Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 173/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 161/11 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Regelungsgegenstand eines Änderungsbescheids ist auch im SGB II nur die Änderung der bisherigen Bewilligung. Eine Überprüfung der bisherigen Bewilligung erfolgt auch im SGB II anläßlich einer begrenzten Änderung (hier Anpassung Alg II an eine verringerte Rente) regelmäßig nicht. Der Änderungsbescheid kann - wenn die ursprüngliche Bewilligung bindend ist - nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 54 Rn. 7a).
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob eine Erbschaft auch in der Zeit ab Januar 2011 auf Arbeitslosengeld II anrechenbar ist.
Der im Jahr 1952 geborene Antragsteller bezieht seit geraumer Zeit Arbeitslosengeld II vom Antrags- und Beschwerdegegner.
Zunächst wurde dem Antragsteller für die Zeit von Mai bis Dezember 2010 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich zuletzt 729,27 Euro bewilligt (Änderungsbescheid vom 29.07.2010).
Am 05.08.2010 erhielt der Antragsteller aus einer Erbschaft eine Überweisung in Höhe von 3168,- Euro. Ihm wurde bereits zuvor mitgeteilt, dass die Erbschaft als Einkommen anzurechnen sei. Nach Angaben des Antragstellers sei ihm erklärt worden, dass eine Schuldentilgung die Anrechnung reduzieren könne. Der Antragsteller zahlte daraufhin an seinen Bruder Schulden aus dem Jahr 2001 zurück. Mit Änderungsbescheid vom 06.08.2010 wurde die Erbschaft auf fünf Monate verteilt und die monatliche Leistung bis Dezember 2010 auf 125,67 Euro reduziert. Dem Antragsteller wurde dabei mitgeteilt, dass der Anrechnungszeitraum verlängert werden könne, wenn er nachweise, dass die einmalige Zahlung für die Tilgung von Schulden vorgesehen sei und auch hierfür verwendet werde. Mit Schreiben vom 25.08.2010 teilte der Antragsteller mit, dass sein Bruder ihm das Geld nach Bekanntgabe der Bescheide vom 06.08.2010 wieder zurückgegeben habe. Er habe das Geld aber erneut an seinen Bruder gezahlt. Der Bruder bestätigte eine Schuldentilgung in Höhe von 3150,- Euro. Mit weiterem Bescheid vom 06.08.2010 wurde für Januar 2011 eine Leistung von ebenfalls 125,67 Euro bewilligt.
Dem Antragsteller wurde für die Zeit ab 01.10.2010 eine Rente wegen Erwerbsminderung mit einem monatlichen Zahlbetrag von 358,84 Euro bewilligt. Die vorherige Bewilligung wurde deshalb ab Oktober mit Änderungsbescheid vom 20.08.2010 vollständig aufgehoben.
Der Antragsteller erhob gegen die beiden Bescheide vom 06.08.2010 und den Bescheid vom 20.08.2010 Widerspruch, sowie gegen den nachfolgenden Widerspruchsbescheid vom 18.10.2010 Klage zum Sozialgericht (S 52 AS 3204/10).
Im weiteren Verlauf stellte der Antragsteller vier verschiedene Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz.
Im ersten Verfahren verfügte das Sozialgericht München mit Beschluss vom 22.09.2010 (S 22 AS 2504/10 ER), dass in der Zeit bis 31.12.2010 lediglich ein Zwölftel der Erbschaft als Einkommen angerechnet werden dürfe. Infolge dieses Beschlusses ergingen Änderungsbescheide vom 08.10.2010, in denen für die Zeit bis 31.12.2011 monatlich 136,43 Euro bewilligt wurden.
Mit Bescheid vom 25.11.2010 bewilligte der Antragsgegner Leistungen in Höhe von monatlich 136,43 Euro für die Zeit von Januar bis Juni 2011. Dabei rechnete er ein Zwölftel der Erbschaft als monatliches Einkommen an. Der Bescheid enthält eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung. Ein Widerspruch wurde gegen diesen Bescheid (bestätigt vom Antragsteller im Schreiben vom 12.02.2011) nicht erhoben.
