L 3 R 374/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 9 R 743/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 374/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

Der am ... 1964 geborene Kläger absolvierte nach seiner Schulausbildung (Zehn-Klassen-Abschluss) von September 1980 bis August 1982 erfolgreich eine Lehre als Maschinen- und Anlagenmonteur, Spezialisierungsrichtung Maschinenbau. Er war zuletzt bis zum 30. April 2003 als Metallbauschlosser versicherungspflichtig beschäftigt; seit dem 1. Januar 2005 bezieht er Arbeitslosengeld II.

Der Kläger beantragte am 19. September 2005 bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen-Anhalt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er leide unter Beschwerden am rechten Fuß. Nach dem von der LVA eingeholten Befundbericht von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Sch. vom 7. Oktober 2005 bestand bei dem Kläger seit Dezember 2004 Arbeitsunfähigkeit wegen einer Sepsis und Arthrose. Dem beigefügten Entlassungsbericht der Kreiskliniken A.-St. vom 5. April 2005 ist als Diagnose eine Streptokokken-Sepsis mit Angina tonsillaris, Pneumonie rechts sowie einer Beteiligung von Gelenken und Leber und einer geringen Mitralinsuffizienz zu entnehmen. Das komplexe Infektgeschehen sei bei der Entlassung beherrscht gewesen.

Die Beklagte holte ein Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie Dr. B. vom 14. November 2005 ein. Der Kläger habe bei der Untersuchung u.a. angegeben, beim Tragen geschlossener Schuhe (nicht bei offenen Schuhen/Sandalen) trete eine Vorwölbung am rechten Fußrücken mit Schmerzen nach zwei bis drei Stunden auf. Bei mehrstündigem Gehen nehme die Schwellung zu. Die vorhandenen Einlagen trage er nicht, da er mit Schuhgröße 47 Schwierigkeiten bei der Beschaffung passender Konfektionsschuhe habe. Als Funktionsdiagnose liege bei dem Kläger eine leichte Blockierung des Talonaviculargelenks (Mittelfußgelenk) rechts mit geringer Bewegungseinschränkung der Sprunggelenke bei beidseitigem Spreizfuß vor. Es bestehe kein Anhalt für Folgen der Sepsis. Die Beschwerden des Klägers könnten durch regelmäßiges Tragen gut sitzender Einlagen in passendem Schuhwerk, eine Behandlung mit Interfrequenzstrom/Kurzwelle und eine krankengymnastische Mobilisation innerhalb kürzester Zeit beseitigt werden. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und der beruflichen Belastbarkeit bestehe nicht. Dem Kläger seien sowohl die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenanlagenmonteur in einer Metallfirma als auch körperlich schwere Arbeiten ohne Einschränkung vollschichtig zumutbar. Einschränkungen in Bezug auf Fähigkeit, Wegstrecken zur Arbeit zurückzulegen, bestünden nicht.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers ab. Sein Leistungsvermögen erlaube ihm Arbeiten von sechs Stunden und mehr täglich für sämtliche Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes (Bescheid vom 13. Januar 2006, Widerspruchsbescheid vom 15. November 2006).

