicht (BayLSG, Beschluss vom 10.07.2009, L 7 AS 232/09 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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