Im zweiten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschied das Sozialgericht München mit Beschluss vom 15.12.2010 (S 52 AS 2921/10 ER), dass für Oktober bis Dezember 2010 darlehensweise weitere 130,- Euro monatlich zu gewähren seinen.
Im dritten Eilverfahren entschied das Sozialgericht München mit Beschluss vom 14.12.2010 (S 52 AS 3203/10 ER), dass dieser Antrag wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig sei. In diesem Verfahren teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 16.11.2010 mit, dass er sich erneut Geld geliehen habe.
Mit Änderungsbescheid vom 15.12.2010 wurde die monatliche Leistung für Januar bis Juni 2011 wegen einer geringfügigen Erhöhung der Grundmiete auf monatlich 138,88 Euro angehoben. Auch hiergegen wurde kein Widerspruch erhoben.
Den streitgegenständlichen vierten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellte der Antragsteller am 20.01.2011 an das Sozialgericht München. Er begehrte um 130,- Euro höhere Leistungen in Form von Darlehen auch für die Zeit ab 01.01.2011. Das Sozialgericht unterbreitete einen entsprechenden Vergleichsvorschlag (Schreiben vom 31.01.2011), dem der Antragsteller zustimmte, nicht aber der Antragsgegner.
Mit Änderungsbescheid vom 14.02.2011 wurde die monatliche Leistung für Januar bis Juni 2011 wegen einer geringfügigen Reduzierung der Rente auf monatlich 140,08 Euro angehoben. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Änderungsbescheid könne nur insoweit angegriffen worden, als die Änderung inhaltlich reiche. Es sei deshalb allein die Anpassung an die verminderte Rentenzahlung zu prüfen. Diese sei zutreffend erfolgt.
Mit Beschluss vom 21.02.2011 lehnte das Sozialgericht München den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Das Sozialgericht München habe bereits mit Schreiben vom 30.11.2010 (im Verfahren S 52 AS 2921/10 ER) eine vergleichsweise Regelung des Rechtsstreits angeregt, in dem das zusätzliche Darlehen von 130,- Euro monatlich bis August 2011 enthalten war. Dem habe der Antragsgegner zugestimmt, nicht aber der Antragsteller. Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Vergleich genau das angeboten habe, was der Antragsteller nun begehre.
Am 25.02.2011 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 21.02.2011 eingelegt. Die Lebensgrundlage sei nicht gesichert. Er habe nur die Rente von 357,64 Euro und 140,08 Euro an Arbeitslosengeld II zur Verfügung. Er habe den Vergleichsvorschlag nicht abgelehnt, nur die Richterin gebeten, ihm die Entscheidung abzunehmen. Dem neuen Vergleichsvorschlag vom 31.01.2011 habe er ja zugestimmt.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 21.02.2011 aufzuheben und den Beschwerdegegner vorläufig zu verpflichten, ihm über die bewilligten Leistungen hinaus für die Zeit ab 01.01.2011 bis August 2011 (Ende der Anrechung des Erbes) ein zusätzliches Darlehen in Höhe von 130,- Euro monatlich zu gewähren.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Es wird auch der Beschwerdewert von 750,- Euro überschritten (8 x 130,- = 1040,- Euro). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht zu verneinen. Der Antragsteller hatte im Eilverfahren S 52 AS 2921/10 ER einen Änderungsvorschlag zum Vergleich unterbreitet, was gleichbedeutend ist mit einer Ablehnung des vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs. Spätestens ab dem Beschluss vom 15.12.2010 konnte der Antragsteller den gerichtlichen Vorschlag nicht mehr annehmen. Im streitgegenständlichen erstinstanzlichen Verfahren hat wiederum der Antragsgegner den neuen gleichlautenden Vergleichsvorschlag abgelehnt.
Streitig ist, ob der Antragsteller für die Zeit ab 01.01.2011 bis 30.08.2011 vorläufig eine zusätzliche Leistung in Höhe von 130,- Euro monatlich in Form eines Darlehens erhalten kann. Die drei vorherigen erstinstanzlichen Eilverfahren befassten sich mit dem ursprünglichen Bewilligungszeitraum von Mai bis Dezember 2010.