Mit seiner am 24. November 2006 zur Niederschrift bei der Beklagten erklärten Klageerhebung, die am 27. November 2006 bei dem Sozialgericht Magdeburg eingegangen ist, hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die Behandlung seiner Krankheiten sei noch nicht abgeschlossen. Er könne sich nur mit einer Gehhilfe fortbewegen und sei insbesondere deshalb nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er leide seit der Sepsis unter häufiger Übelkeit, insbesondere in den Morgenstunden; er müsse sich daher morgens öfter übergeben und habe ein fast ständig andauerndes Sättigungsgefühl, keinen Hunger und Schweißausbrüche. Sein Fuß habe sich zwischenzeitlich derart verformt, dass dieser in keinen Schuh mehr passe. Er hat auf beigefügte Krankenhausentlassungsberichte des Universitätsklinikums M. verwiesen: Während einer stationären Behandlung vom 14. bis zum 23. Dezember 2006 wurde bei dem Kläger eine Arthrodese des Talonvikulargelenks mit einer Malleolarschraube und vier Staples durchgeführt. Nach dem Entlassungsbericht vom 23. Dezember 2006 wies das Großzehengrundgelenk degenerative Veränderungen im Sinne einer Arthrose auf. Während einer stationären Behandlung vom 2. bis zum 8. Oktober 2007 erfolgte die Metallentfernung. Nach dem Entlassungsbericht vom 8. Oktober 2007 bestand die Schmerzsymptomatik bei fraglicher knöcherner Durchbauung fort mit einer Mobilisierung unter Vollbelastung nach Abschluss der Wundheilung. Nach dem Entlassungsbericht vom 16. April 2008 ist während des Aufenthalts vom 2. bis zum 16. April 2008 eine Re-Arthrodese mit zwei Schrauben und drei Staples durchgeführt worden. Der Kläger sei mit einer teilweisen Mobilisierung unter Entlastung entlassen worden.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von dem Facharzt für Orthopädie Dr. J., der an der Orthopädischen Klinik des Universitätsklinikums M. tätig ist, vom 28. Dezember 2007 eingeholt. Danach ist im Verlauf der Behandlung keine wesentliche Besserung der Beschwerden des Klägers am rechten Fuß - mit Entwicklung einer Pseudoarthrose - eingetreten. Er könne noch vollschichtig Arbeiten überwiegend im Sitzen (ohne Zwangshaltungen und Witterungseinflüsse) verrichten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. Oktober 2008 abgewiesen. Der Kläger sei nicht in einem zu einer Rente berechtigen Umfang erwerbsgemindert, da er noch in der Lage sei, zumindest sechs Stunden täglich (irgend)einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Diese Überzeugung basiere auf den Feststellungen in dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von November 2005 und dem Befundbericht der orthopädischen Uni-Klinik von Dezember 2007. Die von dem Kläger geklagten Beschwerden führten allenfalls dazu, dass er spezielle Schuhe tragen müsse, nicht aber dazu, dass er nicht mehr arbeiten könne.

Gegen das ihm am 14. November 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger mit seinem am 6. November 2008 bei dem Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die am 20. November 2008 bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingegangen ist. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Durch die Therapien habe der Befund an seinem rechten Fuß nicht gebessert werden können. Er leide nach wie vor unter starken Schmerzen im rechten Fuß, die sich bei Belastung noch verstärkten und bis in das Knie zögen. Durch die Fehlbelastung habe er auch Rückenschmerzen. Er beobachte Veränderungen an der Operationsnarbe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Oktober 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. September 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist insbesondere auf ein von der ARGE A.-St. erstelltes Gutachten nach Aktenlage vom 6. Juli 2007, aus dem eine Minderbelastbarkeit des rechten unteren Sprunggelenks des Klägers mit einer leichten Schwellneigung, belastungsabhängige Schmerzen und Funktionseinschränkungen des rechten Mittelfußes, eine Fußfehlbildung, geringe Bewegungseinschränkungen beider Sprunggelenke und ein unbedeutender Herzklappenfehler zu entnehmen sind. Der Kläger könne noch vollschichtig auch gelegentlich mittelschwere Arbeiten verrichten.