Der Antragsteller begehrt eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz. Die Anrechung der Erbschaft wird - zu Recht - auch vom Antragsteller nicht bestritten. Die Verteilung der Erbschaft auf 12 Monate ist das Äußerste, was hier nach § 2 Abs. 4 Arbeitslosengeld II-Verordnung denkbar ist. Auch hat das Bundessozialgericht geklärt, dass die Anrechnung von einmaligen Einnahmen unabhängig vom jeweiligen Bewilligungszeitraum erfolgt und dass eine eigenverantwortliche Verwendung des Einkommens zur Schuldentilgung die Anrechnung auf Arbeitslosengeld II nicht verhindern kann (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R, zur Schuldentilgung auch BSG, Urteil vom 18.02.2010, B 14 AS 76/08 R, Rn. 21). Sonst stünde es im Belieben des Hilfebedürftigen, ob er Leistungen bekommt oder nicht.
Für den Zeitraum von 01.01.2011 bis 30.06.2010 liegt mit dem Bescheid vom 25.11.2010 eine bestandskräftige Entscheidung zum laufenden Leistungsanspruch vor. Wie der Antragsteller bestätigte, hat er gegen diesen Bescheid - und auch gegen den Änderungsbescheid vom 15.12.2010 zur geringen Mieterhöhung - keinen rechtzeitigen Widerspruch eingelegt. Der Änderungsbescheid vom 14.02.2011 hat bei verständiger Würdigung folgenden Regelungsgegenstand: Das bisher bewilligte Arbeitslosengeld II wird wegen der Minderung des Auszahlungsbetrags der Rente um monatlich 1,20 Euro erhöht. Eine Überprüfung der bisherigen Bewilligung war weder beantragt noch ist dies erfolgt. Falls der vorhergehende Bescheid bindend ist, kann nur der Änderungsbescheid und dieser nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 54 Rn. 7a). Über die laufende Bewilligung wurde daher bis 30.06.2011 bindend entschieden. Im Eilverfahren kann daher eine höhere laufende Bewilligung nicht erlangt werden.
Der Antragsteller begehrt ein Darlehen, weil er seinen laufenden Lebensunterhalt nicht decken könne. Damit macht er eine Sonderleistung wegen eines besonders dringendem Bedarfs infolge der Anrechung der Erbschaft geltend. Im Beschluss vom 15.12.2010 (S 52 AS 2921/10 ER) hatte das Sozialgericht deshalb unter Einbeziehung verfassungsrechtlicher Erwägungen und Hinweis auf § 23 Abs. 4 und 5 SGB II bis Dezember 2010 monatlich zusätzlich 130,- Euro zugesprochen.
Diesen besonderen Bedarf kann der Antragsteller als Antrag auf Abänderung der laufenden Bewilligung zu seinen Gunsten nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X geltend machen. Als Anspruchsgrundlagen kämen § 21 Abs. 6, § 23 Abs. 1 und § 22 Abs. 5 SGB II in Betracht.
Eine Übernahme von Mietschulden nach § 21 Abs. 5 SGB II ist hier nicht möglich, weil der Antragsteller nach seinen Angaben die Miete bezahlt, also keine Mietschulden hat, die das Mietverhältnis bedrohen. Wenn sich dies ändern sollte, kann er beim Antragsgegner einen entsprechenden Antrag stellen.
Nach § 23 Abs. 1 SGB II ist ein Darlehen zu erbringen, wenn im Einzelfall ein von der Regelleistung umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch Ansparvermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Aufgrund der automatischen Tilgung des Darlehens durch Aufrechnung (Ermessen bezüglich der Höhe der Aufrechnung) eignet sich diese Anspruchsgrundlage weniger für einen Dauerbedarf. Auch aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09) einen Härtefall-Mehrbedarf anerkannt, der nunmehr in § 21 Abs. 6 SGB II geregelt ist. Dieser setzt voraus, dass im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass keine der beiden Anspruchsgrundlagen einschlägig ist. Der Antragsteller kann seinen Bedarf auf andere Weise decken. Es fehlt daher an einem Anordnungsanspruch.
Zunächst verfügt er monatlich über rund 500,- Euro (357,64 Euro Rente und 140,08 Euro Arbeitslosengeld II). Er hat nach wie vor keine Schulden wegen Miete oder Energie, obwohl die Anrechung seit September 2010 erfolgt. Weiter fällt auf, dass der Antragsteller nach seinem Vortrag weiterhin monatlich eine Unfallversicherung von 20,91 Euro und eine Spende von 3,- Euro bezahlt, aber vorträgt, kein Geld zum Essen zu haben. Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsteller- entgegen seiner Beschwerdebegründung ohne Nachweise hierzu - nach wie vor Unterstützung aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis erhält.
Die Art und Weise der Schuldentilgung beim Bruder bestätigt diese Einschätzung. Der Antragsteller hat seinem Bruder die Schulden erst dann zurückgezahlt, nachdem er sich darüber kundig machte, ob ihm das bei der Verrechung mit Arbeitslosengeld II einen Vorteil bringen könnte. Dabei hat er allerdings missverstanden, dass eine Schuldentilgung allenfalls zu einem längeren Anrechungszeitraum führen kann (hier zwölf statt fünf Monate), nicht aber zu einer Nichtanrechnung. Nachdem die Erbschaft durch die Bescheide vom 06.08.2010 auf fünf Monate verteilt wurde, hat der Bruder dem Antragsteller das Geld zurückgegeben. Es ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller das Geld dann erneut seinem Bruder gegeben hat. Im Schreiben vom 16.11.2010 teilte der Antragsteller dem Sozialgericht im Verfahren S 52 AS 3203/10 ER mit, dass er den Vergleich gerne um drei Monate vorverlegen wolle, weil er sich ab September 2010 Geld geliehen habe. Auch dies belegt die fortlaufende Unterstützung des Antragstellers. Es drängt sich insgesamt der Eindruck auf, dass der Antragsteller versucht, mit allen Mitteln die Schuldentilgung bei seinem Bruder aufrecht zu erhalten und dafür zum Ausgleich existenzsichernde Leistungen zu erlangen.
Im Ergebnis hat das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgewiesen. Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob eine Erbschaft auch in der Zeit ab Januar 2011 auf Arbeitslosengeld II anrechenbar ist.
Der im Jahr 1952 geborene Antragsteller bezieht seit geraumer Zeit Arbeitslosengeld II vom Antrags- und Beschwerdegegner.
Zunächst wurde dem Antragsteller für die Zeit von Mai bis Dezember 2010 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich zuletzt 729,27 Euro bewilligt (Änderungsbescheid vom 29.07.2010).
Am 05.08.2010 erhielt der Antragsteller aus einer Erbschaft eine Überweisung in Höhe von 3168,- Euro. Ihm wurde bereits zuvor mitgeteilt, dass die Erbschaft als Einkommen anzurechnen sei. Nach Angaben des Antragstellers sei ihm erklärt worden, dass eine Schuldentilgung die Anrechnung reduzieren könne. Der Antragsteller zahlte daraufhin an seinen Bruder Schulden aus dem Jahr 2001 zurück. Mit Änderungsbescheid vom 06.08.2010 wurde die Erbschaft auf fünf Monate verteilt und die monatliche Leistung bis Dezember 2010 auf 125,67 Euro reduziert. Dem Antragsteller wurde dabei mitgeteilt, dass der Anrechnungszeitraum verlängert werden könne, wenn er nachweise, dass die einmalige Zahlung für die Tilgung von Schulden vorgesehen sei und auch hierfür verwendet werde. Mit Schreiben vom 25.08.2010 teilte der Antragsteller mit, dass sein Bruder ihm das Geld nach Bekanntgabe der Bescheide vom 06.08.2010 wieder zurückgegeben habe. Er habe das Geld aber erneut an seinen Bruder gezahlt. Der Bruder bestätigte eine Schuldentilgung in Höhe von 3150,- Euro. Mit weiterem Bescheid vom 06.08.2010 wurde für Januar 2011 eine Leistung von ebenfalls 125,67 Euro bewilligt.