Der Senat hat zunächst durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Nach dem Befundbericht von Herrn Sch. vom 31. Oktober 2009 ist bei dem Kläger eine reaktive Depression als Befund hinzugetreten. Die Polymorbidität habe zugenommen, mit einer Verschlechterung der physischen und psychischen Leistungsinsuffizienz. Dem beigefügten Entlassungsbericht des Universitätsklinikums M. vom 6. August 2009 ist die Entfernung einer Schraube am 26. Juni 2009 zu entnehmen. Der Kläger sei mit reizlosen Wundverhältnissen mit einer primären Mobilisierung an Unterarmgehstützen unter Entlastung entlassen worden. Aus dem Arztbrief dieser Einrichtung vom 27. August 2009 geht hervor, es bestünden reizlose Narbenverhältnisse mit einer teigigen Schwellung im Bereich des Mittelfußes, einem Verwringungsschmerz und einem lokalen Druckschmerz. In der durchgeführten Röntgenkontrolle habe sich eine gut sitzende Arthrodese mit knöcherner Konsolidierung gezeigt. Schließlich sei bei fortbestehenden Beschwerden auch die verbliebene Osteosyntheseschraube am 15. Dezember 2009 entfernt worden. Nach dem von der Fachärztin für Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie/Chirotherapie Dr. R. unter dem 4. November 2009 erstellten Befundbericht hat im Ergebnis der Behandlung der chronische Schmerzzustand in gewissem Rahmen stabilisiert werden können. Bei einer nur geringen Mehrbeanspruchung stelle sich sofort wieder eine deutliche Verschlechterung der Beschwerden ein. Aus dem Befundbericht der Fachärztin für Innere Medizin P. vom 5. November 2009 ist nur eine Konsultation des Klägers dort mit Durchführung eines EKG am 30. Oktober 2008 zu entnehmen. In der Ergometrie sei er bis 125 Watt belastbar gewesen. Aus dem Befundbericht des Facharztes für Orthopädie/Handchirurgie Dr. F. vom 29. April 2010 geht hervor, die körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers, der davon ausgehe, nur noch einen 1 km gehen zu können, sei erheblich gemindert. Die Oberschenkelmuskulatur sei beidseitig, die Wadenmuskulatur rechts atrophiert. Die Wunde am Fuß sei nicht vollständig geschlossen mit verschieblichen Wundrändern. Es sei eine Magnetresonanztomografie (MRT) veranlasst und ferner ein Rezept für die Korrektur der dem Kläger 2008 verordneten orthopädischen Schuhe ausgestellt worden, da diese nach seinen Angaben nicht passten.

Der Senat hat sodann ein Gutachten von der Fachärztin für Innere Medizin/Sozialmedizin/Betriebsmedizin Dr. H. vom 19. Mai 2010 eingeholt. Der Kläger habe bei der am 26. Februar 2010 durchgeführten Untersuchung angegeben, nur noch maximal einen Kilometer gehen zu können und bis zu drei Schmerztabletten täglich einzunehmen. Die Hauswirtschaft verrichte er einschließlich des Kochens selbst. Nach dem Essen sitze er vor dem Fernseher oder am PC, beschäftige sich mit Spielen oder Schreibarbeiten, z.B. der Fertigstellung der C. Chronik. Er habe eine Katze, ein Kaninchen und einen Garten zu versorgen. Abends trinke er maximal drei Flaschen Bier, hochprozentigen Alkohol nehme er nicht zu sich. Der Führerschein sei ihm 1995 wegen Fahrens unter Alkohol am Steuer entzogen worden.

Der Kläger habe mit einem rechts hinkenden Gangbild in Sandalen an einer Unterarmgehstütze den Untersuchungsraum in normalem Schritttempo betreten. Orthopädische Schuhe benutze er nicht. Die Hüft- und Kniebeweglichkeit sei frei gewesen mit einem Krepitieren (Geräusch bei dem Aufeinanderreiben rauher Flächen) am linken Kniegelenk. Der rechte Vorfuß und das mittelgradig bewegungseingeschränkte rechte Sprunggelenk seien leicht teigig geschwollen gewesen mit einer 5 cm langen, schorfig belegten und nicht vollständig verschlossenen Wunde, die mit einem Verband versorgt sei. Eine Gehstrecke von 300 m habe er in den Räumlichkeiten in sechs Minuten absolviert, im langsamen Tempo, später fast schleichend und ab 120 m mit Angabe von Schmerzen rechts vom Oberschenkel bis in den Fuß. Die Fußsohlen seien seitengleich beschwielt gewesen. Die Ergometrie habe eine Belastbarkeit bis 125 Watt ergeben, ohne subjektiven oder objektiven Abbruchgrund. Die Laborparameter zeigten einen Alkoholmissbrauch, einen Leberparenchymschaden, eine Thrombozytopenie und eine Hypercholesterinämie. Wesentliche geistige oder psychische Störungen hätten sich nicht gezeigt. Die bewusstseinsnah gesteuerten Verdeutlichungstendenzen seien bei zumutbarer Willensanspannung sofort zu überwinden und würden ohne weiteres Zutun verschwinden, wenn der Kläger sein Ziel der Rentenzuerkennung erreicht habe. Bei dem Kläger lägen als Gesundheitsstörungen vor:

Wundheilungsstörung nach zweifacher Arthrodese des Talonavikulargelenks mit mittelgradigen Funktionsstörungen und Fußwurzelarthrose rechts, Großzehengrundgelenksarthrose rechts.