Dem Antragsteller wurde für die Zeit ab 01.10.2010 eine Rente wegen Erwerbsminderung mit einem monatlichen Zahlbetrag von 358,84 Euro bewilligt. Die vorherige Bewilligung wurde deshalb ab Oktober mit Änderungsbescheid vom 20.08.2010 vollständig aufgehoben.
Der Antragsteller erhob gegen die beiden Bescheide vom 06.08.2010 und den Bescheid vom 20.08.2010 Widerspruch, sowie gegen den nachfolgenden Widerspruchsbescheid vom 18.10.2010 Klage zum Sozialgericht (S 52 AS 3204/10).
Im weiteren Verlauf stellte der Antragsteller vier verschiedene Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz.
Im ersten Verfahren verfügte das Sozialgericht München mit Beschluss vom 22.09.2010 (S 22 AS 2504/10 ER), dass in der Zeit bis 31.12.2010 lediglich ein Zwölftel der Erbschaft als Einkommen angerechnet werden dürfe. Infolge dieses Beschlusses ergingen Änderungsbescheide vom 08.10.2010, in denen für die Zeit bis 31.12.2011 monatlich 136,43 Euro bewilligt wurden.
Mit Bescheid vom 25.11.2010 bewilligte der Antragsgegner Leistungen in Höhe von monatlich 136,43 Euro für die Zeit von Januar bis Juni 2011. Dabei rechnete er ein Zwölftel der Erbschaft als monatliches Einkommen an. Der Bescheid enthält eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung. Ein Widerspruch wurde gegen diesen Bescheid (bestätigt vom Antragsteller im Schreiben vom 12.02.2011) nicht erhoben.
Im zweiten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschied das Sozialgericht München mit Beschluss vom 15.12.2010 (S 52 AS 2921/10 ER), dass für Oktober bis Dezember 2010 darlehensweise weitere 130,- Euro monatlich zu gewähren seinen.
Im dritten Eilverfahren entschied das Sozialgericht München mit Beschluss vom 14.12.2010 (S 52 AS 3203/10 ER), dass dieser Antrag wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig sei. In diesem Verfahren teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 16.11.2010 mit, dass er sich erneut Geld geliehen habe.
Mit Änderungsbescheid vom 15.12.2010 wurde die monatliche Leistung für Januar bis Juni 2011 wegen einer geringfügigen Erhöhung der Grundmiete auf monatlich 138,88 Euro angehoben. Auch hiergegen wurde kein Widerspruch erhoben.
Den streitgegenständlichen vierten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellte der Antragsteller am 20.01.2011 an das Sozialgericht München. Er begehrte um 130,- Euro höhere Leistungen in Form von Darlehen auch für die Zeit ab 01.01.2011. Das Sozialgericht unterbreitete einen entsprechenden Vergleichsvorschlag (Schreiben vom 31.01.2011), dem der Antragsteller zustimmte, nicht aber der Antragsgegner.
Mit Änderungsbescheid vom 14.02.2011 wurde die monatliche Leistung für Januar bis Juni 2011 wegen einer geringfügigen Reduzierung der Rente auf monatlich 140,08 Euro angehoben. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Änderungsbescheid könne nur insoweit angegriffen worden, als die Änderung inhaltlich reiche. Es sei deshalb allein die Anpassung an die verminderte Rentenzahlung zu prüfen. Diese sei zutreffend erfolgt.
Mit Beschluss vom 21.02.2011 lehnte das Sozialgericht München den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Das Sozialgericht München habe bereits mit Schreiben vom 30.11.2010 (im Verfahren S 52 AS 2921/10 ER) eine vergleichsweise Regelung des Rechtsstreits angeregt, in dem das zusätzliche Darlehen von 130,- Euro monatlich bis August 2011 enthalten war. Dem habe der Antragsgegner zugestimmt, nicht aber der Antragsteller. Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Vergleich genau das angeboten habe, was der Antragsteller nun begehre.
Am 25.02.2011 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 21.02.2011 eingelegt. Die Lebensgrundlage sei nicht gesichert. Er habe nur die Rente von 357,64 Euro und 140,08 Euro an Arbeitslosengeld II zur Verfügung. Er habe den Vergleichsvorschlag nicht abgelehnt, nur die Richterin gebeten, ihm die Entscheidung abzunehmen. Dem neuen Vergleichsvorschlag vom 31.01.2011 habe er ja zugestimmt.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 21.02.2011 aufzuheben und den Beschwerdegegner vorläufig zu verpflichten, ihm über die bewilligten Leistungen hinaus für die Zeit ab 01.01.2011 bis August 2011 (Ende der Anrechung des Erbes) ein zusätzliches Darlehen in Höhe von 130,- Euro monatlich zu gewähren.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Es wird auch der Beschwerdewert von 750,- Euro überschritten (8 x 130,- = 1040,- Euro). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht zu verneinen. Der Antragsteller hatte im Eilverfahren S 52 AS 2921/10 ER einen Änderungsvorschlag zum Vergleich unterbreitet, was gleichbedeutend ist mit einer Ablehnung des vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs. Spätestens ab dem Beschluss vom 15.12.2010 konnte der Antragsteller den gerichtlichen Vorschlag nicht mehr annehmen. Im streitgegenständlichen erstinstanzlichen Verfahren hat wiederum der Antragsgegner den neuen gleichlautenden Vergleichsvorschlag abgelehnt.
Streitig ist, ob der Antragsteller für die Zeit ab 01.01.2011 bis 30.08.2011 vorläufig eine zusätzliche Leistung in Höhe von 130,- Euro monatlich in Form eines Darlehens erhalten kann. Die drei vorherigen erstinstanzlichen Eilverfahren befassten sich mit dem ursprünglichen Bewilligungszeitraum von Mai bis Dezember 2010.
Der Antragsteller begehrt eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz. Die Anrechung der Erbschaft wird - zu Recht - auch vom Antragsteller nicht bestritten. Die Verteilung der Erbschaft auf 12 Monate ist das Äußerste, was hier nach § 2 Abs. 4 Arbeitslosengeld II-Verordnung denkbar ist. Auch hat das Bundessozialgericht geklärt, dass die Anrechnung von einmaligen Einnahmen unabhängig vom jeweiligen Bewilligungszeitraum erfolgt und dass eine eigenverantwortliche Verwendung des Einkommens zur Schuldentilgung die Anrechnung auf Arbeitslosengeld II nicht verhindern kann (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R, zur Schuldentilgung auch BSG, Urteil vom 18.02.2010, B 14 AS 76/08 R, Rn. 21). Sonst stünde es im Belieben des Hilfebedürftigen, ob er Leistungen bekommt oder nicht.
Für den Zeitraum von 01.01.2011 bis 30.06.2010 liegt mit dem Bescheid vom 25.11.2010 eine bestandskräftige Entscheidung zum laufenden Leistungsanspruch vor. Wie der Antragsteller bestätigte, hat er gegen diesen Bescheid - und auch gegen den Änderungsbescheid vom 15.12.2010 zur geringen Mieterhöhung - keinen rechtzeitigen Widerspruch eingelegt. Der Änderungsbescheid vom 14.02.2011 hat bei verständiger Würdigung folgenden Regelungsgegenstand: Das bisher bewilligte Arbeitslosengeld II wird wegen der Minderung des Auszahlungsbetrags der Rente um monatlich 1,20 Euro erhöht. Eine Überprüfung der bisherigen Bewilligung war weder beantragt noch ist dies erfolgt. Falls der vorhergehende Bescheid bindend ist, kann nur der Änderungsbescheid und dieser nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 54 Rn. 7a). Über die laufende Bewilligung wurde daher bis 30.06.2011 bindend entschieden. Im Eilverfahren kann daher eine höhere laufende Bewilligung nicht erlangt werden.