Zustand nach Sepsis durch Infektion mit betahämolysierenden Streptokokken bei akuter Angina tonsillaris mit Pneumonie rechts und Gelenkbeteiligung.

Alkoholtoxischer Leberparenchymschaden mit splenomegaler Markhemmung ohne hepatische Enzephalopatie.

Im Rahmen der körperlichen und apparativen Untersuchungsbefunde seien belastungsabhängige Schmerzen am rechten Fuß mit Beeinträchtigungen beim längeren Gehen - nicht aber die Beschwerden am rechten Hüftgelenk - zu objektivieren gewesen. Der Kläger könne noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in überwiegend sitzender Haltung, ohne häufiges Bücken, Knien, Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel sowie ohne Arbeiten unter Einwirkung von Nässe oder Zugluft, auf Gerüsten oder Leitern sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Es liege eine volle Gebrauchsfähigkeit der Hände vor. Er sei durchschnittlichen Anforderungen an die geistig-psychisch-mnestischen Fähigkeiten gewachsen, ohne Einschränkungen durch die regelmäßige Einnahme des Analgeticums. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht erheblich eingeschränkt. Das Ausmaß der vorgetragenen Beeinträchtigungen, insbesondere die Aussage des Klägers zur Beschränkung der Gehfähigkeit auf 1.000 m, seien nicht mit den klinischen und apparativen Untersuchungsbefunden zu vereinbaren. Es sei deshalb eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren anzunehmen. Der Schwerpunkt der effektiven Behandlung sei bei dem zum Zeitpunkt der Untersuchung 45-jährigen Kläger auf psychosoziale Interventionen (Wiedereingliederung in das Berufsleben) zu richten, zumal auch ein Alkoholmissbrauch eine nicht unerhebliche Rolle spiele. Die Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe nach Aktenlage seit der Rentenantragstellung und voraussichtlich auf Dauer.

Dr. F. hat in seinem von dem Senat eingeholten weiteren Befundbericht vom 1. Juni 2010 als Diagnosen neben einer erworbenen Plattfußbildung mit Subluxation des rechten Fußes mit chronischer Wundheilungsstörung eine Borreliose Stadium II/III mitgeteilt. Dem beigefügten Bericht des B. Labors in J. vom 19. April 2010 ist eine nach dem serologischen Befund wahrscheinlich vorliegende Borrelieninfektion zu entnehmen.

Der Kläger hat unter dem 25. Juni 2010 ausgeführt, als Fachärztin für Innere Medizin könne Dr. H. seine im Wesentlichen dem orthopädischen Fachgebiet zuzuordnenden Beschwerden nicht zutreffend beurteilen. Die Angaben in ihrem Gutachten seien teilweise unzutreffend, sodass sich die Frage stelle, wen die Sachverständige untersucht habe: der Einbeinstand rechts sei ihm nicht möglich gewesen; er bewirtschafte keinen Garten und habe nie Augentropfen genommen. Da sie seine Lymphknoten nicht abgetastet habe, habe Dr. H. die von ihr angegebene Feststellung, diese seien nicht vergrößert, nicht treffen können. Die Untersuchung habe um die Mittagszeit stattgefunden. Am Abend weise sein Vorfuß eine größere Umfangsdifferenz gegenüber der Gegenseite von 3 cm auf. Er habe bei der Ergometrie zwar keine Beschwerden vorgetragen, solche aber empfunden. Weitere Nachuntersuchungen seines Fußes stünden an. Nach dem zuletzt übersandten Entlassungsbericht des Universitätsklinikums M. vom 14. September 2010 ist während der dort vom 26. August bis zum 15. September 2010 durchgeführten Behandlung der Beckenkammspan links entnommen worden. Der Kläger habe den Eingriff gut toleriert. Bei trockenen reizlosen Wundverhältnissen sei er mit einer Teilbelastung von 20 kg mobilisiert in die ambulante Behandlung entlassen worden.