Der Antragsteller begehrt ein Darlehen, weil er seinen laufenden Lebensunterhalt nicht decken könne. Damit macht er eine Sonderleistung wegen eines besonders dringendem Bedarfs infolge der Anrechung der Erbschaft geltend. Im Beschluss vom 15.12.2010 (S 52 AS 2921/10 ER) hatte das Sozialgericht deshalb unter Einbeziehung verfassungsrechtlicher Erwägungen und Hinweis auf § 23 Abs. 4 und 5 SGB II bis Dezember 2010 monatlich zusätzlich 130,- Euro zugesprochen.
Diesen besonderen Bedarf kann der Antragsteller als Antrag auf Abänderung der laufenden Bewilligung zu seinen Gunsten nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X geltend machen. Als Anspruchsgrundlagen kämen § 21 Abs. 6, § 23 Abs. 1 und § 22 Abs. 5 SGB II in Betracht.
Eine Übernahme von Mietschulden nach § 21 Abs. 5 SGB II ist hier nicht möglich, weil der Antragsteller nach seinen Angaben die Miete bezahlt, also keine Mietschulden hat, die das Mietverhältnis bedrohen. Wenn sich dies ändern sollte, kann er beim Antragsgegner einen entsprechenden Antrag stellen.
Nach § 23 Abs. 1 SGB II ist ein Darlehen zu erbringen, wenn im Einzelfall ein von der Regelleistung umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch Ansparvermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Aufgrund der automatischen Tilgung des Darlehens durch Aufrechnung (Ermessen bezüglich der Höhe der Aufrechnung) eignet sich diese Anspruchsgrundlage weniger für einen Dauerbedarf. Auch aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09) einen Härtefall-Mehrbedarf anerkannt, der nunmehr in § 21 Abs. 6 SGB II geregelt ist. Dieser setzt voraus, dass im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass keine der beiden Anspruchsgrundlagen einschlägig ist. Der Antragsteller kann seinen Bedarf auf andere Weise decken. Es fehlt daher an einem Anordnungsanspruch.
Zunächst verfügt er monatlich über rund 500,- Euro (357,64 Euro Rente und 140,08 Euro Arbeitslosengeld II). Er hat nach wie vor keine Schulden wegen Miete oder Energie, obwohl die Anrechung seit September 2010 erfolgt. Weiter fällt auf, dass der Antragsteller nach seinem Vortrag weiterhin monatlich eine Unfallversicherung von 20,91 Euro und eine Spende von 3,- Euro bezahlt, aber vorträgt, kein Geld zum Essen zu haben. Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsteller- entgegen seiner Beschwerdebegründung ohne Nachweise hierzu - nach wie vor Unterstützung aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis erhält.
Die Art und Weise der Schuldentilgung beim Bruder bestätigt diese Einschätzung. Der Antragsteller hat seinem Bruder die Schulden erst dann zurückgezahlt, nachdem er sich darüber kundig machte, ob ihm das bei der Verrechung mit Arbeitslosengeld II einen Vorteil bringen könnte. Dabei hat er allerdings missverstanden, dass eine Schuldentilgung allenfalls zu einem längeren Anrechungszeitraum führen kann (hier zwölf statt fünf Monate), nicht aber zu einer Nichtanrechnung. Nachdem die Erbschaft durch die Bescheide vom 06.08.2010 auf fünf Monate verteilt wurde, hat der Bruder dem Antragsteller das Geld zurückgegeben. Es ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, weshalb der Antragsteller das Geld dann erneut seinem Bruder gegeben hat. Im Schreiben vom 16.11.2010 teilte der Antragsteller dem Sozialgericht im Verfahren S 52 AS 3203/10 ER mit, dass er den Vergleich gerne um drei Monate vorverlegen wolle, weil er sich ab September 2010 Geld geliehen habe. Auch dies belegt die fortlaufende Unterstützung des Antragstellers. Es drängt sich insgesamt der Eindruck auf, dass der Antragsteller versucht, mit allen Mitteln die Schuldentilgung bei seinem Bruder aufrecht zu erhalten und dafür zum Ausgleich existenzsichernde Leistungen zu erlangen.
Im Ergebnis hat das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgewiesen. Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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