Dr. H. hat in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 16. Oktober 2010 ausgeführt, der von Dr. F. angegebene Befund decke sich mit Ausnahme der Atrophie der Wadenmuskulatur mit den von ihr selbst erhobenen Befunden. Nach der nochmaligen Versteifung des Talonvikulargelenks und von Teilen der Fußwurzelknochen im August 2010 seien schon am 12. September 2010 reizlose Wundverhältnisse gegeben gewesen. Die Mobilisierung sei in typischer Weise an Unterarmgehstützen bei subjektivem Wohlbefinden erfolgt. Die mitgeteilte Borrelienserologie 2008 und 2010 spreche anhand des Antikörpermusters eher für eine durchgemachte Infektion, die mit einer Titerkontrolle im Verlauf besser beurteilt werden könne. Für das Leistungsbild ergäben sich hieraus sowie aus den im Schriftsatz des Klägers vom 25. Juni 2010 vorgebrachten Beanstandungen keine weiteren als die bereits berücksichtigten Einschränkungen. Auch auf Grund der nun vorgelegten Berichte bestehe kein Grund für die Einholung eines weiteren Gutachtens.

Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz vom 26. November 2010 Stellung genommen und auf die Notwendigkeit einer weiteren Operation hingewiesen, deren Ergebnis noch immer ungewiss sei, sodass Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen von Dr. H. bestünden. Es stelle sich die Frage der Notwendigkeit eines weiteren Gutachtens, um den orthopädischen Bereich abzudecken und eine Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit durch die Infektion zu klären. Seit Oktober 2010 trage er einen orthopädischen Schuh. Die Wunde sei noch nicht verheilt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt ihn deshalb nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Gemäß § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert in diesem Sinne. Er ist noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in überwiegend sitzender Haltung, ohne häufiges Bücken, Knien, Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel sowie ohne Arbeiten unter Einwirkung von Nässe oder Zugluft, auf Gerüsten oder Leitern zu verrichten. Seine Hände sind in vollem Umfang gebrauchsfähig. Der Kläger ist auch durchschnittlichen Anforderungen an die geistig-psychisch-mnestischen Fähigkeiten gewachsen.

Dieses Leistungsbild ergibt sich im Wesentlichen aus den überzeugenden Feststellungen in dem Gutachten von Dr. H. vom 19. Mai 2010. In dem für die Agentur für Arbeit Sangershausen erstellten Gutachten vom 6. Juli 2007 wird auf die Notwendigkeit einer beruflichen Neu- und Umorientierung des Klägers verwiesen, aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers auch für gelegentlich mittelschwere Arbeiten bejaht. Auch Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 14. November 2005 eine wesentliche Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und der beruflichen Belastbarkeit des Klägers - auf der Grundlage des Zustands vor der am 15. Dezember 2006 durchgeführten Arthrodese-Operation - verneint.

Bei dem Kläger liegt auf orthopädischem Fachgebiet ein Zustand nach zweifacher Arthrodese des Talonavikulargelenks vor. Daraus resultieren an der rechten unteren Extremität eine Fußwurzel- und eine Großzehengrundgelenksarthrose mit der Folge mittelgradiger Funktionsstörungen. Das rechte Sprunggelenk ist mittelgradig bewegungseingeschränkt. Der rechte Vorfuß und das rechte Sprunggelenk sind zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. H. leicht teigig geschwollen gewesen mit einer 5 cm langen, schorfig belegten und nicht vollständig verschlossenen und mit einem Verband versorgten Wunde. Es ist überzeugend, dass dem Kläger nach Auffassung von Dr. H. auf Grund dieser Befunde Arbeiten nur überwiegend im Sitzen zumutbar sind und keine Arbeiten auf Leitern bzw. Gerüsten oder mit häufigem Bücken, Knien, Heben Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel erfolgen sollen. Einschränkungen in Bezug auf sitzende Tätigkeiten lassen sich aus den Feststellungen von Dr. H. nicht ableiten. Sie hat festgestellt, die Hüft- und Kniebeweglichkeit sei bei der Untersuchung frei gewesen; die vom Kläger angegebenen Beschwerden an den Hüften seien nicht objektivierbar. Soweit der Kläger eine unzureichende Qualifikation der Sachverständigen Dr. H. auf orthopädischem Fachgebiet gerügt hat, vermag das für den Senat die Aussagekraft ihrer Leistungseinschätzung nicht zu beeinträchtigen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass Dr. H. nicht nur Fachärztin für Innere Medizin, sondern auch Fachärztin für Sozialmedizin und Betriebsmedizin ist. Wesentlich ist für die Frage einer Erwerbsminderung des Klägers im Übrigen das Vorliegen einer Funktionsstörung, die Dr. H. in ihrem Gutachten vom 19. Mai 2010 im Einzelnen beschrieben hat. An dem Krankheitsbild selbst besteht nach den vorliegenden diversen Berichten kein Zweifel, der Anlass zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts geben könnte.

Auf internistischem Fachgebiet ergeben sich für den Senat keine das Leistungsbild wesentlich einschränkenden Gesundheitsstörungen bei dem Kläger. Aus dem Zustand nach Sepsis mit Streptokokken und einer dadurch bewirkten akuten Angina tonsillaris, Pneumonie rechts und einer Leber- und Gelenkbeteiligung gehen resultieren keine über den orthopädischen Befund hinausgehenden Funktionsstörungen. Die Laborparameter deuten auf einen Alkoholmissbrauch, eine Thrombozytopenie, eine Hypercholesterinämie sowie eine wahrscheinlich durchgemachte Borrelieninfektion hin. Die Laborbefunde haben sich in einem alkoholtoxischen Leberparenchymschaden mit einer splenomegaler Markhemmung ohne hepatische Enzephalopatie manifestiert. Daraus ergeben sich aber insbesondere keine wesentlichen Einschränkung der kardio-pulmonalen Belastbarkeit des Klägers. Auch in der von Dr. H. durchgeführten Ergometrie hat sich eine kurzzeitige Belastbarkeit des Klägers bei 125 Watt ohne subjektiven oder objektiven Abbruchgrund gezeigt. Soweit der Kläger nachfolgend über dabei aufgetretene, aber von ihm nicht geäußerte Beschwerden berichtet hat, steht dies dem tatsächlich dokumentierten Leistungsvermögen nicht entgegen. Sinn der Fahrradergometrie ist insbesondere, den Zeitpunkt der Ausschöpfung der Leistungsreserven zu ermitteln. Auch Dr. P. hat in ihrem Befundbericht vom 5. November 2009 auf die Notwendigkeit eines Trainierens hingewiesen. Auf die Einwendungen des Klägers hat Dr. H. auf Nachfrage im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 16. Oktober 2010 eine weitergehende Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers durch die anamnestisch mitgeteilte Borrelieninfektion ausdrücklich verneint.

Wesentliche geistige oder psychische Störungen haben sich im Laufe des Verfahrens bei dem Kläger nicht gezeigt. Dr. H. hat bewusstseinsnah gesteuerte Verdeutlichungstendenzen geschildert, die er bei zumutbarer Willensanspannung sofort überwinden könne. Es bestehen auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durchschnittlichen Anforderungen an die geistig-psychisch-mnestischen Fähigkeiten nicht gewachsen sein könnte. Die naheliegende Frage einer Einschränkung dieser Fähigkeiten durch die regelmäßige Einnahme des Analgeticums hat Dr. H. ausdrücklich verneint. Die teilweise nicht mit den objektiven Befunden in Übereinstimmung zu bringenden Schmerzen des Klägers deuten auf eine Schmerzstörung hin, die aber für sich genommen keinen weiteren leistungsmindernden Krankheitswert hat.

Bei dem Kläger liegen auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für zumindest leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.).

Auch liegt im Fall des Klägers kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, GS, a.a.O.,= S. 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die genannte Strecke nicht in der erforderlichen Zeit zurücklegen kann, sind nicht erkennbar. Der Kläger selbst hat eine ihm noch mögliche (reduzierte) Gehstrecke von 1.000 m angegeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Dr. H. auch diese Limitierung nicht für nachvollziehbar erachtet hat.

Andere Gründe für die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes, wie eine unübliche "Pausensetzung" oder häufige unvoraussehbarer Arbeitsunfähigkeitszeiten von langer Dauer, haben sich im Rahmen der Begutachtungen nicht bestätigen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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